Formwirksamkeit eines Nottestaments in Zeiten der Corona-Pandemie
letzte Aktualisierung: 8.4.2022
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.1.2022 – 3 Wx 216/21
Formwirksamkeit eines Nottestaments in Zeiten der Corona-Pandemie
Trotz pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen ist ein Nottestament nur dann wirksam, wenn
während des gesamten Errichtungsaktes gleichzeitig drei Zeugen anwesend sind, § 2250 Abs. 1
BGB.
Gründe:
I.
Mit handschriftlich errichtetem Testament vom 20. Oktober 2019 bestimmte der Erblasser
die Beteiligten zu 1 bis 3 zu jeweils gleichen Anteilen zu seinen Erben. Mit weiterem
Testament vom 6. März 2021, überschrieben als Nottestament, geschrieben von der
Beteiligten zu 3, vom Erblasser sowie von drei Zeugen unterschrieben, setzte der
Erblasser die Beteiligte zu 3 zu seiner Alleinerbin ein.
Gestützt auf das Testament vom 20. Oktober 2019 hat der Beteiligte zu 1 einen die
Beteiligten zu 1 bis 3 als Miterben zu je 1/3-Anteil ausweisenden Erbscheins beantragt.
Dem ist die Beteiligte zu 3 unter Berufung auf das Testament vom 6. März 2021 entgegen
getreten. Hierzu hat sie vorgebracht, die Voraussetzungen für die Errichtung eines
Nottestaments hätten vorlegen. Am 6. März 2021, einem Wochenendtag, habe der
Erblasser aufgrund seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung befürchtet, alsbald in einen
Zustand zu verfallen, in dem er nicht mehr in der Lage sein würde, ein Testament zu
errichten, und in der Folge zu versterben. Ein Notar sei nicht erreichbar gewesen. Auf
Wunsch des Erblassers sei am 6. März 2021 dann die Behandlung mit Schmerzmitteln
ausgesetzt worden, um in der Lage zu sein, seinen letzten Willen wirksam zu äußern.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur
Begründung des vom Beteiligten zu 1 gestellten Erbscheinsantrages erforderlich sind, für
festgestellt erachtet. Das Nottestament sei nicht wirksam, denn die das Testament
mitunterzeichnenden Zeugen seien nicht gleichzeitig anwesend gewesen. Sie hätten die
Niederschrift nacheinander und jeweils einzeln dem Erblasser vorgelesen und den Text
unterschrieben.
Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 6. Oktober 2021 zugestellten Beschluss
vom 28. September 2021 wendet sich die Beteiligte zu 3 mit ihrer Beschwerde vom 3.
November 2021. Sie meint, der Gesetzeswortlaut von
die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen. Wegen der pandemiebedingten
Kontaktbeschränkungen hätten nicht gleichzeitig drei Personen den Erblasser im
Krankenhaus besuchen dürfen.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem
Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 5. November 2021 zur
Entscheidung vorgelegt. Es schließe sich der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen
Auffassung an, wonach aus dem Gesetzeswortlaut von
Erklärung vor drei Zeugen“ verlange, das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit von
drei Zeugen folge. Die Anwesenheits- und Mitwirkungspflicht gelte für die mündliche
Erklärung des letzten Willens, dessen Aufnahme und Verlesung und deren Genehmigung
durch den Erblasser. Das Vorbringen der Beteiligten zu 3, aufgrund der Pandemie-
Situation hätten die drei Zeugen den Erblasser nicht gleichzeitig besuchen dürfen, sei
durch nichts belegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie den der
beigezogenen Akte über die Verfügung von Todes wegen (AG Mülheim an der Ruhr, 4 IV
253/21) verwiesen.
II.
Die nach Maßgabe von
den Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts vom 28. September 2021 ist dem Senat
zur Entscheidung angefallen, nachdem das Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom
5. November 2021 ordnungsgemäß die Nichtabhilfe und Vorlage erklärt hat, § 68 Abs. 1
Satz 1, 2. Halbsatz FamFG.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem
Ergebnis gekommen, dass das als Nottestament am 6. März 2021 errichtete Testament
unwirksam ist. Der vom Nachlassgericht eingenommene Rechtsstandpunkt, wonach §
2250 BGB die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen während des gesamten
Errichtungsaktes verlangt, entspricht der einhellig in Rechtsprechung und Literatur
vertretenen Auffassung. Anlass, hiervon aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen
abzuweichen, besteht nicht. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen im
angefochtenen Beschluss und im Nichtabhilfebeschluss merkt der Senat folgendes an:
Gemäß
Errichtungsakt um zwingende Vorschriften („muss“). Zwingende Vorschriften sind indes
schon grundsätzlich nicht ausnahmefähig. Das gilt auch für
schon eine Ausnahmevorschrift ist und abweichend von den ihrerseits bereits strengen
Formvorschriften der
2249 BGB (Nottestament vor dem Bürgermeister) die Zulässigkeit eines Nottestaments
regelt. Die Bedeutung von
liegt darin, dass durch möglichst klare und unmissverständliche Wiedergabe der
Erklärungen des Erblassers dessen letzter Wille sowohl zum Ausdruck als auch zur
Geltung gebracht werden soll. Welche Anforderungen aber erfüllt werden müssen, damit
die statt vor einem Notar oder einem Bürgermeister vor Laien niedergelegten Erklärungen
des Erblassers als rechtsverbindliche Wiedergabe seines in naher Todesgefahr
geäußerten Willens gewertet werden können, steht nicht im Ermessen des Gerichts,
sondern ist im einzelnen gesetzlich vorgeschrieben (BGH
Entscheidend aber ist, dass es sich bei der durch die pandemiebedingten
Kontaktbeschränkungen eingetretenen Situation nicht um eine neue, vom Gesetzgeber
nicht bereits in abstrakter Hinsicht bedachte Lage ist. Es handelt sich vielmehr um eine
Situation der Absperrung im Sinne von
Abs. 1 BGB den Fall geregelt, dass sich der Erblasser an einem Ort aufhält, der infolge
außerordentlicher Umstände derart abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments
vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist. Die Absperrung kann
verschiedene Ursachen haben, neben Naturereignissen wird beispielsweise auch die
Situation einer Quarantäne infolge von Seuchen und ansteckenden Krankheiten unter §
2250 Abs. 1 BGB subsumiert (vgl. MüKo BGB/Sticherling, 8. Aufl. 2020, § 2250 Rn. 5;
BeckOGK/Griwotz, BGB, Stand: 1. Oktober 2021, § 2250 Rn. 3; s. auch Krätzschel, Die
Errichtung letztwilliger Verfügungen in Corona-Zeiten,
Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf die notarielle Tätigkeit,
pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen für Patienten in Krankenhäusern zu einer
Situation führen, die einer Quarantäne vergleichbar ist, nämlich die Isolation von anderen
Personen, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Nach den vom Gesetzgeber normierten
Voraussetzungen muss aber auch das Absperrungstestament als Dreizeugentestament
errichtet werden und ein Verstoß hiergegen führt zur Nichtigkeit des Testaments.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß
erfolglos gebliebenen Rechtsmittels demjenigen der Beteiligten auferlegt werden, der es
eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht,
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 40 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 GNotKG. Entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung hat der Senat das
mit der Beschwerde in wirtschaftlicher Hinsicht verfolgte Interesse zugrunde gelegt. Das ist
hier das Interesse der Beteiligten zu 3, Alleinerbin und nicht lediglich Miterbin zu 1/3-Anteil
zu sein. Ausgehend von dem im Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 mit 300.000,- €
bezifferten Nachlasswert errechnet sich die Differenz zwischen dem der Beteiligten zu 3
als Alleinerbin zustehenden Wert und dem auf sie als Miterbin zu 1/3-Anteil entfallenden
Wert mit einem Betrag von 200.000,- €.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Düsseldorf
Erscheinungsdatum:06.01.2022
Aktenzeichen:3 Wx 216/21
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform
BGB § 2250 Abs. 1