BGH 18. April 2024
V ZB 51/23
BGB §§ 107, 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1, 1824 Abs. 2, 181

Grundstücksüberlassung an Minderjährige zu Miteigentum; rechtliche Vorteilhaftigkeit

BGB §§ 107, 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1, 1824 Abs. 2, 181
Grundstücksüberlassung an Minderjährige zu Miteigentum; rechtliche Vorteilhaftigkeit

1. Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen Minderjährigen ist lediglich rechtlich vorteilhaft i. S. v. § 107 BGB.

2. Möchte ein Elternteil einen Miteigentumsanteil an einem ihm gehörenden - weder vermieteten noch verpachteten - Grundstück auf sein minderjähriges Kind übertragen, muss die von den Eltern des Minderjährigen in dessen Namen erklärte Auflassung nicht durch einen Ergänzungspfleger genehmigt werden (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 25. November 2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170).

BGH, Beschl. v. 18.4.2024 – V ZB 51/23

Problem
Der Vater zweier minderjähriger Kinder übertrug an diese mit Urkunde vom 20.12.2022 schenkweise ein nicht vermietetes bzw. verpachtetes Grundstück zu je hälftigem Miteigentum. Die Kinder wurden dabei durch die beiden Eltern vertreten, zu deren Gunsten zugleich die Eintragung eines lebenslangen Nießbrauchs bewilligt wurde. Nach dem Inhalt des Nießbrauchs sollten die Nießbraucher sämtliche privaten Lasten in Bezug auf das Grundstück tragen, insbesondere auch die außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen.

Das Grundbuchamt machte durch Zwischenverfügung vom 2.1.2023 die Eintragung der Rechtsänderung von der Genehmigung der Auflassung an die Kinder durch einen für jedes Kind noch zu bestellenden Ergänzungspfleger abhängig. Das KG wies die dagegen gerichtete Beschwerde zurück (ebenso jüngst auch KG ZEV 2024, 185; OLG München DNotI-Report 2024, 21). Der Erwerb eines Miteigentumsanteils sei für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da er in eine Bruchteilsgemeinschaft eintrete und die in § 748 BGB genannten Lasten zu tragen habe. Die Regelungen im Nießbrauch über die Lastentragung entlasteten die Kinder nicht im Außenverhältnis zu Gläubigern.

Entscheidung
Der BGH gab der zugelassenen Rechtsbeschwerde statt. Bei der Erklärung der nach § 20 GBO zu prüfenden Auflassung sei der Kindsvater und Grundstückseigentümer zwar grundsätzlich nach § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1824 Abs. 2, § 181 BGB von der Vertretung seiner Kinder ausgeschlossen. Für seine Ehefrau ergebe sich dies aus § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB, da es sich für die Ehefrau um ein Rechtsgeschäft zwischen ihrem Ehegatten einerseits und dem jeweiligen Kind andererseits handele. Die Wirksamkeit der Verfügung setze daher grundsätzlich die Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger voraus (§ 1809 Abs. 1 BGB). Übergangsrechtlich legt der BGH seiner Entscheidung explizit bereits die einschlägigen Vorschriften in der Neufassung durch das zum 1.1.2023 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zugrunde, obwohl die Auflassung bereits vor diesem Zeitpunkt erklärt worden ist. Da es an einer Übergangsvorschrift fehle und es sich im Hinblick auf die noch ausstehende Eintragung nicht um einen abgeschlossenen Sachverhalt handele, fänden – so der BGH – die neuen Vorschriften bereits Anwendung.

Der BGH bestätigt auch für die Rechtslage ab dem 1.1.2023 den anerkannten Grundsatz der ständigen Rechtsprechung (s. z. B. BGH NJW 1975, 1885, 1886 zu § 1795 BGB a. F.), dass der sich aus § 1824 BGB ergebende Vertretungsausschluss nicht eingreift, wenn sich das Rechtsgeschäft für die vertretenen Minderjährigen als lediglich rechtlich vorteilhaft i. S. v. § 107 BGB darstellt. Für ein Vertretungsverbot bestehe in diesem Fall kein Bedürfnis, da nach der Natur des Rechtsgeschäfts eine Gefährdung der Vermögensinteressen des Vertretenen abstrakt-generell ausgeschlossen sei. Hieran wollte der Reformgesetzgeber nichts ändern (vgl. BeckOK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.5.2024, § 1824 Rn. 7).

Die hiernach zentrale Frage, ob der Erwerb der Miteigentumsanteile für die Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft sei, bejaht der BGH im Gegensatz zum KG; aus seiner Sicht bedarf es daher nicht der Bestellung von Ergänzungspflegern. Der BGH bestätigt zunächst seine Entscheidung aus dem Jahre 2004 (BGHZ 161, 170), wonach auf öffentlichem Recht beruhende Abgabeverpflichtungen trotz der dadurch ausgelösten persönlichen Haftung keinen beachtlichen Rechtsnachteil begründen. Diese Verpflichtungen bringen typischerweise keine Gefährdung des Minderjährigen mit sich. Auch dort wurde ein jeweils hälftiger Miteigentumsanteil an zwei Minderjährige übertragen, ohne dass für den BGH dieser Unterschied gegenüber der Überlassung von Alleineigentum entscheidungserheblich ins Gewicht fiel (in diesem Sinn bereits zuvor BayObLGZ 1998, 139, 143 f.). Nur bei einer Vermietung oder Verpachtung sei ein erheblicher Rechtsnachteil aufgrund des Eintritts des Erwerbers in die Vermieter- bzw. Verpächterstellung gem. §§ 566, 581 Abs. 2, 593b BGB zu bejahen.

Der BGH bestätigt diesen Standpunkt in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich. Für den Rechtsnachteil sei die Auflassung isoliert zu betrachten und auf den Eigentumserwerb als solchen abzustellen. Mittelbare Folgen hätten außer Betracht zu bleiben. Die in § 748 BGB angesprochenen Lasten träfen den Minderjährigen zwar unmittelbar mit dem Eigentumserwerb, aber ohne dass insoweit ein Unterschied zum Erwerb von Alleineigentum bestehe. Der Anfall von Erhaltungs-, Verwaltungs- und Benutzungskosten trete hingegen nicht bereits mit dem Erwerb des Miteigentumsanteils ein. Notwendige Erhaltungsmaßnahmen i. S. v. § 744 Abs. 2 BGB müssten vielmehr zunächst vorgenommen werden. Ansprüche aus §§ 748, 745 BGB setzten einen Beschluss der Miteigentümer voraus.

Ganz anders sei die Sachlage beim Erwerb einer Eigentumswohnung durch den Minderjährigen, wo § 16 Abs. 2 S. 1, § 9a Abs. 4 WEG relevante Haftungsfolgen im Sinne eines beachtlichen Rechtsnachteils statuierten. Demgegenüber würden Miteigentumsanteile typischerweise innerhalb einer Familie übertragen, sodass eine Inanspruchnahme zwischen den Miteigentümern in aller Regel fernliegend sei. Dass die derart vom BGH hinsichtlich eines Rechtsnachteils bestätigte Unterscheidung zwischen dem Erwerb unaufgeteilten Miteigentums einerseits und einer Eigentumswohnung gem. dem WEG andererseits dem Willen des Gesetzgebers entspreche, folge mittelbar auch aus der (neuen) Regelung in § 1850 Nr. 4 BGB. Dort wird seit dem 1.1.2023 nur der unentgeltliche Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum im Hinblick auf die umfangreichen Haftungsfolgen unter den Genehmigungsvorbehalt gestellt. Zwischen Allein- und Miteigentum ist dabei nicht unterschieden.

Praxishinweis
Für die Praxis bringt die Entscheidung in der Frage des rechtlichen Vorteils und des Vertretungsausschlusses nach § 1629 Abs. 2 S. 1, §§ 1824, 181 BGB in Bezug auf den unentgeltlichen Erwerb von Miteigentumsanteilen eine erfreuliche Rückkehr von Rechtssicherheit, die durch die abweichenden Judikate des KG und des OLG München verloren zu gehen drohte. Dass die dadurch wieder bestätigte Verfahrensvereinfachung den Minderjährigenschutz nicht substanziell preisgibt, hat der BGH ausführlich begründet.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

18.04.2024

Aktenzeichen:

V ZB 51/23

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Sachenrecht allgemein
In-sich-Geschäft
Grundbuchrecht
Miete
WEG
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 85-86
BWNotZ 2024, 206-211

Normen in Titel:

BGB §§ 107, 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1, 1824 Abs. 2, 181