Nutzungsersatz bei unberechtigter Nutzung einer Wohnung nebst Abstellflächen im Keller; Inanspruchnahme aus abgetretener Briefgrundschuld
letzte Aktualisierung: 5.2.2024
OLG Frankfurt, Urt. v. 19.9.2023 – 9 U 36/21
BGB §§ 987, 990, 1144, 1155
Nutzungsersatz bei unberechtigter Nutzung einer Wohnung nebst Abstellflächen im Keller;
Inanspruchnahme aus abgetretener Briefgrundschuld
1. Im Rahmen eines Anspruchs aus
Nutzung einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung sind mitgenutzte Abstellflächen im
Keller bei der Schätzung des Nutzungsersatzes gemäß
2. Bei der Inanspruchnahme aus einer abgetretenen Briefgrundschuld kann der Eigentümer gemäß
Abtretungserklärung im Sinne des
3. Verweigert der nicht im Grundbuch ausgewiesene Inhaber einer Briefgrundschuld die Vorlage
einer öffentlich beglaubigten Abtretungserklärung gegenüber dem in Anspruch genommenen
Eigentümer, gerät er in Annahmeverzug mit der Folge, dass ein Zinsanspruch gemäß
entfallen kann.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um eine Nutzungsentschädigung im Zusammenhang mit der Teilungsversteigerung
eines vormals von den Beklagten bewohnten Hausgrundstücks.
Der Beklagte zu 2), sein Bruder sowie seine Schwester - die Nebenintervenientin - waren je
zu 1/3 Miteigentümer des mit einem Dreifamilienhaus bebauten Grundstücks Straße1 in
Stadt1 (Stadtteil1). Der Beklagte zu 2) bewohnte dort gemeinsam mit seiner Ehefrau, der
Beklagten zu 1), die Wohnung im Dachgeschoss. Beide nutzten außerdem Teile des Kellers
und die Garage alleine. Das Haus wurde teilungsversteigert. Im Rahmen des Versteigerungsverfahrens
erstattete der Sachverständige A ein Verkehrswertgutachten zum Bewertungsstichtag
1.7.2014, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K6 zur
Klageschrift, Anlagenband). Darin heißt es unter anderem, ein Zutritt zu der Wohnung im
Dachgeschoss habe nicht erwirkt werden können. Die Liegenschaft befinde sich in gehobener
Wohnlage im Bezirk1. Der Balkon der Dachgeschosswohnung sei sanierungsbedürftig. Er weise
massive Feuchtigkeits- und Armierungsschäden auf. Eine Betonsanierung oder Rückbau
werde notwendig werden. Die Wohnfläche der Dachgeschosswohnung betrage ca. 79 qm. Die
Gesamtwohnfläche betrag 245 qm. Es sei eine Miete von 10 €/qm für die Dachgeschosswohnung
anzusetzen. Die marktübliche Miete liege im Bewertungszeitpunkt über den im Mietspiegel
verzeichneten Werten.
Die Kläger erhielten am 20.11.2015 den Zuschlag für das Hausgrundstück. Die Mieterin der
Wohnung im Erdgeschoss zog am 31.12.2015 aus. Die Wohnung im ersten Stock stand leer.
Die Kläger forderten die Beklagten zur Räumung bis zum 31.12.2015 auf. Die Beklagten wiesen
das Räumungsverlangen unter Verweis auf einen angeblich im Jahr 2005 abgeschlossenen
Mietvertrag zurück. Ihr Antrag auf einstweilige Zwangsvollstreckung (Zwangsräumung)
vom 2.5.2016 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 24.5.2016 rechtskräftig zurückgewiesen.
Zur Begründung heißt es in dem Beschluss unter anderem, der vorgelegte
Mietvertrag sei als Scheingeschäft unwirksam; die Geschwister des Beklagten und angeblichen
Mitvermieter hätten eidesstattlich versichert, den Mietvertrag nicht unterzeichnet zu haben
(Anlage K 4 zur Klageschrift). Die Beklagten räumten die von ihnen innegehaltenen
Räumlichkeiten und Flächen erst am 20.1.2017. Die Kläger beanspruchen deshalb mit ihrer
Klage Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 1.1.2016 bis zum 20.1.2017.
Gegenstand der Klage sind außerdem Ansprüche im Zusammenhang mit einer unverzinslichen
Briefgrundschuld über nominal 170.000 DM (= 86.919,62 €) nebst Zinsen, die im Zeitpunkt
des Eigentumserwerbs in dem das Anwesen betreffenden Grundbuch in Abt. III unter
laufender Nummer 4 verzeichnet war. Ausweislich des Eintragung im Grundbuch war die
Streithelferin Inhaberin dieser Briefgrundschuld. Diese machte die Grundschuld mit anwaltlichem
Schreiben vom 15.12.2015 gegenüber den Klägern geltend (Anlage K18 zum Schriftsatz
der Kläger vom 27.4.2020, Anlagenband). Am 1.12. 2015 hatte bereits die Beklagte zu
1) dieselbe Grundschuld gegenüber den Klägern fällig gestellt und behauptet, die Bank1 habe
ihr die Grundschuld im Jahr 2000 abgetreten (Schreiben vom 1.12.2005, Anlage zur Klageerwiderung,
Bl. 52.d.A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.12.2015 bot der Prozessbevollmächtige
der Kläger der Beklagten die Notarabwicklung unter gleichzeitiger Vorlage aller für
die Löschung erforderlichen Unterlagen an und legte teilte mit, dass die Streitverkündete
ebenfalls Ansprüche aus der Grundschuld erhebe (Bl. 271 d.A.). Mit Mail vom 24.12.2015,
auf die verwiesen wird (Anlage K19 zum Schriftsatz der Kläger vom 27.4.2020, Anlagenband),
drohte die Beklagte zu 1) unter anderem den Verkauf dieser in Abt. III Nr. 4 verzeichneten
Briefgrundschuld an, wenn die Kläger das Geld nicht in den nächsten Tagen „mit der
Maßgabe einer Auszahlung“ an sie hinterlegen oder zahlen würden. Im Gegenzug bot sie
(nur) die Vorlage des Originalgrundschuldbriefes und der Löschungsbewilligung an.
Die Kläger hinterlegten mit Blick auf die doppelte Inanspruchnahme sowie wegen der angedrohten
Veräußerung der Grundschuld aufgrund ihres Antrages vom 4.1.2016 am 6.1.2016
den Nominalbetrag der Grundschuld bei dem Amtsgericht Stadt1 (Anlage K20 zum Schriftsatz
der Kläger vom 27.4.2020, Anlagenband). Am Vortag hatte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten
der Kläger per Mail die Abtretungserklärung betreffend die Abtretung der
Grundschuld von der Streitverkündeten an die Bank1 übermittelt. Eine öffentlich beglaubigte
Abschrift dieser Abtretung legte die Beklagte indes weder zu diesem Zeitpunkt, noch in den
folgenden Jahren vor, und behauptete hierzu bis zum Jahr 2020, diese nicht in Besitz zu haben.
Die Streitverkündete gab mit Schreiben vom 30.5.2016 gegenüber der Hinterlegungsstelle
den hinterlegten Betrag zu Gunsten der Beklagten frei (Anlagenkonvolut zum Schriftsatz
vom 12.6.2020, Anlagenband). Die Beklagte zu 1) wurde daraufhin mit Schreiben der
Hinterlegungsstelle vom 5.6.2016 darüber informiert, dass zur Auszahlung des Geldes im Antragstellung
und Mitteilung der Bankverbindung gebeten werde und die Beklagte zu 1) zudem
nachweisen solle, dass die Löschungsbewilligung und der Grundschuldbrief an die Hinterleger
ausgehändigt würden (Anlage K21 zum Schriftsatz der Kläger vom 27.4.2020). Diesem
Schreiben kam die Beklagte zu 1) indessen nicht nach.
Sie bestritt vielmehr seit Januar 2016 - auch über den Zeitpunkt der Freigabe durch die
Streitverkündete hinaus - die Erfüllungswirkung der Hinterlegung und betrieb aus der Briefgrundschuld
die Zwangsversteigerung gegen die Kläger. Deren Vollstreckungsgegenklage
wurde mit Urteil des Landgerichts Stadt1 vom 29.3.2017, auf das Bezug genommen wird,
zurückgewiesen (Anlage B30 zum Schriftsatz der Beklagten vom 9.2.2021, Bl. 269 ff. d.A.).
Ihr Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß
Stadt1 zunächst Erfolg, wurde allerdings mit Beschluss des Landgerichts Stadt1 vom
26.6.2018 auf die Beschwerde der Beklagten zu 1) zurückgewiesen (Anlage B31 zum Schriftsatz
der Beklagten vom 9.2.2021, Bl. 275 ff. d.A.).
Da wegen der Erfolglosigkeit der Vollstreckungsrechtsbehelfe die Versteigerung des Grundstücks
drohte, leisteten die Kläger zur Abwendung der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
insgesamt 104.374,42 €. Das Amtsgericht Stadt1 zahlte aus dieser Sicherheit am
23.10.2020 den Nominalbetrag der Grundschuld nebst Zinsen, insgesamt 102.245,92 €, an
die Beklagte zu 1) aus, nachdem sie nun erstmals beglaubigte Abschriften sämtlicher Abtretungserklärungen
und Löschungsunterlagen vorgelegt hatte. Die Kläger erhielten 1.052 € zurück.
Der übrige Betrag wurde mit Verfahrenskosten verrechnet.
Eine Löschung der in Abt. III lfd. Nr. 4 verzeichneten Briefgrundschuld scheiterte in der Folgezeit
zunächst weiterhin daran, dass die Abtretungskette nicht in öffentlich beglaubigter
Form nachgewiesen wurde (vgl. Anlage K 30 zum Schriftsatz der Kläger vom 1.9.2020, Bl.
163 d.A.). Die Freigabe des ersten Hinterlegungsbetrages erteilte die Beklagte zu 1) am
20.6.2020, nachdem das Amtsgericht Stadt1 sie dazu verurteilt hatte; es wird insoweit auf
den Schriftsatz der Beklagten vom 29.7.2020 nebst Anlage B14 Bezug genommen (Bl. 119 ff.
d.A.).
Die Kläger haben mit der gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Klage u.a. Zahlung des Differenzbetrages
zwischen dem Nominalbetrag der Grundschuld und dem an die Beklagte zu 1)
ausgekehrten Betrag begehrt und die Auffassung vertreten, die Beklagte zu 1) habe ihre Legitimation
aus der in Abt. III unter lfd. Nr. 4 eingetragenen Grundschuld bis zur Auskehr der
Sicherheitsleistung an die Beklagte nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, so dass ihnen ein
Zurückbehaltungsrecht zugestanden und die Beklagte zu 1) die an sie ausgekehrten Zinsen
ohne Rechtsgrund erhalten habe.
Die Kläger haben - nach einer teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung - erstinstanzlich
zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 34.269,65 € nebst Zinsen
zu zahlen sowie die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie 16.402,80 € nebst
Zinsen zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte haben im Wesentlichen behauptet, sie seien aufgrund eines Mietvertrages zum
Besitz der Wohnung berechtigt gewesen. Die Wohnung sei nur 62 qm groß. Die geschuldete
Miete betrage lediglich 565,56 € und sei wegen des Vorliegens von Mietmängeln zusätzlich
um 25 Prozent zu mindern. Die Erstattung von Nebenkosten sei nicht geschuldet; Ansprüche
seien verjährt.
Die Beklagte zu 1) hat durchweg die Auffassung vertreten, sie sei nicht verpflichtet gewesen,
eine beglaubigte Abschrift der Abtretungserklärung beizubringen. Die Beklagte zu 1) hat außerdem
die Aufrechnung mit Zinsen aus dem Grundschuldbetrag der in Abteilung III unter
laufender Nummer 5 verzeichneten Grundschuld erklärt.
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zu Zahlung einer Nutzungsentschädigung
in Höhe von 13.389,69 € nebst Zinsen sowie die Beklagte zu 1) zur Zahlung von
15.326,30 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen - insoweit rechtskräftig - abgewiesen.
Soweit für das Berufungsverfahren relevant, hat das Landgericht im Wesentlichen
ausgeführt, den Klägern stehe eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.127,80 € gemäß
die Beklagten seien bis zur Räumung Besitzer gewesen. Auf ein Recht zum Besitz könnten sie
sich nicht berufen. Bei dem schriftlichen Mietvertrag handele es sich um ein Scheingeschäft;
auf eine mündliche Abrede könnten sie sich nicht berufen, weil sie hierzu eine konkrete Darlegung
schuldig geblieben seien. Aus den von ihnen vorgelegten Einzahlungsbelegen lasse
sich nicht auf einen konkreten Mietvertrag schließen, zumal die Zahlungen zum Teil auf ihr eigenes
Konto geflossen seien. Die Beklagten seien wegen der Kenntnis von dem Zuschlag
bösgläubig gewesen,
Den Klägern stehe damit für die Dauer von 12 Monaten und 20 Tagen eine Nutzungsentschädigung
entsprechend der Kaltmiete in Höhe von 880 € zu. Hierbei hätten die Kläger zu Recht
eine Wohnfläche von 79 qm zugrunde gelegt. Diese ergebe sich aus dem Verkehrswertgutachten,
welches im Jahr 2014 im Versteigerungsverfahren eingeholt worden sei. Der Sachverständige
habe zwar kein Aufmaß nehmen können, weil ihm der Zutritt verweigert worden
sei. Er habe sich aber auf Planungsunterlagen bezogen. Die Beklagten könnten sich insoweit
nicht auf den von ihnen vorgelegten Plan berufen, weil nicht ersichtlich sei, dass dieser so
auch verwirklicht worden sei und dem tatsächlichen Maß der Wohnung im Jahr 2014 entspreche.
Die Höhe der Nutzungsentschädigung sei an den objektiven Mietwert angelehnt, wobei dieser
ausweislich des Gutachtens mit 10 € pro qm und für die Garage mit 90 € pro Monat anzusetzen
sei. Soweit das Gutachten aus dem Jahr 2014 stamme, es hier aber um Ansprüche für
2016 und 2017 gehe, sei gerichtsbekannt, dass die Mieten in diesem Zeitraum eher gestiegen
seien. Eine Minderung sei nicht in Abzug zu bringen. Ein Minderwert sei nicht substantiiert
vorgetragen. Die angebliche Unbenutzbarkeit des Balkons spiegele sich im Sachverständigengutachten
wider. Hinsichtlich der behaupteten Mängel an der Heizung sei mangels substantiierten
Vortrags kein Abzug gerechtfertigt; dasselbe gelte für den angeblichen Dreck im
Treppenhaus. Insoweit sei überdies die Lärmbelästigung im Besitzzeitraum voraussehbar gewesen.
Die Beklagten müssten auch die Nebenkosten erstatten. Die verbrauchsunabhängigen Kosten
beliefen sich insoweit auf 1.636,03 €, von denen anteilig nach Fläche 527 € von den Beklagten
zu tragen seien. Die verbrauchsabhängigen Kosten seien von den Klägern im Einzelnen
dargelegt worden, ohne dass die Beklagten diesem Vortrag substantiiert entgegengetreten
seien. Diese seien von den Beklagten zu tragen, die die einzigen Verbraucher im relevanten
Zeitraum gewesen seien. Die Kläger könnten auch Ersatz der Entsorgungskosten in Höhe von
740,50 € verlangen, weil die Beklagten ausweislich der vorgelegten Lichtbilder Hausrat zurückgelassen
hätten.
Insgesamt stehe den Klägern gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch über
14.312,85 € zu. Gegen diesen Anspruch habe die Beklagte zu 1) mit einem Anspruch in Höhe
von 923,16 € Zinsen aus der Grundschuld zu Abteilung III/5 aufgerechnet. Es verbliebe eine
Forderung von 13.389,69 €
Den Klägern stehe außerdem gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Zahlung von
15.326,30 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB zu. Soweit das Amtsgericht der Beklagten
zu 1) den Differenzbetrag zwischen dem Nominalbetrag der Grundschuld und dem hinterlegten
Betrag ausgekehrt habe, sei sie ungerechtfertigt bereichert, weil sie keinen Anspruch
auf Zinsen gehabt habe. Den Klägern habe ein Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 1192,
1144, 1160 BGB zugestanden, solange die Beklagte zu 1) nicht sämtliche Unterlagen, die zur
Löschung der Grundschuld erforderlich waren, in beglaubigter Form vorgelegt habe. Hierzu
hätten nach
habe gemäß
auch geltend gemacht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das am 27.4.2021 verkündete Urteil des Landgerichts
Stadt1 Bezug genommen (Bl. 376 ff. d.A.).
Die Beklagten wenden sich gegen dieses Urteil mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten
und begründeten Berufung. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlich gehaltenen
Vortrages machen sie im Wesentlichen geltend, den Klägern stünden bereits deshalb keinerlei
Ansprüche zu, weil sie den möglichen und mehrfach angebotenen frühzeitigen Auszug
der Beklagten aufgrund ihres mutwilligen und kollusiven Zusammenwirkens mit der Streitverkündeten
verteiltet hätten. Die Beklagten hätten bereits im Februar 2016 ein Haus erworben.
Zur Zahlung des Kaufpreises hätten sie die Beträge aus den Grundschulden benötigt.
Nur aufgrund des klägerischen Verhaltens hätten sie nicht frühzeitig umziehen können. Das
jetzige Verhalten der Kläger sei rechtsmissbräuchlich. Das Landgericht habe die Beklagten
rechtsfehlerhaft zur Zahlung von Nutzungsersatz verurteilt und hierbei gehörswidrig das Beweisangebot
der Beklagten zu der streitigen Behauptung, die Wohnfläche betrage 62 qm,
übergangen. Dort fehle ein Erker und der zweite Balkon. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft
allein das Gutachten aus dem Versteigerungsverfahren zugrunde gelegt, obgleich der
Sachverständige die Wohnung nicht aufgemessen und dem Gutachten kein Plan beigelegen
habe. Aus dem von ihnen vorgelegten Plan folge, dass das Wohn- und Schlafzimmer je 17
qm, das Esszimmer 10 qm, der Flur 6 qm, das Bad 4 qm und die Küche 8 qm groß seien. Das
Landgericht habe auch den Vortrag zu einer Mietminderung gehörswidrig übergangen. Der
hintere Balkon sei unstreitig behördlich gesperrt gewesen. Deshalb habe die vormalige Mieterin
des 1. OG einen Minderungsbetrag von 13,3 Prozent erstritten. Im Garten seien Arbeiten
durchgeführt worden. Die Handwerker hätten die Baustelle im Gebäude weder geräumt noch
gesäubert. Das Treppenhaus sei verdreckt gewesen. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft
außer Acht gelassen, dass die Kläger selbst vorgerichtlich nur eine Nutzungsentschädigung
von 700 Euro gefordert hätten. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Nebenkosten.
Die Abrechnung genüge den erheblichen formellen Anforderungen, die im Mietrecht an eine
ordnungsgemäße Umlage von Nebenkosten zu stellen seien, jedoch nicht. Die hiesige Abrechnung
sei verfristet und überdies seien die Ansprüche verjährt und verwirkt. Dies gelte
insbesondere hinsichtlich der Heizöl-Rechnung aus dem Jahr 2015. Eine Umlage dürfe allenfalls
auf der Basis einer Wohnfläche von 62 qm erfolgen.
Soweit die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 15.326,30 € verurteilt worden sei, habe das Landgericht
verkannt, dass bei verzögerter Freigabe eines hinterlegten Geldbetrages der Gläubiger
einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen habe (BGH, Urteil vom 12.10.2017 - IX
ZR 267/16). Es gebe keine Möglichkeit, Löschungsunterlagen öffentlich beglaubigen zu lassen.
Die Abtretungsurkunde der Streitverkündeten sei zeitweilig verschollen gewesen. Die
Kläger hätten sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen können, weil sie sich die Abtretungskette
durch einfache Kontaktaufnahme durch die Streitverkündete hätten bestätigen
lassen können. Ein solches sei auch nicht ordnungsgemäß geltend gemacht worden.
Mit Schriftsatz vom 26.8.2021 monieren die Beklagten zudem, dass die im Hinblick auf die
Streitverkündete getroffene Kostenentscheidung widersprüchlich war. Die Beklagten hätten
nicht die Herausgabe, sondern nur die Beschaffung der verlangten Unterlagen geschuldet.
Aus einem Herausgabetitel habe keine Vollstreckung erfolgen können, weil die Beklagte nicht
in Besitz einer öffentlich beglaubigten Abtretungsurkunde gewesen sei. Hätte sich dieser
Streitpunkt nicht erledigt, hätte die Klage gegen die Beklagten abgewiesen werden müssen.
In diesem Zuge müsse von Amts wegen auch die Kostenentscheidung zu Lasten der Streithelferin
zu deren Gunsten korrigiert werden, weil die Kosten des erledigten Teils insgesamt
den Klägern hätte auferlegt werden müssen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt
der Berufungsbegründung vom 30.7.2023, Bl. 475 ff. d.A., verwiesen. Mit Schriftsatz ihres
neuen Prozessbevollmächtigten vom 25.7.2023, auf den ebenfalls Bezug genommen wird (Bl.
572 ff. d.A.), machen die Beklagten zudem geltend, der Zahlung einer Nutzungsentschädigung
stehe ein Anspruch der Beklagten zu 1) gegen die Kläger in gleicher Höhe gemäß
Haus in Stadt2 fristgerecht zu beziehen. Der ersten Hinterlegung habe die Erfüllungswirkung
gefehlt. Die Geltendmachung der Nutzungsentschädigung sei deshalb treuwidrig,
weil die Kläger die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts und die Voraussetzungen
des
Die Beklagten beantragen,
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 27.4.2021 in
der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 9.6.2021 die Klage insgesamt kostenpflichtig
abzuweisen,
2. hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Wiesbaden zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kläger verteidigen die angefochtene Entscheidung. Sie behaupten im Wesentlichen, die
baulichen Mängel seien bei der durch den Sachverständigen im Versteigerungsverfahren erfolgten
Ermittlung des Mietwertes bereits berücksichtigt worden. Dies gelte auch für die Sanierungsbedürftigkeit
des Balkons in der Dachgeschosswohnung. Wegen weiterer Einzelheiten
wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 25.10.2021, Bl. 499 ff. d.A., verwiesen.
Sie behaupten außerdem, dass ausweislich des von den Beklagten vorgelegten angeblichen
Mietvertrages die Nebenkosten mit 1/3 ausgewiesen seien. Darin sei den Beklagten der Ausbau
des Dachgeschosses und der Einbau einer Trennwand im Treppenhaus gestattet worden,
wodurch sich die Wohnfläche der Dachgeschosswohnung vergrößert habe. Der Balkon sei
überdies trotz der Baufälligkeit tatsächlich genutzt worden; soweit Baumängel bestanden
hätten, könnten sich die Beklagten darauf nicht berufen, weil der Beklagte zu 2) als vormaliger
Miteigentümer den Zustand der Räume zu vertreten habe.
II.
1. Die Berufung der Beklagten gegen die gesamtschuldnerische Verurteilung zur Zahlung von
13.389,69 € hat nur in Höhe von 35,55 € Erfolg.
a) Zutreffend hat das Landgericht dem Grunde nach einen Anspruch der Kläger gegen die
Beklagten auf Wertersatz für die im Zeitraum vom 1.1.2016 bis 20.1.2017 gezogenen Nutzungen
wegen der von ihnen innegehaltenen Räumlichkeiten und sonstigen Flächen in Höhe
von insgesamt 11.127,80 € bejaht. Der Anspruch folgt aus § 987 Abs. 1, § 990 Abs. 1 Satz 1
BGB. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben ohne Erfolg.
aa) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Kläger mit Zuschlag gemäß § 90
ZVG Eigentümer des Hausgrundstücks geworden und waren die Beklagten mit Ablauf der gesetzten
Räumungsfrist ab 1.1.2016 nicht zum Besitz der von ihnen innegehaltenen Räumlichkeiten
berechtigt, weil sie das Bestehen eines Mietvertrages nicht ausreichend dargelegt haben.
Dass diese Würdigung zum fehlenden Besitzrecht rechtsfehlerhaft wäre, ist weder konkret
geltend gemacht, noch sonst ersichtlich. Vielmehr greifen die Beklagten die Ausführungen
zu dem fehlenden Mietvertrag mit der Berufung nicht an. Das Landgericht hat darüber
hinaus festgestellt, dass die Beklagten bis zu ihrer Räumung am 20.1.2017 das (gesamte)
Dachgeschoss und Räumlichkeiten im Keller sowie die Garage in Besitz hatten. Diese rechtsfehlerfreien
und von den Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen sind nach
zugrunde zu legen. Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagten
wegen der gezogenen Gebrauchsvorteile an diesen Räumlichkeiten zum Wertersatz verpflichtet
sind, der sich in der Regel an dem Mietwert ausrichtet (BGH, Urteil vom 12. 8. 2009 - XII
ZR 76/08 -, juris Rn 24; J. Schmidt in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 100
BGB Rn 9).
bb) Der Mietwert der von den Beklagten innegehaltenen Räumlichkeiten ist gemäß § 287
ZPO für den Zeitraum vom 1.1.2016 bis 20.1.2017 insgesamt mindestens auf 11.127,80 € zu
schätzen.
Soweit die Beklagten die erstinstanzliche Schätzung des Mietwertes für die Dachgeschosswohnung
angreifen, bleiben ihre Einwände im Ergebnis ohne Erfolg. Die Beklagten wenden
sich zwar zu Recht gegen die Würdigung des Landgerichts, wonach die Fläche der Dachgeschosswohnung
79 qm betragen habe. Dieser Rechtsfehler wirkt sich aber nicht aus, weil für
die von den Beklagten insgesamt innegehaltenen Flächen gleichwohl im Ergebnis gemäß
(1) Es ist für die Wohnung eine Fläche von 75,30 qm zugrunde zu legen.
Die Beklagten rügen insoweit im Ausgangspunkt zu Recht, dass das Landgericht für die Dachgeschosswohnung
eine Fläche von 79 qm angenommen hat und damit erhebliches Vorbringen
der Beklagten zur Größe der Wohnung übergangen hat. Soweit das Landgericht in diesem
Zusammenhang ausgeführt hat, die Beklagten hätten der Schätzung in dem als Anlage
K5 zur Klageschrift vorgelegten Sachverständigengutachten substantiiert entgegentreten
müssen, hat es verkannt, dass die Beklagten mit Hilfe eines von ihnen vorgelegten Grundrisses
substantiiert zu der Wohnungsgröße vorgetragen hatten (Anlage zur Klageerwiderung, Bl.
28.d.A.). Sie waren nicht gehalten, nähere Angaben dazu zu machen, dass dieser Plan umgesetzt
wurde. Denn abgesehen davon, dass sich entsprechender Vortrag ihrem Schriftsatz jedenfalls
konkludent entnehmen lässt, wäre es Sache der Kläger als Anspruchssteller gewesen,
diesem Vortrag ihrerseits substantiiert entgegenzutreten und darzulegen, dass und warum
der vorgelegte Plan nicht der Realität entsprach. Dies war ihnen spätestens nach Auszug
der Beklagten unschwer möglich, denn sie hatten zu diesem Zeitpunkt selbst unmittelbaren
Besitz an den in ihrem Eigentum stehenden Räumlichkeiten erlangt und konnten deshalb die
vorgefundenen Räume mit dem Grundriss abgleichen. Die Ausführungen in dem anlässlich
der Versteigerung eingeholten Gutachten waren nicht ausreichend, um den von den Beklagten
vorgelegten Plan zu entkräften, weil der Sachverständige die Wohnung nicht besichtigt
und nicht aufgemessen hat. In zweiter Instanz ist zudem der von den Beklagten mittels des
Plans behauptete Zuschnitt der Räumlichkeiten in weiten Teilen dadurch unstreitig geworden,
dass die Kläger mit Schriftsatz vom 21.8.2023 selbst einen Plan vorgelegt haben, der hinsichtlich
der Anordnung der Wände, Fenster etc. dem von den Beklagten vorgelegten Plan
weitgehend entspricht.
Anders als die Beklagten schriftsätzlich behauptet hatten, folgt aus dem von ihnen vorgelegten
Plan (Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 28.d.A.) allerdings nicht, dass die Wohnung - wie
von ihnen behauptet - nur 62 qm groß gewesen wäre. Aus dem Plan lassen sich vielmehr folgende
Flächen ablesen, wobei es sich bei den Spalten zwei und drei der nachstehenden Tabelle
jeweils um Länge und Breite in Metern handelt und bei den Werten in Spalte vier um
das jeweilige Produkt in Quadratmetern:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
Die schriftsätzlich sowohl in erster Instanz von den Beklagten behaupteten Werte weichen
hiervon unter anderem deshalb erheblich ab, weil die Beklagten deutlich zu ihren Gunsten
gerundet und das WC bei ihrer Berechnung außer Acht gelassen hatten, wie die in der fünften
Spalte ausgewiesene Summe von 66,49 qm zeigt. Insoweit dürfte allerdings nicht zweifelhaft
sein, dass das WC bei der Bemessung des Mietwerts zu berücksichtigen ist. Die weitere
Abweichung resultiert daraus, dass die Beklagten auch den Balkon nicht - noch nicht einmal,
wie geboten, anteilig mit 50 Prozent - mitberechnet hatten, womit sie sich allerdings in
Widerspruch zu ihrem eigenen Parteivortrag setzen, da sie aus der Baufälligkeit des Balkons
andererseits eine erhebliche Mietminderung heranziehen und zudem unstreitig ist, dass es einen
(wenn auch baufälligen) Balkon an der Südseite des Dachgeschosses gab. Insoweit haben
die Kläger allerdings zudem substantiiert unter Vorlage von Lichtbildern dargelegt, dass
die Beklagten den Balkon während der Mietzeit genutzt haben. Dieser Vortrag ist im Berufungsverfahren
zu berücksichtigen, da er unstreitig ist. Denn die Lichtbilder sind im Termin
zur mündlichen Verhandlung über die Berufung ausdrücklich erörtert und als Anlage zum Protokoll
genommen worden, ohne dass der Beklagtenvertreter dem Klägervortrag entgegengetreten
wäre. Dieser hat zudem auf Nachfrage bestätigt, dass ihm vor dem Termin die Lichtbilder
bereits schriftsätzlich zugegangen waren. Dasselbe gilt für den im Termin zur mündlichen
Verhandlung über die Berufung erörterten klägerischen Vortrag, wonach die im Dachgeschoss
vorhandene, im Plan der Beklagten als „Kammer“ bezeichnete Räumlichkeit während des hier
relevanten Zeitraums den Beklagten zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestanden hat.
Diese war in der „Wohnflächenberechnung“ der Beklagten nicht aufgelistet, ist aber auf der
Grundlage des nicht (substantiiert) bestrittenen Klägervortrages der Wohnfläche der Dachgeschosswohnung
zuzuschlagen.
Insgesamt sind - bei hälftigem Ansatz der Balkonfläche - damit 75,3 qm als Fläche für die
Dachgeschosswohnung anzusetzen. Für den streitigen Vortrag, es habe sich um 79 qm gehandelt,
sind die beweisbelasteten Kläger beweisfällig geblieben, weil sie trotz des in der Verhandlung
über die Berufung erteilten Hinweis keinen Beweis angetreten haben.
(2) Trotz dieser Abweichung in der Fläche schätzt das Gericht den objektiven Mietwert für
sämtliche, von den Beklagten im relevanten Zeitraum genutzten Räumlichkeiten einschließlich
Garage gemäß
Höhe von insgesamt 11.127,80 €, wovon 90 €/Monat auf die Garage entfallen und (mindestens)
790 €/Monat auf die sonstigen Räumlichkeiten (Wohnung und Nebenräume).
Die landgerichtliche Schätzung des Mietwerts für die Garage in Höhe von 90 €/Monat greifen
die Beklagten mit der Berufung nicht an. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.
Die Basis der weitergehenden Schätzung liegt zunächst in der Bewertung des Sachverständigen
A (Anlage K6 zur Klageschrift), der zum 1.7.2014 einen Mietwert von 10 Euro/qm Wohnfläche
für die Dachgeschosswohnung ausgewiesen hat. Die Beklagten greifen diese Bewertung
vergeblich an. Soweit sie den Stadt1er Mietspiegel heranziehen, wenden sie bereits
eklatant falsche Bewertungskriterien an, da sie infolge der zu ihren Gunsten vorgenommenen
erheblichen Abrundungen und Aussparungen bei der Flächenermittlung zu einer anderen
Wohnungskategorie gelangen (Wohnungen kleiner als 65 qm), für die andere Mieten ausgewiesen
sind. Sie verkennen außerdem, dass ausweislich der zutreffenden Würdigung des
Sachverständigen die tatsächlich am Markt erzielbare Miete bereits zum Bewertungsstichtag
angesichts der überaus angespannten Wohnungsmarktlage im Stadtgebiet Stadt1, der wachsenden
Bevölkerung in Stadt1 und der guten Lage der Wohnung mit sehr guter Verkehrsanbindung
deutlich über den im Mietspiegel ausgewiesenen Mieten lag. Dass diese Einschätzung
zutreffend war, zeigt auch die Miete für die Wohnung im Erdgeschoss, die im Zeitpunkt
der Bewertung auf Basis eines im Jahr 2002 abgeschlossenen Mietvertrages ausweislich des
Sachverständigengutachtens bereits eine monatliche Miete von 1.017,47 €, also 12,26 €/qm
warm, einbrachte.
Wie gerichtsbekannt ist und im erstinstanzlichen Urteil ebenfalls festgehalten wurde, sind die
Mieten in Stadt1 seit 1.7.2014 bis zum hier maßgeblichen Zeitraum (1.1.2016 - 20.1.2017)
insbesondere für größere Wohnungen in - wie hier - guter Lage weiter deutlich gestiegen, so
dass der Mietwert der Wohnung bereits deshalb im hier relevanten Zeitraum auf deutlich
mehr als 10 €/qm zu schätzen ist.
Bei der Schätzung des Mietwerts ist außerdem erhöhend zu berücksichtigen, dass die Beklagten
neben der Wohnung unstreitig auch Kellerräumlichkeiten genutzt haben, etwa der Kellerraum,
durch den der Zugang in den Garten erfolgte. Auch wenn diese Räumlichkeiten gemäß
§ 2 Abs. 3 Nr. 1a) der Wohnflächenverordnung nicht in die Bemessung der Wohnfläche einzubeziehen
sind, steigern zur Wohnung gehörende Abstellflächen - wie gerichtsbekannt ist - die
am Markt zu erzielende Miete.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände schätzt das Gericht den Mietwert für die hiesige
Wohnung auf wenigstens 10,50 €/qm im hier relevanten Zeitraum.
(3) Eine Minderung dieser Miete kommt aus den vom Landgericht zutreffend dargestellten Erwägungen
nicht in Betracht.
Hinsichtlich des Balkons scheidet eine Minderung aus, weil der Sachverständige sämtliche
baulichen Mängel im Wesentlichen bereits bei seiner Bewertung eingepreist hatte und weil
die Beklagten den Balkon trotz der Mängel - wie aufgrund der vorgelegten Lichtbilder substantiiert
dargelegt und von den Beklagten nicht substantiiert bestritten wurde - während ihrer
Besitzzeit weitergenutzt haben, was gegen eine maßgebliche Beeinträchtigung des Gebrauchs
spricht. Überdies hat der Beklagte zu 2) als vormaliger Miteigentümer den Zustand
des Balkons (mit) zu verantworten und es wäre treuwidrig, hierauf eine Minderung zu stützen.
Hinsichtlich des angeblichen Schmutzes im Treppenhaus verbleibt es bei den Ausführungen
im landgerichtlichen Urteil, wonach nicht ersichtlich ist, dass diese dauerhaft ein solches Ausmaß
gehabt hätten, dass davon der Mietwert der Wohnung beeinträchtigt gewesen wäre. Eine
Beweisaufnahme hierzu war mangels substantiierten Vortrages nicht geboten; denn es ist
weder geltend gemacht, noch sonst ersichtlich, dass die Beklagten hierdurch nennenswert in
der Nutzungsmöglichkeit der Räumlichkeiten beeinträchtigt gewesen wären, zumal die Bauarbeiten
unstreitig nach nur zwei Wochen eingestellt wurden. Zudem haben die Beklagten
selbst in anderem Zusammenhang dargelegt, dass ein Zugang zur Erdgeschoss- und Obergeschosswohnung
den Klägern „jederzeit möglich“ war (so Seite 4 der Klageerwiderung, Bl. 25
d.A.). Ihre Behauptung, das Treppenhaus sei wegen des Schmutzes nicht passierbar gewesen,
ist vor diesem Hintergrund nicht plausibel. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem als
Anlage zur Klageerwiderung vorgelegten Lichtbild (Bl. 43 d.A.), auf denen kleine verschmutzte
- aber passierbare - Flächen im Bereich einer Treppenstufe zu sehen sind, weil es sich
hierbei um eine nur unerhebliche Beeinträchtigung handelt.
Soweit die Beklagten außerdem schriftsätzlich behauptet hatten, die Kläger hätten „einen
großen Teil einer rückwärtigen Außenwand“ herausgerissen (so Klageerwiderung S. 3, Bl. 24
d.A.)., ist im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung unstreitig geworden,
dass die Kläger lediglich ein Fenster der Erdgeschosswohnung nach unten erweitert hatten,
um so Zutritt zu dem Garten zu erlangen und dort dringend nötige Baumfällarbeiten durchzuführen.
Die herausgebrochene Fläche ist nach dem Lichtbild auf lediglich etwas mehr als 1
qm zu schätzen. Eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs der zwei Stockwerke darüber liegenden
Wohnung der Beklagten ist trotz Hinweises nicht substantiiert dargelegt worden. Es
ist auch nicht vorgetragen, wann die Wand entfernt wurde, so dass der Zeitraum einer etwaigen
Minderung nicht dargelegt ist.
Es ist überdies auch nicht konkret vorgetragen, dass und wann die Beklagten die Kläger hinsichtlich
der vorgenannten angeblichen Mängel je um Abhilfe ersucht hätten. In den als Anlage
zur Klageschrift vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 2.2. und 5.2.2016 wird eine
Minderung nur wegen Lärms, nicht wegen angeblicher Verschmutzungen oder einer entfernten
Wand geltend angekündigt. Die von den Beklagten als Anlage zur Klageerwiderung vorgelegte
Korrespondenz (Bl. 31 ff. d.A.) betrifft ein offenstehendes Fenster in der Wohnung im
1. OG sowie den leeren Heizöltank.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Erwägungen in dem landgerichtlichen Urteil verwiesen.
b) Die Beklagten sind darüber hinaus als Gesamtschuldner auch weitestgehend zum Ersatz
der weiteren gezogenen Nutzungen in Form der Betriebskosten der Wohnung verpflichtet. Die
mit der Berufung erhobenen Einwände haben nur zu einem geringen Teil Erfolg. Wie das
Landgericht zutreffend ausgeführt hat, haben die Beklagten als einzige Verbraucher im relevanten
Zeitraum die verbrauchsabhängigen Nebenkosten im Grundsatz voll und die verbrauchsunabhängigen
Nebenkosten anteilig der Wohnfläche zu tragen, weil sie auch insoweit
Gebrauchsvorteile (etwa in Form einer ordnungsgemäß gewarteten und daher funktionsfähigen
Heizung) erlangt haben und deshalb nach
Ein Abzug ist im Hinblick auf die verbrauchsunabhängigen Kosten nur insoweit vorzunehmen,
als dass die verbrauchsabhängigen Kosten in Höhe von insgesamt 1.636,03 € angesichts der
Wohnungsfläche von nur 75,03 qm zu einer Gesamtfläche von nur 241,30 qm ins Verhältnis
gesetzt werden müssen. Daraus ergibt sich ein von den Beklagten zu tragender Anteil von
508,71 € (statt der erstinstanzlich ausgeurteilten 527,54 €).
Ein geringfügiger Abzug ist auch im Hinblick auf die Heizkosten zu machen. Insoweit greift
der von den Beklagten geltend gemachte Verjährungseinwand mit Blick auf den im Dezember
2015 erfolgten Ölverbrauch. Die Lieferung des Öls erfolgte ausweislich des Lieferscheins am
22.12.2015. Zuvor war das Öl leer, wie sich dem in der Akte befindlichen Schriftwechsel entnehmen
lässt. Soweit die Beklagten von dem neu gelieferten Öl im Dezember 2015 eine
(kleine) Teilmenge verbraucht haben, und die Kläger ihren Wertersatzanspruch erst im Jahr
2019 geltend gemacht haben, ist Verjährung eingetreten. Den betreffenden Heizölanteil
schätzt das Gericht auf 2,19 € pro Tag, also insgesamt auf 17,52 €. Dies entspricht in Anbetracht
der von den Klägern geltend gemachten Heizkosten dem ungefähr auf den Zeitraum
vom 22.12.-31.12.2015 entfallenden Verbrauch. Die Beklagten können nicht in Abrede stellen,
dass von dem am 22.12.2015 in den leeren Tank nachgetankten Heizöl der weit überwiegende
Teil erst nach dem 31.12.2015 von ihnen - als einzige Bewohner - verbraucht wurde.
c) Die Kläger haben auch Anspruch auf Ersatz der von ihnen getragenen Entsorgungskosten
in Höhe von 740,50 € gemäß
Gegenstände der Beklagten entsorgt haben, haben sie deren Räumungspflicht erfüllt und
ein (auch) fremdes Geschäft besorgt. Da die Beklagten ohne eine vollständige Räumung auch
über den 20.1.2017 hinaus zum Ersatz von Nutzungsentschädigung verpflichtet gewesen wären,
lag die Geschäftsführung in deren objektivem Interesse. Der Zustand der Räumlichkeiten
sowie Art und Ausmaß der von den Beklagten zurückgelassenen Gegenstände sind durch
die als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Lichtbilder eindrücklich belegt und die aufgewendeten
Kosten nachgewiesen.
Nach alledem ergibt sich unter Berücksichtigung der - gemäß
zuerkannten - Aufrechnungsforderung der Beklagten in Höhe von 923,16 € gemäß der nachstehenden
Berechnung eine begründete Gesamtforderung der Kläger gegenüber beiden Beklagten
in Höhe von 13.354,14 € und insoweit ein Teilerfolg der Berufung in Höhe eines Teilbetrages
von 35,55 €:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
d) Die weitergehenden Einwände der Beklagten bleiben erfolglos. Die Klageforderung ist -
mit Ausnahme des geringen Anteils der Heizkosten - nicht verjährt. Ihre Zahlungsansprüche,
zu deren Bezifferung sie erst nach Räumung der Beklagten in der Lage waren, haben die Kläger
mit der am 23.12.2019 bei Gericht eingegangenen und am 1.2.2020 zugestellten Klage
rechtzeitig geltend gemacht. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, unterliegen die
hiesigen Ansprüche der regelmäßigen Verjährung. Mietrechtliche Sondervorschriften finden
keine Anwendung, weil das Landgericht von den Beklagten unangegriffen ausgeführt hat,
dass ein Mietverhältnis niemals bestanden hat. Dies gilt auch für die Abrechnungsfrist des
Anforderungen, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Kläger die Betriebskosten
gemessen an mietrechtlichen Vorgaben ordnungsgemäß berechnet hätten. Die hiesige Abrechnung
im Prozess ist jedenfalls hinreichend nachvollziehbar. Die Ansprüche der Kläger sind
auch nicht verwirkt; weder Zeitmoment, noch Umstandsmoment sind ersichtlich. Die Beklagten
wenden auch ohne Erfolg ein, dass die Klage deshalb rechtsmissbräuchlich wäre, weil die
Kläger verspätet auf die Grundschulden geleistet hätten und dadurch einen früheren Auszug
vereitelt hätten. Angesichts dessen, dass die Beklagte zu 1) entgegen
die Abtretungskette nicht in öffentlich beglaubigter Form zunächst nicht nachgewiesen
hat, sondern dies erst im Jahr 2020 nachgeholt hat, hat sie es selbst zu verantworten,
dass sich die Zahlungen auf die Grundschuld verzögert haben. Für ein kollusives Zusammenwirken
mit der Streitverkündeten fehlt es überdies an jeglichen Anhaltspunkten. Es wäre
den Beklagten im Übrigen unbenommen gewesen, sich übergangsweise um anderweitigen
Wohnraum - ggf. auch zur Miete - zu bemühen, um den hiesigen Anspruch auf Nutzungsersatz
abzuwenden und die Zeit bis zur Bezugsfertigkeit ihrer eigenen Immobilie zu überbrücken.
Es wird im Übrigen - auch wegen der zuerkannten Zinsforderung - auf die zutreffenden Ausführungen
im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.
2. Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 15.326,30 € bleibt
erfolglos. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte zu 1) in dieser Höhe
aufgrund der an sie ausgekehrten Zinsen auf die Briefgrundschuld gemäß § 812 Abs. 1
Satz 1 Alt. 2 BGB auf Kosten der Kläger einen Vermögensvorteil erlangt hat, ohne dass sie im
Verhältnis zu den Klägern hierzu einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen gehabt hätte. Denn
wie richtig vom Landgericht ausgeführt wurde, hatte die Beklagte keinen fälligen Anspruch
auf die an sie ausgekehrten Zinsen.
Ein solcher Anspruch ergab sich zunächst nicht aus
werden, dass neben der aus dem Grundstück zu zahlenden Geldsumme dingliche Zinsen von
der Geldsumme sowie andere Nebenleistungen zu entrichten sind. Eine dahingehende Belastung
mit einer abstrakten wiederkehrenden Zinsverpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom
21.10.2016 - V ZR 230/15,
179/94,
und dem Inhaber des Grundpfandrechts vereinbart wird und sich diese Eintragung im Grundbuch
niederschlägt (§ 1115 I, § 1192 II, vgl. Erman/Wenzel, BGB, a.a.O. § 1191 Rn. 118).
Dies war hier nicht der Fall. Ausweislich der als Anlage K26 vorgelegten Bestellungsurkunde
vom 7.7.1992 hat der Beklagte zu 2) als vormaliger Eigentümer seinen 1/3-Anteil zu Gunsten
der Streitverkündeten nämlich ausdrücklich mit einer unverzinslichen Grundschuld mit
Brief belastet; in dieser Weise ist die Briefgrundschuld auch eingetragen worden.
Da zudem weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich ist, dass die Briefgrundschuld als Sicherungsgrundschuld
fungiert hat, bestand auch kein Zinsanspruch entsprechend §§ 1191, 1192
i.V.m. einem etwaigen Sicherungsvertrag oder i.V.m.
Ein Zinsanspruch der Beklagten hätte sich deshalb nur gemäß § 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1146
BGB ergeben können, wenn und soweit die Kläger sich mit der Erfüllung des dinglichen Zahlungsanspruchs
gemäß
Dies war allerdings nicht der Fall. Denn den Klägern stand gemäß
Beklagte zu 1) ihre Legitimation aus der an sie abgetretenen Briefgrundschuld nicht durch eine
lückenlose Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen nachgewiesen und den
Klägern sämtliche zur Löschung der Briefgrundschuld erforderlichen Unterlagen vorgelegt
hat.
Die Regelung in
der für die Löschung erforderlichen Unterlagen für den Fall der Befriedigung, sondern
daneben in Verbindung mit
der zur Löschung der Hypothek erforderlichen Unterlagen zurückzubehalten (RG, Urteil vom
27.6.1903 - V ZR 76/03,
MünchKommBGB-Lieder, 9. Aufl. 2023, § 1144 Rn 17). Die Regelung des
die Grundschuld entsprechend anwendbar (BGH, Urteil vom 25. April 1988 - II ZR 17/87 -,
juris Rn 11 ff.). Zu den nach
Abs. 1, 1155 BGB i.V.m.
beglaubigte Abtretungsvereinbarung (Erman/Wenzel, a.a.O., § 1144 Rn. 10;
MünchKommBGB-Lieder, a.a.O. Rn 16 mit Verweis auf
82. Aufl. 2023, § 1144 Rn 7 mit Verweis auf
Da
- ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Erfüllung beinhaltet, kommt es für die hiesige Beurteilung
entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, dass das Landgericht Stadt1
mit Urteil vom 29.3.2017, Az. …, die Vollstreckungsgegenklage der Kläger abgewiesen und
zur Begründung unter anderem die Auffassung vertreten hat, die Hinterlegung habe keine Erfüllungswirkung
entfaltet.
Diese für das Urteil vom 29.3.2017 tragende Erwägung, deren Richtigkeit aufgrund der Regelung
in
werden kann, ist gemäß
das hiesige Verfahren keine präjudizielle Wirkung. Denn bei einer Abweisung der Klage nach
Vollstreckbarkeit zu nehmen (BGH, Urteil vom 30. Mai 1960 - II ZR 207/58 = LM ZPO § 322
Nr. 27; BGH, Urteil vom 19.06.1984 - IX ZR 89/83, juris). Streitgegenstand des Rechtsstreits
nach
Die gegen den Titel im einzelnen vorgetragenen Einwendungen bilden - mit Ausnahme des
Aufrechnungseinwandes (arg. e.
4/13,
Prozess nach § 767 zu prüfenden Streitstoff (BGH, Urteil vom 19.6.1986 - IX ZR 89/83,
§ 767 Rn. 41; Musielak/Voit-Lackmann, ZPO, 20. Aufl. 2023 § 767 Rn 10, 20, 46; BeckOK
ZPO-Preuß, 49. Edition, Stand 1.7.2023, § 767 Rn 3 „bloße Vorfrage“). Im Übrigen ist der
dort erhobene Erfüllungseinwand mit dem hier in Rede stehenden Anspruch aus § 1144 oder
dem daraus resultierenden Zurückbehaltungsrecht gemäß
Ohne Relevanz ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch, dass die öffentlich beglaubigte
Abtretungsvereinbarung von der Beklagten zu 1) bis zum Jahr 2020 angeblich nicht
vorgelegt werden konnte. Denn die Beweislast für die Aushändigung der erforderlichen Unterlagen
trägt der Gläubiger. Ist ein Hypothekenbrief verschollen, so hat er das Aufgebotsverfahren
auf seine Kosten zu betreiben, wenn er nicht nachweisen kann, dass er den Brief bereits
dem Eigentümer ausgehändigt hatte (Staudinger/Wolfsteiner (2019), BGB, § 1144 Rn. 4
m.w.N.). Nichts anderes kann für eine (angeblich) verlustig gegangene Abtretungsvereinbarung
gelten. Da es sich hierbei um eine Urkunde handelt, die ausschließlich die Legitimation
des Grundschuldgläubigers - hier der Beklagten zu 1) - betrifft, hat dieser die Abtretungsvereinbarung
auf seine Kosten beizutreiben (MüchKommBGB Lieder, a.a.O. Rn 19; Ring/Grziwotz
/Schmidt-Räntsch, NK-BGB Band 3 - Zimmer, 5. Aufl. 2022, § 1144 Rn 17; vgl. auch
BeckOK-Rohe, 67. Edition, Stand 1.8.2023, § 1144 Rn 6). Der Grundschuldgläubiger ist nämlich
auch dann passivlegitimiert, wenn sich die (ggf. nicht duplizierbaren) Dokumente in den
Händen Dritter befinden (OLG Schleswig, Urteil vom 3.7.2008 - 5 U 9/08, BeckRS 2008,
21556 unter II. 1. a); Beck-online Großkommentar BGB - Volmer, § 1144 Rn. 14). Die
schuldrechtlichen Regelungen über die Unmöglichkeit finden keine Anwendung (vgl. BeckIK
BGB - Rohe, 67. Edition, Stand 1.8.2023, § 1144 Rn 4 zum Abhandenkommen eines Grundschuldbriefs).
Die Berufung dringt auch nicht damit durch, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Kläger deshalb
ausscheide, weil der Umstand der Abtretung als solcher unstreitig gewesen sei und es
deshalb eines Nachweises der Abtretungskette im Sinne des
Denn Gründe für das Vorlegungsverlangen braucht der Eigentümer nicht zu nennen. Er kann
das Verlangen vielmehr auch stellen, wenn er die Aktivlegitimation des Grundpfandgläubigers
nicht bestreitet (so bereits RG, Urteil vom 27.6.1903 - V ZR 76/03,
Wie das Landgericht ferner zutreffend festgestellt hat, haben die Kläger ab der Inanspruchnahme
ihr Zurückbehaltungsrecht auch in ausreichender Form gegenüber der Beklagten zu
1) geltend gemacht. Dass die Kläger bereits im Dezember 2015 vor der Hinterlegung ihre
Leistung nur gegen Aushändigung der zur Löschung erforderlichen Urkunden angeboten haben,
folgt bereits aus dem von den Beklagten selbst mit Schriftsatz vom 9.2.2021 vorgelegten
Urteil des Landgerichts Stadt1, Az. … vom 29.3.2017, Bl. 269 ff. d.A., in welchem das
Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 31.12.2015 ausdrücklich aufgeführt
wurde. Der Umstand, dass die Abtretungskette nicht in öffentlich beglaubigter Form nachgewiesen
war und die Frage, wie und auf wessen Kosten Abhilfe geschaffen werden kann, war
zudem - unstreitig - nicht nur eine Hauptursache für die Hinterlegung des Schuldbetrages,
sondern über Jahre hinweg zwischen den hiesigen Parteien und der Streitverkündeten unstreitig
Kern des Konflikts. Insoweit hat die Beklagte zu 1) bis zum Jahr 2020 eine Verpflichtung
zur Vorlage der öffentlich-beglaubigten Abtretungserklärung durchweg in Abrede gestellt
und die Auffassung vertreten, die Kläger würden überzogene Auszahlungsvoraussetzungen
stellen und hierdurch die Auskehr des hinterlegten Betrages an sie vereiteln (vgl. nur
Schriftsatz der Beklagten vom 12.6.2020 unter 7a, Bl. 90 d.A.). Diese Auffassung war allerdings
nach den oben dargestellten Erwägungen unzutreffend.
Mit Blick auf die Weigerung der Beklagten, die Abtretungskette in öffentlich-beglaubigter
Form nachzuweisen und so den Klägern die zur Löschung erforderlichen Unterlagen lückenlos
zur Verfügung zu stellen, wäre ein etwaig entstandener Zinsanspruch der Beklagten überdies
sogleich gemäß
(Erman/Wenzel, a.a.O., § 1144 Rn. 5; Beck-Online Großkommentar/Volmer, a.a.O.
Rn. 28 Jauernig/Berger, BGB, 19. Aufl. 2023, § 1144 Rn. 2; vgl. auch Ring/Grziwotz
/Schmidt-Räntsch - Zimmer, NK BGB Bd. 3, 5. Aufl. 2022, § 1144 Rn. 3).
Auch die weiteren Einwände der Beklagten greifen nicht durch. Soweit sie „grundsätzlich“ auf
eine Verwirkung des klägerischen Zahlungsanspruchs rekurrieren, gilt das oben Gesagte entsprechend.
Das Verhalten der Kläger war weder für sich genommen rechtsmissbräuchlich,
noch ist vorgetragen oder ersichtlich, woraus sich Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken
mit der Streitverkündeten ergeben sollten. Auch der Verweis auf die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs vom 25.4.2006, Az. XI ZR 271/05,
Denn es haben nicht die Kläger einen hinterlegten Betrag verspätet freigegeben, sondern die
Beklagte zu 1) hat die Vorlage erforderlicher und geschuldeter Unterlagen aus Gründen, die
sich aus der Akte nicht erklären und von ihr auch mit der Berufung nicht plausibel dargelegt
wurden, bis zum Jahr 2020 verzögert.
Es wird im Übrigen auf die zutreffenden Erwägungen in dem landgerichtlichen Urteil verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 i.V.m.
Eine Korrektur der Kostenentscheidung im Hinblick auf den erstinstanzlich für erledigt erklärten
Herausgabeanspruch war nicht geboten. Wie bereits dargestellt, ergab sich ein entsprechender
Anspruch aus
zu 1) auch als Herausgabeanspruch erfolgreich gewesen, s.o. Dies gilt umso mehr,
als die Beklagte zu 1) die öffentlich-beglaubigte Abtretungserklärung schlussendlich vorlegen
konnte und diese im für die Kostenentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden
Ereignisses mithin auch in Besitz hatte. Eine Korrektur der Kostenentscheidung zu Gunsten
der Streitverkündeten war ebenfalls nicht geboten. Die Streitverkündete hat sich am Berufungsverfahren
ausdrücklich nicht beteiligen wollen. Die Beklagten waren durch eine die
Streitverkündete benachteiligende Kostenentscheidung indes nicht beschwert.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 709 S. 1
und 2 ZPO. Die Revision war nicht gemäß
des
5. Die Festsetzung des Streitwerts basiert auf der Beschwer der Beklagten (Verurteilung der
Beklagten als Gesamtschuldner zu Zahlung von 13.389,69 € sowie Verurteilung der Beklagten
zu 1) aus einem anderen Streitgegenstand zur Zahlung von 15.362,30 €).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:19.09.2023
Aktenzeichen:9 U 36/21
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Grundbuchrecht
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundpfandrechte
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 987, 990, 1144, 1155