Zum dinglichen Inhalt eines Wohnungsrechts bei Vereinbarung über Nebenkosten
letzte Aktualisierung: 2.3.2022
OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.10.2020 – 15 W 2130/20
Zum dinglichen Inhalt eines Wohnungsrechts bei Vereinbarung über Nebenkosten
Eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Berechtigten eines
Wohnungsrechts, nach der die Kosten für Schönheitsreparaturen, Wasser, Abwasser, Heizung,
Strom und Gas, den Kaminkehrer und die Müllabfuhr der Eigentümer trägt, kann zum dinglichen
Inhalt des Wohnungsrechts gemacht werden.
Oberlandesgericht Nürnberg
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind als Eigentümer des Anwesens Niedersunzing, Hauptstraße 24,
Gebäude- und Freifläche zu 1.199 qm, Fl.Nr. 607, und des Ackerlandes Mitterfeld mit der Fl.Nr.
680 zu 22.872 qm im Grundbuch des Amtsgerichts Straubing für Obersunzing Blatt 775
eingetragen. Mit notarieller Urkunde vom 26.02.2020, URNr. 345/2020, übertrugen sie diese
dem Beteiligten zu 3). Die Beteiligten erklärten die Auflassung.
Unter Abschnitt IV der notariellen Urkunde ist folgendes vereinbart:
„Vorbehaltene Rechte
1. Wohnungsrecht
Die Veräußerer – nachstehend Berechtigte genannt – behalten sich als Gesamtberechtigte
gemäß
Wohnungsrecht dem Längerlebenden ungeschmälert zur Alleinberechtigung zusteht, auf die
Lebensdauer des Längerlebenden von ihnen ein Wohnungsrecht in dem übergebenen Anwesen
vor.
Dieses besteht in dem Recht der ausschließlichen Benutzung der Wohnung im Erdgeschoss –
unter Ausschluss des Eigentümers – und dem Recht auf Mitbenutzung der zum gemeinsamen
Gebrauch der Hausbewohnter bestimmten Anlagen, Einrichtungen und Räume, insbesondere
der Waschküche und der Garage.
Der Erwerber als künftiger Eigentümer ist verpflichtet, die dem Wohnungsrecht unterliegenden
Räume auf eigene Kosten in gut bewohnbarem und beheizbarem Zustand zu halten.
Der Erwerber als künftiger Eigentümer trägt sämtliche Kosten, die für das Anwesen und die dem
Wohnungsrecht unterliegenden Räume anfallen, insbesondere die Kosten der
Schönheitsreparaturen in dem in Mietverträgen üblichen Umfang, die Kosten für Wasser und
Abwasser, Beheizung, Strom und Gas, Kaminkehrer und Müllabfuhr, auch soweit sie auf der
Wohnnutzung des Berechtigten beruhen.
…
Der Erwerber bestellt hiermit das Wohnungsrecht an dem in Ziffer I beschriebenen Grundbesitz
zu Gunsten des Berechtigten – mehreren als Gesamtberechtigten nach
bewilligt und beantragt die Eintragung im Grundbuch. …“.
Mit Schreiben vom 27.03.2020 beantragte der Notar den Vollzug der Urkunde. Das Amtsgericht
– Grundbuchamt – Straubing erließ am 04.06.2020 eine Zwischenverfügung dahingehend, dass
das Wohnrecht nicht am Ackerland (Fl.Nr. 680) bestellt werden könne. Weiterhin könnten die
Leistungspflichten des Eigentümers (Kostentragungspflicht) nicht gesetzlicher Inhalt des
Wohnungsrechts sein.
Hiergegen wendet sich der zuständige Notar in der Beschwerde mit Schreiben vom 25.06.2020,
eingegangen am 27.06.2020. Der Antrag in Ziffer IV.1. des Überlassungsvertrages werde
dahingehend eingeschränkt, dass das Wohnungsrecht nur am Grundstück Fl.Nr. 607
eingetragen werden solle. Die Beschwerde richte sich nur gegen den Teil des Beschlusses,
wonach die Leistungspflicht des Eigentümers nicht gesetzlicher Inhalt des Wohnungsrechts sein
könne. Zur Begründung werde u.a. auf die Entscheidung des Bayerisches Oberstes
Landesgericht vom 18.06.1980 verwiesen.
Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und führte aus, die Kostentragungspflicht des
Eigentümers könne nicht Inhalt eines Wohnungsrecht sein. Die Vereinbarung der
Leistungspflicht des Eigentümers mit dinglicher Wirkung sei ausgeschlossen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß
Abs. 2 GBO, 10 Abs. 2 Nr. 3 FamFG).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Grundbuchamt darf vorliegend den
Eintragungsantrag nicht beanstanden, da die genannten Kosten (für Schönheitsreparaturen,
Wasser, Abwasser, Heizung, Strom und Gas, den Kaminkehrer und die Müllabfuhr) zum
dinglichen Inhalt des Wohnungsrechts gemacht werden können.
1.
Unproblematisch zulässig und vom Amtsgericht auch nicht beanstandet ist die in der notariellen
Urkunde enthaltene Pflicht des Eigentümers, die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume
auf eigene Kosten in gut bewohnbarem und beheizbarem Zustand zu halten. Das
Wohnungsrecht ist - wie sich aus
beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Auf diese finden nach
von Vorschriften über die Grunddienstbarkeiten, insbesondere
Anwendung. Danach kann bestimmt werden, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks
eine auf dem Grundstück befindliche Anlage, die zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehört,
zu unterhalten hat (
Entsorgungsleitungen sowie die Heizanlage, die der Eigentümer zu unterhalten hat, um die
Bewohn- und Beheizbarkeit der dem Wohnrecht unterliegenden Räume zu gewährleisten.
2.
Ebenso ist der Eigentümer verpflichtet, die Kosten zu tragen, soweit sie gemeinschaftliche
Anlagen und Einrichtungen betreffen. Denn da
Satz 2 BGB nicht auf
Anlagen und Einrichtungen dem Eigentümer. Dem Wohnungsberechtigten würde andernfalls die
ordnungsgemäße Benutzung seiner Räume unmöglich gemacht (BGH, Urteil vom 21. Oktober
2011 – V ZR 57/11 zur Pflicht des Eigentümers, die Kosten für Instandhaltung und
Instandsetzung der Zentralheizung zu tragen).
3.
Entgegen der Meinung des Amtsgerichts können auch die anfallenden Kosten für
Schönheitsreparaturen und die laufenden Kosten für Strom, Wasser, Abwasser, Heizung,
Müllabfuhr und Kaminkehrer durch Vereinbarung dem Eigentümer mit dinglicher Wirkung
auferlegt werden.
a)
Zwar ist auf dem Gebiet des Sachenrechts die Vertragsfreiheit grundsätzlich ausgeschlossen.
Durch das Gesetz wird nicht nur die Zahl der dinglichen Rechte erschöpfend bestimmt, sondern
auch ihr Inhalt zwingend vorgeschrieben. Für Rechte mit unbestimmtem (bedingtem) Inhalt ist
hier kein Raum (Bayerisches Oberstes Landesgericht,
gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Soweit entweder das Gesetz selbst die Abänderbarkeit
vorsieht oder zulässt oder bei einer Abänderung des Inhalts eines im Gesetz vorgesehenen
Rechts nicht gegen tragende und damit zwingende Grundprinzipien (insbesondere hinsichtlich
der Wesensmerkmale der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, der grundsätzlichen
Nichtübertragbarkeit des Wohnungsrechts sowie des Ausschlusses des Eigentümers) verstoßen
wird, sind abweichende Vereinbarungen zwischen den Beteiligten über den Inhalt eines zu
bestellenden dinglichen Rechts nicht nur mit schuldrechtlicher, sondern - bei Eintragung in das
Grundbuch bzw. zulässiger Bezugnahme auf die entsprechende Eintragungsbewilligung (§ 874
BGB) - auch mit dinglicher Wirkung möglich (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss
vom 18. Juni 1980 – BReg 2 Z 28/80; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 11.
Oktober 1990 – BReg 2 Z 114/90).
Wegen des abschließenden Katalogs des möglichen Inhalts einer Dienstbarkeit in
kann aber die Verpflichtung des Eigentümers zu einem positiven Tun nicht Hauptinhalt einer
solchen Dienstbarkeit sein (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18. Juni
1980 – BReg 2 Z 28/80). Denn eine gegen das Wesen des bestellten dinglichen Rechts
verstoßende Vereinbarung ist nichtig (Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht -
Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 1 Rn. 62).
b)
Hieraus schließt eine Meinung in der Literatur, auf die sich das Amtsgericht in seiner
Abhilfeentscheidung stützt, dass eine Kostentragungspflicht des Eigentümers nicht mit dinglicher
Wirkung vereinbart werden könne, da sie eine positive Leistungspflicht des Eigentümers
begründe. Eine derartige, dem Dienstbarkeitscharakter zuwiderlaufende Vereinbarung sei
unzulässig. Die Begründung zusätzlicher Leistungspflichten würden die nach §§ 1090 Abs. 2,
1093 Abs. 1 S. 2 BGB anzuwendenden Vorschriften nicht ermöglichen. Kosten, die bei
Ausübung des Wohnungsrechts entstehen, und die Verpflichtung zur Lieferung von Strom,
Wasser, Warmwasser oder Heizenergie usw. könnten dem Grundstückseigentümer daher nur
mit schuldrechtlicher Wirkung vertraglich auferlegt werden. Die vertragliche Verpflichtung des
Eigentümers zu Nebenleistungen für die Räume des Wohnungsberechtigten könne nur durch
eine Reallast gesichert werden (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Zweiter
Teil Grundbuchformulare mit Erläuterungen Rn. 1253, 1254).
c)
Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich auch der Senat
anschließt, sieht dagegen in der Vereinbarung der oben genannten Kostentragungspflicht des
Eigentümers mit dinglicher Wirkung keinen Verstoß gegen die zwingende gesetzliche Regelung,
dass positive Leistungspflichten des Eigentümers nicht Dienstbarkeitsinhalt sein können.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Eigentümer durch eine Regelung, nach der er die von ihm zu
entrichtenden laufenden Kosten für Strom, Heizung, Müllabfuhr usw. nicht von dem
Wohnungsberechtigten ersetzt verlangen kann, zu einem positiven Tun verpflichtet wird (OLG
Köln, Beschluss vom 17. Januar 1991 – 2 Wx 51/91).
Jedenfalls handelt sich bei dieser Vereinbarung, die die Verbrauchs- und Instandhaltungskosten
dem Eigentümer auferlegt, um eine bloße Nebenpflicht. Die Hauptpflicht des Eigentümers,
besteht - wie § 1093 Abs 1 BGB voraussetzt - nach wie vor darin, die Ausübung des
Wohnungsrechts durch den Berechtigten zu dulden. Die Kostenregelung dient nur der
Ausgestaltung des gesetzlichen Schuldverhältnisses, stellt aber keine unzulässige Begründung
einer Hauptpflicht des Eigentümers zu positivem Tun dar (Bayerisches Oberstes Landesgericht,
a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09. Juni 1994 – 2 W 52/94;
Staudinger/Reymann (2017) BGB § 1093 Rn. 46; OLG Köln a.a.O.; Keller/Munzig a.a.O. § 6 Rn.
162; Amann in
Kapitel 4 Rn. 1588, mit der Beschwerde auszugsweise vorgelegt). Dass es sich bei den
laufenden Verbrauchs- und Instandhaltungskosten nicht um Hauptleistungen, sondern um
Nebenleistungen handelt, ergibt sich bereits aus der Parallele zur Raummiete, bei der solche
Leistungen gemeinhin als "Nebenleistungen" und das Entgelt als "Nebenkosten" bezeichnet
werden (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht a.a.O.).
Der zusätzlichen Bestellung einer Reallast bedarf es für die dingliche Absicherung der
vertraglichen Vereinbarung daher nicht (BayObLG a.a.O.).
4.
Die weite Fassung der Kostenregelung in der notariellen Urkunde vom 26.02.2020 unter IV.
steht einer Eintragung des Wohnungsrechts nicht entgegen. Zwar hat der Eigentümer die
Kosten, soweit sie auf das restliche Anwesen, das dem Wohnungsrecht nicht unterliegt,
entfallen, auch ohne Vereinbarung hierüber sowieso zu tragen. Eine Eintragung wäre insoweit
nicht erforderlich. Aber angesichts der ausführlichen Regelung in der notariellen Urkunde und
der besseren Verständlichkeit hierdurch ist es unschädlich, wenn einzelne Punkte in der
Vereinbarung mitgeregelt werden, die jedenfalls nicht ausschließlich Gegenstand einer
Eintragungsbewilligung sein könnten (BayObLG a.a.O.).
5.
Da die Vereinbarung hinsichtlich der Kostentragungspflicht mit dinglicher Wirkung zulässig ist,
ist auch die Eintragungsfähigkeit der entsprechenden Vereinbarung im Grundbuch gegeben
(Keller/Munzig a.a.O. § 1 Rn. 47).
Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, da Gegenstand des
Rechtsmittelverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht das Eintragungsersuchen selbst ist
(BGH, Beschluss vom 26.09.2013 - V ZB 152/12).
III.
Die Kostenfolge der zulässigen und begründeten Beschwerde ergibt sich aus dem Gesetz
(
Beschwerdeführer auf der Grundlage von
Staatskasse kommt in Grundbuchsachen grundsätzlich nicht als Beteiligter in Betracht, dem bei
erfolgreicher Beschwerde die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer auferlegt werden
könnten (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 77 Rn. 33).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 78
Abs. 2 GBO) nicht vorliegen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Nürnberg
Erscheinungsdatum:06.10.2020
Aktenzeichen:15 W 2130/20
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GBO § 71; BGB §§ 874, 1018, 1090 Abs. 2, 1093 Abs. 1