OLG Zweibrücken 01. Oktober 2015
4 U 57/15
BGB §§ 93, 94, 95, 854, 932, 946, 985, 986

Eigentum an einer Bronzeskulptur, die Kommune versehentlich auf fremdem Grund aufgestellt hat

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 24.5.2016
OLG Zweibrücken, Urt. v. 1.10.2015 - 4 U 57/15

BGB §§ 93, 94, 95, 854, 932, 946, 985, 986
Eigentum an einer Bronzeskulptur, die Kommune versehentlich auf fremdem Grund
aufgestellt hat

Eine Bronzeskulptur, die der kommunale Sacheigentümer im Stadtgebiet versehentlich auf
fremdem Grund und Boden hat aufstellen lassen, wird nicht zum wesentlichen Bestandteil des
genutzten Grundstücks, wenn die Trennung der Skulptur von dem sie tragenden Betonfundament
ohne Zerstörung oder Wesensveränderung von Skulptur bzw. Grundstück erreicht werden kann.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe:

I.
Die klagende Stadt begehrt von dem Beklagten die Herausgabe der von dem Künstler
Prof. Dr. E… L… geschaffenen Bronzeskulptur mit dem Werktitel "Mensch im
Widerstreit".
Die Skulptur wurde von der Klägerin Ende Oktober/Anfang November 1996 am Eingang
zu der neu gestalteten Fußgängerzone in der unteren Hauptstraße aufgestellt und im
Jahre 2006 auf den Gehweg vor dem Anwesen S… 1 in N... umgesetzt. Die 1,70 m
große Skulptur stand auf einem ebenerdig eingelassenen 75 cm langen, 51 cm breiten
und 20 cm tiefen Sandsteinsockel. Darin befanden sich vier ca. 15 cm lange und ca. 2
cm dicke Metallstäbe, die in ein Betonfundament von etwa 0,80 bis 1 m Tiefe verankert
wurden.
Bei einer späteren Überprüfung stellte sich heraus, dass die Skulptur nicht auf einer im
Eigentum der Klägerin stehenden öffentlichen Verkehrsfläche mit der Flurstücks-Nr.
919/10 aufgestellt war, sondern auf einem Teil des Gehweges, der zu dem Grundstück
"S… 1" mit der Flurstücks-Nr. 704/2 gehörte und im Jahr 2006 im Eigentum der
Sparkasse R… stand.
Das Grundstück "S… 1" wurde später von der Sparkasse R… an die Firma W… OHG
und von dieser an den Beklagten veräußert. Die Auflassung an den Letzterwerber
datierte auf den 1. Oktober 2012 und die Eigentumsumschreibung auf den 17.
Dezember 2013.
Am 8./21. November 2012 schlossen die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits einen
Gestattungsvertrag, mit welchem dem Beklagten die Erlaubnis erteilt wurde, eine ca.
11,25 qm große Fläche der öffentlichen Verkehrsfläche A… S… , Flurstücks-Nr. 919/10,
als Teil einer eigenen Stellplatzfläche am Grundstück S… 1, Flurstücks-Nr. 704/2 zu
nutzen. In § 2 Ziffer 8 des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte, die hier
streitgegenständliche Skulptur auf seinem Grundstück dauerhaft an einem im
Einvernehmen mit der Klägerin getroffenen Standort aufzustellen.
Das Vertragsverhältnis sollte auf unbestimmte Zeit laufen. Eine Kündigungsmöglichkeit
für beide Parteien wurde in § 6 des Vertrages näher geregelt.
Der Gestattungsvertrag wurde zwischenzeitlich von dem Beklagten gekündigt.
An einem nicht mehr feststellbaren Tag im Sommer 2014 ließ der Beklagte die Skulptur
entfernen und lagerte sie danach ein.
Mit außergerichtlichem Schreiben vom 20. Juni bzw. 4. Juli 2014 forderte die Klägerin
von dem Beklagten die Herausgabe der Skulptur. Mit E-Mail vom 8. August 2014
erklärte der Beklagte seine Bereitschaft zur Herausgabe der Skulptur, wenn die Klägerin
ihr Eigentum nachweise. Mit weiterem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der
Klägerin vom 16. September 2014 wurde der Beklagte erneut unter Fristsetzung zur
Herausgabe der Skulptur aufgefordert. Eine Herausgabe erfolgte nicht. Mit weiterem
Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 2. Oktober 2014 legte die Klägerin dem
Beklagten Bestätigungen ihres ehemaligen Oberbürgermeister Dr. J… W… sowie des
ehemaligen Sparkassenvorstandes K… D… vor, wonach die Skulptur von der
Sparkasse der Stadt N... gestiftet und zu Eigentum übertragen worden sei.
Die Klägerin hat vorgetragen,
dass sie Eigentümerin der Skulptur sei Der Beklagte habe die Figur zu Unrecht in Besitz
genommen. Der Beklagte habe an der Skulptur kein Eigentum erworben.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Skulptur des
Künstlers Prof. Dr. W… L… mit dem Werktitel "Mensch im
Widerstreit" herauszugeben, bei der es sich um eine 1,70 m
hohe Bronzefigur handelt, die einen in der Mitte geteilten Mann
darstellt, der sich selbst mit seinen Händen und Armen
zerreißt, sowie nachfolgend abgebildet:
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte B….
in Höhe von 1.029,35 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem
30.09.2014 freizustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen,
dass mit der grundbuchrechtlichen Eigentumsumschreibung des Grundstücks "A… S…
1" der Beklagte auch Eigentümer der Skulptur geworden sei. Im Zeitpunkt des
Eigentumserwerbs an dem Grundstück sei die Skulptur mit dem Grund und Boden fest
verbunden und damit wesentlicher Bestandteil des Grundstückes gewesen.
Unabhängig davon habe bereits der Voreigentümer die Skulptur von der Sparkasse R…
gemäß § 932 BGB gutgläubig erworben. Er, der Beklagte, habe im Zeitpunkt des
Grundstückserwerbs von der W… OHG weder gewusst, noch habe er erkennen
können, dass sich die Klägerin als Eigentümerin der auf privatem Grund stehenden
Skulptur sehe und diese nicht dem Voreigentümer des Grundstücks gehöre. Die
vorgelegten Erklärungen von K… D… und von Dr. J… W… seien nicht geeignet, das
Eigentum der Klägerin zu belegen.
Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat der Herausgabeklage stattgegeben. Das
Erstgericht ging aufgrund der schriftlichen Bestätigungen des ehemaligen
Oberbürgermeisters Dr. J... W... und des ehemaligen Sparkassenvorstandes K… D…
davon aus, dass die Klägerin Eigentümer der Skulptur sei und der Beklagte an der
entfernten Skulptur kein Recht zum Besitz habe.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen in
verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Beklagten.
Der Beklagte trägt vor,
dass das Erstgericht in verfahrensfehlerhafter Weise keinen Beweis über die
Eigentumslage an der Skulptur erhoben habe. Entgegen der Auffassung des
Landgerichts sei die Skulptur wesentlicher Bestandteil seines Grundstücks i.S.d. §§ 93,
94 BGB. Zur Entfernung der Skulptur sei es notwendig gewesen, den Betonsockel
freizulegen, den Beton um die Gewindestäbe abzustemmen und die Gewindestäbe zu
durchtrennen.
Ferner sei sein Vortrag, dass die Voreigentümerin, die W… OHG, die Skulptur
gutgläubig gemäß § 932 BGB erworben habe, übergangen worden. Die
Voreigentümerin des Beklagten bzw. die für diese handelnden Personen seien sowohl
beim Kauf und Erhalt des Grundstücks von der Sparkasse als auch bei Übergabe des
Grundstücks an den Beklagten - ebenso wie der Beklagte selbst - davon ausgegangen,
dass die Skulptur jeweils mitverkauft worden sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts
Frankenthal (Pfalz) vom 24. März 2015 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
die angefochtene Entscheidung.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien in
beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und beigefügten Unterlagen Bezug
genommen.

II.
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
1.
Das Erstgericht hat zu Recht der Klage auf Herausgabe der streitgegenständlichen
Skulptur stattgegeben. Denn die Klägerin hat als Eigentümerin der Skulptur gegenüber
dem Beklagten als Besitzer, dem keine vindikationshindernden Besitzrechte i. S. v. §
986 BGB zustehen, einen Anspruch auf Herausgabe gemäß § 985 BGB.
1.1.
Aufgrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin
im Jahre 1996 Eigentümerin der vom Künstler Prof. Dr. W… L… geschaffenen Skulptur
"Mensch im Widerstreit" geworden ist.
Die Zeugen K... D... , damaliger Vorstand der Sparkasse R... , und der Zeuge Dr. J...
W... , damaliger Oberbürgermeister der Klägerin, haben übereinstimmend den
Erwerbsvorgang zugunsten der Klägerin geschildert. Die Sparkasse R... hat der
Klägerin das Geld zum Zwecke des Erwerbs der Skulptur zur Verfügung gestellt.
Dementsprechend hat - so der Zeuge Dr. J... W... - die Klägerin das Kunstwerk von
dem Künstler gekauft und aufstellen lassen.
1.2.
Die Klägerin hat - entgegen der Auffassung des Beklagten - ihr Eigentum nicht
dadurch verloren, dass die Skulptur im Jahre 2006 versehentlich auf einer nicht in
ihrem Eigentum stehenden Grundstücksfläche aufgestellt wurde. Denn dies führte nicht
dazu, dass die Skulptur wesentlicher Bestandteil des genutzten fremden Grundstücks
i.S.d. §§ 93, 94 BGB wurde.
Gemäß § 946 BGB erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück auf eine
bewegliche Sache, wenn diese dergestalt mit dem Grundstück verbunden wird, dass
sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird.
Nach § 93 BGB sind Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden
können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert
wird, wesentliche Bestandteile. Nach § 94 BGB gehören zu den wesentlichen
Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen
Sachen.
a)
Die Skulptur war kein wesentlicher Bestandteil des zu ihrer Aufstellung genutzten
Grundstücks i.S.v. § 93 BGB. Denn durch die Trennung der Skulptur von dem sie
tragenden Betonfundament wurden weder die Skulptur als solche noch das fremde
Grundstück zerstört oder in ihrem Wesen verändert.
b)
Die Skulptur war auch kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks des Beklagten
gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB, da die dafür notwendige feste Verbindung zwischen
der Skulptur und dem Grundstück nicht bestand.
Der Annahme einer fehlenden festen Verbindung steht nicht entgegen, dass für den
Abtransport das Betonfundament unterhalb der Steinplatte der Skulptur weggestemmt
werden musste, um die einbetonierten Gewindestäbe frei zu legen und zu
durchtrennen. Für die tatrichterliche Beurteilung der Festigkeit einer Verbindung ist
entscheidend, ob eine starke Beschädigung des abzulösenden Teils oder des
verbleibenden Grundstücks unvermeidbar ist oder die Trennung nur unter
unverhältnismäßiger Mühe oder Kosten möglich wäre.
Durch die beschriebene Trennung der Skulptur von dem Fundament wurden weder
eine starke Beschädigung der Skulptur noch des verbleibenden Grundstücks
herbeigeführt. Die Skulptur kann an einem anderen Ort wieder in gleicher Weise
aufgestellt werden und ihre Wirkung entfalten. Auch das Grundstück des Beklagten ist
weder in seiner Nutzung noch in seinem wirtschaftlichen Wert wesentlich beeinträchtigt
worden. Dass das Fundament unter dem Sandsteinsockel als wesentlicher Bestandteil
des Grundstücks beschädigt wurde, stellt angesichts der Größe des Grundstücks und
dessen Wert keine wesentliche Beschädigung dar (vgl. BGH JZ 1987, 675, 676).
c)
Unabhängig davon ist der Senat aber auch der Auffassung, dass die Skulptur ohnehin
nur zu einem vorübergehenden Zweck i.S. von § 95 BGB auf dem Grundstück des
Beklagten aufgestellt war und schon deshalb nicht zum Bestandteil des Grundstücks
wurde. Die Skulptur „Mensch im Widerstreit“ ist eine von acht Skulpturen, die zum
Zwecke der Verschönerung in dem Stadtgebiet der Klägerin aufgestellt wurden.
Insofern ergibt sich bereits aus der Natur der Sache, dass je nach
Gestaltungsgesichtspunkten eine künftige Veränderung des Standortes der Skulpturen
möglich sein sollte.
1.3.
Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an der Skulptur durch den Beklagten oder
durch seine Voreigentümerin ist nicht gegeben. Der gute Glaube daran, dass eine
Sache ein wesentlicher Bestandteil einer anderen Sache bzw. eines Grundstückes sei,
wird nicht geschützt. Im Übrigen hat der Beklagte nicht substantiiert dargelegt, dass die
jeweiligen Erwerbsgeschäfte sich unabhängig von dem Grundstück explizit auch auf
die Skulptur bezogen hätten. Es wird lediglich erklärt, dass man davon ausgegangen
sei, dass die Skulptur jeweils mitverkauft worden sei. Damit ist nicht dargetan, dass
auch eine entsprechende kaufvertragliche Regelung erfolgt ist. Insofern sind die dafür
benannten Zeugen nicht zu vernehmen.
1.4.
Der Beklagte ist auch nichtberechtigter unmittelbarer Besitzer der Skulptur. Er übt die
tatsächliche Sachherrschaft über die Skulptur gemäß § 854 BGB aus. Dem steht nicht
entgegen, dass sich der Beklagte im Berufungsverfahren, nachdem die Klägerin aus
dem erstinstanzlichen Urteil vollstrecken wollte, erstmals darauf berief, dass sich die
Skulptur im Gewahrsam der wirtschaftlich ihm „gehörenden“ Ein-Mann-GmbH,
W…Verwaltungs-GmbH, befinde. Hierfür hat der Beklagte keinen Beweis angeboten.
Wer sich auf einen solchen Organbesitz beruft, muss die Organstellung und zugleich
beweisen, dass das Organ die Sachherrschaft in dieser Eigenschaft ausübt (vgl.
Baumgärtel/Thorsten Schmidt-Eichhorn, Handbuch der Beweislast, Band 7, § 854,
Rdnr. 5). Denn im Verhältnis zwischen Ein-Mann-GmbH und Alleingesellschafter
kommt es auf die rechtliche Zuordnung der einzelnen Gegenstände an. Allein der
Umstand, dass der Beklagte die tatsächliche Gewalt über den Gegenstand als Organ
der Gesellschaft inne hat, begründet keine Vermutung dafür, dass er Fremdbesitzer ist
(vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2003 - IX ZR 55/02, zitiert nach Beck-Online).
Ein Recht des Beklagten zum Besitz ist weder dargetan noch ersichtlich.
2.
Da sich der Beklagte mit der Herausgabe der streitgegenständlichen Skulptur im
Annahmeverzug befand, hat er der Beklagten auch die der Klägerin entstandenen
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,25 € nebst Zinsen zu
erstatten.
3.
Der von der Klägerin eingereichte Schriftsatz vom 28. August 2015, in dem wegen
Herausgabe der streitgegenständlichen Skulptur der Rechtsstreit für erledigt erklärt
wurde, gibt keinen Anlass die am 6. August 2015 geschlossene mündliche
Verhandlung wieder zu eröffnen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Auflage, § 296a Rdnr.
2a). Denn die Herausgabe der Skulptur durch den Beklagten erfolgte nach dessen
Mitteilung im Schriftsatz vom 18. September 2015 ausschließlich zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts
Frankenthal (Pfalz) vom 24. März 2015. Diese Tatsache lässt den
Herausgabeanspruch der Klägerin nach § 985 BGB nicht entfallen und hat daher nicht
die Erledigung der Hauptsache zur Folge (vgl. BGH NJW 2014, 2199, 2200; NJW-RR
2006, 16).

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 ZPO
nicht vorliegen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Zweibrücken

Erscheinungsdatum:

01.10.2015

Aktenzeichen:

4 U 57/15

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein

Normen in Titel:

BGB §§ 93, 94, 95, 854, 932, 946, 985, 986