OLG Karlsruhe 07. September 2017
18 WF 62/17
BGB § 1773; EGBGB Artt. 7 Abs. 1, 21, 24 Abs. 1; KSÜ Artt. 2, 15 Abs. 1; EGV Art. 8 Abs. 1; ErwSÜ Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1; FamFG § 99 Abs. 1 Nr. 2

Zuständigkeit und anwendbares Recht für Entscheidung über Beendigung der Vormundschaft

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 22.2.2018
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.9.2017 – 18 WF 62/17

BGB § 1773; EGBGB Artt. 7 Abs. 1, 21, 24 Abs. 1; KSÜ Artt. 2, 15 Abs. 1; EGV Art. 8
Abs. 1, ErwSÜ Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1; FamFG § 99 Abs. 1 Nr. 2
Zuständigkeit und anwendbares Recht für Entscheidung über Beendigung der
Vormundschaft

1. Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte und zur Bestimmung des anwendbaren
Rechts für die Entscheidung über die Beendigung der Vormundschaft im Falle einer über
18 Jahre alte Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland.
2. "Kind" im Sinne des Haager Kinderschutzübereinkommens (KSÜ) ist nach Art. 2 KSÜ nur
eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
3. "Kind" im Sinne des § 99 Abs. 1 FamFG kann dagegen auch eine über 18 Jahre alte Person
sein, jedenfalls wenn und soweit es darum geht zu klären, ob die Vollendung des
18. Lebensjahres aus Rechtsgründen den Eintritt der Volljährigkeit des "Kindes" zur Folge hat
oder nicht.
4. Die Volljährigkeit tritt nach guineischem Recht erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres ein.
Aus dem "Code de l’Enfant Guineen" von 2008 ergibt sich nichts Abweichendes.

Gründe:

I.
Das Verfahren betrifft die Frage, ob die Vormundschaft über den am … geborenen Betroffenen
wegen des Eintritts der Volljährigkeit beendet ist.
Mit Beschluss vom 09.02.2016 (12 F 61/16) ordnete das Amtsgericht - Familiengericht - Lörrach
die Vormundschaft an und setzte das … als Vormund des Betroffenen ein. Der jugendliche
Betroffene halte sich ohne gesetzlichen Vertreter in … auf, die elterliche Sorge der Mutter und
des Vaters sei durch deren Tod beendet.
Mit Schreiben vom 07.02.2017 bat das … um Mitteilung, ob die Volljährigkeit des Betroffenen
und damit das Ende der Vormundschaft nach maßgeblichem guineischem Recht mit 18 Jahren
oder mit 21 Jahren eintrete.
Mit Beschluss vom 07.03.2017 hat das Amtsgericht daraufhin festgestellt, dass die
Vormundschaft beendet sei, weil das Mündel volljährig geworden sei. Hiergegen richtet sich die
am 30.03.2017 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des …. Der Betroffene hatte
Gelegenheit zur Stellungnahme; er hat sich nicht geäußert.

II.
Die zulässige Beschwerde (1.) eröffnet eine Entscheidungsbefugnis des Senats (2.) und hat
auch in der Sache Erfolg (3.).
1. Die nach § 11 Abs. 1 RPflG in Verbindung mit § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde
wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdeberechtigung des Jugendamts ergibt
sich aus § 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG.
2. Der Senat ist zur Sachentscheidung berufen.
a) Die Zuständigkeit des Senats ist gegeben. Insbesondere sind die deutschen Gerichte für
die Entscheidung über die Aufhebung der Vormundschaft international zuständig. Dies gilt
ungeachtet der Tatsache, dass der Betroffene - unzweifelhaft - das 18. Lebensjahr bereits
vollendet hat, und unabhängig von der - in diesem Verfahren materiell zu beantwortenden -
Frage, ob dies in rechtlicher Hinsicht die Volljährigkeit des Betroffenen zur Folge hat.
aa) Kommt vorliegend Art. 8 Abs. 1 (i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. b) der Verordnung
(EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 (im Folgenden: Brüssel IIa-VO) zur Anwendung,
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so ist die Entscheidungszuständigkeit deutscher Gerichte zu bejahen, weil sich der Betroffene
ständig in … aufhält. Nach Aktenlage lebt der Betroffene mindestens seit Februar 2016 in ….
Die Anwendbarkeit der Brüssel IIa-VO setzt allerdings voraus, dass es sich bei dem Betroffenen
um ein „Kind“ handelt. Das wäre vorliegend zu bejahen, wenn man unter einem Kind im Sinne
der Verordnung eine minderjährige, nicht voll geschäftsfähige Person verstünde: Denn dann
käme entweder nach Art. 7 Abs. 1 EGBGB (vgl. die entsprechenden Nachweise bei
Staudinger/Henrich, BGB, Art. 21 EGBGB Rn. 145 [Stand 2014]) für die Frage der
Geschäftsfähigkeit die Anwendung guineischen Rechts in Betracht, das, wie unten (3.b.bb)
dargelegt, die Volljährigkeit erst mit 21 Jahren vorsieht. Alternativ wäre die Minderjährigkeit des
Betroffenen als doppelrelevante (Rechts-) Tatsache im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zu
unterstellen (so OLG Bremen vom 23.02.2016 - 4 UF 186/15, juris Rn. 2 f. sowie - allerdings für
den Fall der tatsächlichen Unsicherheit über das Alter des Betroffenen - Senatsbeschluss vom
26.08.2015 - 18 UF 92/15, FamRZ 2015, 2182, juris Rn. 16).
Will man dagegen mit einer in der Literatur vertretenen Meinung unter einem „Kind“ im Sinne
von Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO nur eine Person verstehen, die das 18. Lebensjahr noch nicht
vollendet hat (so etwa Zöller/Geimer, ZPO, 31. Auflage 2016, Anh II A Art. 8 Rn. 1 m.w.N.), ließe
sich im vorliegenden Fall eine Zuständigkeit nach dieser Vorschrift nicht begründen.
bb) Das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die
Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung
und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (BGBl. II 2009 S. 602; im
Folgenden: KSÜ) kommt nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 2 KSÜ nur zur Anwendung,
wenn der Betroffene das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Im vorliegenden Fall kann
danach auf die Zuständigkeitsregelungen des KSÜ nicht zurückgegriffen werden.
cc) Sollte auf Fälle der vorliegenden Art das Haager Übereinkommen über den
internationalen Schutz von Erwachsenen (BGBl. II 2007 S. 323 im Folgenden: ErwSÜ)
anzuwenden sein (so wohl von Hein, Anmerkung zu OLG Karlsruhe vom 23.07.2015 - 5 WF
74/15, FamRZ 2015, 1820, 1821), so wäre maßgeblich für die internationale Zuständigkeit
ebenfalls der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen. Der Senat bezweifelt allerdings die
Anwendbarkeit des ErwSÜ, da diese nicht nur voraussetzt, dass betroffen ein „Erwachsener“ im
Sinne des ErwSÜ ist, also eine Person, die das 18. Lebensjahr vollendet hat (Art. 2 Abs. 1
ErwSÜ); hinzu kommen muss vielmehr, dass es um den Schutz einer solchen Person geht, die
„aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Fähigkeiten nicht
in der Lage [ist], ihre Interessen zu schützen“ (Art. 1 Abs. 1 ErwSÜ). Dieser Aspekt fehlt aber,
wenn - wie hier - losgelöst von den individuellen Fähigkeiten des Einzelnen zu entscheiden ist,
welches gesetzliche Volljährigkeitsalter gilt.
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dd) Damit bliebe - falls weder die Brüssel IIa-VO eingreift noch das ErwSÜ - vorliegend nur
der Rückgriff auf § 99 Abs. 1 FamFG. Hieraus würde ebenfalls wegen des gewöhnlichen
Aufenthalts des Betroffenen in … die Zuständigkeit deutscher Gerichte folgen (§ 99 Abs. 1 Nr. 2
FamFG). Im Fall des § 99 Abs. 1 FamFG kann es aus Sicht des Senats im Licht des
systematischen Zusammenhangs der Norm nicht zweifelhaft sein, dass „Kind“ auch eine über 18
Jahre alte Person sein kann, jedenfalls wenn und soweit es - wie hier - darum geht zu klären, ob
die Vollendung des 18. Lebensjahres aus Rechtsgründen den Eintritt der Volljährigkeit des
„Kindes“ zur Folge hat oder nicht (so offenbar auch Zöller/Geimer, ZPO, 31. Auflage 2016, Anh
II A Art. 8 Rn. 1 sowie Staudinger/Henrich, BGB, Art. 21 EGBGB Rn. 145 [Stand 2014]; im
Ergebnis entsprechend MüKO-FamFG/Rauscher, 2. Auflage 2013, § 99 Rn. 3: Maßgeblichkeit
des Heimatrechts des Betroffenen, Art. 7 EGBGB). Soweit in der Literatur eine abweichende
Auffassung vertreten wird (vgl. etwa - allerdings ohne Auseinandersetzung mit der vorliegend
entscheidenden Problematik - Prütting/Helms/Hau, FamFG, 3. Auflage 2014, § 99 Rn. 34: „Kind
iSv. § 99 ist nur, wer nach Maßgabe von § 2 BGB minderjährig ist“), vermag dies nicht zu
überzeugen.
b) Eine Abhilfebefugnis des Amtsgerichts besteht vorliegend nicht (§ 68 Abs. 1 Satz 2
FamFG); zudem war das Amtsgericht zur Abhilfe auch nicht bereit (Beschluss vom 30.03.2017).
3. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil die Beendigung der Vormundschaft
vorliegend den Eintritt der Volljährigkeit voraussetzt (a) und dies erst mit Vollendung des 21.
Lebensjahrs der Fall ist (b); folglich besteht die mit Beschluss vom 09.02.2016 angeordnete
Vormundschaft fort.
a) Die Beendigung der Vormundschaft setzt - letztlich unabhängig von der Frage, ob
deutsches oder guineisches Recht zur Anwendung kommt (aa) - jedenfalls den Eintritt der
Volljährigkeit des Betroffenen voraus (bb).
aa) Die Frage, welches Recht für die Beendigung der für den Betroffenen angeordneten
Vormundschaft maßgeblich ist, ist vorrangig nach einschlägigen unmittelbar anwendbaren
europäischen Rechtsnormen oder völkerrechtlichen Vereinbarungen (Art. 3 Nr. 1, 2 EGBGB)
und im Übrigen nach Art. 24 Abs. 1 EGBGB zu entscheiden.
(1) Ob vorliegend gemäß Art. 15 Abs. 1 KSÜ deutsches Recht anwendbar ist, erscheint
zweifelhaft.
Nach Art. 15 Abs. 1 KSÜ gilt das lex fori-Prinzip. Ist die Zuständigkeit eines Vertragsstaates
begründet, wendet dieser sein eigenes Recht an. Dabei ist unerheblich, ob das betreffende Kind
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Angehöriger eines Vertragsstaates oder eines Drittstaates ist (Palandt/Thorn, BGB, 76. Auflage
2017, Anh. zu Art. 24 EGBGB Rn. 18).
Die Kollisionsnormen des KSÜ bestimmen auch dann das maßgebliche Recht, wenn sich die
internationale Zuständigkeit aus der vorrangigen Brüssel IIa-VO ergibt (Palandt/Thorn a.a.O.,
Rn. 21). Dies gilt jedenfalls, wenn eine Zuständigkeit (auch) aus den Artikel 5 ff. KSÜ - bei einer
fiktiven Anwendung - begründet wäre (vgl. OLG Karlsruhe vom 26.08.2015 - 18 UF 92/15,
FamRZ 2015, 2182, juris Rn. 18 m.w.N.). Vorliegend dürfte die Anwendbarkeit (auch) der
Kollisionsnormen des KSÜ nach dessen Art. 2 allerdings daran scheitern , dass der Betroffene -
anders als in dem der Entscheidung des Senats vom 26.08.2015 zu Grunde liegenden
Sachverhalt: unzweifelhaft - das 18. Lebensjahr vollendet hat (siehe oben unter 2.a.bb; vgl. auch
OLG Bremen vom 23.02.2016 - 4 UF 186/15 -, juris Rn. 8).
(2) Soweit das KSÜ nicht eingreift, wäre nach Art. 24 Abs. 1 EGBGB das Recht des
Staates, dem der Mündel angehört, maßgeblich. Das ist hier das Recht der Republik Guinea; für
eine anderweitige Staatsangehörigkeit des aus Guinea stammenden Betroffenen bestehen
keinerlei Anhaltspunkte. Das guineische Privatrecht beansprucht seinerseits Geltung für alle
Personen mit guineischer Staatsangehörigkeit unabhängig von deren Aufenthaltsort (vgl.
Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht,
Guinea, S. 13 f. [Stand 01.03.2006]).
bb) Sowohl nach deutschem als auch nach guineischem Recht endet die Vormundschaft
mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Mündels, so dass die Frage des auf die Beendigung der
Vormundschaft anzuwendenden Rechts letzten Endes offen bleiben kann.
Gemäß § 1882 BGB endigt die Vormundschaft mit Wegfall der in § 1773 BGB für die
Begründung der Vormundschaft bestimmten Voraussetzungen, das heißt insbesondere mit
Eintritt der Volljährigkeit des Mündels.
Nach guineischem Recht kommt eine Vormundschaft über Minderjährige in Betracht, wenn die
Eltern als Inhaber elterlichen Sorge versterben (vgl. Art. 404 des guineischen Code civil -
Zivilgesetzbuch - vom 16.02.1983 in der Fassung von 1996, zitiert nach
Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., S. 31). Mit der Volljährigkeit erlangt der unter Vormundschaft
stehende Minderjährige die umfassende Befähigung zu allen Rechtshandlungen (Code civil
Art. 443), was der Vormundschaft die Grundlage entzieht.
b) Für die Frage des Eintritts der Volljährigkeit ist in jedem Fall das guineische Recht
anzuwenden (aa); danach ist die Vollendung des 21. Lebensjahrs maßgeblich (bb).
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aa) Die Frage, wann eine Person als minderjährig gilt, beurteilt sich gemäß Art. 7 Abs. 1
EGBGB nach deren Heimatrecht (OLG Karlsruhe vom 26.08.2015 - 18 UF 92/15, FamRZ 2015,
2182, juris Rn. 20; zu anderen Begründungsansätzen - die aber vorliegend ebenfalls zum
Heimatrecht führen würden - vgl. OLG Karlsruhe vom 23.07.2015 - 5 WF 74/15, FamRZ 2015,
1820, juris Rn. 13 f. sowie OLG Bremen vom 23.02.2016 - 4 UF 186/15, juris Rn. 6 ff.). Im
vorliegenden Fall ist also guineisches Recht anzuwenden [vgl. oben unter a.aa.(2)].
bb) Die Volljährigkeit tritt nach guineischem Recht erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres
ein (Code civil Art. 443). Minderjährig ist dagegen nach guineischem Recht, wer noch nicht das
Alter von 21 Jahren erreicht hat (Code civil Art. 399). Dies entspricht der - soweit ersichtlich
einhellig vertretenen - Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und dem Schrifttum
(vgl. etwa OLG Brandenburg vom 26.04.2016 - 13 UF 40/16, juris Rn. 14; OLG Bremen vom
23.02.2016 - 4 UF 186/15, juris Rn. 9; OLG Hamm vom 30.01.2015 - 6 UF 155/13, FamRZ
2015, 1635, juris Rn. 22; Staudinger/Hausmann, BGB, Anhang zu Art. 7 EGBGB [Stand 2013];
Bamberger/Roth/Mäsch, BeckOK-BGB, Art. 7 EGBGB Rn. 57.1 [Stand 15.06.2017];
Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, 8. Auflage 2015, Rn. 7.921, zitiert
nach juris).
Soweit das Amtsgericht von einem Volljährigkeitsalter von 18 Jahren ausgeht, folgt der Senat
dem nicht. Zwar kann sich das Amtsgericht auf ein vom Landratsamt vorgelegtes Schreiben des
Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Guinea vom 03.05.2016 an die
deutsche Botschaft in Conakry bzw. eine damit übermittelte Stellungnahme des guineischen
Justizministeriums stützen, wonach der Gesetzgeber die Volljährigkeit im Code de l’Enfant
Guineen (Loi L/2008/011/AN du 19 Aout 2008) auf 18 Jahre festgelegt und damit alle früheren
widersprechenden Vorschriften - insbesondere diejenigen des Code civil - stillschweigend außer
Kraft gesetzt haben soll. Diese Auslegung des guineischen Rechts vermag den Senat jedoch
nicht zu überzeugen.
Der Code de l’Enfant bestimmt in Art. 1 Abs. 1, dass jedes menschliche Lebewesen unter 18
Jahren ein Kind ist („Tout être humain âgé de moins de 18 ans est un Enfant“, Gesetzestext
abrufbar über die Website der Internationalen Arbeitsorganisation / ILO, https://www.ilo.org,
besucht am 29.08.2017). Die Norm bestimmt damit den Anwendungsbereich des Gesetzes, das
die Rechtsstellung von Kindern umfassend regelt. Das Gesetz nennt Altersgrenzen für die
Heiratsfähigkeit (in der Regel 18 Jahre, Art. 268 Abs. 2) sowie die strafrechtliche
Verantwortlichkeit (ab 18 Jahren, Art. 338), nicht aber für die Volljährigkeit (majorité). Zu Beginn
des zweiten Titels (Titre deux) sieht das Gesetz in Art. 168 Abs. 1 ausdrücklich vor, dass das
Kind bis zum Erreichen der Volljährigkeit oder der „emancipation“ - die unter anderem durch
Heirat erfolgen kann - unter elterlicher Sorge steht. Danach muss insgesamt davon
ausgegangen werden, dass die Bestimmungen des Code civil für den Eintritt der Volljährigkeit
18 WF 62/17 - Seite 7 -
weder ausdrücklich noch stillschweigend abgeändert wurden (ebenso OLG Bremen vom
23.02.2016, a.a.O., juris Rn. 11).
4. Der Senat hat von einer mündlichen Erörterung oder persönlichen Anhörung (§§ 32, 34
FamFG) abgesehen, nachdem Gegenstand des Verfahrens ausschließlich Rechtsfragen sind.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG, die Festsetzung des
Verfahrenswerts auf § 55 Abs. 2, § 42 Abs. 2, 3 FamGKG.

Leitsatz
1. Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte und zur Bestimmung des anwendbaren
Rechts für die Entscheidung über die Beendigung der Vormundschaft im Falle einer über 18
Jahre alte Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland.
2. „Kind“ im Sinne des Haager Kinderschutzübereinkommens (KSÜ) ist nach Art. 2 KSÜ nur eine
Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
3. „Kind“ im Sinne des § 99 Abs. 1 FamFG kann dagegen auch eine über 18 Jahre alte Person sein,
jedenfalls wenn und soweit es darum geht zu klären, ob die Vollendung des 18. Lebensjahres aus
Rechtsgründen den Eintritt der Volljährigkeit des „Kindes“ zur Folge hat oder nicht.
4. Die Volljährigkeit tritt nach guineischem Recht erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres ein. Aus
dem „Code de l’Enfant Guineen“ von 2008 ergibt sich nichts Abweichendes.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Karlsruhe

Erscheinungsdatum:

07.09.2017

Aktenzeichen:

18 WF 62/17

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 1773; EGBGB Artt. 7 Abs. 1, 21, 24 Abs. 1; KSÜ Artt. 2, 15 Abs. 1; EGV Art. 8 Abs. 1; ErwSÜ Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1; FamFG § 99 Abs. 1 Nr. 2