Kammergericht 06. Dezember 2022
7 U 97/21
BGB §§ 242, 1018; WEG § 43 a. F.

Anspruch des Nachbarn auf Bewilligung einer Baulast bei einem nach dem WEG aufgeteilten Grundstück

letzte Aktualisierung: 30.6.2023
KG, Urt. v. 6.12.2022 – 7 U 97/21

BGB §§ 242, 1018; WEG § 43 a. F.
Anspruch des Nachbarn auf Bewilligung einer Baulast bei einem nach dem WEG
aufgeteilten Grundstück

1. Streiten die Wohnungseigentümer darüber, ob sie untereinander verpflichtet sind, die von den
Klägern, welche zugleich Nachbarn sind, begehrte Baulast zu bewilligen, streiten sie nicht um einen
Anspruch, welcher sich allein aus der Teilungserklärung oder aus den Regelungen des WEG ergibt,
sondern um einen eigenen gesetzlichen Anspruch der Grundstücksnachbarn aus §§ 1018, 242 BGB.
2. Der Baulastbewilligungsanspruch der Kläger steht für sich genommen nicht in einem inneren
Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer im Sinne von
§ 43 WEG a. F.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Bewilligung einer Baulast. Das Landgericht hat durch
Zwischenurteil entschieden, dass die von der Beklagten geltend gemachte Schiedseinrede keine
Anwendung findet. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Die Parteien waren Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft XXX in XXX Berlin. Die
Wohnungseigentumsanlage wurde aufgrund der notariellen Teilungserklärung vom 20.06.2012
(Anlage K1) in Wohn- und Teileigentum aufgeteilt.

Mit notariellen Vertrag vom 20.06.2012 (Anlage K2) erwarben die Kläger von den Eigentümern
künftige Miteigentumsanteile an dem Grundstück Flur XXX, damals Flurstück XX (bestehend
aus zwei Grundstücksteilen: I + II ) verbunden mit dem Sondereigentum an den Wohnungen
Nr. 2 und 3. Das Flurstück XX wurde später in die Flurstücke XXX und XXX geteilt, wobei das
in Wohnungseigentum aufgeteilte Wohnhaus auf dem Flurstück XXX (I) steht und das
Flurstück XXX (II) bisher unbebaut ist. In § 15 des Wohnungseigentumskaufvertrags ist ein
Wege- und Leitungsrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks II vereinbart.
Zur Schaffung der Durchfahrt ist der Rückbau der derzeit vorhandenen Rampe zum
Kellereingang vorgesehen. Zudem bewilligen und beantragen die Vertragsparteien in § 15
Nummer 4 des Vertrages die Eintragung der Grunddienstbarkeit in den neu anzulegenden
Grundbüchern der Wohnungs- und Teileigentumseinheiten der Nrn. 1-4 als dem dienenden
Grundstück. Wegen der Einzelheiten des Vertragsinhalts wird auf die zur Akte gereichte Anlage
K2 Bezug genommen.

Mit weiterem notariellen Vertrag vom 13.09.2012 (Anlage K3) wurde die Teilungserklärung vom
20.06.2012 geändert. Es wurde eine Realteilung der Grundstücke und ein Wegerecht zugunsten
der Eigentümer der Wohnungseinheit Nr. 2 vereinbart.

Die Kläger haben die Teilfläche A vermessen lassen. Später wurde auch die Realteilung der
Grundstücke vollzogen. Die Kläger sind die eingetragenen Eigentümer des Grundstückes Flur
XXX Flurstück XXX. In allen Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuchblättern wurde
nachfolgend eine Grunddienstbarkeit (Geh-, Fahr- und Leitungsrecht) zugunsten des jeweiligen
Eigentümers dieses Grundstückes eingetragen.

Die Kläger beabsichtigen, das neu geschaffene Grundstück (das Flurstück XXX) mit einem
Wohngebäude zu bebauen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestands und der in I. Instanz gestellten Anträge wird
auf die tatsächlichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen
(§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage mit Zwischenurteil vom 29.06.2021 für zulässig erklärt und zur
Begründung ausgeführt, es handele sich nicht um eine Wohnungseigentumssache, auf die die
Schiedsvereinbarung der Gemeinschaftsordnung Anwendung finden könnte. Insbesondere läge
keine Streitigkeit im Sinne von § 43 Abs. 2 Nummer 1 WEG a.F. vor, denn es werde nicht über
die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, im Sinne einer
Binnenstreitigkeit, gestritten. Es sei für eine Binnenstreitigkeit nicht ausreichend, wenn es sich
um eine Sonderverbindung handelt, bei der sich Wohnungseigentümer gleichsam wie Dritte
gegenüberstehen. Daher sei zum Beispiel auch die Geltendmachung schuldrechtlicher
Ansprüche, welche auf die Verschaffung von Wohnungseigentum oder andere dingliche Rechte
gerichtet seien, nicht erfasst. So liege der Fall hier. Der von den Klägern geltend gemachte
Anspruch stehe nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der
Wohnungseigentümer. Die Kläger, welche allein „zufällig“ auch Mitglieder der benachbarten
Wohnungseigentümergemeinschaft seien, nähmen die Beklagte als Nachbarin zur Nutzung ihres
Grundstückes durch Bebauung in Anspruch. Sie würden insbesondere keine
gemeinschaftsbezogenen Rechte geltend machen.

Gegen dieses Urteil, dass den Klägern am 05.07.2021 und der Beklagten am 02.07.2021
zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit einem am 26.07.2021 bei Gericht eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 02.09.2021 eingegangenen Schriftsatz
begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Datum verlängert worden
war.

In der Berufungsbegründungsschrift rügen die Beklagten das Gericht habe die zwischen den
Parteien bestehenden Sonderverbindungen aus der Eigentümerstellung wie auch aus der
Begründung des Wegerechts und den diesbezüglichen Vereinbarungen in der Teilungserklärung
der Eigentümergemeinschaft wie auch der bestehenden Bruchteilsgemeinschaft bezüglich des
WEG Grundstücks selbst nicht zutreffend gewertet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts
stehe der von den Klägern geltend gemachte Anspruch sehr wohl in einem inneren
Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis. Insbesondere seien die Kläger nicht zufällig
auch Mitglieder der benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaft.

Ursprünglich habe es sich um das einheitliche Gesamtgrundstück der
Wohnungseigentümergemeinschaft XXX in Berlin gehandelt. Im Zusammenhang mit der
Veräußerung der Eigentumswohnung Nummer 2 und 3 hätten die Kläger zusätzlich zu den
Eigentumswohnungen das Grundstück hinter dem Gebäude erworben und gleichzeitig die
Einräumung eines Wegerechtes zu ihren Gunsten auf dem Rest des verbleibenden
Grundstückes der WEG neben dem Gebäude vereinbart. Das hier streitbefangene
Nachbargrundstück sei deshalb aus einer ursprünglichen Trennung des WEG-Grundstücks
selbst hervorgegangen; es handele sich um einen nicht untrennbaren einheitlichen
Lebenssachverhalt und Kaufvertrag. Die Beklagte habe als Eigentümerin der
Teileigentumseinheit Nummer 1 die Miteigentumsanteile an dem gemeinschaftlichen
Grundstück der WEG erworben, belastet mit einem Wegerecht. Dies sei aber gar nicht zur
Entstehung gelangt wegen Unmöglichkeit. Zwar mag das streitbefangene Grundstück derzeit
nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehören. Vor dem Hintergrund der
Erwerbshistorie sei dies aber nicht zutreffend. Das Trennen der Grundstücke wurde von den
Klägern uno actu in dem Wohnungskaufvertrag mit erworben. Weiter fänden sich auch in der
Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst auf die Trennung des
Grundstücks und Ausführung der Dienstbarkeit bezogene Regelungen. Daher sei sehr wohl in
erheblichem Maße auch der Rechtskreis der Eigentümergemeinschaft berührt.
Die Beklagte hat ihre Teileigentumseinheit im Verlauf der II. Instanz, genauer im Februar 2022,
im Wege vorweggenommener Erbfolge auf ihre Tochter XXX übertragen. Entsprechend rügt
sie nunmehr ihre Passivlegitimation.

Die Beklagte beantragt,
das Zwischenurteil des Landgerichts Berlin - 22 O 78/19 - vom 02.03.2021 aufzuheben und die
Klage als unzulässig abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie treten dem Rechtsmittel entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Die gegen das landgerichtliche Urteil
erhobenen Einwendungen greifen im Ergebnis nicht durch.

1. Die Berufung ist zunächst zulässig und statthaft und insbesondere auch form- und
fristgerecht eingelegt. Auch nach der zwischenzeitlichen Übertragung des Wohnungseigentums
an die Tochter der Beklagten bleibt letztere gem. §§ 265 Abs. 2 Satz 1, 325 Abs. 1 ZPO
weiterhin passivlegitimiert und insoweit als gesetzliche Prozessstandschafterin zur
Prozess(fort)führung berechtigt (BGH, Urteil vom 14.09.2018 – V ZR 267/17, NJW 2019, 310,
Rz. 7; G. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 325, Rn. 17, 21; Greger, in: Zöller,
ZPO, 34. Aufl. 2022, § 265, Rn. 6). In einem etwaigen Vollstreckungsverfahren dürften die
Kläger sodann eine vollstreckbare Ausfertigung gegen die Tochter der Beklagten, welche erst
nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolgerin der Beklagten geworden ist,
verlangen dürfen, §§ 727 Abs. 1, 325 Abs. 1, 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO (siehe dazu OLG
München, Beschluss vom 31.10.1986 - 25 W 1652/86, BeckRS 1986, 2158, BGH, a.a.O, Rz. 7).

2. Gem. § 280 Abs. 1, Abs. 2 ZPO durfte das Landgericht über die Frage der Zulässigkeit der
Klage im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Schiedseinrede durch Zwischenurteil
entscheiden. Wegen der unterschiedlichen Reichweite der Rechtskraft kann das Gericht die
Frage der Zulässigkeit der Klage auch dann vorab durch ein Zwischenurteil klären, wenn der
Rechtsstreit im Hinblick auf die Begründetheit der Klage entscheidungsreif wäre. Die
Anordnung der abgesonderten Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage steht im nicht
nachprüfbaren Ermessen des Gerichts (Greger, in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 280 Rn. 3).

3. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch in materiell-rechtlicher Hinsicht als
zutreffend. Der Zulässigkeit der Klage vor dem staatlichen Gericht steht die
verfahrensgegenständliche Schiedsvereinbarung nicht entgegen. Wird vor einem Gericht Klage
in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das
Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der
mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die
Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist, § 1032 Abs. 1 ZPO (Voit, in:
Musielak/Voit, 19. Aufl. 2022, ZPO § 1032 Rn. 7, 9).

Die vorliegende Schiedsvereinbarung aus der Gemeinschaftsordnung der WEG XXX steht der
Erhebung einer Klage gegen die Beklagte vor dem staatlichen Gericht, hier dem Landgericht,
indes nicht entgegen, weil es sich bei dem in Rede stehenden Streit der Parteien, nämlich dem
Baulastbewilligungsbegehren, nicht um eine Wohnungseigentumssache handelt.
Auf den Rechtsstreit der Parteien findet das WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung
Anwendung, § 48 Abs. 5 WEG n.F.. Zutreffend hat das Landgericht seine Prüfung insoweit auf
die allein in Betracht kommende Zuständigkeit der Amtsgerichte bzw. vorliegend des
Schiedsgerichts auf § 43 Nr. 1 WEG a.F. i.V.m. der Gemeinschaftsordnung der WEG XXX
gestützt.

Da heißt es: „Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für
1. Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der
Wohnungseigentümer untereinander;“

Die vorliegende Auseinandersetzung der Streitparteien ist aber auch keine solche
Binnenstreitigkeit i.S.v. § 43 Nr. 1 WEG a.F., denn die Streitigkeit betrifft kein sich aus der
Eigentümergemeinschaft ergebendes Recht. Vielmehr streiten die Wohnungseigentümer, hier
die Kläger und die Beklagte als Rechtsvorgängerin ihrer Tochter, allein darüber, ob die einzelnen
Wohnungseigentümer, insbesondere die Beklagte bzw. ihre Rechtsnachfolgerin, verpflichtet
sind, die von den Klägern begehrte Baulast zu bewilligen. Dabei handelt es sich aber nicht um
einen Anspruch, welcher sich allein aus der Teilungserklärung oder aus den Regelungen des
WEG ergibt, sondern um einen eigenen gesetzlichen Anspruch der Grundstücksnachbarn aus §§
1018, 242 BGB.

Die Verpflichtung, die geforderte Baulasterklärung abzugeben, folgt aus dem durch die
Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis (BGH, Urteil vom 03.02.1989 -
V ZR 224/87; Urteil vom 03.07.1992 - V ZR 203/91; OLG Hamm, Urteil vom. 16.02.2017 - 5
U 78/16; OLG Rostock, Urteil vom 06.06.2019 - 3 U 92/1). Hiernach ergibt sich die
Verpflichtung zur Übernahme einer Baulast als Nebenpflicht aus dem durch die
Grunddienstbarkeit geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnis, wenn eine beiderseitige
Interessenabwägung zu Gunsten des aus der Grunddienstbarkeit Berechtigten ausfällt. Dabei ist
unter Berücksichtigung von Treu und Glauben darauf abzustellen, ob die Grunddienstbarkeit zu
dem Zweck bestellt wurde, das Grundstück der Kläger baulich zu nutzen, ob die Übernahme
einer Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks ist, ob eine
Befreiung vom Baulastzwang in Betracht kommt, ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit
Anlass bestand, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen und, ob Inhalt und Umfang der
geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen (BGH a.a.O; Urteil vom 22.10.2021 - V ZR
92/20).

Solche Streitigkeiten um das Eigentum sind nach § 43 Nr. 1 WEG a.F. grundsätzlich im
Zivilprozeßverfahren auszutragen, weil sie die sachenrechtlichen Grundlagen der
Wohnungseigentümergemeinschaft betreffen (vgl. BGHZ 73, 302, NJW 1979, 2391; BayObLG,
NJW-RR 1991, 1356; OLG Karlsruhe, OLGZ 1976, 11; OLG Bremen, DWE 1987, 59; anders
jetzt ausdrücklich nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F., siehe Wicke, in: Grüneberg, Bürgerliches
Gesetzbuch, 81. Aufl. 2022, § 43 WEG, Rn. 3). Dabei macht es nach hiesiger Überzeugung
keinen Unterschied, ob die Eigentümer solche sachenrechtlichen Ansprüche gegen die anderen
Eigentümer geltend machen, wie z.B. die Feststellung, dass bestimmte Teile des
Wohnungseigentums in ihrem Sondereigentum stehen würden oder ob die Kläger – wie hier -
von der Beklagten als ihrer Grundstücksnachbarin die Bewilligung einer Baulast begehren. Ob
der zuletzt genannte Anspruch besteht, dürfte nämlich vorliegend nicht aufgrund der
gemeinschaftsrechtlichen Sonderbeziehungen zwischen den Mitgliedern der WEG, sondern
allein aufgrund der o.g. Voraussetzungen für den Anspruch auf Bewilligung einer Baulast nach
§§ 1018, 242 BGB zu beurteilen sein. Dabei ist es - anders als die Beklagte meint - auch
unbeachtlich, dass beklagte Wohnungseigentümer im Rechtsstreit auf Übernahme einer Baulast
wohl notwendige Streitgenossen sein dürften (siehe dazu Stüer, Bau- und FachplanungsR, B.
Baugenehmigung Rn. 2615, beck-online), denn eine etwaige prozessuale Parteistellung wirkt sich
auf das zugrunde liegende materiellrechtliche Begehren der Streitparteien nicht aus, zumal
vorliegend die Wohnungseigentümer sowieso nicht Streitgenossen, sondern Kläger und Beklagte
sind.

Zwar trifft es zu, dass im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der Bewilligungsvoraussetzungen
insbesondere auch der Inhalt der Grunddienstbarkeit zu prüfen sein wird und dieser vorliegend
anhand der Teilungserklärung der WEG aus dem Jahr 2012 zu beurteilen sein wird. Das ändert
aber nichts daran, dass der vorliegende Bewilligungsanspruch der Kläger für sich genommen
nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der
Wohnungseigentümer steht i.S.v. § 43 WEG a.F.. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen,
als die Kläger nicht ganz „zufällig“ auch Mitglieder der benachbarten WEG sind, denn der
Erwerb des hinteren Grundstücksteils erfolgte im Zusammenhang mit dem Eintritt in die
Wohnungseigentümergemeinschaft betreffend den vorderen Grundstücksteil; der
Erwerbszeitpunkt hat aber keinen Einfluss auf das Vorliegen der tatsächlichen
Anspruchsvoraussetzungen. Dies folgt auch aus folgender Kontrollüberlegung: Hätten die
Kläger ihr Eigentum an dem hinteren Grundstücksteil zwischenzeitlich an einen Dritten
veräußert und würde nun dieser Dritte von den Mitgliedern der WEG die Bewilligung einer
Baulast zum Zwecke der Bebauung des hinteren Grundstücksteils begehren, würde
selbstverständlich keine Wohnungseigentumssache im Sinne des WEG vorliegen, sondern eine
„normale“ zivilrechtliche Streitigkeit bei der die Voraussetzungen eines
Baulastbewilligungsanspruchs nach den § 1018, 242 BGB zu prüfen sein dürften.

Einen ähnlichen Fall hatte jüngst auch das Landgericht Karlsruhe zu entscheiden (LG Karlsruhe
Beschluss vom 18.05.2022 – 11 S 179/20). Das Gericht stellte klar, dass Streitigkeiten
verschiedener Wohnungseigentümergemeinschaften untereinander nicht nach den Vorschriften
des WEG behandelt würden und deshalb nicht unter § 43 WEG fallen würden. Es kämen
vielmehr die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung, denn zwischen den Parteien des
Rechtsstreits läge kein wohnungseigentumsrechtliches Gemeinschaftsverhältnis vor, dieses gäbe
es nur innerhalb der jeweiligen Wohnungseigentümergemeinschaft. Auch gäbe es insbesondere
keine WEG-Zuständigkeit kraft Sachnähe oder gar nach Treu und Glauben (LG Karlsruhe
a.a.O.). Auch im Fall des Landgerichts Karlsruhe waren die streitbefangenen Grundstücke zuvor
ungeteilt. Mit der im konkreten Fall stattgehabten Teilung - so das Landgericht - sei die
rechtliche Verselbstständigung eines realen Grundstücksteils erfolgt. Selbst wenn die Teilung des
ursprünglich einheitlichen Grundstücks und die Schaffung von Wohnungseigentum auf den drei
neuen Grundstücken in ein und derselben Notarurkunde geregelt worden sein sollte und selbst
wenn die jeweiligen Teilungserklärungen gänzlich oder weitgehend identisch gestaltet sein
sollten, ändere dies nichts daran, dass sich die Wohnungseigentümergemeinschaft territorial
niemals über das eigene Grundstück hinaus erstrecken könne, sondern durch die
Grundstücksgrenze im Wortsinne „definiert“ werde (LG Karlsruhe, a.a.O.).

Zwar ist anerkannt, dass die Zuständigkeitszuweisung des § 43 WEG (alte und neue Fassung)
nach dem vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Zweck weit auszulegen ist. Ausschlaggebend für
die Zuständigkeit des Gerichts ist deswegen nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die
Ansprüche hergeleitet werden, sondern im Anwendungsbereich des WEG a.F. allein der
Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn
treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem
Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist. Das Recht bzw. die Pflicht
zur Baulastbewilligung als Teil des Wohnungseigentums ist aber aus den oben genannten
Gründen nicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsen. Entsprechend ist auch nicht die
WEG in ihrer Gesamtheit in Anspruch zu nehmen, sondern jeder einzelne
Wohnungseigentümer (OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2012 – 13 U 97/12; siehe auch OVG
Lüneburg, Beschluss vom 03.11.2021 – 1 ME 159/20, NVwZ-RR 2022, 246). Dies ändert sich -
anders als die Beklagte wohl meint - auch nicht nach der WEG-Reform aus dem Jahr 2020.
Zwar ist es zutreffend, dass das Gesetz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nun auch
sprachlich eine nicht auf den Bereich der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums beschränkte Rechtsfähigkeit und Prozessfähigkeit einräumt. Daneben bestehen aber
individuelle Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer (Elzer, DNotZ 2021, 3). Diese
beziehen sich insbesondere auf das Sondereigentum, aber auch auf Verfügungen über das
gemeinschaftliche Eigentum, weil das Gesetz in § 18 Abs. 1 WEG n.F. nur die Verwaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuweist. Die
dinglichen Grundlagen fallen weiterhin nicht in den Bereich der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer, weil die sachenrechtliche Berechtigung den Wohnungseigentümern in
ihrer individuellen Rechtsstellung als Teilhaber am gemeinschaftlichen Eigentum (Miteigentum i.
S. von §§ 741 ff. BGB) zugeordnet ist (Elzer, a.a.O.; differenzierend Wicke, in: Grüneberg,
Bürgerliches Gesetzbuch, 81 Aufl. 2022, § 43, Rn. 3). Alle dinglichen Veränderungen am
gemeinschaftlichen Eigentum und am Sondereigentum können daher nur durch die
Wohnungseigentümer erfolgen. Hierzu zählt seit jeher insbesondere auch die Bestellung von
Dienstbarkeiten oder Baulasten am aufgeteilten Grundstück (OLG Hamm, Beschluss vom
13.11.1990 - 15 W 330/90, NJW-RR 1991, 338; Sauren, ZWE 2006, 258).

Allein die Tatsache, dass eine Entscheidung über das Eigentum oder die sich hieraus ergebenden
Ansprüche auch Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer
untereinander haben kann, namentlich den Gebrauch der Gemeinschaftsflächen, dürfte es noch
nicht rechtfertigten, den Zuständigkeitskatalog des § 43 WEG a.F. über den Wortlaut und den
Sinn der Vorschrift hinaus auszuweiten. Zwar ist es richtig, dass die begehrte Baulast im
Ergebnis auf dem Grundstück bzw. genauer im Baulastenverzeichnis betreffend das gesamte
Grundstück der WEG eingetragen würde und, dass die Wohnungseigentümer später gemeinsam
über die Baulasteneintragung beschließen und diese auch beantragen müssten, dies ist aber für
die klagenden Grundstücksnachbarn (welche hier „zufällig“ auch Mitglieder der WEG sind)
rechtlich unbeachtlich bzw. führt aus den oben genannten Gründen nicht dazu, dass eine
Zuständigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG a.F. vorliegen würde.

4. Nachdem das Rechtsmittel der Beklagten ohne Erfolg geblieben ist, hat sie gemäß § 97 Abs. 1
ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Anordnungen zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu
klären sind und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

06.12.2022

Aktenzeichen:

7 U 97/21

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
WEG
Mediation, notarielle Schlichtung und Schiedsgericht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB §§ 242, 1018; WEG § 43 a. F.