Keine Fortsetzung einer GmbH bei Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse
letzte Aktualisierung: 7.4.2022
BGH, Beschl. v. 25.1.2022 – II ZB 8/21
GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 5
Keine Fortsetzung einer GmbH bei Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse
Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse gemäß § 60 Abs. 1
Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die
Gesellschaft über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die
Insolvenzgründe beseitigt wurden.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts
Darmstadt eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem
Stammkapital in Höhe von ursprünglich 50.000 DM. Mit Beschluss vom Februar
2007 wurde ihr Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
der Gesellschaft mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden
Masse zurückgewiesen. Im April 2007 wurde die Ablehnung der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens mangels Masse und die Auflösung der Antragstellerin von
Amts wegen in das Handelsregister eingetragen.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 29. Mai 2020 wurden die Fortsetzung
der Gesellschaft, die Verlegung ihres Sitzes und die Änderungen des Unternehmensgegenstands
beschlossen. Der mit Beschluss vom selben Tag zum
Geschäftsführer bestellte Liquidator und Alleingesellschafter der Antragstellerin
meldete am 29. Mai 2020 die Fortsetzung der Gesellschaft, die Sitzverlegung
und die Neufassung des Unternehmensgegenstands sowie seine Bestellung
zum Geschäftsführer zur Eintragung im Handelsregister an. Gegenüber dem
Handelsregister versicherte er u.a., dass mit der Verteilung des Vermögens an
die Gesellschafter noch nicht begonnen worden sei, die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft das Gesellschaftsvermögen nicht überstiegen und keine wirtschaftliche
Neugründung vorliege. Im Februar 2021 erklärte er den Rangrücktritt
eines der Gesellschaft gewährten Darlehens in Höhe von 2.897.361,63
und er überwies im April 2021 der Gesellschaft 25.000
dungszweck "Einzahlung Stammkapital".
Das Amtsgericht hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen
gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht
zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin
ihren Eintragungsantrag weiter.
II.
Die statthafte und im Übrigen gemäß
Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt, dass die Fortführung einer wegen rechtskräftiger Ablehnung
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse nach § 60
Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgrund
Gesellschafterbeschlusses nicht in Betracht komme. Das gelte auch,
wenn ein Geschäftsführer die in § 8 Abs. 2 GmbHG vorgesehene Versicherung
der Einzahlung auf die Gesellschaftsanteile abgegeben habe und ein Vermögen
in Höhe des im Gesellschaftsstatut festgelegten Stammkapitals vorhanden oder
zumindest die Beseitigung der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit der
Gesellschaft erfolgt sei. Führe die Entscheidung über die Ablehnung der Eröffnung
dieses Insolvenzverfahrens mangels Masse zur Auflösung der Gesellschaft
nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, bestehe keine fortsetzungsfähige Gesellschaft
mehr.
2. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Nachprüfung
stand. Die Antragstellerin konnte nach Rechtskraft des Beschlusses
des Insolvenzgerichts, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels
Masse abgelehnt worden ist, nicht durch Gesellschafterbeschluss fortgesetzt
werden. Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die
rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
der Gesellschaft mangels Masse gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst,
kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft
über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen
verfügt und die Insolvenzgründe beseitigt wurden (vgl. KG,
OLG Stuttgart,
1995, 532; KG,
215 [jew. zu § 1 Abs. 1 Satz 1 LöschG]; OLG Köln,
KG,
in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 60 Rn. 75; MünchKommGmbHG/Berner,
3. Aufl., § 60 Rn. 277; Scholz/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 117; Krafka,
Registerrecht, 11. Aufl., Rn. 1156).
a) Eine Fortsetzung ist gesetzlich in § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht vorgesehen.
Gesellschaften, die nicht einmal mehr die finanziellen Mittel zur
Durchführung eines Insolvenzverfahrens besitzen, sollen im öffentlichen Interesse
nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst rasch beendet werden. Der
Bundesgerichtshof hat noch zum Konkursrecht ausgeführt, dass eine Kommanditgesellschaft
auf Aktien und eine Aktiengesellschaft durch einfachen Fortsetzungsbeschluss
und Zuführung neuer Mittel ohne die Kontrolle eines förmlichen
Gründungsvertrags nicht in die Lage versetzt werden können, wieder am Geschäftsverkehr
teilzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1979
- II ZR 257/78,
Dieser Wille des Gesetzgebers hat sich mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung
und der Einführung des § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht geändert.
Vielmehr hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG keine
Fortsetzungsmöglichkeit vorgesehen. Nach dieser Vorschrift wird eine
Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
aufgelöst. Wird jedoch das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt
oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der
Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung
der Gesellschaft beschließen. Dafür, dass eine Fortsetzung der Gesellschaft
nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen möglich ist,
spricht der Umstand, dass der Wortlaut der Norm im Zuge der Insolvenzrechtsreform
des Jahres 1994 nicht erweitert worden ist (BGH, Beschluss vom
28. April 2015 - II ZB 13/14,
An einer Erweiterung der gesetzlich genannten Fortsetzungsmöglichkeiten
besteht kein Bedürfnis. Lassen die Beteiligten eine gesetzlich eingeräumte
Möglichkeit der Fortsetzung ungenutzt, ist kein Grund ersichtlich, eine nicht im
Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortführung der Gesellschaft durch einen
schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen. Gegen eine Fortsetzung spricht
auch, dass dann keine gesetzliche Prüfung stattfindet, ob die Insolvenzreife
überwunden ist (BGH, Beschluss vom 28. April 2015 - II ZB 13/14, ZIP 2015,
1533 Rn. 15).
Damit hat der Bundesgerichtshof zugleich ausgesprochen, dass eine
Fortsetzung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, über deren Vermögen
das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, das aber später nach § 207 Abs. 1
InsO eingestellt worden ist, weil die Insolvenzmasse nicht ausreichte, um die
Kosten zu decken, nicht möglich ist. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG sieht in diesem
Fall eine Fortsetzung der Gesellschaft gerade nicht vor. Es macht aber keinen
Unterschied, ob erst im Laufe des Insolvenzverfahrens die Unzulänglichkeit der
Masse zur Deckung der Kosten zu Tage tritt oder bereits dieser Umstand zur
Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat.
§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG dient dem Gläubigerschutz (vgl.
RegE EGInsO, BT-Drucks. 12/3803, S. 82) und bezweckt, eine Gesellschaft,
die nicht einmal über ein Vermögen verfügt, das zur Deckung der Kosten eines
Insolvenzverfahrens ausreicht, sofort von der weiteren Teilnahme am Rechtsverkehr
auszuschließen (Caspar in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl.,
§ 60 Rn. 147; Arnold in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl.,
Goette/Goette, Die GmbH, 3. Aufl., § 10 Rn. 38).
b) Aus diesen Gründen kommt es im Gegensatz zur Auffassung der
Rechtsbeschwerde, die in der Literatur teilweise geteilt wird (Altmeppen,
GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 53 ff.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG,
20. Aufl., § 60 Rn. 33; Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 60
Rn. 96; Beckmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl., § 60 Rn. 71),
nicht darauf an, ob alle Auflösungsgründe für die Gesellschaft beseitigt und deren
Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel nachhaltig überwunden wurde. Die
Zuführung neuer Mittel für die Antragstellerin und die Rangrücktrittserklärung
ihres Alleingesellschafters haben die Möglichkeit der Fortführung durch Gesellschafterbeschluss
nicht begründet.
Belange der Gesellschafter rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die
Gesellschafter einer GmbH haben die Möglichkeit, durch rechtzeitige Zuführung
von Mitteln zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens den Anwendungsbereich
des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zu eröffnen und die dort vorgesehene
gesetzliche Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft zu nutzen. Wenn
sie diese Möglichkeit nicht ergreifen, ist kein Grund ersichtlich, eine nicht im
Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortsetzung der Gesellschaft durch einen
schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom
28. April 2015 - II ZB 13/14,
auch für den Alleingesellschafter der Antragstellerin.
Diese Gründe sprechen auch gegen eine Fortsetzungsmöglichkeit, selbst
wenn die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung eingehalten
sind (dafür Casper in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 147;
BeckOKGmbHG/Lorscheider, Stand: 1. Februar 2021, § 60 Rn. 23; Goette/
Goette, Die GmbH, 3. Aufl., § 10 Rn. 38). Eine Fortsetzung der Antragstellerin
kommt unter diesem Gesichtspunkt allerdings schon deshalb nicht in Betracht,
weil nach den eigenen Angaben in der Anmeldung die Voraussetzungen einer
wirtschaftlichen Neugründung nicht vorlagen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:25.01.2022
Aktenzeichen:II ZB 8/21
Rechtsgebiete:
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 5