Grenzüberschreitende Tiefgarage; statische Verzahnung der Baukörper; einheitliches Gebäude; Aufteilbarkeit nach WEG
letzte Aktualisierung: 3.8.2023
BGH, Beschl. v. 15.6.2023 – V ZB 12/22
BGB §§ 93, 94 Abs. 2, 95 Abs. 1 S. 2, 912 Abs. 1; WEG §§ 1 Abs. 4, 8
Grenzüberschreitende Tiefgarage; statische Verzahnung der Baukörper; einheitliches
Gebäude; Aufteilbarkeit nach WEG
1a. Maßgeblich für die Beurteilung der Einheitlichkeit von Gebäuden ist bei einem Überbau immer
die Verkehrsanschauung; die körperliche bautechnische Beschaffenheit stellt nicht das allein
entscheidende Kriterium dar, sondern erlangt nur im Rahmen der festzustellenden
Verkehrsanschauung Bedeutung.
1b. Erstreckt sich eine Tiefgarage als rechtmäßiger Überbau auf andere Grundstücke, führt allein die
bautechnische und statische Verbindung der Tiefgarage mit auf den überbauten Grundstücken
aufstehenden Gebäuden nicht dazu, dass die Tiefgarage kein einheitliches Gebäude ist.
1c. Auch Verbindungen der auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäude mit dem
Tiefgaragenkörper durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Fluchtwege und der Haustechnik
dienende Versorgungseinrichtungen oder von den anderen Grundstücken ausgehende weitere
Zufahrten stehen der Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude nicht entgegen.
2. Ist in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen, dass die im Wege des rechtmäßigen Überbaus
grenzüberschreitend errichtete Tiefgarage durch eine Zufahrt von dem Stammgrundstück aus als
Ganzes erreichbar ist, ist von dem Grundbuchamt aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der
Schluss zu ziehen, dass der Tiefgaragenkörper unabhängig von einer aufstehenden Bebauung auf
dem überbauten Grundstück eigentumsrechtlich dem Stammgrundstück zuzuordnen ist; dies setzt
allerdings voraus, dass sich ein Gebäudeteil der Tiefgarage (wie etwa eine Rampe) auf dem
Stammgrundstück befindet und dies grundbuchmäßig nachgewiesen ist.
Gründe:
I.
Die Beteiligte ist als Eigentümerin des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten
Grundstücks (im Folgenden: Tiefgaragengrundstück) im Grundbuch
eingetragen. Auf dem Grundstück errichtete sie eine Tiefgarage, wobei sich ein
kleiner Teil des Gebäudekörpers nebst Zufahrt auf dem Tiefgaragengrundstück
befindet, während sich der weitaus größere Teil im Wege des Überbaus auf drei
weitere Grundstücke erstreckt. Zu Lasten der überbauten Grundstücke ist jeweils
eine Grunddienstbarkeit unter anderem mit dem Inhalt, dass dem jeweiligen
Eigentümer des Tiefgaragengrundstücks der Überbau gestattet wird, in dem
Grundbuch eingetragen (im Folgenden: Überbaugrunddienstbarkeit). Zudem ist
zu Lasten des Tiefgaragengrundstücks eine Grunddienstbarkeit in dem Grundbuch
eingetragen, die dem jeweiligen Eigentümer eines der überbauten Grundstücke
(im Folgenden: Hausgrundstück) das Recht zu dem Aufbau eines Wohngebäudes
auf dem Teil der Decke der Tiefgarage, der in das Hausgrundstück
hineinragt, einräumt (im Folgenden: Aufbaugrunddienstbarkeit).
Mit Schreiben vom 11. Februar 2020 hat die Beteiligte unter Beifügung
einer notariellen Teilungserklärung und einer Abgeschlossenheitsbescheinigung
bei dem Amtsgericht - Grundbuchamt - die Teilung des Tiefgaragengrundstücks
in Teileigentum beantragt. Dabei bezieht die Teilungserklärung auch den Gebäudekörper
der Tiefgarage ein, der sich auf die anderen Grundstücke erstreckt; die
Teileigentumseinheiten bestehen aus den einzelnen Tiefgaragenstellplätzen.
Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen und dies unter anderem damit
begründet, dass gemäß
mehreren Grundstücken nicht möglich sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde
ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte
den Vollzugsantrag weiter.
II.
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in DNotZ
2023, 284 veröffentlicht ist, meint, das Grundbuchamt habe den Antrag auf Bildung
von Teileigentum im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Zwar sei ein durch
Eintragung einer Grunddienstbarkeit abgesicherter und damit rechtmäßiger
Überbau gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks,
soweit bei Beginn des Überbaus die Bestellung des Rechts schon
in Aussicht genommen worden sei; letzteres ergebe sich hier aus der der Teilungserklärung
beigefügten Vereinbarung der Eigentümer. Auch könnten die in
einem rechtmäßigen Überbau gelegenen Räume grundsätzlich ohne Verstoß gegen
deswegen nicht einzutragen, weil die Beschwerdeführerin nicht in grundbuchmäßiger
Form nachgewiesen habe, dass die auf dem Hausgrundstück befindlichen
Teile der Tiefgarage und ein auf diesem Grundstück errichtetes oder zukünftig
noch zu errichtendes aufstehendes Gebäude kein einheitliches Gebäude im
Sinne der §§ 93, 94 BGB bildeten. Entstehe insoweit ein einheitliches Gebäude,
stände dies der (vollständigen) sachenrechtlichen Zuordnung der Tiefgarage zu
dem Tiefgaragengrundstück entgegen. Aus der Aufbaugrunddienstbarkeit lasse
sich nicht herleiten, ob die gesamte Tiefgarage ein einheitliches Gebäude und
damit einen Überbau darstelle oder ob das (zukünftig) aufstehende Gebäude mit
den auf dem Hausgrundstück befindlichen Teilen der Tiefgarage ein einheitliches
Gebäude bilde. Vielmehr sei die körperliche bautechnische Beschaffenheit entscheidend;
daneben könne es auch auf die funktionale Einheit ankommen. Diese
Kriterien könnten indes vor Fertigstellung eines Gebäudes, das im Bau oftmals
bautechnische Änderungen erfahre, nicht beurteilt werden. Mit den Mitteln des
Grundbuchverfahrens werde sich der erforderliche Nachweis nicht führen lassen.
Ebenso wenig lasse sich in grundbuchmäßiger Form nachweisen, dass das Gebäude
nicht errichtet werde.
III.
Die nach
Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Mit
der von dem Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Vollzug der
Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG nicht abgelehnt werden.
1. Zutreffend nimmt das Beschwerdegericht allerdings an, dass die Begründung
von Teileigentum im Wege der Teilung durch den Eigentümer nach § 8
Abs. 1 WEG nur bezogen auf ein einzelnes Grundstück zulässig ist und nicht
mehrere Grundstücke betreffen darf (vgl. BeckOGK/Meier [1.6.2023], § 8 WEG
Rn. 8; Bauer/Schaub/Schneider, GBO, 4. Aufl., Teil E Rn. 10). Dies ergibt sich
zum einen aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 WEG, wonach der Eigentümer „eines
Grundstücks“ die Teilung vornehmen kann, und zum anderen aus der allgemeinen
Regelung des
und Teileigentum nicht in der Weise begründet werden, dass das Sondereigentum
mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden ist.
2. Richtig ist ferner, dass es einer Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG nicht entgegensteht,
wenn sich die Teilungserklärung auf Räume bezieht, die zwar in dem
Bereich eines anderen Grundstücks gelegen, aber nach §§ 93, 94 BGB wesentliche
Bestandteile des Stammgrundstücks sind (vgl. Senat, Urteil vom
30. Mai 2008 - V ZR 184/07,
Teilung gemäß
2011, 410, 411; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 2817; Zimmer in
Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 1 Rn. 30; NK-BGB/Heinemann, 5. Aufl., § 1 WEG
Rn. 5).
3. Der Sache nach trifft weiter die Annahme zu, dass ein Überbau dann
wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks ist, wenn er mit Zustimmung der
Nachbarn errichtet wurde. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats,
dass sowohl bei einem nach § 912 Abs. 1 BGB zu duldenden als auch - erst
recht - bei einem durch den Nachbarn gestatteten Überbau der hinübergebaute
Gebäudeteil entgegen der Grundregel der § 946,
des überbauten Grundstücks wird, sondern - entsprechend § 95 Abs. 1 Satz 2
BGB - Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks und gemäß § 93, § 94
Abs. 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist, von dem aus übergebaut
wird (vgl. Senat, Urteil vom 22. Februar 1974 - V ZR 103/73,
145 f.; Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80,
17. Januar 2014 - V ZR 292/12,
ist der Zweckgedanke der Überbauvorschriften, wirtschaftliche Werte möglichst
zu erhalten, sowie der Gesichtspunkt der natürlich-wirtschaftlichen Einheit von
Gebäuden (vgl. Senat, Urteil vom 22. Februar 1974 - V ZR 103/73, BGHZ 62,
141, 145). Dabei liegt ein Überbau in diesem Sinne auch dann vor, wenn der
überragende Gebäudeteil sich unterhalb der Erdoberfläche befindet, wie dies bei
einer Tiefgarage der Fall ist (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80,
2023). Welches Grundstück als Stammgrundstück anzusehen ist, richtet sich
nach den Absichten und wirtschaftlichen Interessen des Erbauers im Zeitpunkt
der Inanspruchnahme der Nachbargrundstücke. Größe und Wichtigkeit des übergebauten
Gebäudeteils im Verhältnis zu dem auf dem Grundstück des Erbauers
verbliebenen „Stammteil“ spielen keine Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar
1974 - V ZR 103/73,
- V ZR 231/88,
4. Richtig ist schließlich, dass die vorgenannten Grundsätze der Eigentumszuordnung
bei einem rechtmäßigen Überbau nur Anwendung finden, wenn
es sich bei dem grenzüberschreitend errichteten Bauwerk um ein einheitliches
Gebäude handelt (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80, NJW 1982,
756; Urteil vom 4. Dezember 1987 - V ZR 189/86,
2. Juni 1989 - V ZR 167/88,
- V ZR 231/88,
eine grundstücksübergreifende Tiefgarage ein einheitliches Gebäude bildet, ist
die Verkehrsanschauung entscheidend.
a) Die eigentumsrechtliche Zuordnung einer über die Grundstücksgrenze
errichteten Tiefgarage mit aufstehender Bebauung wird allerdings unterschiedlich
beurteilt.
aa) Zum Teil wird angenommen, eine Tiefgarage, die sich im Wege des
rechtmäßigen Überbaus auf andere Grundstücke erstrecke, könne dem Stammgrundstück
dann nicht als wesentlicher Bestandteil zugeordnet werden, wenn auf
den überbauten Teilen des Tiefgaragenkörpers ein Gebäude errichtet sei. Dann
könne nämlich die Tiefgarage nach
Rechte sein, weil das aufstehende Gebäude baustatisch von der Tiefgarage abhängig
sei und es daher bei einer Entfernung der Tiefgarage zerstört würde. Bei
der Anwendung des
bzw. baustatische Betrachtungsweise zugrunde zu legen, die nicht mit dem
Argument einer funktionalen Einheit umgangen werden könne (vgl. Oppermann,
531 f.).
bb) Andere halten die sachenrechtliche Eigenständigkeit einer Tiefgarage
im Verhältnis zu einer aufstehenden Bebauung mit unterschiedlicher Begründung
für möglich. Die baustatische Verbindung von Tiefgarage und aufstehender Bebauung
sei nicht das allein entscheidende Kriterium für die Einheitlichkeit eines
Gebäudes. Vielmehr könnten Verkehrsanschauung bzw. eine natürlich-wirtschaftliche
Betrachtungsweise unter Berücksichtigung funktionaler Einheiten zu
einem anderen Ergebnis führen (vgl. Monreal in Festschrift 25 Jahre DNotI, 2018,
S. 201, 205 f.; Teerstegen,
Weber in Kölner Formularhandbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Kapitel 2
Rn. 72 f.; BeckOK WEG/Leidner [3.4.2023], § 3 Rn. 5; BeckOGK/M. Müller, WEG
[1.6.2023], § 1 Rn. 405; Bühler/Bernert,
b) Die zweite Ansicht entspricht der Rechtsprechung des Senats.
aa) Wann eine einheitliche Sache vorliegt, ist nicht ausdrücklich im Bürgerlichen
Gesetzbuch geregelt.
Gegenstände sind. Auch
die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere
zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, nicht Gegenstand besonderer
Rechte sein können, definiert nicht eine einheitliche Sache. Vielmehr setzt
diese Vorschrift deren Vorliegen voraus und bestimmt, wann ein - nicht sonderrechtsfähiger
- wesentlicher Bestandteil einer einheitlichen Sache vorliegt (vgl.
MüKoBGB/Stresemann, 9. Aufl., § 93 Rn. 3; Monreal in Festschrift 25 Jahre
DNotI, 2018, S. 201, 205; Bühler/Bernert,
Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06,
22. Oktober 2021 - V ZR 69/20,
eine einheitliche Sache vorliegt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats die Verkehrsanschauung und - wenn diese fehlt oder nicht festgestellt
werden kann - die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters
(vgl. Senat, Urteil vom 22. Oktober 2021 - V ZR 69/20,
mwN).
bb) Dies gilt auch bei Gebäuden. Zwar hat der Senat unter Bezugnahme
auf die Wertung des
ein einheitliches Gebäude darstelle, in erster Linie nach seiner körperlichen bautechnischen
Beschaffenheit beurteile, und dass ein Gebäude, dessen Teile nicht
voneinander getrennt werden könnten, ohne dass der eine oder andere zerstört
oder in seinem Wesen verändert werde, grundsätzlich ein einheitliches Gebäude
sei (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80,
in Urteil vom 25. Februar 1983 - V ZR 299/81,
Senat, Urteil vom 4. Dezember 1987 - V ZR 189/86,
Senat hat aber zugleich betont, dass Verkehrsanschauung oder natürliche und
wirtschaftliche Betrachtungsweise zu einem anderen Ergebnis führen können
(vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80,
4. Dezember 1987 - V ZR 189/86,
2008 - V ZR 222/06,
alle Umstände des Falles gewürdigt werden müssen (vgl. Urteil vom 2. Juni 1989
- V ZR 167/88,
funktionaler Einheit besonderes Gewicht beizumessen ist (vgl. Urteil vom 4. Dezember
1987 - V ZR 189/86,
- V ZR 167/88,
bauliche Eigenart und die wirtschaftliche Nutzung sein (vgl. Senat, Urteil vom
4. Dezember 1987 - V ZR 189/86,
1990 - V ZR 231/88,
- V ZR 268/00,
2004, 1340, 1342; Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06,
Rn. 15).
cc) Maßgeblich für die Beurteilung der Einheitlichkeit von Gebäuden ist bei
einem Überbau nach alledem immer die Verkehrsanschauung; die körperliche
bautechnische Beschaffenheit stellt nicht das allein entscheidende Kriterium dar,
sondern erlangt nur im Rahmen der festzustellenden Verkehrsanschauung Bedeutung.
Folgerichtig hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass es der
Eigenständigkeit eines Gebäudes nicht entgegensteht, wenn es statisch von anderen
Gebäuden bzw. Teilen anderer Gebäude abhängig ist. So hat er die Beurteilung
einer Tiefgarage als einheitliche Sache nicht deswegen beanstandet, weil
sie statische Verbindungen zu einer aufstehenden Bebauung auswies (vgl. Urteil
vom 25. Februar 1983 - V ZR 299/81,
verschachtelten Überbau, also bei einem wechselseitigen Überbau einzelner
Geschosse von zwei Gebäuden, hat der Senat die statische Verbundenheit
ebenso wenig als entscheidend angesehen. Vielmehr hat er darauf abgestellt,
welchem Gebäude die Geschosse bei natürlicher und wirtschaftlicher Betrachtung
zuzuordnen sind. Diese mögliche Einheitlichkeit eines Gebäudes trotz
der statischen Abhängigkeit bestimmter Teile von einem anderen Gebäude hat
der Senat dabei nicht nur für die Teilung eines Grundstücks mit einem über die
Grundstücksgrenze reichenden Bauwerk anerkannt (vgl. hierzu Urteil vom
12. Oktober 2001 - V ZR 268/00,
- V ZR 96/03,
(
15. Februar 2008 - V ZR 222/06,
Teil eines Gebäudes nach seiner Lage, baulichen Gestaltung und wirtschaftlichen
Nutzung einem bestimmten Gebäude zuzuordnen, ist er auch eigentumsrechtlich
diesem Gebäude zugehörig, und zwar selbst dann, wenn er statisch von
einem anderen Gebäude abhängig ist. Diese Grundsätze gelten auch dann,
wenn es sich bei dem Gebäude um eine Tiefgarage handelt.
dd) Erstreckt sich eine Tiefgarage als rechtmäßiger Überbau auf andere
Grundstücke, führt allein die bautechnische und statische Verbindung der Tiefgarage
mit auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäuden infolgedessen
nicht dazu, dass die Tiefgarage kein einheitliches Gebäude ist. Entscheidend
für die Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude ist vielmehr
die Verkehrsanschauung, wobei die Umstände des Einzelfalles und insbesondere
der Gesichtspunkt der funktionalen Einheit zu würdigen sind. Nach der Verkehrsanschauung
stehen Verbindungen der auf den überbauten Grundstücken
aufstehenden Gebäude mit dem Tiefgaragenkörper durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte,
Fluchtwege und der Haustechnik dienende Versorgungseinrichtungen
oder von den anderen Grundstücken ausgehende weitere Zufahrten der
Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude nicht entgegen. Bleibt die
Tiefgarage als Ganzes über eine Zufahrt von dem Stammgrundstück aus erreichbar,
dienen solche Verbindungen primär den aufstehenden Gebäuden und ihrem
Anschluss an die Tiefgarage. Sie ändern nichts daran, dass die Tiefgarage bei
funktionaler und wirtschaftlicher Betrachtung als eigenständige Einheit und damit
als einheitliches Gebäude angesehen wird (vgl. Weber in Kölner Formularhandbuch
Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Kapitel 2 Rn. 73; Teerstegen, ZNotP
2008, 21, 23; Bühler/Bernert,
5. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist die Annahme des Beschwerdegerichts,
hier könne davon, dass die Tiefgarage ein einheitliches Gebäude sei,
schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil nicht in grundbuchmäßiger Form
nachgewiesen sei, dass die auf dem Hausgrundstück befindlichen Teile des Tiefgaragenkörpers
mit dem darauf (zukünftig) errichteten Gebäude kein einheitliches
Bauwerk bildeten.
a) Ob sich - wie die Rechtsbeschwerde meint - aus der Aufbaugrunddienstbarkeit
etwas für die sachenrechtliche Zuordnung des aufgebauten Gebäudes
oder der Tiefgarage ergibt, kann dahinstehen. Daher kommt es auch nicht
darauf an, inwieweit eine Aufbaudienstbarkeit, die - wie hier - lediglich das Recht
zu dem Aufbau eines Wohngebäudes auf der Tiefgaragendecke gewährt, dem
Eigentümer - anders als eine Nutzungsdienstbarkeit mit einem darüber hinaus
gehenden Inhalt - überhaupt einen rechtlichen Vorteil im Sinne des § 1019 Satz 1
BGB verschaffen kann oder ob diese Befugnis nicht ohnehin gemäß § 903 Satz 1
BGB besteht.
b) Das Beschwerdegericht überspannt jedenfalls die Anforderungen an die
Nachweise, die von dem Antragsteller im Rahmen des Grundbuchverfahrens zu
erbringen sind. Zu Unrecht verlangt es einen grundbuchmäßigen Beleg der negativen
Tatsache, dass die übergebaute Tiefgarage und das auf dem Hausgrundstück
aufstehende Gebäude kein einheitliches Gebäude sind.
aa) Zwar müssen im Grundbuchverfahren grundsätzlich Nachweise in der
Form des § 29 Abs. 1 GBO geführt werden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn
aufgrund von Umständen, die in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen sind,
nach der Lebenserfahrung von bestimmten Tatsachen auszugehen ist. Dann
kann ein Nachweis, dass keine Umstände vorliegen, aufgrund derer dieser Erfahrungssatz
ausnahmsweise nicht eingreift, von dem Antragsteller grundsätzlich
nicht gefordert werden. Der Zwang, derartige, in der Regel fernliegende Möglichkeiten
zu berücksichtigen, würde zu einem leeren Formalismus führen und den
Grundbuchverkehr unnötig erschweren (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April
1961 - V ZB 17/60,
V ZB 20/84,
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 159; Bauer/
Schaub/Bayer/Meier-Wehrsdorfer, GBO, 4. Aufl., § 29 Rn. 176).
bb) Ein solcher Erfahrungssatz greift hier ein.
(1) Erstreckt sich ein Tiefgaragenkörper, der durch eine Zufahrt von dem
Stammgrundstück aus als Ganzes erreichbar ist, als rechtmäßiger Überbau auf
andere Grundstücke, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen,
dass sich die eigentumsrechtliche Zuordnung dieses Überbaus nicht allein
dadurch ändert, dass auf den überbauten Tiefgaragenteilen Gebäude aufgebaut
wurden bzw. werden können. Denn die aus einem Aufbau folgende bautechnische
und statische Verbindung ändert für sich genommen nichts an der eigentumsrechtlichen
Zuordnung der Tiefgarage zu dem Stammgrundstück. Gleiches
gilt für Verbindungen durch Treppenhäuser, Fluchtwege, Aufzugschächte, für
Versorgungseinrichtungen und für weitere Zufahrten (siehe oben Rn. 16). Vielmehr
ist aufgrund der eigenständigen funktionalen Bedeutung einer grundstücksübergreifenden
Tiefgarage davon auszugehen, dass diese nach der Verkehrsanschauung
im Regelfall unabhängig von einer aufstehenden Bebauung als eigenständiges
Gebäude anzusehen ist (vgl. Monreal in Festschrift 25 Jahre DNotI,
2018, S. 201, 205; Bühler/Bernert,
Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Kapitel 2 Rn. 73). Ist in grundbuchmäßiger
Form nachgewiesen, dass die im Wege des rechtmäßigen Überbaus
grenzüberschreitend errichtete Tiefgarage durch eine Zufahrt von dem
Stammgrundstück aus als Ganzes erreichbar ist, ist von dem Grundbuchamt aufgrund
der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss zu ziehen, dass der Tiefgaragenkörper
unabhängig von einer aufstehenden Bebauung auf dem überbauten
Grundstück eigentumsrechtlich dem Stammgrundstück zuzuordnen ist. Dies
setzt allerdings voraus, dass sich ein Gebäudeteil der Tiefgarage auf dem
Stammgrundstück befindet. Dafür reicht es aus, dass jedenfalls die befestigte
Rampe, die in die Tiefgarage hinunterführt und die regelmäßig als Gebäudebestandteil
anzusehen ist (zutreffend OLG Rostock, OLGR 2002, 265, 267; dazu
bereits Senat, Urteil vom 15. November 2013 - V ZR 24/13,
Rn. 15), auf dem Stammgrundstück gelegen ist. Auch hierfür ist ein grundbuchmäßiger
Nachweis erforderlich.
(2) Hier hat die Beteiligte durch die Nachbarschafts- und Rahmenvereinbarung
als Teil der notariellen Teilungserklärung (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG), insbesondere
aber durch die zugunsten des Tiefgaragengrundstücks eingetragenen
Überbaugrunddienstbarkeiten (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 2013
- V ZR 24/13,
GBO nachgewiesen, dass die Tiefgarage einen rechtmäßigen Überbau des Tiefgaragengrundstücks
darstellt. Zudem hat sie durch die mit dem Antrag als Anlage
zur Teilungserklärung vorgelegten Aufteilungspläne in der erforderlichen Form
nachgewiesen, dass der Tiefgaragenkörper von dem Stammgrundstück aus als
Ganzes erreichbar ist. Auch ist in der erforderlichen Form nachgewiesen, dass
ein Teil des Tiefgaragengebäudes auf dem Stammgrundstück gelegen ist. Daher
musste das Grundbuchamt, ohne weitere Nachweise fordern zu dürfen, und unabhängig
von einem auf dem Hausgrundstück errichteten oder zu errichtenden
Gebäude nach der Lebenserfahrung davon ausgehen, dass der Tiefgaragenkörper
eigentumsrechtlich dem Tiefgaragengrundstück zuzuordnen ist. Darauf, ob
möglicherweise künftig ein Gebäude auf dem Tiefgaragenkörper errichtet wird,
kann es für die Einheitlichkeit der Tiefgarage nach dem zuvor Ausgeführten von
vornherein nicht ankommen. Hier ist das auf dem Hausgrundstück geplante Gebäude,
wie sich aus der in Bezug genommenen, vorangegangenen Entscheidung
des Beschwerdegerichts vom 22. Juli 2020 (20 W 296/19, juris Rn. 18) ergibt,
abgesehen von einer statischen Verzahnung mit der Tiefgarage in seiner Funktion
ohnehin völlig autark und weist keine Verbindungen bautechnischer oder
funktionaler Art zu dem Tiefgaragenkörper auf.
IV.
1. Da das Beschwerdegericht die Beschwerde zu Unrecht zurückgewiesen
hat, sind seine Entscheidung und der Beschluss des Grundbuchamts aufzuheben
(§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 74 Abs. 5 FamFG). Die Sache ist zur Entscheidung
über das Eintragungsersuchen an das Grundbuchamt zurückzuverweisen
(§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 74 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 FamFG), das den Vollzug
der Eintragung nicht aus den in dem Beschluss des Grundbuchamts und der Beschwerdeentscheidung
genannten Gründen verweigern darf.
steht der Eintragung nicht entgegen. Die weiteren Gründe, auf die das Grundbuchamt
die Ablehnung des Antrags gestützt hat, verneint das Beschwerdegericht
mit insoweit zutreffender Begründung.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.06.2023
Aktenzeichen:V ZB 12/22
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Beurkundungsverfahren
Grundbuchrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BWNotZ 2023, 193-198
Normen in Titel:BGB §§ 93, 94 Abs. 2, 95 Abs. 1 S. 2, 912 Abs. 1; WEG §§ 1 Abs. 4, 8