BGH 20. September 2004
II ZR 288/02
AktG §§ 67, 68 Abs. 2, 243 Nr. 3

Unterschriftsbeglaubigung als Wirksamkeits- oder Nachweiserfordernis für die Übertragung von Namensaktien

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 10461
letzte Aktualisierung: 25.11.2004
BGH, 20.09.2004 - II ZR 288/02
AktG §§ 67, 68 Abs. 2, 243 Nr. 3
Unterschriftsbeglaubigung als Wirksamkeits- oder Nachweiserfordernis für die
Übertragung von Namensaktien
Ein satzungsändernder Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft,
durch den das Erfordernis einer Unterschriftsbeglaubigung auf Kosten des betreffenden
Aktionärs als Wirksamkeits- oder Nachweiserfordernis für die Übertragung von (nicht
verbrieften) Namensaktien nachträglich eingeführt wird, ist gemäß § 243 Nr. 3 AktG
nichtig. Erforderlich ist vielmehr ein einstimmiger Beschluss aller Aktionäre.
Tatbestand:
Der Kläger ist Aktionär der Beklagten. Ihre Hauptversammlung beschloß am
22. August 2001 zu TOP 8 u.a. eine Satzungsänderung, wonach die bisherigen Inhaberaktien auf Namensaktien (Stückaktien) umgestellt wurden und § 4 der Satzung wie folgt
neu gefaßt wurde:
"Die Aktien lauten auf den Namen. Die Gesellschaft kann die Aktien ganz oder teilweise in Aktienurkunden zusammenfassen, die eine Mehrheit von Aktien verbriefen. Der
Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ist ausgeschlossen."
Für die nachfolgenden Sätze 4 und 5 des § 4 war nach dem gemäß § 124 Abs. 1 AktG
bekanntgemachten Beschlußvorschlag zu TOP 8 c ursprünglich folgende Fassung vorgesehen:
"Soweit eine Einzelverbriefung der Aktie nicht vorgenommen wird, bedürfen rechtsgeschäftliche Verfügungen über Miteigentumsanteile an der Globalaktie zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die Unterschriften der Vertragsparteien bedürfen der notariellen Beglaubigung."
Der die Hauptversammlung leitende Aufsichtsratsvorsitzende Dr. C. stellte die Satzungsänderung TOP 8 c zunächst unter Ausklammerung der Sätze 4 und 5 des § 4 zur
Abstimmung, welche die erforderliche Mehrheit ergab. Anschließend rief er den bisher
ausgeklammerten Teil des TOP 8 c zur Beschlußfassung auf und formulierte "in seiner
Eigenschaft als Aktionär und nicht als Aufsichtsrat" einen geänderten Beschlußvorschlag, der Anregungen von Aktionären berücksichtige. Er lautete folgendermaßen:


-2–
"Soweit die rechtsgeschäftlichen Verfügungen nicht unter Vorlage von Personalausweisen vor dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder von diesem hierzu ermächtigten Personen
vorgenommen werden, bedürfen die Unterschriften der Vertragsparteien der amtlichen
Beglaubigung, der notariellen Beglaubigung oder der schriftlichen Bestätigung der Unterschriften durch ein Kreditinstitut. Notarkosten der Beglaubigung trägt für bis zu zwei
Beglaubigungen je Stückaktie und Kalenderjahr die Gesellschaft."
Nachdem die Hauptversammlung diesem Vorschlag mit der erforderlichen Mehrheit
zugestimmt und der Vorsitzende die Beschlußfassung festgestellt hatte, erklärte eine
anwesende Vertreterin des Klägers gegen den Beschluß Widerspruch zur Niederschrift
(§ 245 Nr. 1 AktG).
Mit seiner Klage hat der Kläger die beiden satzungsändernden Beschlüsse zu § 4 der
Satzung insgesamt angefochten, weil der Alternativvorschlag nicht ordnungsgemäß
angekündigt gewesen sei und das beschlossene Beglaubigungserfordernis mit Kostenbelastung der Aktionäre bei mehr als zwei Aktienübertragungen pro Jahr auf eine gegen
§ 180 AktG verstoßende Nebenverpflichtung hinauslaufe. Dieser Beschlußinhalt lasse
sich von dem vorangegangenen Beschluß über die Satzungsänderung gemäß § 4 Satz 1
bis 3 nicht trennen. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Der Senat hat die
Revision des Klägers nur insoweit zugelassen, als die Klage sich gegen den zeitlich
zweiten Hauptversammlungsbeschluß zu § 4 Satz 4 und 5 der Satzung der Beklagten
richtet.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist im Umfang ihrer Zulassung begründet und führt zur Feststellung der
Nichtigkeit des zweiten Hauptversammlungsbeschlusses vom 22. August 2001, betreffend § 4 Satz 4 und 5 der geänderten Satzung der Beklagten.
I. Das Berufungsgericht meint, der Beschluß sei weder aus formellen noch aus
materiellen Gründen anfechtbar. Ob er sich, was anzunehmen sei, noch im Rahmen der
bekanntgemachten Tagesordnung ("Beschlußfassung über die Form der Aktien und die
Änderung der Satzung") gehalten habe und daher nicht gegen § 124 Abs. 4 AktG verstoße, sei im Ergebnis ebenso "irrelevant" wie die Frage, ob der Aufsichtsratsvorsitzende und Versammlungsleiter die Gegenantragsbefugnis eines Aktionärs (§ 126 AktG) für
sich habe in Anspruch nehmen können. Denn diese etwaigen Mängel seien jedenfalls
für das Beschlußergebnis nicht ursächlich geworden, weil die beschlossene Fassung des
§ 4 Satz 4 und 5 der Satzung die Aktionäre besser stelle als die ursprünglich angekündigte, wonach die Beklagte keinerlei Beglaubigungskosten zu übernehmen gehabt hätte.
Inhaltlich verstoße die Neuregelung mangels Auferlegung von Leistungspflichten zugunsten der Beklagten auch weder gegen das "Belastungsverbot" des § 180 Abs. 1
AktG, noch werde durch die Kostenregelung die freie Übertragbarkeit der Aktien in
einer ins Gewicht fallenden Weise erschwert (§ 180 Abs. 2 AktG).
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Durchgreifende Bedenken bestehen bereits gegen die Ansicht des Berufungsgerichts,
eine Anfechtung des Beschlusses (§§ 243, 246 AktG) wegen der nach Auffassung des
Klägers gegebenen Verfahrensmängel scheitere jedenfalls an deren fehlender Kausalität
für das Beschlußergebnis. Nach der neueren Rechtsprechung des Senates (BGHZ 149,
158, 164 f.; 153, 32, 36 f.) kommt es insoweit nicht auf Kausalitätserwägungen, sondern
auf die Relevanz des Verfahrensverstoßes für die Informations- und sonstigen mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre, insbesondere auch der in der Abstimmung unterlegenen Minderheitsaktionäre, an. Eine solche Relevanz ist bei Bekanntmachungsmängeln i.S. von § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG regelmäßig zu bejahen (Senat aaO; Hüffer,
AktG 6. Aufl. § 243 Rdn. 15).
Im Ergebnis kommt es allerdings auf die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel nicht
an, weil der angefochtene Beschluß ohnehin schon seines Inhalts wegen nichtig ist (vgl.
unten 2). Einer entsprechenden Entscheidung steht nicht entgegen, daß der Kläger primär Anfechtungs- und nur hilfsweise Nichtigkeitsklage (§ 249 AktG) erhoben hat. Denn
beide Klageanträge verfolgen dasselbe materielle Ziel und stehen zueinander nicht in
einem Eventualverhältnis (Senat, BGHZ 134, 364, 366). Unerheblich ist dabei auch, daß
die Hauptversammlung der Beklagten den Beschluß inzwischen unstreitig durch
Beschluß vom 22. August 2002 bestätigt und der Kläger diesen anscheinend nicht angefochten hat. Denn abgesehen davon, daß der inhaltliche Nichtigkeitsgrund dem Bestätigungsbeschluß in gleicher Weise anhaftet, kann ein Bestätigungsbeschluß gemäß § 244
AktG nur die Anfechtbarkeit (vgl. dazu Sen.Urt. v. 15. Dezember 2003 - II ZR 194/01,
ZIP 2004, 310), nicht aber die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses beseitigen.
2. Der Inhalt des Beschlusses verstößt gegen Grundprinzipien des Aktienrechts und ist
daher gemäß § 241 Nr. 3 AktG nichtig.
a) Das deutsche Aktienrecht ist von dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit des Mitgliedschaftsrechts beherrscht (Lutter in Kölner Komm.z.AktG 2. Aufl. § 68 Rdn. 23;
Bayer in Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 68 Rdn. 34 jew. m.w.N.). Handelt es sich
Vinkulierung gemäß §§ 68 Abs. 2, 180 Abs. 2 AktG - nicht an eine bestimmte Form
gebunden werden, weil darin eine unzulässige Erschwerung der freien Übertragbarkeit
der Aktien läge, die im Grundsatz nur durch eine Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 AktG
eingeschränkt werden kann. Diese wiederum bedürfte gemäß § 180 Abs. 2 AktG im Fall
nachträglicher Einführung durch Satzungsänderung der Zustimmung aller betroffenen
Aktionäre (vgl. Hüffer aaO § 68 Rdn. 13). Die Verweigerung der Zustimmung auch nur
eines von ihnen führt zur Nichtigkeit der Satzungsänderung (vgl. RGZ 121, 238, 244;
Hüffer aaO § 180 Rdn. 9). Ohne die Erfüllung dieser Erfordernisse kann der Grundsatz
der freien Übertragbarkeit der Aktien zumindest nicht mit dinglicher Wirkung entsprechend §§ 399 letzte Alt., 413 BGB beschränkt und deshalb auch nicht an eine bestimmte
Form - als Minus gegenüber einer Vinkulierung - gebunden werden. Die gemäß § 68
Abs. 1 AktG zulässige Übertragung durch Indossament ist nur fakultativ vorgesehen
(vgl. Hüffer aaO § 68 Rdn. 3) und kommt hier mangels Verbriefung der einzelnen Aktien ohnehin nicht in Betracht.
b) Im vorliegenden Fall war das in der ursprünglichen Beschlußvorlage vorgesehene
Formerfordernis ersichtlich als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Aktienübertragung
vorgesehen. Ob Entsprechendes auch für die auf Vorschlag des Versammlungsleiters
beschlossene Fassung gilt oder damit nur noch ein Nachweiserfordernis für die Eintragung des Rechtsübergangs ins Aktienregister gemäß § 67 Abs. 3 AktG gemeint ist, kann
dahinstehen. Denn auch im letzteren Fall wäre schon die Formvorschrift, erst recht aber
die Kostenbelastung der Aktionäre nichtig.
aa) Eine bestimmte Nachweisform schreibt § 67 Abs. 3 AktG nicht vor. Ausreichend ist
jedenfalls eine schriftliche Abtretungserklärung (vgl. Hüffer aaO § 67 Rdn. 18). Eine
Unterschriftsbeglaubigung ist auch bei der Übertragung verbriefter Namensaktien durch
Indossament nicht vorgesehen; gemäß § 68 Abs. 3 AktG ist die Gesellschaft zu einer
Prüfung der Unterschriften nicht verpflichtet. Dies schließt eine Berechtigung und in
Zweifelsfällen - z.B. bei Verdacht einer Unterschriftsfälschung - auch eine Verpflichtung der Gesellschaft zur Überprüfung der Unterschriften bzw. des Rechtsübergangs
nicht aus (vgl. Bayer in Münch.Komm.z.AktG 2. Aufl. § 67 Rdn. 89; § 68 Rdn. 28
m.w.N.), wozu sie auch im eigenen Interesse der Klarheit über die ihr gegenüber berechtigten und verpflichteten Mitglieder gehalten sein kann, weil die Wirkung der Eintragung im Aktienregister gemäß § 67 Abs. 2 AktG jedenfalls nach h.M. im Fall einer
Unterschriftsfälschung nicht eingreifen soll (vgl. Bayer aaO § 67 Rdn. 74 m.w.N.; zweifelnd Hüffer aaO § 67 Rdn. 15). Die allgemeinen Eintragungsvoraussetzungen nach
§§ 67 Abs. 3, 68 Abs. 1, 3 AktG können aber durch die Satzung nicht generalisierend
verändert oder verschärft werden (Lutter aaO § 68 Rdn. 57). Es besteht kein Grund, für
den Nachweis der Übertragung nicht verbriefter Namensaktien generell eine Unterschriftsbeglaubigung zu verlangen. Das gilt um so mehr, als die Neufassung der §§ 67,
68 AktG durch Art. 1 NaStraG (v. 18. Januar 2001, BGBl. I 123 ff.) auf die elektronische Abwicklung des Effektengeschäfts abgestimmt ist (vgl. Bayer aaO § 67 Rdn. 2, 6;
Hüffer aaO § 67 Rdn. 18) und insoweit nicht mehr als eine "automatisierte Plausibilitätsprüfung" der Mitteilung gemäß § 67 Abs. 3 AktG in Betracht kommt (vgl. RegBegr.
BT-Drucks. 14/4051, S. 11 sowie Noack, DB 1999, 1306, 1308).
bb) Wird sonach schon durch die alternativen Formerfordernisse gemäß der streitigen
Satzungsregelung die freie Übertragbarkeit der Aktien beeinträchtigt, so gilt das erst
recht für die damit zusätzlich verbundene Kostenbelastung der Aktionäre bei mehr als
zwei Übertragungen pro Jahr. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dies mit
der möglicherweise zulässigen Belastung eines Aktionärs mit Kosten einer von ihm
gewünschten Einzelverbriefung bei Vorhandensein einer Globalurkunde (vgl. dazu Hüffer aaO § 10 Rdn. 11) nicht vergleichbar. Denn dort erwachsen die Kosten aufgrund
einer allein von dem Aktionär verlangten und in seinem Interesse vorgenommenen
Maßnahme, während die in der geänderten Satzung aufgestellten Form- bzw. Beglaubigungserfordernisse zumindest primär den Interessen der Gesellschaft dienen. Soweit sie
zu einer Überprüfung der Übertragungsvorgänge berechtigt und verpflichtet ist (vgl.
oben aa), handelt es sich um eine eigene Angelegenheit der Beklagten, welche sie sich
nicht durch die aufgestellten Formerfordernisse auf Kosten der Aktionäre erleichtern
kann. Deren Kostenbelastung läuft - abgesehen von der damit verbundenen Beeinträchtigung der freien Übertragbarkeit der Aktien - auf eine nachträgliche Verpflichtung zu
einer Zusatzleistung hinaus, welche mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 55
Abs. 1, 180 Abs. 1, 2 AktG gegen § 54 Abs. 1 AktG verstößt und deshalb auch unter
diesem Aspekt zur Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses der Beklagten führt.
III. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO
in der Sache selbst zu entscheiden und die Nichtigkeit des streitbefangenen Hauptversammlungsbeschlusses festzustellen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.09.2004

Aktenzeichen:

II ZR 288/02

Rechtsgebiete:

Aktiengesellschaft (AG)

Erschienen in:

DNotI-Report 2004, 203
BGHZ 160, 253-259
DNotZ 2005, 138-141
NJW 2004, 3561-3563
ZNotP 2004, 480-482

Normen in Titel:

AktG §§ 67, 68 Abs. 2, 243 Nr. 3