Verwertbare Rechtsposition aus dem Kaufvertrag trotz Vertragsaufhebung
letzte Aktualisierung: 6.8.2021
FG Hessen, Urt. v. 22.10.2020 – 5 K 35/20
Verwertbare Rechtsposition aus dem Kaufvertrag trotz Vertragsaufhebung
Kann die Löschung einer Auflassungsvormerkung, deren Löschung bei Vertragsaufhebung bewilligt
wurde, erst nach Rückzahlung des Kaufpreises beim Grundbuchamt beantragt werden, besteht
weiterhin eine verwertbare Rechtsposition des Erwerbes aus dem ursprünglichen Kaufvertrag.
Entscheidungsgründe
Die Klage war unbegründet.
1.
Der Beklagte war nicht verpflichtet, die Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 25.08.2016 aufzuheben.
a.)
Nach der im Streitfall in Betracht kommenden Vorschrift des
aa)
„Rückgängig gemacht“ ist ein Erwerbsvorgang, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 5. September 2013 II R 16/12, BStBl II 2014, 42; vom 6. Oktober 2010 II R 31/09, BFH/NV 2011, 306, und vom 28. März 2012 II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486; jeweils m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung).
bb)
Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i.S. des
Somit besaß die Klägerin im Zeitpunkt des Zweiterwerbs der Grundstücke durch Herrn G bzw. Herrn H am 29.06.2017 wegen der im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung trotz des Aufhebungsvertrages und der erteilten Löschungsbewilligung betreffend der Auflassungsvormerkung noch eine aus dem ursprünglichen Kaufvertrag resultierende, im eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertbare Rechtsposition, da sie auf die Gebrauch-machung von der Löschungsbewilligung durch den Verkäufer hinsichtlich der Wahl eines etwaigen Zweiterwerbers noch einen rechtspositionsbedingten Einfluss hatte. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es der Verkäuferin rechtlich durchaus möglich gewesen wäre, die Grundstücke auch anderweitig – womöglich zu einem besseren Preis – wieder an fremde Dritte zu veräußern. Dies lässt aber zur Überzeugung des Senats die durch die Vormerkung vermittelte Möglichkeit der Einflussnahme nicht entfallen.
cc)
Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, ist für die Anwendung des
Eine Verwertung in diesem Sinne liegt aber nur vor, wenn die Einflussnahme des Ersterwerbers auf die Weiterveräußerung Ausfluss der ihm verbliebenen Rechtsposition ist. Übt der Ersterwerber bei der erneuten Veräußerung eine ihm aus dem Erwerbsvorgang verbliebene Rechtsposition tatsächlich nicht aus (so bei der Benennung eines Ersatzkäufers allein aufgrund des Verlangens des Verkäufers, wenn sich das eigene wirtschaftliche Interesse des Ersterwerbers in der Abwendung möglicher Schadensersatzforderungen erschöpft, vgl. BFH-Urteile vom 4. Dezember 1985 II R 171/84, BStBl II 1986, 271 und vom 6. Oktober 2010 II R 31/09, BFH/NV 2011, 430) oder handelt der Ersterwerber insoweit im ausschließlichen Interesse eines Dritten, steht dies einer Rückgängigmachung nach
Hierbei kommt jedes denkbare wirtschaftliche Interesse des ursprünglichen Erwerbers in Betracht, z.B. auch, dass er das Grundstück einem ihm genehmen anderen Käufer zukommen lassen will. Den Ersterwerber als Steuerschuldner trifft hier eine erhöhte Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts; er trägt auch die Feststellungslast (objektive Beweislast) dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihm begehrten Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung nach
b.)
Im Streitfall hatte die Klägerin – wie oben ausgeführt – im Hinblick auf die Auflassungsvormerkung bei Abschluss der Zweiterwerberverträge am 29.06.2017 noch die rechtliche Möglichkeit, Einfluss auf die Weiterveräußerung der Immobilie an ihre beiden alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer zu nehmen. Diese wurde dabei auch im eigenwirtschaftlichen Interesse der Klägerin verwertet.
Ist Ersterwerber eine Kapitalgesellschaft, so muss sich diese für die Beurteilung der Frage, ob eine ausschließliche Verfolgung der Interessen Dritter vorliegt, die einer Rückgängigmachung nach
Auch ergab sich aus dem Sachvortrag der Klägerin, dass beim Zweiterwerb auch eigene wirtschaftliche Interessen der Klägerin verfolgt wurden. Die von der Klägerin dargelegten Beweggründe für die Aufhebung des Kaufvertrages, nämlich der gesellschaftsinternen Streitigkeiten hinsichtlich der Finanzierung des geplanten Projektes, stellen sich angesichts des relativ zeitnah erfolgten Kaufes der Grundstücke durch zwei maßgeblich mittelbar beteiligte Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer der Klägerin zu dem insgesamt gleichen Kaufpreis zur Überzeugung des Senats als eine – nicht zwingend in allen Punkten inhaltsgleiche – Fortführung des Vorhabens durch die maßgeblichen Gesellschafter dar. Ebenso diente der Zweiterwerb ersichtlich auch dazu, im eigenwirtschaftlichen Interesse der Klägerin den Kaufpreis zurückzuerlangen, wozu die Veräußerin trotz Anmahnungen ersichtlich nicht in der Lage war.
Mithin lagen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Rückgängigmachung im Sinne des § 16 Abs.1 Nr.1 GrEStG nicht vor, so dass die Klage abzuweisen war.
c.)
Da das Grunderwerbsteuerrecht als Verkehrssteuer konzeptionell zulässig grundsätzlich jeden rechtsgeschäftlichen Erwerbsvorgang über ein Grundstück der Besteuerung unterwirft, wird durch die bestehenbleibende Besteuerung eines nicht restlos auch tatsächlich rückabgewickelten Grundstückserwerbsgeschäfts auch der Grundsatz der Steuergerechtigkeit nicht tangiert. Dass es zu einer Steuerschuld ohne Rechtsträgerwechsel kommen kann, entspricht der Sachgesetzlichkeit des GrEStG (vgl. auch BFH-Urteil vom 18. November 2009 II R 11/08, BStBl II 2010, 498, unter II.7.; Urteil vom 28. März 2012 II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486).
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung
-FGO-.
3.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 115 Abs.2 Nr.1 FGO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:FG Hessen
Erscheinungsdatum:22.10.2020
Aktenzeichen:5 K 35/20
Rechtsgebiete:Grunderwerbsteuer
Normen in Titel:GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1