OLG Hamburg 22. März 2016
7 UF 115/14
VersAusglG § 27

Teilausschluss des Versorgungsausgleichs bei langem Getrenntleben

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 10.2.2017
OLG Hamburg, Beschl. v. 22.3.2016 - 7 UF 115/14

VersAusglG § 27
Teilausschluss des Versorgungsausgleichs bei langem Getrenntleben

Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 27 VersAusglG für die Zeit des
Getrenntlebens kann dann gerechtfertigt sein, wenn die Eheleute nahezu ein Drittel der Ehezeit
voneinander getrennt gelebt haben.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe

Die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund ist zulässig und begründet. Dem
Beschluss des Familiengerichts liegt die Auskunft der Beschwerdeführerin vom 29. Mai
2013 zugrunde, die die Neuregelungen des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes über die
Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt hatte. Im
Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin neue Auskünfte vorgelegt, in denen die
Kindererziehungszeiten berücksichtigt worden sind. Diese Auskünfte sind dem
Versorgungsausgleich zugrunde zu legen.
Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist zulässig und teilweise begründet. Die
lange Trennungszeit der Eheleute rechtfertigt einen teilweisen Ausschluss des
Versorgungsausgleichs.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei einer langen Trennungszeit
auch dann, wenn außer der langen Trennungszeit keine Härtegründe vorhanden sind, eine
Ausklammerung der auf die Trennungszeit entfallenden Anwartschaften beider Ehegatten
in Betracht (BGH FamRZ 2007, 1964, juris-Rz. 12; Holzwarth in Johannsen/Henrich,
Familienrecht, 6. Auflage 2015, § 27 VersAusglG Rn. 35 m.w.N.). Die Trennungszeit der
Ehegatten beträgt ca. 10 Jahre. Bezogen auf die gesamte Ehezeit von etwa 29 Jahren stellt
die Trennungszeit etwa ein Drittel dar. Dies kann aus der Sicht des Senates als lange
Trennungszeit angesehen werden. Der danach gerechtfertigte teilweise Ausschluss des
Versorgungsausgleiches für die Zeit des dauerhaften Getrenntlebens der früheren Ehegatten
ist in der Weise vorzunehmen, dass lediglich die innerhalb der Zeit ihres Zusammenlebens
erwachsenen Versorgungsanwartschaften dem Ausgleich unterliegen. Da eine Vorverlegung
der Ehezeit nicht in Betracht kommt, bleibt allerdings das Ehezeitende gemäß § 3 Abs. 1
VersAusglG Bemessungsgrundlage der auszugleichenden Anrechte. Hieran anknüpfend, ist
zunächst der Versorgungsausgleich ohne Beachtung von § 27 VersAusglG durchzuführen
und sind sodann diejenigen Anrechte abzuziehen, die in der Zeit vom Ende der Ehezeit bis
zum Trennungszeitpunkt erworben wurden, wobei auch die allgemeinen Regeln der §§ 9 -
19 VersAusglG gelten (OLG Brandenburg, 3 UF 22/12, Beschluss vom 30.4.2013 m.w.N.).
Mit der Antragstellerin ist davon auszugehen sein, dass es den Grundsätzen der Billigkeit
vorliegend entspricht, den Versorgungsausgleich auf die Anrechte zu beschränken, die die
Eheleute bis zum 30. September 2003 (ein Jahr nach der Trennung) erworben haben.
Soweit der Antragsgegner geltend gemacht hat, dass die Eheleute noch bis zum Frühjahr
2011 von der Möglichkeit der Weiterführung ihrer Ehe ausgegangen seien, ist dieses in der
persönlichen Anhörung der Eheleute nicht bestätigt worden. Die Antragstellerin hat
glaubhaft geschildert, dass für sie das Scheitern der Ehe bei ihrer Trennung im September
2002 festgestanden habe und dass sie froh gewesen sei, weiterhin mit dem Antragsgegner
freundschaftliche Kontakte zu pflegen. Der Antragsgegner hat erklärt, dass er jahrelang
gehofft habe, die Ehe wiederherstellen zu können, hat aber eingeräumt, dass er sich
insoweit über die Haltung der Antragstellerin nicht im Klaren gewesen sei. Den
Beweisangeboten der Beteiligten ist insoweit nicht nachzugehen, zumal kein Ereignis unter
Beweis gestellt wird, aus dem man schließen könnte, dass auch die Antragstellerin zu
irgendeinem Zeitpunkt die Ehegemeinschaft wieder aufnehmen wollte.
Auch bei einer Gesamtabwägung der von den Beteiligten aufgeführten Umstände sowie der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute entspricht die Beschränkung des
Versorgungsausgleichs auf die Anrechte, die die Eheleute bis zum 30. September erworben
haben, der Billigkeit. Eine weitergehende Korrektur des Versorgungsausgleichs im Wege
des § 27 VersAusglG kommt mangels weiterer Härtegründe nicht in Betracht.
Die Antragstellerin hat bis zum 31. Oktober 2012 Anrechte in der gesetzlichen
Rentenversicherung und aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.
Unter Abzug der nach dem 30. September 2003 begründeten Versorgungsanwartschaften
ergeben sich entsprechend der Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 21.
Mai 2015 und der VBL Anstalt des öffentlichen Rechts vom 17. Juni 2015 folgende Werte:
a) bei der Deutschen Rentenversicherung Bund:
Ehezeitanteil 12,2532 Entgeltpunkte
Ausgleichswert: 6,1266 Entgeltpunkte
Korrespondierender Kapitalwert: € 38.961,60
b) bei der VBL Anstalt des öffentlichen Rechts:
Ehezeitanteil: 17,38 Versorgungspunkte
Ausgleichswert: 8,45 Versorgungspunkte
Korrespondierender Kapitalwert: € 4.347,55
Auf Seiten des Antragsgegners, der seit dem 1. Januar 2014 eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung bezieht, bestehen allein Anrechte in der gesetzlichen
Rentenversicherung. Dabei ist entsprechend der Auskunft der Deutschen
Rentenversicherung Nord vom 14. September 2015 unter Abzug der nach dem 30.
September 2015 begründeten Anwartschaften von folgenden Werten auszugehen:
Ehezeitanteil: 6,3901 Entgeltpunkte
Ausgleichswert: 3,1951 Entgeltpunkte
Korrespondierender Kapitalwert: € 18.211,59
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Rechtsbeschwerde ist
nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG nicht gegeben sind.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamburg

Erscheinungsdatum:

22.03.2016

Aktenzeichen:

7 UF 115/14

Rechtsgebiete:

Versorgungsausgleich

Normen in Titel:

VersAusglG § 27