BGH 24. September 1984
II ZR 256/83
HGB §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2; BGB § 738

Zur Wirksamkeit einer Abfindungsklausel in einem Kommanditgesellschaftsvertrag

nen, formell ordnungsgemäß zum Handelsregister angemeldeteten Tatsache nicht deshalb abgelehnt werden, weil mit
dem Eintritt dieser Tatsache die eingetragene Firma unzulässig geworden und eine zulässige Firma noch nicht angemeldet worden ist. Soweit sich aus der unzulässigen Firma
Gefahren für den Rechtsverkehr ergeben, muß ihnen mit den
Mitteln des materiellen Rechts begegnet werden, solange
das registerrechtliche Verfahren wegen unbefugten Firmengebrauchs noch nicht mit Erfolg durchgeführt worden ist
(vgl. zu allem: Senatsbeschluß vom 4. Juli 1977, II ZB 4/77
[= MittBayNot 1977, 193]; BayObLG DB 1983, 2301 [= MittBayNot 1983, 181].
Danach ist die weitere Beschwerde zurückzuweisen, soweit
sie die Eintragung der angemeldeten Firmenänderung betrifft. Im übrigen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen
auf die Rechtsmittel der Gesellschafter aufzuheben; insoweit hat das Registergericht die beantragten Eintragungen
vorzunehmen, sofern ihr keine sonstigen Hindernisse entgegenstehen.
14. HGB §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2; BGB § 738 (Zur Wirksamkeit einer Abfindungsklausel in einem Kommanditgesellschaftsvertrag)
Zur Frage der Wirksamkeit einer Vereinbarung in einem Personengesellschaftsvertrag, wonach der Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters nach den
Buchwerten zu berechnen ist.
(Leitsatz nicht amtlich)
BGH, Urteil vom 24.9.1984 — II ZR 256/83 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin war Kommanditistin der Beklagten zu 1. Sie kündigte
das Gesellschaftsverhältnis zum 31. Dezember 1981. Die persönlich
haftende Gesellschafterin, die Beklagte zu 2, und die weitere Kommanditistin machten von dem ihnen unter II 4 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages eingeräumten Recht Gebrauch, das Geschäft ohne
Liquidation mit allen Aktiven und Passiven zu übernehmen und fortzuführen.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten als Teil ihres
Abfindungsanspruchs einen Betrag von 150.000 DM nebst Zinsen.
Sie stützt sich auf die Vorschrift II 5 des Gesellschaftsvertrages, die
folgenden Wortlaut hat:
„Für den Fall des Todes sowie der Kündigung gilt zusätzlich folgendes:
Verbleibende Gesellschafter sind berechtigt, beim Ausscheiden
von Kommanditisten oder persönlich haftenden Gesellschaftern
deren Geschäftsguthaben auszuzahlen. Das Geschäftsguthaben
ergibt sich aus der Bilanz, die auf den Schluß-des Wirtschaftsjahres aufzustellen ist, das dem Zeitpunkt des Ausscheidens vorangeht. Ein good will wird nicht berücksichtigt. Die Auszahlung des
Guthabens oder der Anteile soll in zehn gleichen Jahresraten erfolgen, wobei die erste Rate frühestens sechs Monate nach Wirksamwerden der Kündigung oder des Todes des Gesellschafters
fällig wird!'
Landgericht und Oberlandesgericht haben einen Abfindungsanspruch in Höhe von 267.149 DM als begründet erachtet und der Klägerin 1/10 dieses Betrages nebst 10% Zinsen seit 1. Juli 1982 zugesprochen. Die weitergehende Klage wurde als zur Zeit unbegründet abgewiesen; der Abfindungsanspruch sei insoweit noch nicht fällig.
Hiergegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Beklagten
verfolgen mit der zugelassenen Revision ihren Antrag weiter, die Klage in vollem Umfange abzuweisen. Die Klägerin beantragt,-die Beklagte zur Zahlung weiterer 26.714,90 DM nebst 10% Zinsen seit 1.Juli
1983 zu verurteilen.
Aus den Gründen:
Die Revision der Beklagten ist begründet.
1. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien und den
Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß die Klägerin zum 31. Dezember 1981 aus der von
den übrigen Gesellschaftern fortgeführten Gesellschaft
ausgeschieden ist. Im Hinblick auf den damit entstandenen
Abfindungsanspruch läßt es das Berufungsgericht ausdrücklich offen, ob und inwieweit § 738 BGB durch die Bestimmung II 5 des Gesellschaftsvertrages abbedungen sein
soll und der Berechnung die buchmäßigen Ansätze der Jahresschlußbilanz zugrunde zu legen sind. Es geht zugunsten
der Beklagten davon aus, daß der gesellschaftsvertraglichen
Regelung nur die Bedeutung einer „Buchwertklausel" zukommt, hält eine solche aber mit dem Landgericht für unwirksam, weil sie — wegen des Auseinanderfallens von
Buchwerten und wirklichen Werten - zu einer unzulässigen
Beschränkung des nach § 723 Abs. 3 BGB unabdingbarern
Kündigungsrechts führen würde. Die Unwirksamkeit der
Klausel führe nicht zur Anwendung des § 738 BGB, sondern
nur dazu, daß der Klägerin ein Anspruch auf angemessene
Abfindung zuzuerkennen sei, der hier die Beteiligung an den
stillen Reserven umfasse. Sie könne somit einen Teil (20,9%)
der stillen Reserven in Höhe von 1.478.653 DM beanspruchen, die durch die Veräußerung des Betriebsgrundstücks
am B. Juli 1980 (Veräußerur~gspreis = 1.850.000 DM) aufgelöst worden seien. Nach Abzug ihres negativen Kapitalanteils von 41.389,47 DM ergebe sich ein Abfindungsbetrag von
267.149 DM. Da die Gesellschaft berechtigt sei, das Guthaben in 10 gleichen Jahresraten auszuzahlen, könne die
Klägerin zur Zeit nur den am 1. Juli 1982 fällig gewordenen
Betrag von 26.714,90 DM nebst Zinsen verlangen.
2.Die Revision der Beklagten rügt im Ergebnis zu Recht, daß
das Berufungsgericht beim gegenwärtigen Prozeßstand angenommen hat, die gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindungsregelung sei unwirksam, soweit ihr die Bedeutung
zuzuerkennen ist, der Abfindungsanspruch der durch Kündigung ausscheidenden Gesellschafter sei auf der Grundlage
der Buchwerte zu errechnen.
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist dem Berufungsgericht allerdings darin zuzustimmen, daß die — nach der
Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich zulässige — Buchwertklausel dann als unzulässig zu erachten
ist, wenn sie aufgrund wirtschaftlich nachteiliger Folgen,
insbesondere wegen eines erheblichen Mißverhältnisses
zwischen Buchwert und wirklichem Wert, die Freiheit des
Gesellschafters, sich zu einer Kündigung zu entschließen,
unvertretbar einengt. Das folgt aus § 723 Abs. 3 BGB, der
nach § 105 Abs. 2 HGB auch auf die handelsrechtliche Personengesellschaft sowie auf die ordentliche Kündigung
unbefristeter Personengsellschaften anwendbar ist (vgl.
BGHZ 23, 10, 15; Sen.Urt. v. 28.5.1979 — II ZR 217/78, WM
1979, 1064, 1065). Der Senat hält es nicht für möglich, diese
aus der zwingenden Vorschrift des § 723 Abs. 3 BGB abgeleiteten Grundsätze entsprechend den Ausführungen der Revision. für Fälle der hier vorliegenden Art aufzugeben. Davon
abgesehen, daß sich die Beteiligung der Klägerin nicht, wie
die Revision meint, in einer vermögensrechtlichen Beziehung erschöpfte, können für die Personengesellschaft geltende Vorschriften, die dem Schutze der persönlichen Freiheit der Gesellschafter dienen und die deshalb nach dem
Willen des Gesetzgebers zwingend sind, nicht wegen einer
MittBayNot 1985 Heft 1 41


mehr oder weniger kapitalistischen Organisation einer Personengesellschaft außer Kraft gesetzt werden (BGHZ 23, 10,
15).
b) Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung
aber deshalb nicht stand, weil ein die Anwendung des § 723
Abs. 3 BGB rechtfertigendes Mißverhältnis zwischen dem
Buchwert und dem wirklichen Wert des Gesellschaftsanteils
nicht schon, wie das Berufungsgericht meint, dann bejaht
werden kann, wenn in großem Umfange stille Reserven festzustellen sind. Denn der wirkliche Wert der Beteiligung an
einem Gesellschaftsunternehmen entspricht nicht dem Ergebnis der Addition von Buchwert und der auf die Beteiligung entfallenden stillen Reserven. Nach der ständigen
Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Beteiligungswert auf der Grundlage des-wirklichen Wertes des lebenden Unternehmens zu errechnen (einschließlich der stil=
len Reserven und des good will des Unternehmens). Dieser
ergibt sich im allgemeinen aus dem Preis, der bei einem
Verkauf des Unternehmens als Einheit erzielt würde (vgl.
BGHZ 17, 130, 136 [= DNotZ 1955, 526]; Sen.Urt. v. 20.9.1971.
— II ZR 157168, WM 1971, 1450). Bei der Wertermittlung ist
nach § 738 Abs. 2 BGB eine Schätzung möglich. Diese hat
jedoch aufgrund konkreter Unterlagen zu erfolgen, so daß im
allgemeinen ein Sachverständigengutachten erforderlich
sein wird. Dabei wird regelmäßig mit der heute herrschenden Auffassung von dem Ertragswert auszugehen sein. Dem
Substanzwert und damit den in den bilanziellen Buchwerten
steckenden stillen Reserven kommt insoweit, sofern kein
Ausnahmefall gegeben ist, nur noch mittelbare Bedeutung
zu.
3. Das Berufungsurteil kann, soweit es von den Beklagten
angefochten worden ist, aber auch deshalb keinen Bestand
haben, weil das Berufungsgericht zu Unrecht davon abgesehen hat, die Abfindungsklausel des Gesellschaftsvertrages
auszulegen. Die zwischen den Parteien umstrittene Frage
nach der Auslegung dieser Klausel kann nicht offen bleiben.
Das Berufungsgericht nimmt in Übereinstimmung mit dem
Landgericht — insoweit zutreffend — an, daß die Unwirksamkeit der Abfindungsklausel, sofern sie als Buchwertklausel auszulegen ist, zu einer Lücke im Vertragsgefüge geführt hätte, die durch ergänzende Vertragsauslegung — und
nicht durch § 738 BGB — zu schließen sei. Denn die besondere Bedeutung der Vertragsfreiheit für das Verhältnis der
Gesellschafter untereinander macht es erforderlich, der auf
den objektivierten mutmaßlichen Willen der Vertragschließenden abzustellenden richterlichen Vertragsergänzung den
Vorrang vor dem dispositiven Gesetzesrecht einzuräumen
(vgl. Sen.Urt. v. 23.11.1978 — II ZR 20/78, WM 1979, 327
[= DNotZ 1979, 354] m.w.N.). Dementsprechend bestehen
auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß das Berufungsgericht im Wege der Vertragsergänzung der Klägerin
einen Anspruch auf angemessene Abfindung zuerkannt hat,
der(nur) die Beteiligung der Klägerin an den stillen Reserven
umfaßt. Ihm kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß
eine Abfindungsregelung, die die Beklagten verpflichtet, bei
der Ermittlung des Abfindungsanspruchs der Klägerin die
stillen Reserven zu berücksichtigen, die Beklagten weniger
stark oder jedenfalls nicht stärker belastet als eine Abfindung entsprechend der Regelung des § 738 BGB, die das
Berufungsgericht nach der Regelung des Gesellschaftsvertrags für möglich hält. Wenn, wie grundsätzlich geboten (vgl.
die vorstehenden Ausführungen zu 2.), bei der Unternehmensbewertung die Ertragsaussichten des Gesellschaftsunternehmens berücksichtigt werden, so sagt der Buchwert
einer Beteiligung — auch wenn er um die stillen Reserven
vermehrt wird — nichts Entscheidendes zum wirklichen
Wert einer Beteiligung aus. Er kann höher oder niedriger
sein oder mit ihm zufällig übereinstimmen (vgl. hierzu im einzelnen Hennerkes/Binz DB 1983, 2669).
4. Danach muß das angefochtene Urteil, soweit die Beklagten verurteilt worden sind, aufgehoben werden. Es bedarf zunächst der Auslegung der Abfindungsklausel. Auf dieser
Grundlage muß dann das Abfindungsguthaben neu ermittelt
werden. Da die Auslegung eine umfassende tatrichterliche
Würdigung des Vertragswortlauts und der maßgebenden
Umstände erfordert und zur Ermittlung des Abfindungsguthabens weitere tatrichterliche Feststellungen notwendig
sind, muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwie- sen werden.
II.
Die Revision der Klägerin ist ebenfalls begründet
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß das
angefochtene Urteil auch keinen Bestand haben kann, soweit der Antrag der Klägerin zur Zahlung weiterer 26.714,90
DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Die nachzuholende Auslegung des Gesellschaftsvertrages und die auf dieser
Grundlage neu zu treffenden Feststellungen können zu einem Abfindungsguthaben führen, das den bisher zugesprochenen Betrag von 25.714,90 DM übersteigt. Beim gegenwärtigen Prozeßstand muß die Frage nach der Höhe des Abfindungsbetrages als völlig offen erachtet werden.
15. HGB §§ 2, 161 (Zur Kaufmannseigenschaft einer GmbH
&Co.KG)
Die GmbH & Co. KG muß selbst die Kaufmannseigenschaft
nach §§1 bis 3 HGB haben. Es genügt nicht, daß die
Komplementär-GmbH Kaufmann ist.
BayObLG, Beschluß vom 13.11.1984 — BReg. 3 Z 60183 und
BReg. 3Z 119/83 — mitgeteilt von Dr. Martin Pfeuffer, Richter
am BayObLG
Aus dem Tatbestand.
1.Im Handelsregister war seit dem 16.5.1978 die Firma E. GmbH & Co.
Betriebsgesellschaft KG eingetragen. Sie hat ihre Firma geändert in
P. GmbH & Co. Betriebs-KG (nachfolgend als KG bezeichnet). Als persönlich haftende Gesellschafterin ist jetzt die Firma P. GmbH eingetragen, deren Geschäftsführer L. ist. Neben anderen ist der Beteiligte
B. Kommanditist der Gesellschaft.
2. Mit Verfügung vom 16.4.1981 kündigte das Registergericht die Absicht an, die Kommanditgesellschaft von Amts wegen gemäß § 142
FGG im Handelsregister zu löschen, weil sie im Zeitpunkt der Eintragung „nicht das Erfordernis der kaufmännischen Betriebseinrichtung in Art und Umfang" habe nachweisen können.
Am 8.3.1982 hat das Registergericht die Widersprüche der Kommanditgesellschaft und der damaligen Komplementär-GmbH gegen die
Löschungsankündigung vom 16.4.1981 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde jeweils ausgeführt: Die Gesellschaft sei in
das Handelsregister eingetragen worden, obwohl damals das Erfordernis vollkaufmännischer Betriebseinrichtung nicht nachgewiesen
worden sei. Das Registergericht sei davon ausgegangen, daß sich
das Unternehmen in Kürze zu einem vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb entwickeln werde. Ziel der Gründung der Gesellschaft sei es
gewesen, auf zwei Grundstücken ein Hotel zu errichten und dieses zu
betreiben. Ein Grundstückserwerb sei derzeit nicht durch eine Grundbucheintragung nachgewiesen. Die Gesellschaft wolle das zu errichtende Hotel"nicht in eigener Regie betreiben, vielmehr beabsichtigte
sie, das Management einem internationalen Hotelkonzern zu übertragen, der es unter einem eigenen Namen betreiben wolle. Rechtsverbindliche Verträge seien trotz Verhandlungen mit verschiedenen
Hotelkonzernen bis heute nicht zustande gekommen. Das zum BeMittBayNot 1985 Heft 1

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

24.09.1984

Aktenzeichen:

II ZR 256/83

Erschienen in:

MittBayNot 1985, 41-42

Normen in Titel:

HGB §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2; BGB § 738