Mitwirkung des Notars an sogenannten Firmenbestattungen
letzte Aktualisierung: 9.8.2019
BGH, Beschl. v. 8.4.2019 – NotSt (Brfg) 5/18
Mitwirkung des Notars an sogenannten Firmenbestattungen
Zur disziplinarischen Ahndung der Mitwirkung an sogenannten Firmenbestattungen.
Gründe:
I.
Der im Jahr 1950 geborene Kläger wurde 1981 als Rechtsanwalt zugelassen
und 1991 zum Notar bestellt. Im Februar 2016 prüfte der Beklagte die
Amtsgeschäfte des Klägers. Das führte zu Beanstandungen in dem Prüfbericht
vom 24. Februar 2016 wie folgt:
"Seit März 2014 erschien regelmäßig der unter zwei verschiedenen Anschriften
in London/England wohnhafte [N.] bei dem Notar, um in einer Vielzahl von Fällen gesellschaftsrechtliche
Beurkundungen zu beauftragen. Inhalt der von dem Notar aufgenommenen
Niederschriften ist ganz regelmäßig der Erwerb sämtlicher Anteile an über
ganz Deutschland verteilten, Not leidenden Gesellschaften der unterschiedlichsten
Wirtschaftsbereiche. In ebenso regelmäßig zugleich beurkundeten Gesellschafterversammlungen
wurde der jeweilige Verkäufer sodann als Geschäftsführer abberufen, ihm
Entlastung erteilt, [N.] zum neuen Geschäftsführer bestellt und - ohne den Sitz zu ver-
legen - eine neue Geschäftsanschrift beschlossen. Bei dieser neuen inländischen Geschäftsanschrift
handelte es sich in allen Fällen um die [B. Straße, in [T.].
Während [N.] zunächst noch selbst die Geschäftsanteile erwarb, gründete er
am 11. Mai 2015 zu der UR-Nr. 310/15 des Notars eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
unter der Firma [B.] mit der Geschäftsanschrift [B. Straße, T. ]
und dem Gegenstand der Eigen- und Fremdverwaltung von Kapitalgesellschaften und
deren Abwicklung. Alleingesellschafter und Geschäftsführer wurde [N.]. … fortan erwarb
[N.] jeweils "als Geschäftsführer der [B.]" … die Geschäftsanteile.
Jeder der Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsverträge enthält folgende Regelung:
Der Kaufpreis für den Geschäftsanteil beträgt -… Euro. Der Kaufpreis wird erst
nach Abschluss der Sanierung der Gesellschaft bzw. einer positiven Jahresbilanz …
fällig. … Sollte die Sanierung der Gesellschaft nicht erfolgreich sein, die Gesellschaft
liquidiert werden oder Insolvenz angemeldet werden müssen, ist kein Kaufpreis an den
Verkäufer zu zahlen. Die Übertragung erfolgt in diesem Fall unentgeltlich.
Nach dem vorgenannten Muster kam es allein in 2015 zu folgenden Geschäftsanteilskauf
und -abtretungsverträgen mit [N.] bzw. ab 12. Mai 2015 durch ihn als Geschäftsführer
der B. als Erwerber, wobei der Notar jeweils mit der nachfolgenden URNr.
die entsprechenden Registeranmeldungen beurkundete. [Es folgt eine Auflistung
von 47 Beurkundungsvorgängen].
Im Jahr 2015 sind inhaltlich vergleichbare Verträge insbesondere mit denselben
Regelungen zum Kaufpreis unter Beteiligung eines [L.] aus [D.] als Erwerber durch
Beurkundungen des Notars geschlossen worden [es folgt eine Auflistung von 13 Beurkundungsvorgängen]."
Obwohl der Kläger in seiner Stellungnahme vom 2. Mai 2016 angekündigt
hatte, seine Beurkundungstätigkeit für N. bis zur Klärung vorsorglich einzustellen,
beurkundete er für ihn im Zeitraum von August 2016 bis zum 10. Oktober
2016 weitere vier Anteilskäufe mit inhaltlich den bisherigen entsprechenden
Regelungen.
Am 17. November 2016 verstarb N. Ein gegen ihn von der Staatsanwaltschaft
Kiel geführtes Ermittlungsverfahren wegen Bankrotts (
nachdem es zuvor noch zu einer Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume
des N. in der B. Straße sowie A. A. 2, jeweils in T. , gekommen
war, aus diesem Grund eingestellt.
Mit Schreiben vom 27. März 2017 leitete der Beklagte gegen den Kläger
wegen des Verdachts von Verstößen gegen
sogenannter Firmenbestattungen ein Disziplinarverfahren ein. Gegenstand
des Disziplinarverfahrens waren die bereits im Prüfbericht genannten 47
Beurkundungen für N. und dessen Gesellschaften sowie die vier weiteren danach
von dem Kläger für N. vorgenommenen Beurkundungen, die bereits in
dem Prüfbericht genannten 13 Beurkundungen unter Beteiligung des L. sowie
neun weitere im Jahr 2016 für diesen durchgeführte Beurkundungen, jeweils
den Erwerb von Geschäftsanteilen verschiedener Gesellschaften, u.a. eingetragen
in den Handelsregistern Duisburg, Bad Oeynhausen, Stendal, Köln, Stuttgart
und Siegen durch L. betreffend. Ferner waren Gegenstand des Verfahrens
16 Beurkundungsvorgänge für einen R. und dessen Gesellschaften, der S. -
UG und der N. GmbH. In Bezug auf letztere enthält die Einleitungsverfügung
folgende Ausführungen:
"Gemäß Ihrer Urkunde UR-Nr. [ ] vom 21. Januar 2016 hat [R.] als Vorstandsvorsitzender
des [Vereins e.V.] die Firma der a. UG (haftungsbeschränkt), deren alleiniger
Gesellschafter der Verein ist, in "S. UG"] umbenannt. Gemäß Satzung dieser UG
mit Sitz in T. ist Gegenstand des Unternehmens: ... An- und Verkauf von Unternehmensbeteiligungen,
… Dienstleistungen rund um die Bestattung von Menschen, …
Planung, Errichtung und Betrieb eines Tierfriedhofs für Großtiere … .
Mit Ihrer Urkunde UR.-Nr. [ ] vom 10. März 2016 erwarb die S. UG die N.
GmbH, … wobei der Kaufpreis von 9.500,-- Euro erst nach Abschluss der Sanierung
der Gesellschaft bzw. einer positiven Jahresbilanz für 2017 zu zahlen war. Sollte die
vorrangig beabsichtigte Sanierung der Gesellschaft nicht erfolgreich sein, die Gesellschaft
liquidiert werden oder Insolvenz angemeldet werden müssen, sollte kein Kaufpreis
an den Käufer zu zahlen sein. Gemäß UR.-Nr. [ ] wurde zum Handelsregister die
Geschäftsanschrift [B.-Straße, T. ] angemeldet. Die Geschäftsanschrift wurde mit
Handelsregisteranmeldung vom … in [A., T.], die Privatanschrift des [R.], geändert.
Die N. GmbH erwarb [hier folgt eine Auflistung von drei Beurkundungsvorgängen
zum Erwerb von Anteilen verschiedener, u.a. in den Handelsregistern des AG
Koblenz und des AG Hamburg eingetragener Gesellschaften mit beschränkter Haftung
sämtlich aus dem Jahr 2016], wobei jeweils unterschiedliche Kaufpreise für die Geschäftsanteile
ausgewiesen wurden und die Regelungen zur Zahlung der vorstehend
dargestellten Regelung (…) entsprachen. Die Geschäftsadresse der [ ] GmbH wurde
von [B. Straße] in A. geändert, während für die später erworbenen Gesellschaften sofort
die Privatadresse des R. als neue Geschäftsanschrift angegeben wurde.
Die N. GmbH erwarb [hier folgt eine Auflistung von zehn Beurkundungsvorgängen
zum Erwerb von Anteilen verschiedener Gesellschaften mit beschränkter Haftung
ua einer M.T. GmbH aus Berlin sowie weiterer Gesellschaften aus Hilden, Berlin,
Hamm, Nordharz, Stuttgart, Adendorf und Isernhagen sämtlich aus dem Jahr 2016]. Im
Gegensatz zu den [vorgenannten Veräußerungen] an die N. GmbH wurden die letztgenannten
Gesellschaften jeweils zur Liquidation verkauft, weshalb jeweils vereinbart
wurde, dass der ausgewiesene Kaufpreis nur dann geschuldet ist, wenn die Liquidation
der Gesellschaft einen Überschuss des Liquidationserlöses über die Ausgaben und
Verbindlichkeiten nach Steuern in Höhe von 200 % des Kaufpreises erbringt.
Die so übertragene [M.T. GmbH] wurde mit UR.-Nr. [ ] am 13. Juni 2016 für
1,-- Euro von der N. GmbH an die [S. UG] verkauft. Mit [ ] vom 14. Juni 2016 verkaufte
die [S. UG] die [M.T. GmbH] an [ ], den ehemaligen Geschäftsführer der [M.T. GmbH]."
Nach Stellungnahmen des Notars vom 2. Juni 2017 und vom
20. September 2017 erteilte der Beklagte dem Kläger mit Disziplinarverfügung
vom 20. Oktober 2017 einen Verweis wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2
BNotO und verhängte eine Geldbuße in Höhe von 3.500 €.
Das Kammergericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Die
Berufung hat es nicht zugelassen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung,
weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden
(
II.
1. Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
der Kläger habe seine Amtspflichten unter Verstoß gegen § 14 Abs. 2
BNotO und
der Notar bereits dann unredlich, wenn er an Geschäften mitwirke, bei denen
sich die Verfolgung unredlicher Ziele als möglich darstelle oder gar aufdränge.
Einen solchen Vorwurf müsse sich der Kläger vorliegend machen lassen. Es
hätten gewichtige Anhaltspunkte dafür bestanden, dass N., L. und R. mit den
von ihnen bei dem Kläger veranlassten Beurkundungen an möglicherweise illegalen
oder doch unredlichen Zwecken dienenden Firmenbestattungen mitgewirkt
hätten. Unter einer Firmenbestattung verstehe man im Allgemeinen die
Abwicklung einer insolventen oder insolvenzgefährdeten Gesellschaft mit beschränkter
Haftung außerhalb der vorgesehenen gesetzlichen Vorschriften. Typischerweise
würden die Anteile an einen Käufer veräußert, der zur Fortführung
der Geschäfte weder geeignet noch willens sei, bei dem es sich in der Regel
um eine - häufig im Ausland ansässige - vermögenslose Person oder Gesellschaft
handle. Gleichzeitig würden die bisherigen Geschäftsführer abberufen
und neue Geschäftsführer bestellt, die Firma werde geändert und der Sitz verlegt,
die Geschäftsunterlagen planmäßig beiseitegeschafft und vernichtet.
Zwar müsse die Abwicklung von Kapitalgesellschaften nicht immer unredlich
oder sogar illegal sein. Auch wiesen die hier in Rede stehenden Beurkundungen
nicht alle dargestellten Indizien für eine Firmenbestattung auf. Die
alleinige Zielsetzung früherer Gesellschafter bzw. Geschäftsführer, sich vom
Makel einer Insolvenz befreien zu wollen, begründe möglicherweise den Vorwurf
der Unredlichkeit auch noch nicht. Trete aber die Möglichkeit einer Gläubigerbenachteiligung
hinzu, stehe der Vorwurf des unredlichen Handelns der Urkundsbeteiligten
konkret im Raum. Dem hätte der Kläger im Rahmen seiner
sich aus
müssen. Die folgenden Anhaltspunkte hätten dem Kläger Anlass geben müssen,
von weiteren Beurkundungen ohne genaue Prüfung abzusehen:
Eine Gläubigerbenachteiligung sei vorliegend zu befürchten gewesen.
Der Kläger habe in den Jahren 2015 und 2016 in 51 Fällen die Übernahme sanierungsbedürftiger
oder zu liquidierender Gesellschaften durch N., in 16 Fällen
durch R. und in 22 Fällen durch L. beurkundet. Er bestreite nicht, dass es sich
hierbei um von ihm für legal gehaltene Firmenbestattungen gehandelt habe, die
immer nach dem gleichen Muster abgelaufen seien. Angesichts der Vielzahl der
übernommenen Geschäftsführeraufgaben und der Verschiedenheit der Geschäftszweige
der erworbenen Gesellschaften sei eine ordnungsgemäße Geschäftsführung
unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen gewesen.
Der Kläger habe gewusst, dass N. allenfalls eine Mitarbeiterin gehabt habe,
hinsichtlich R. und L. trage er lediglich vor, diese seien für ihn erreichbar gewesen.
Die Verbindung von N., R. und L. untereinander habe er gekannt. N. und
R. hätten zeitweise unter der gleichen Anschrift gewohnt. Dort habe R. auch
seine Geschäftsadresse gehabt. Zwei von R. erworbene Gesellschaften hätten
ihren Sitz unter der Geschäftsadresse von N. gehabt, L. habe N. 2015 als Geschäftsführer
der P.-GmbH abgelöst.
Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass die Gesellschaften zu liquidieren
oder sanierungsbedürftig und damit insolvenzgefährdet gewesen seien. Als ungewöhnlich
hätte ihm auffallen müssen, dass die Kaufpreise jeweils von der
erfolgreichen Sanierung bzw. Liquidation abhängig gewesen seien. Das lasse
darauf schließen, dass den Käufern die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaften
nicht hinreichend bekannt gewesen seien, um einen konkreten
Kaufpreis festzulegen. Damit hätten sich Zweifel ergeben müssen, ob die dreiwöchige
Insolvenzantragsfrist gewahrt werden könne. Hinzu komme, dass der
Veräußerer dafür habe bezahlen müssen, dass die Gesellschaft von den Erwerbern
übernommen worden sei. Das sei nicht mitbeurkundet worden.
Zumindest an der Seriosität von R. hätte der Kläger Zweifel haben müssen,
nachdem er diesen im Jahr 2015 in einem Strafverfahren wegen Beihilfe
zum Bankrott vertreten habe. Zwar begründe die Verurteilung des Geschäftspartners
von R. ein geeignetes Indiz für die Unredlichkeit des R. nicht, schon
weil der Kläger den Vertrag mit der dortigen Gesellschaft nicht beurkundet habe.
Anders verhalte es sich aber mit der Kenntnis des Klägers über die erhebli-
chen Vorstrafen des R. wegen Betrugs und Untreue, die ihm als dessen Verteidiger
und aus der Strafakte entgegen seinem Vortrag, die drei Herren seien
strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, bekannt gewesen seien. Dem Kläger
hätten umso mehr Zweifel an der Seriosität R.s kommen müssen, als dieser
ausweislich des in der Strafakte befindlichen Insolvenzgutachtens mehrere eidesstattliche
Versicherungen abgegeben habe, wie dem Kläger jedenfalls seit
dem 12. Juni 2015 bekannt gewesen sei.
Auch der Fall M.T. GmbH hätte dem Kläger vor Augen führen müssen,
dass R. keine redlichen Abwicklungsabsichten verfolge, sondern allein seinen
finanziellen Vorteil im Auge gehabt habe. Anders sei es nicht zu erklären, dass
die Gesellschaft einen Tag nach ihrer Veräußerung an die S. UG zu 1 € für
20.000 € an deren ehemaligen Geschäftsführer weiterveräußert worden sei.
Beide Beurkundungen habe der Kläger vorgenommen. Ein Wertzuwachs binnen
eines Tages dürfte sich ihm zumindest als unwahrscheinlich aufgedrängt
haben.
Der Kläger habe seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht genügt.
Das behaupte er zwar, allerdings ohne konkrete Maßnahmen zu schildern. Der
zu einem nicht genannten Zeitpunkt erfolgte Gang mit N. zum Insolvenzgericht
in Potsdam lasse nicht auf konkrete Ermittlungen zu den für ihn vorgenommenen
Beurkundungen schließen. Auch die Übergabe eines entsprechenden Informationsschreibens
an die Erwerber über die Pflichten im Falle einer Insolvenz
sowie etwaige Versuche, die Gesellschafter zu erreichen, entlasteten den
Kläger nicht von eigenen Nachforschungen. Konkrete Gespräche mit dem
Steuerberater L.s gebe der Kläger nicht wieder, weder deren Anlass noch eine
Begründung für den Schluss auf eine Rechtmäßigkeit der Firmenabwicklungen.
Der Kläger habe hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Firmenbestattungen
zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem er die erforderliche Sorgfalt bei der
Prüfung der von den Beteiligten verfolgten Zwecke verletzt und ganz naheliegende
Überlegungen zu deren Unredlichkeit nicht angestellt habe. Nach Abwägung
aller Umstände sei der Ausspruch eines Verweises bei gleichzeitiger Verhängung
einer Geldbuße in Höhe von 3.500 € verhältnismäßig.
2. Der zulässige (
124a Abs. 4, 5 VwGO) Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Weitere
Gründe zur Zulassung der Berufung (
gemacht noch sonst ersichtlich. Zu Recht hat das Kammergericht ein zumindest
fahrlässiges Dienstvergehen darin gesehen, dass der Kläger entgegen § 14
Abs. 2 BNotO,
denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden sollten,
a) Der Notar hat seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen
Amtspflichten nicht vereinbar ist, insbesondere seine Mitwirkung bei Handlungen
verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Ziele verfolgt
werden,
8. November 2013 - NotSt(B) 1/13,
Schippel/Bracker, BNotO, 9. Auflage, § 95 Rn. 15). Das gilt vor allem, wenn der
Verdacht besteht, dass seine Tätigkeit der Begehung von Straftaten dienen
könnte (Senat, Beschluss vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg) 4/15, DNotZ
2016, 227 Rn. 17 mwN).
b) Das hat das Kammergericht hier zu Recht bejaht. Es bestanden vorliegend
für den Kläger gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die in Rede stehenden
Beurkundungen unredliche sogenannte Firmenbestattungen bewirkten,
durch die Gläubigerbenachteiligungen bezweckt wurden. Zutreffend hat das
Kammergericht angenommen, dass schon aufgrund der Anzahl der von jedem
der drei Erwerber N., L. und R. übernommenen Gesellschaften mit jeweils unterschiedlichen
Geschäftsfeldern eine ordnungsgemäße Geschäftsführung unwahrscheinlich,
wenn nicht sogar ausgeschlossen erscheinen musste und die
Gesamtumstände Zweifel daran begründeten, ob N., L. und R. zu einer geordneten
Abwicklung der Gesellschaften außerhalb eines Insolvenzverfahrens
(
der Insolvenzordnung obliegenden Pflichten (zB § 13 Abs. 1 Satz 3, §§ 15a, 20,
97 ff. InsO) einhalten könnten. Die dagegen vorgebrachten Einwände des Klägers
greifen nicht durch.
aa) Der Kläger geht selbst davon aus, dass eine Fortführung des operativen
Geschäfts der jeweils übernommenen Gesellschaft nicht beabsichtigt gewesen
sei. Er macht geltend, es sei nach seiner Kenntnis regelmäßig nicht um
Sanierungen, sondern um Abwicklungen und in vielen Fällen auch bloß um die
rechtzeitige Stellung von Insolvenzanträgen gegangen. Bei der Tätigkeit von N.,
R. und L. habe es sich aber nicht um unrechtmäßige sogenannte Firmenbestattungen,
sondern um eine zulässige und ordnungsgemäße Abwicklungs- und
Verwertungstätigkeit gehandelt. Eine ordnungsgemäße Geschäftsführung könne
auch darin bestehen, dem (vorherigen) Geschäftsführer bzw. Gesellschafter
"mit geringem Arbeitsaufwand kurzerhand die Pflicht zur rechtzeitigen Stellung
eines Insolvenzantrags abzunehmen". Das sei bei kleinen und kleinsten Unternehmen
- wie hier - mit einem sehr überschaubaren Arbeitsaufwand verbunden.
Bei der Annahme des Kammergerichts, der jeweilige Veräußerer habe die Erwerber
dafür bezahlen müssen, dass ihm die Geschäftsanteile abgenommen
wurden, handele es sich um eine bloße Unterstellung. Dem Kläger sei eine solche
Zahlung in keinem Fall bekannt geworden. Er habe vielmehr den Eindruck
gehabt, dass N., L. und R. jeweils versucht hätten, aus den übernommenen
Unternehmen noch "etwas Geldwertes herauszuholen". Bei den hier in Rede
stehenden Beurkundungsvorgängen seien Sitzverlegungen und Firmenänderungen
gerade nicht erfolgt; auch weitere Indizien für eine unrechtmäßige Firmenbestattung
- wie etwa der Einsatz "sozial deklassierter" Personen als Geschäftsführer
und Erwerber von Geschäftsanteilen, Sitzverlegungen oder Verschmelzungen
ins Ausland, fehlende Erreichbarkeit des Unternehmens und der
Geschäftsführer, Beiseiteschaffen von Geschäftsunterlagen - fehlten.
bb) Damit zeigt der Kläger indes ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der
angefochtenen Entscheidung nicht auf. Gerade das von dem Kläger angenommene
Geschäftsmodell der auch nach seinem eigenen Vortrag untereinander
bekannten und teilweise kooperierenden Erwerber N., L. und R. hätte zu Rückfragen
Anlass gegeben. Es lief erkennbar darauf hinaus, ein ordnungsgemäßes
Abwicklungs- oder Insolvenzverfahren an dem Ort des Sitzes und dem Mittelpunkt
der wirtschaftlichen Tätigkeit (vgl.
Gesellschaften zu erschweren.
(1) Es erschließt sich schon nicht, aus welchen Gründen N., L. und R. eine
große Zahl sanierungsbedürftiger und bereits insolvenzreifer Gesellschaften
zur Abwicklung hätten übernehmen sollen, wenn ihnen dadurch lediglich eine
Arbeitsbelastung sowie das erhebliche Risiko entstand, dass sie ihren insolvenzrechtlichen
Pflichten (
Kooperation der Verkäufer nicht genügen konnten, wie es in dem beigezogenen
Strafverfahren gegen R. der Fall gewesen ist.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, er habe den Eindruck
gehabt, dass N., L. und R. versucht hätten, aus den übernommenen Unternehmen
"noch etwas Geldwertes herauszuholen", ist das nicht plausibel.
Handelte es sich tatsächlich um kleine und kleinste Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit
schon eingestellt hatten und bei denen - wie der Kläger vorträgt
- N., L. und R. dem vorherigen Geschäftsführer bzw. Gesellschafter die
nicht arbeitsaufwendige Stellung eines Insolvenzantrags abnehmen sollten,
musste die Erzielung eines Erlöses aus dieser Geschäftstätigkeit von vornherein
ausgeschlossen erscheinen.
Ein Erlös war mit redlichen Mitteln nur dann zu erzielen, wenn eine nicht
insolvenzreife Gesellschaft unter Erzielung eines Liquidationsüberschusses
ordnungsgemäß - mithin unter Befriedigung bzw. Sicherstellung der Gläubiger
(
auf solche Abwicklungen gerichtet war, hat der Kläger nach seinem eigenen
Vortrag aber nicht angenommen. Das liegt auch deshalb fern, weil - wie
das Kammergericht zutreffend ausführt - sich aus den zu den Kaufpreisen getroffenen
Regelungen ergibt, dass den Erwerbern die wirtschaftlichen Verhältnisse
der Gesellschaften nicht hinreichend bekannt waren; sie mussten, wie für
den Kläger offensichtlich war, also zumindest damit rechnen, dass ihnen nur
insolvenzreife Gesellschaften angedient werden. Aus diesem Grund konnte der
Kläger auch nicht davon ausgehen, dass die Stellung eines Insolvenzantrags im
Falle der verkauften Gesellschaften mit einem "überschaubaren Arbeitsaufwand"
verbunden gewesen sei. Wenn den Erwerbern die wirtschaftlichen Verhältnisse
der Gesellschaften nicht hinreichend bekannt waren, ihnen insbesondere
die Geschäftsunterlagen nicht vorlagen, gab es für eine solche Annahme
keine tatsächliche Grundlage.
(2) Vor diesem Hintergrund musste sich dem Kläger aufdrängen, dass
N., L. und R. zu einer geordneten Abwicklung der übernommenen Gesellschaften
sowie zu einer Erfüllung ihrer insolvenzrechtlichen Pflichten nicht willens
und in der Lage waren, sondern ihr Geschäftsmodell unredlich und darauf gerichtet
war, ein ordnungsgemäßes Abwicklungs- oder Insolvenzverfahren an
dem Ort, an dem die Gesellschaften ihren Sitz und den Mittelpunkt ihrer (bisherigen)
wirtschaftlichen Tätigkeit hatten, zu erschweren und die Gläubiger zu benachteiligen.
Das ergibt sich schon daraus, dass N., L. und R. unter Verlegung der jeweiligen
Geschäftsanschrift nach T. Gesellschaften aus ganz Deutschland
übernahmen. Den Gläubigern, dem zuständigen Insolvenzgericht (§ 3 Abs. 1
InsO) und den Insolvenzverwaltern stand folglich vor Ort kein für die Gesellschaft
Verantwortlicher mehr als Ansprechpartner zur Verfügung. Zudem konnten
der jeweilige vorherige Geschäftsführer einerseits und N., L. und R. andererseits
darauf verweisen, dass sich die Geschäftsunterlagen bei dem jeweils
anderen befänden bzw. bei der Versendung in Verlust geraten seien, ein Verzeichnis
der Gläubiger und ihrer Forderungen daher nicht erstellt (§ 13 Abs. 1
Satz 3 InsO) und die nötigen Auskünfte (
werden könnten. Kommt es in solchen Fällen zu einer Abweisung mangels
Masse und wird die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht, ist eine Realisierung
von Ansprüchen gegen die eigentlich Verantwortlichen oft nicht mehr möglich
(Ganter, MünchKommInsO, 3. Auflage 2013, § 3 Rn. 40).
(3) Dass ein solches Vorgehen geeignet ist, ein Insolvenzverfahren zum
Nachteil der Gläubiger erheblich zu erschweren und zu verzögern, zeigen eindrucksvoll
die Geschehnisse, die dem gegen R. geführten Strafverfahren, dessen
Akten beigezogen sind, zugrunde lagen. Diese waren dem Kläger als dessen
Verteidiger spätestens ab dem 12. Juni 2015 vollumfänglich bekannt. Dass
R. in diesem Einzelfall, der nicht Gegenstand der Disziplinarverfügung ist, letztlich
freigesprochen wurde, weil ihm eine Beihilfe zum Bankrott (§ 283 Abs. 1 Nr.
8 StGB) des (verurteilten) ehemaligen Geschäftsführers nicht nachzuweisen
war, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2
BNotO setzt nicht voraus, dass das Verhalten des Notars oder auch der an den
Beurkundungsvorgängen Beteiligten strafbar war (Senat, Beschluss vom
23. November 2015 - NotSt(Brfg) 4/15,
Aus dem gleichen Grund verfängt auch die Rüge des Klägers nicht, eine
Gläubigerbenachteiligung sei von dem Beklagten nicht positiv festgestellt worden
sowie der Beklagte habe in keinem einzigen Fall festgestellt, dass die dreiwöchige
Insolvenzantragspflicht nicht gewahrt worden sei. Solche Feststellungen
musste der Beklagte nicht treffen. Es ist nicht maßgebend, ob einem Gläubiger
der Gesellschaften, deren Anteilsübertragungen der Kläger beurkundet
hat, Schaden durch seine Tätigkeit entstanden ist (vgl. Senat, Beschluss vom
23. November 2015 aaO mwN). Es kommt allein darauf an, ob mit den beanstandeten
Beurkundungen erkennbar unredliche Ziele verfolgt werden. Dafür
bestanden hier aufgrund der Art und Weise des Vorgehens der Erwerber schon
Anfang des Jahres 2015 die oben genannten erheblichen Verdachtsmomente,
die der Kläger nicht hätte unbeachtet lassen dürfen, zumal ihm sodann aus dem
Strafverfahren gegen R. im Juni 2015 bekannt wurde, dass dessen Abwicklungstätigkeit
bereits in einem Fall Straftaten des ehemaligen Geschäftsführers
zum Nachteil der dortigen Gläubiger ermöglicht hatte.
cc) Zu Recht macht der Kläger allerdings geltend, dass es in Bezug auf
den Verkauf der Anteile der M.T. GmbH an die S. UG und sodann an deren
ehemaligen Geschäftsführer auf der Grundlage der Feststellungen des Kammergerichts
keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 14
Abs. 2 BNotO gebe. Das kann aber im Einzelnen dahinstehen. Unterstellt, dass
der Kläger bei diesen beiden Beurkundungen nicht gegen
verstoßen hat, ist das nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils zu begründen (vgl. Schenke in Kopp/
Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 124 Rn. 7 f.). Auch bei den von dem Kläger für R.
vorgenommenen (verbleibenden) 14 Beurkundungen handelte es sich um eine
auffällige Anzahl, die - wie dargestellt - die Charakteristika einer unredlichen
Firmenbestattung aufwiesen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. November 2015
aaO Rn. 20). Angesichts der - insgesamt - verbleibenden 87 Verstöße gegen
ggf. zu Unrecht zugrunde gelegten Verstöße für Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme
(
dd) Ohne Erfolg macht der Kläger schließlich geltend, er habe ausreichende
Aufklärungstätigkeiten entfaltet und den Beteiligten ein Aufklärungsschreiben
übergeben. So habe er sich im Rahmen der Verteidigung des R. von
diesem dessen Tätigkeit im Einzelnen erläutern lassen. Er habe festgestellt,
dass R. nicht vermögenslos sei, sondern von seiner Ehefrau unbelastete Immobilien
geerbt habe, sowie dass N. eine Mitarbeiterin gehabt und nicht in einem
Container gewohnt habe, wie von dem Beklagten behauptet. Er habe sich
ferner von dem Steuerberater des L., mit dem dieser ständig zusammenarbeite,
bestätigen lassen, dass es sich um ordnungsgemäße Abwicklungen handele.
Er habe mit N., R. und L. korrespondiert und telefoniert. Diese seien zu den üblichen
Geschäftszeiten für ihn regelmäßig erreichbar gewesen.
Von seiner Pflicht zur Aufklärung war der Kläger indes nicht deshalb entlastet,
weil R. N. und L. sozial angepasst und geschäftlich gewandt wirkten (Senat,
Beschluss vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg) 4/15,
Rn. 20). Soweit er Aufklärungsmaßnahmen behauptet, trägt er letztlich nur vor,
dass ihm der Steuerberater bzw. R. versichert hätten, es handele sich um ord-
nungsgemäße Abwicklungen. Die oben angeführten erheblichen Verdachtsmomente
wurden dadurch aber nicht ausgeräumt. Auch eine Belehrung über
die Folgen einer Geschäftsanteilsübertragung zu unredlichen Zwecken vermag
den Kläger nicht zu entlasten (vgl. Senat aaO Rn. 22).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
i.V.m.
auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:08.04.2019
Aktenzeichen:NotSt (Brfg) 5/18
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
BNotO § 14 Abs. 2; BeurkG § 4