OLG Saarbrücken 05. November 2018
5 W 74/18
BGB § 29

Voraussetzungen der Nachtragsliquidation im Vereinsrecht

letzte Aktualisierung: 10.5.2019
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 5.11.2018 – 5 W 74/18

BGB § 29
Voraussetzungen der Nachtragsliquidation im Vereinsrecht

Das rechtliche Interesse an der Ingangsetzung einer Notabwicklung für einen im Vereinsregister als
erloschen eingetragenen Verein, der im Grundbuch als Eigentümer mehrerer Grundstücke
eingetragen ist, wird nicht schon dadurch begründet, dass der Antragsteller beabsichtigt, Kontakt zu
dem aufgelösten Verein herzustellen, um herauszufinden, ob und ggf. zu welchen Konditionen
dieser möglicherweise zur Veräußerung eines Grundstücks bereit wäre.

G r ü n d e

Der Antragsteller begehrt die Bestellung eines Nachtragsliquidators für den Verein „...
pp. e.V.“.

Der Verein war im Jahr 1967 gegründet worden. Aus dem Vereinsregister ergibt sich,
dass in der Mitgliederversammlung vom 28.11.1987 „die Auflösung und gleichzeitig
das Erlöschen des Vereins“ beschlossen wurde. Am 17.3.1988 wurde das Erlöschen
des Vereins ins Vereinsregister eingetragen. Sämtliche Vorstandsmitglieder sind
verstorben. Die Vereinsregisterakte existiert nicht mehr. Nach Mitteilung des
Landesarchivs des Saarlands vom 24.4.2018 wurde sie nicht archiviert.

Im Grundbuch von K., Blatt XXXX, ist der „Bauinteressengemeinschaft K. e.V.“ nach
wie vor als Eigentümer mehrerer Grundstücke eingetragen, u.a. der Parzelle Flur 6,
Nr. XX/XX, einem Garagengrundstück.

Der Antragsteller wandte sich mit Schreiben vom 30.4.2018 an das Amtsgericht und
erklärte, er sei an einem Erwerb jener Parzelle interessiert. Dazu sei eine
Nachtragsliquidation erforderlich, deren Kosten er zu tragen bereit sei, soweit sie
nicht aus dem vorhandenen Vereinsvermögen gedeckt werden könnten.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators mit
Beschluss vom 13.8.2018 zurückgewiesen. Es fehle am Antrag eines „Beteiligten“ im
Sinne des § 29 BGB. „Beteiligter“ sei nur, wer geltend machen könne, in eigenen
Rechten oder Pflichten unmittelbar betroffen zu sein.

Der Antragsteller hat gegen den Beschluss am 21.8.2018 Beschwerde erhoben. Er
beruft sich auf Kommentarliteratur zur Nachtragsliquidation bei der GmbH, wonach
der Antrag nicht nur von früheren Gesellschaftern, Organmitgliedern, Liquidatoren
und Gläubigern, sondern auch von „sonstigen interessierten Dritten“ gestellt werden
könne (Passarge/Torweggen, Die GmbH in der Liquidation, 2. Aufl. 2014, Rdn. 658).
Der Antragsteller meint, ein Interesse an der Abwicklung habe auch derjenige, der
einen Vermögensgegenstand aus dem Vereinsvermögen erwerben wolle. Der
ablehnende Beschluss führe dazu, dass das Immobilienvermögen dem Markt
entzogen werde.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss
vom 17.9.2018 dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 58 Abs. 1, 59
Abs. 2, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 2, 374 Nr. 4 FamFG i.V.m. § 76 Abs. 1 BGB). In der
Sache hat sie keinen Erfolg.

Der Senat teilt die Einschätzung des Amtsgerichts, wonach der Antragsteller nicht
berechtigt ist, die Bestellung eines Nachtragsliquidators für den im Jahr 1988 im
Vereinsregister gelöschten „Bauinteressengemeinschaft K. e.V.“ zu beantragen.

Die Nachtragsliquidation eines Vereins kommt in Betracht, wenn sich nach
(faktischer) Beendigung der Liquidation herausstellt, dass doch noch verteilbares
Vereinsvermögen vorhanden ist, oder wenn sonstige Abwicklungsmaßnahmen sich
als erforderlich erweisen. Für die Nachtragsliquidation gilt der Verein auch dann als
fortbestehend, wenn er im Vereinsregister bereits gelöscht ist. Die
Vertretungsbefugnis früherer Abwickler lebt nicht automatisch wieder auf. Das
Registergericht hat vielmehr auf Antrag entsprechend § 29 BGB
Nachtragsliquidatoren als Notabwickler zu bestellen (Könen in:
Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BGB, 2018, § 47 Rdn. 4; Otto in: Stöber/Otto,
Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, XXII Rdn. 1154 f.; Weiß in:
Baumann/Sikora, Hand- und Formularbuch des Vereinsrechts, 2. Aufl. 2017, § 13,
Rdn. 321-323).

Das Verfahren wird dadurch in Gang gesetzt, dass ein „Beteiligter“ dies beantragt.
Die Antragsberechtigung setzt ein rechtliches Interesse voraus. Ein solches wird in
der einschlägigen Kommentarliteratur den ehemaligen Liquidatoren, denjenigen,
denen das Vereinsvermögen gemäß § 45 BGB angefallen ist, sowie Gläubigern
zugestanden, die behaupten, im Verteilungsverfahren übergangen worden zu sein
(vgl. Weiß in: Baumann/Sikora, Hand- und Formularbuch des Vereinsrechts, 2. Aufl.
2017, § 13 Rdn. 323; Waldner/Wörle-Himmel in: Sauter/Schweyer/Waldner, Der
eingetragene Verein, 20. Aufl. 2016, VIII, Rdn. 422; Krafka/Kühn, Registerrecht, 10.
Aufl. 2017, Teil 4, VII, Rdn. 2209; Otto in: jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 51 Rdn. 13).
Auch in den Fällen der Nachtragsliquidation von Handelsgesellschaften gemäß oder
– für die GmbH – analog § 273 Abs. 4 AktG wird das Antragsrecht davon abhängig
gemacht, dass derjenige, der eine Beteiligtenstellung für sich in Anspruch nimmt –
sei es als früherer Gesellschafter bzw. Mitglied, Abwickler, Gläubiger oder sonstiger
Dritter, zu dessen Gunsten weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind –, ein
eigenes rechtliches Interesse glaubhaft machen kann (vgl. H.-F. Müller in:
MünchKommGmbHG, 3. Aufl. 2018, § 74 Rdn. 48; Kolmann/Dormehl in:
Saenger/Inhester, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 74 Rdn. 61; Wicke, GmbHG, 3. Aufl.
2016, § 74 Rdn. 9; Servatius in: Grigoleit, AktG, 2013, § 273 Rdn. 17; Altmeppen in:
GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 74 Rdn. 31; Grziwotz, DStR 1992, 1813, 1815). Geht es um
Immobilieneigentum einer liquidierten Handelsgesellschaft, wird ein rechtliches
Interesse in diesem Sinne insbesondere den Kommunen als Grundsteuergläubigern
zugestanden, wobei diese bei der Antragstellung gehalten sind, ihre offenen
Forderungen zu beziffern und zu belegen (Borchardt, Die „herrenlose” Immobilie
gelöschter Gesellschaften oder: Was tun?, LKV 2013, 304).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Amtsgericht zutreffend davon
ausgegangen, dass der Antragsteller nicht berechtigt ist, das Verfahren einer
Nachtragsliquidation zu initiieren.

Zwar steht fest, dass der seit Jahrzehnten im Vereinsregister gelöschte
„Bauinteressengemeinschaft K. e.V.“ noch immer als Eigentümer von Grundstücken
im Grundbuch eingetragen ist. Der Antragsteller kann indes nicht geltend machen,
dass die Durchführung einer Nachtragsliquidation zur Wahrung eigener rechtlicher
Interessen erforderlich wäre. Es geht ihm lediglich darum, einen Ansprechpartner zu
haben, um herauszufinden, ob und gegebenenfalls zu welchen Konditionen dieser
möglicherweise zur Veräußerung des vom Antragsteller ins Auge gefassten
Grundstücks bereit sein könnte. Im gegenwärtigen Stadium, in dem noch nicht
einmal Vorverhandlungen aufgenommen worden sind, ist die Realisierbarkeit des
Erwerbswunschs des Antragstellers völlig offen. Es ist ohne weiteres denkbar, dass
eine Bereitschaft zum Verkauf von vornherein nicht bzw. nur zu für den Antragsteller
uninteressanten Konditionen besteht. Ebenso können Verhandlungen daran
scheitern, dass der Antragsteller ein für ihn günstigeres Objekt findet oder aus
anderen Gründen von seiner ursprünglichen Erwerbsabsicht Abstand nimmt.
Eine derart ungesicherte Position rechtfertigt es nicht, dem Antragsteller das
Ingangsetzen einer Notabwicklung zu ermöglichen. Er stand mit dem Verein zu
keinem Zeitpunkt in irgendeiner rechtlichen Beziehung. Sein aktuelles Interesse ist
allein darauf gerichtet, dass ihm die Option eingeräumt werde, einen Kontakt zu dem
aufgelösten Verein erstmals überhaupt herzustellen. Das macht ihn nicht zum
„Beteiligten“ des (Nachtrags-)Abwicklungsverfahrens (zum fehlenden Antragsrecht
bloß außenstehender Dritter OLG Jena, ZIP 2001, 377).

Soweit H. im Zusammenhang mit der Antragsberechtigung bei der GmbH (in:
Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 60 Rdn. 106) anstelle des Begriffs des
„rechtlichen Interesses“ den Begriff des „unmittelbaren berechtigten Interesse“
gebraucht, sieht der Senat – unabhängig von der Frage der hierauf bezogenen
Vergleichbarkeit des Vereins mit den Handelsgesellschaften – keinen Anhaltspunkt
dafür, dass hiermit etwas substanziell Anderes gemeint sein sollte, zumal die dort
erwähnten Beispiele (Gesellschafter, frühere Organmitglieder und Abwickler,
Gläubiger) nicht über die sonst zur Veranschaulichung rechtlicher Interessen
angeführten hinausgehen. Unabhängig davon wäre selbst ein weiter zu fassendes
„berechtigtes Interesse“ im Fall des Antragstellers mit Blick auf die oben dargestellten
Unwägbarkeiten bei der Realisierbarkeit seiner Pläne jedenfalls kein „unmittelbares“.
Entsprechendes gilt im Hinblick auf die in der gesellschaftsrechtlichen Literatur
gelegentlich verwendete Formulierung, das Antragsrecht stehe „an der Abgabe von
Erklärungen Interessierten“ zu (Wermeckes in: Heidel, Aktienrecht und
Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2014, § 273 AktG, Rdn. 14; Koch in: MünchKommAktG, 4.
Aufl. 2016, § 273 Rdn. 37). Der Antragsteller behauptet selbst nicht, dass der
aufgelöste Verein irgendwelche konkreten Erklärungen abzugeben hätte,
derentwegen weitere Abwicklungsmaßnahmen durchgeführt werden müssten (siehe
Wermeckes, a.a.O., der vom Antragsteller die substanziierte Darlegung der
Notwendigkeit solcher Maßnahmen verlangt). Eine der im Zusammenhang mit
abzugebenden Erklärungen für relevant gehaltenen Fallgruppen – Ausstellung von
Arbeitszeugnissen, Mitwirkung bei der Löschung von Grundpfandrechten oder
Freigabeerklärung bezüglich hinterlegter Gegenstände oder Sachen (Koch in:
MünchKommAktG, 4. Aufl. 2016, § 273 Rdn. 35; siehe auch Eller, Liquidation der
GmbH, 3. Aufl. 2016, D.II.1, Rdn. 162) – liegt hier ersichtlich nicht vor.

Soweit der Antragsteller sich auf Passarge/Torweggen (Die GmbH in der Liquidation,
2. Aufl. 2014) beruft, ist den dortigen Ausführungen keineswegs zu entnehmen, dass
derjenige, der einen im Eigentum einer aufgelösten juristischen Person stehenden
Gegenstand erwerben wolle, allein deshalb eine Nachtragsliquidation beantragen
könne.

Es heißt dort, die Nachtragsliquidation könne nur auf Antrag eines früheren
Gesellschafters, Organmitglieds, Liquidators, Gläubigers oder sonstigen
interessierten Dritten, der ein berechtigtes Interesse darlege, angeordnet werden. Er
müsse unter anderem die Erfolgsaussichten „des geltend gemachten Rechts“
glaubhaft machen. Werde die Nachtragsliquidation auf sonstige
Abwicklungsmaßnahmen gestützt, müsse der Antragsteller die Verpflichtung der
Gesellschaft zur Vornahme jener Maßnahmen glaubhaft darlegen
(Passarge/Torweggen, a.a.O., Rdn. 658 f.).

Wie dargelegt, stehen im vorliegenden Fall weder auf Seiten des aufgelösten Vereins
noch auf Seiten des Antragstellers Positionen in Rede, die sich im Sinne eines ihm
zustehenden Rechts und einer korrespondierenden Verpflichtung des Vereins
verdichtet hätten.

Der Senat merkt an, dass derjenige, der geltend machen könnte, ihm sei das
Vermögen des Vereins mit dessen Auflösung gemäß § 45 BGB angefallen –
gegebenenfalls der Fiskus (§ 45 Abs. 3 a.E. BGB; zu den Rechtsfolgen Schöpflin in:
Bamberger/Roth/Hau/Poseck, Ed. 47, 2018, § 46 Rdn. 3) – berechtigt wäre, eine
Nachtragsliquidation zu beantragen (Weiß in: Baumann/Sikora, Hand- und
Formularbuch des Vereinsrechts, 2. Aufl. 2017, § 13, Rdn. 323). Unter der Prämisse,
dass die Anfallberechtigten unbekannt sind, könnte die amtswegige Anordnung einer
Pflegschaft für unbekannte Beteiligte nach § 1913 BGB in Betracht zu ziehen sein
(Schöpflin in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BGB, 2018, § 1913 Rdn. 6, 26).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs. 1 FamFG.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 5.000 € (§§ 67 Abs. 1
Nr. 3, 61 Abs. 1, 2 GNotKG).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Saarbrücken

Erscheinungsdatum:

05.11.2018

Aktenzeichen:

5 W 74/18

Rechtsgebiete:

Verein
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Kostenrecht
Aktiengesellschaft (AG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW-RR 2019, 233-235
NotBZ 2019, 143-144

Normen in Titel:

BGB § 29