Beseitigungsansprüche bei Einhaltung der nachbarrechtlichen Vorschriften
letzte Aktualisierung: 31.10.2019
BGH, Urt. v. 20.9.2019 – V ZR 218/18
BGB §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 2 S. 2; NRG BW § 16 Abs. 1
Beseitigungsansprüche bei Einhaltung der nachbarrechtlichen Vorschriften
1 a. Der Eigentümer eines Grundstücks ist hinsichtlich der von einem darauf befindlichen Baum
(hier: Birken) ausgehenden natürlichen Immissionen auf benachbarte Grundstücke Störer i. S. d. § 1004
Abs. 1 BGB, wenn er sein Grundstück nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet. Hieran fehlt es in
aller Regel, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen
eingehalten sind.
1 b. Ein Anspruch auf Beseitigung des Baums lässt sich in diesem Fall regelmäßig auch nicht aus
dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten.
2. Hält der Grundstückseigentümer die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen
Abstandsregelungen ein, hat der Eigentümer des Nachbargrundstücks wegen der
Beeinträchtigungen durch die von den Anpflanzungen ausgehenden natürlichen Immissionen weder
einen Ausgleichsanspruch gemäß
nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 analog (Abgrenzung zu Senat,
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des sachverständig beratenen Berufungsgerichts ergibt
sich ein Beseitigungsanspruch des Klägers aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die
durch die Birken verursachten Immissionen stellten eine Eigentumsbeeinträchtigung
dar, die nur durch die Entfernung der Bäume wirksam unterbunden werden
könne. Die Einwirkungen seien dem Beklagten als Störer zuzurechnen.
Hierfür genüge zwar seine Stellung als Grundstückseigentümer alleine nicht. Er
habe aber die bewusste Entscheidung getroffen, sich die Birken in ihrem Bestand
zu eigen zu machen und als Lebensraum und Nahrungsquelle für Vögel
und Insekten zu erhalten. Den Kläger treffe keine Duldungspflicht gemäß
März und Juni, das Herausfallen der Samen und Früchte aus den Zapfen
der Birke in dem Zeitraum von August bis September, das Herabfallen der leeren
Zapfen (sog. „Würstchen“) sowie der Blätter und Birkenreiser und den hierdurch
zusätzlich erforderlichen Reinigungsaufwand werde sein Grundstück wesentlich
beeinträchtigt. Im Vergleich zu anderen Bäumen stellten Birken aufgrund
ihrer kleinteiligen Pollen, Samen und Blätter eine erheblich größere Belastung
dar. Dass die landesrechtlich für Birken vorgeschriebenen Grenzabstände,
die gemäß der hier noch anwendbaren Bestimmung des § 16 Abs. 1
Nr. 4a i.V.m. Abs. 2 Satz 1 NRG-BW aF aufgrund der Innerortslage zwei Meter
betrügen, eingehalten seien, lasse weder die Störereigenschaft des Beklagten
noch die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung entfallen. Dies folge aus Art. 124
EGBGB. Die Vorschrift lasse nämlich ausdrücklich nur weitere Beschränkungen
des Eigentums durch landesrechtliche Vorschriften zu, erlaube es jedoch nicht,
dem Nachbarn Rechte zu nehmen, die sich für ihn aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch
ergäben. Zudem dienten die Abstandsflächen nur dem Schutz des
Nachbargrundstücks vor Verschattung, nicht jedoch der Abwehr von Einwirkungen
in den räumlichen Bereich des Grundstücks. Diese unterfielen § 906 BGB.
Eine Duldungspflicht des Klägers gemäß
weil der Birkenbewuchs nicht ortsüblich sei.
II.
Die Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des Urteils des
Amtsgerichts.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger keinen
Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die mit dem Hauptantrag verlangte
Beseitigung der drei Birken.
a) Richtig ist allerdings, dass das Grundstück des Klägers durch die von
dem Berufungsgericht festgestellten Immissionen der Birken beeinträchtigt wird.
Es steht der Verurteilung gemäß
es grundsätzlich dem in Anspruch Genommenen überlassen bleibt, auf welchem
Weg er die Beeinträchtigungen abwendet. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts sind nämlich keine Maßnahmen ersichtlich, die die Einwirkungen
gleichermaßen unterbinden könnten wie die beantragte Entfernung der
Bäume. In einem solchen Fall kann von dem zur Unterlassung Verpflichteten
die Vornahme einer konkreten Handlung verlangt werden (vgl. Senat, Urteil
vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03,
10. Juni 2005 - V ZR 251/04,
b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, der
Beklagte sei als Störer i.S.d.
Immissionen auf das Grundstück des Klägers verantwortlich.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt die Störereigenschaft,
wie im Ausgangspunkt auch das Berufungsgericht nicht verkennt,
nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz an dem Grundstück, von dem die
Einwirkung ausgeht. Von den Fällen des unmitttelbaren Handlungsstörers abgesehen
(vgl. dazu Senat, Urteil vom 5. Juli 2019 - V ZR 96/18, juris Rn. 25) ist
vielmehr die Feststellung erforderlich, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem
Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung für das Geschehen
aufzuerlegen. Dies ist dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des
Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also
eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen, ergibt. Mit der Sicherungspflicht
ist keine Sorgfaltspflicht im schuldrechtlichen Sinne gemeint, die
von dem Grundstückseigentümer oder -besitzer verletzt worden sein muss.
Vielmehr kommt es darauf an, ob der Grundstückseigentümer oder -besitzer
nach wertender Betrachtung für den gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks
verantwortlich ist, er also zurechenbar den störenden Zustand herbeigeführt
hat (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 9. Februar 2018 - V ZR 311/16,
bb) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es - wie hier - um durch
Naturereignisse ausgelöste Störungen geht. Ob den Grundstückseigentümer für
natürliche Immissionen eine „Sicherungspflicht“ trifft und er damit Störer i.S.d.
Maßgebend sind hierbei vor allem die Konfliktlösungsregeln des öffentlichen
und privaten Nachbarrechts sowie die Art der Nutzung der benachbarten
Grundstücke und die vorbeugende Beherrschbarkeit der Störung. Dabei ist entscheidend,
ob sich die Nutzung des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigungen
ausgehen, im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält (Senat,
Urteil vom 14. November 2003 - V ZR 102/03,
28. November 2003 - V ZR 99/03, ZfSch 2004, 153, 154 f.; Urteil vom
9. Februar 2018 - V ZR 311/16,
Störereigenschaft verneint bei Umstürzen nicht erkennbar kranker Bäume infolge
von Naturgewalten (Urteil vom 23. April 1993 - V ZR 250/92, BGHZ 122,
282, 284; siehe aber auch Senat, Urteil vom 17. September 2004
- V ZR 230/03,
Nachbargrundstück (Urteil vom 7. Juli 1995 - V ZR 213/94,
An der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung eines Grundstücks fehlt es, wenn
die in dem jeweils einschlägigen Landesnachbarrechtsgesetz vorgeschriebenen
Grenzabstände für Anpflanzungen nicht eingehalten sind (Senat, Urteil vom
14. November 2003 - V ZR 102/03,
2017 - V ZR 8/17,
cc) Ob ein Abwehranspruch nach
von Anpflanzungen in Betracht kommt, wenn die vorgeschriebenen Abstandsgrenzen
- wie hier gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4a i.V.m. Abs. 2 Satz 1
NRG-BW aF- eingehalten sind, ist umstritten.
(1) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass allein die Einhaltung des
nach Landesrecht maßgeblichen Grenzabstandes den Abwehranspruch nach
Rn. 170; Staudinger/Albrecht, EGBGB [2018], Art. 124 Rn. 38; NK-BGB/Ring,
3. Aufl., § 906 Rn. 246; Wenzel,
contra Naturschutz, S. 50; Horst,
wird darauf verwiesen, dass auch bei Einhaltung der Abstandsvorschriften
der Nachbar durch unterschiedlichste Einwirkung auf sein Grundstück erheblich
beeinträchtigt sein könne (vgl. Schäfer, Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-
Westfalen, 17. Aufl., vor B §§ 40 bis 48, Rn. 5).
(2) Nach der Gegenauffassung führt die Einhaltung der Grenzabstände
dazu, dass ein Abwehranspruch nach
wobei die Begründungen hierfür divergieren. Teilweise wird insoweit schon eine
nach § 1004 BGB abwehrbare Eigentumsbeeinträchtigung verneint (vgl. OLG
Düsseldorf,
Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 1004 Rn. 58; Soergel/Münch, BGB, 13. Aufl.,
§ 1004 Rn. 174; Dehner, Nachbarrecht [Dezember 2012], B § 16 S. 20). Andere
halten die Einwirkungen von gesetzmäßig unterhaltenen Bepflanzungen für unwesentlich
i.S.v. § 906 Abs. 1 BGB und verneinen deshalb einen Abwehranspruch
gemäß
Birk, Nachbarrecht für Baden-Württemberg, 6. Aufl., II S. 40; Bassenge/Olivet,
Nachbarrecht in Schleswig-Holstein, 13. Aufl., § 29 Rn. 6).
dd) Für die Entscheidung des Meinungsstreits ist von dem oben dargelegten
Grundsatz auszugehen, dass der Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich
der von einem darauf befindlichen Baum ausgehenden natürlichen
Immissionen auf benachbarte Grundstücke Störer i.S.d.
wenn er sein Grundstück nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet. Hieran fehlt es
in aller Regel, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen
Abstandsregelungen eingehalten sind (so im Ergebnis auch bereits Senat, Urteil
vom 7. Juli 1995 - V ZR 213/94,
(1) Ob sich die Nutzung des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigungen
ausgehen, im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält, lässt sich
nicht allein aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch entnehmen. Inhalt und Umfang
des Anspruchs aus
Einwirkungen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, aus den gesetzlichen
Regelungen des Nachbarrechts als Ganzes. Das Nachbarrecht ist durch
einen Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen der Nachbarn gekennzeichnet
und findet sich deshalb nicht nur als Bundesrecht im Bürgerlichen
Gesetzbuch (§§ 906 ff. BGB), sondern auch in den jeweiligen Landesgesetzen,
die in Art. 1 Abs. 2 und Art. 124 Satz 1 EGBGB dem Landesgesetzgeber vorbehalten
sind. Nur in dem hiernach gegebenen Rahmen kann der Eigentümer
Beeinträchtigungen abwehren (vgl. Senat, Urteil vom 12. Juni 2015
- V ZR 168/14,
(2) Dies gilt auch für die Beeinträchtigungen, die von den auf den Grundstücken
befindlichen Pflanzen ausgehen. Die in den jeweiligen Landesnachbargesetzen
enthaltenen Abstandsregeln sind Ausdruck des Gebots gegenseitiger
Rücksichtnahme unter Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten (vgl. Birk,
Nachbarrecht für Baden-Württemberg, 6. Aufl., II S. 40). Werden die hier festgelegten
Grenzen eingehalten, handelt es sich in aller Regel um eine ordnungsgemäße
Bewirtschaftung des Grundstücks. Für Immissionen von Pflanzen, die
die Abstandsgrenzen einhalten, ist der Grundstückseigentümer nach der von
dem Gesetzgeber vorgenommenen Wertung deshalb regelmäßig nicht verantwortlich.
Hieran ändert es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nichts, dass die Abstandsregelungen vorrangig zum Ziel haben, den Nachbarn
vor dem Entzug von Luft und Licht (sog. „negative“ Immissionen) zu schützen
(vgl. hierzu Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 229/14,
Rn. 15; siehe auch Hinz,
„positiven“ Immissionen wie beispielsweise Laub und Pollen auch dann
die Grenze zum Nachbargrundstück überschreiten können, wenn die Abstandsvorschriften
eingehalten worden sind (vgl. Weick,
ist, dass Anpflanzungen, die die Grenzabstände einhalten, von dem
Gesetzgeber als zulässige Grundstücksnutzung und damit als ordnungsgemäße
Bewirtschaftung angesehen werden. Hiermit wäre es nicht zu vereinbaren,
den Grundstückseigentümer wegen der - abgesehen von der als solchen
rechtmäßigen Anpflanzung - nur auf natürlichen Vorgängen beruhenden Beeinträchtigung
des Nachbargrundstücks als Störer anzusehen.
(3) Art. 124 Satz 1 und 2 EGBGB, wonach das Eigentum an Grundstücken
zugunsten des Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Gesetzbuch
bestimmten Beschränkungen - insbesondere im Hinblick auf den Grenzabstand
von Bäumen - unterworfen werden kann, gebietet, anders als das Berufungsgericht
meint, keine abweichende Beurteilung. Richtig ist zwar, dass der
Landesgesetzgeber nicht dem Nachbarn Rechte nehmen kann, die sich aus
- V ZR 136/18,
stellt sich die (Vor-)Frage, ob ein Grundstückseigentümer für natürliche
Immissionen überhaupt verantwortlich ist, wenn der nach dem Landesnachbarrecht
vorgeschriebene Grenzabstand eingehalten ist. In diesem Fall ist er regelmäßig
schon nicht Störer, so dass es bereits an einem Beseitigungsan-
spruch gemäß
Konflikt zwischen den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und
den landesrechtlichen Vorschriften nicht besteht.
(4) Bestätigt wird die Auffassung des Senats durch die Vorschriften des
(a) Nach
verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt
oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass ihr
Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück
zur Folge hat. Genügt eine Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die
einen bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln
vorschreiben, kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die
unzulässige Einwirkung tatsächlich hervortritt. Gemäß § 907 Abs. 2 BGB gehören
aber Bäume und Sträucher nicht zu den Anlagen i.S.d.
Auch wenn es sich bei § 907 Abs. 2 BGB um eine - nicht verallgemeinerungsfähige
- Spezialvorschrift zu dem speziellen Abwehranspruch aus Abs. 1 handelt
(vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03,
1036; Urteil vom 18. Juni 2014 - V ZR 151/13,
sich hieraus Rückschlüsse auf die hier zu entscheidende Frage der Störereigenschaft
des Grundstückseigentümers ziehen. Nach den Gesetzesmaterialien
beruht die Ausnahme nämlich darauf, dass der Grundstückseigentümer gegenüber
den Einwirkungen, die von einem Baum ausgehen, „durch § 861“ (= § 910
BGB) „und durch den Vorbehalt des § 866 für die Landesgesetze“ (= Art. 124
EGBGB) „hinlänglich geschützt“ sei (vgl. Protokolle der Kommission für die
zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band III, 1899,
S. 158 f.). Dies spricht dafür, dass der Grundstückseigentümer für natürliche
Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, die von § 910 BGB (Überhang) nicht
erfasst werden, regelmäßig nicht verantwortlich ist, wenn die Anpflanzungen mit
dem Landesnachbarrecht in Einklang stehen, insbesondere den Abstandsvorschriften
genügen (vgl. auch bereits Senat, Urteil vom 7. Juli 1995
- V ZR 213/94,
2012], B § 16 S. 19).
(b) In diese Überlegungen fügt sich die Rechtsprechung des Senats, wonach
der Grundstückseigentümer, der es zugelassen hat, dass Zweige oder
Wurzeln über die Grundstücksgrenze hinüberwachsen konnten und zu Beeinträchtigungen
geführt haben, als Störer i.S.d.
ist (vgl. Senat, Urteil vom 28. November 2003 - V ZR 99/03, ZfSch 2004,
153, 155; Urteil vom 26. November 2004 - V ZR 83/04,
Urteil vom 14. Juni 2019 - V ZR 102/18, zur Veröffentlichung bestimmt). Dies
beruht entscheidend darauf, dass der Eigentümer aufgrund der Spezialregelung
des § 910 BGB dafür Sorge tragen muss, dass Baumwurzeln oder Zweige nicht
über die Grenzen seines Grundstücks hinauswachsen. Hierzu ist er im Rahmen
der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks gehalten (vgl. Senat,
Urteil vom 28. November 2003 - V ZR 99/03, ZfSch 2004, 153, 155; Urteil vom
14. Juni 2019 - V ZR 102/18, zur Veröffentlichung bestimmt).
2. Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis
richtig (§ 561 ZPO). Sind die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen
Abstandsregelungen eingehalten, lässt sich ein Anspruch auf Beseitigung
der Bäume in aller Regel - und so auch hier - nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis
herleiten.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats haben die Rechte und
Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der
eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Daneben kommt eine allgemeine
Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur dann zum Tragen, wenn ein
über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden
Interessen dringend geboten erscheint (vgl. Senat, Urteil vom
14. November 2003 - V ZR 102/03,
- V ZR 97/11,
- V ZR 229/14,
durch Bäume, setzt ein Anspruch auf deren Beseitigung jedenfalls voraus, dass
der Kläger wegen der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden
Beeinträchtigungen ausgesetzt ist (vgl. Senat, Urteil vom
10. Juli 2015 - V ZR 229/14,
b) Die Voraussetzungen für diese Ausnahme liegen nicht vor. Da es insoweit
keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat die hierzu erforderliche
Würdigung selbst vornehmen.
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts führen die von den
Birken ausgehenden Immissionen auf das Grundstück des Klägers dazu, dass
der Dachboden des dort befindlichen Hauses nicht wie üblich einmal pro Jahr,
sondern mindestens zwei- oder dreimal gereinigt werden muss. Die Reinigung
der Dachrinne habe nicht nur zweimal, sondern drei- bis viermal zu erfolgen.
Ein erhöhter Reinigungsbedarf bestehe zudem bei den Lichtschächten zu den
Kellerfenstern und der Holzterrasse. Besonders aufwendig sei die Reinigung
der sich seitlich am Haus befindenden Kiestraufen, weil die Birkenpollen nicht
einfach herausgenommen werden könnten. Der Senat verkennt nicht, dass die
festgestellten Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers als erheblich einzustufen
sind. Dies hat der Kläger aber nach der Wertung des Gesetzgebers
hinzunehmen. Es handelt sich um Immissionen, die gerade für Birken nicht untypisch
sind, auch wenn sie über die Einwirkungen anderer Bäume hinausgehen.
Der Gesetzgeber hat in § 16 Abs. 1 Nr. 4a i.V.m. Abs. 2 Satz 1 NRG-BW
aF eine ausdrückliche Regelung dazu getroffen, welche Grenzen ein Grundstückseigentümer
bei der Anpflanzung von Birken einhalten muss. Könnte der
Nachbar gleichwohl wegen der von Birken typischerweise ausgehenden Einwirkungen
gestützt auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis Beseitigung verlangen,
würde die von dem Gesetzgeber getroffene Wertentscheidung unterlaufen.
bb) Auf die von dem Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob der
Kläger und seine Tochter an einer Birkenpollenallergie leiden, kommt es nicht
an. Selbst wenn dies zugunsten des Klägers unterstellt wird, hat er aus dem
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis keinen Anspruch auf Beseitigung der
Bäume. Hierfür kann dahinstehen, ob die individuelle gesundheitliche Disposition
des aktuellen Nutzers eines Grundstücks im Rahmen des Gebots nachbarlicher
Rücksichtnahme überhaupt herangezogen werden kann (grundsätzlich
verneinend etwa VG Hannover, Urteil vom 10. Juli 2012 - 7 A 5059/11, juris
Rn. 49; Staudinger/Albrecht, BGB [2018], Art. 124 EGBGB Rn. 38). Es ist jedenfalls
einem Grundstückseigentümer, der einen Baum unter der Beachtung
der in dem Nachbarrecht vorgeschriebenen Abstandsgrenzen gepflanzt hat, im
Allgemeinen nicht zuzumuten, diesen wegen einer Allergie des Nachbarn zu
beseitigen. Es handelte sich um eine Maßnahme, die sich insbesondere bei
hoch gewachsenen Bäumen (hier: 18 Meter) angesichts der Wuchszeit im Falle
einer Neupflanzung faktisch als irreparabel darstellte. Zudem erwiese sich die
Maßnahme als nutzlos, sobald das Nachbargrundstück von anderen Personen
bewohnt wird.
3. Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben
(
Hauptantrags durch das Amtsgericht bestätigen und die Berufung jedenfalls
insoweit zurückweisen müssen. Da es hierzu keiner weiteren Feststellungen
bedarf, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO).
4. Zu den von dem Kläger hilfsweise gestellten Anträgen auf Beseitigung
von lediglich zwei Birken bzw. von einer Birke und auf Zahlung eines monatlichen
Betrages von 230 € für die Monate Juni bis November eines jeden Jahres
hat das Berufungsgericht - von seinem Ausgangspunkt folgerichtig - keine Entscheidung
getroffen. Auch diese Anträge sind abzuweisen, so dass die Berufung
zurückzuweisen und damit das Urteil des Amtsgerichts in vollem Umfang
wiederherzustellen ist.
a) Der Senat ist nicht gehindert, über die Hilfsanträge zu entscheiden.
Legt nämlich - wie hier - die beklagte Partei gegen ihre Verurteilung nach dem
Hauptantrag Revision ein, so ist ohne weiteres auch der auf einem einheitlichen
Sachverhalt beruhende Hilfsantrag der klagenden Partei Gegenstand des Revisionsverfahrens
(vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88, NJWRR
1990, 518, 519; Urteil vom 17. September 1991 - XI ZR 256/90, NJW 1992,
112, 113).
b) Der Kläger kann von dem Beklagten nicht Beseitigung von nur zwei
Birken bzw. von einer Birke verlangen, da es auch insoweit an den Voraussetzungen
für einen Anspruch aus
aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis fehlt. Das oben zu dem
Hauptantrag Ausgeführte gilt entsprechend.
c) Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf eine
Entschädigung von monatlich 230 € in den Monaten Juni bis November. Hält
der Grundstückseigentümer die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen
Abstandsregelungen ein, hat der Eigentümer des Nachbargrundstücks
wegen der Beeinträchtigungen durch die von den Anpflanzungen ausgehenden
natürlichen Immissionen weder einen Ausgleichsanspruch gemäß
Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 analog.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar einem Grundstückseigentümer
für den erhöhten Reinigungsaufwand infolge des Abfallens
von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von den Bäumen eines Nachbargrundstücks
unter Umständen ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB analog zustehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der
in Anspruch genommene Grundstückseigentümer für die Eigentumsbeeinträchtigung
verantwortlich und damit Störer i.S.d.
den bislang von dem Senat entschiedenen Fällen jedenfalls deshalb zu bejahen,
weil die Bäume unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen
unterhalten wurden und sich die Nutzung des Grundstücks deshalb
nicht mehr im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hielt (Senat, Urteil
vom 14. November 2003 - V ZR 102/03,
2017 - V ZR 8/17,
eingehalten, so dass eine Verantwortung des Beklagten für die Beeinträchtigungen
des Grundstücks des Klägers ausscheidet.
bb) Auch aus
ergibt sich kein Entschädigungsanspruch des Klägers. Nach dieser Vorschrift
kann der Eigentümer, der eine Einwirkung gemäß
dulden hat, von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen
Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung
seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.
Hier hat der Kläger aber die natürlichen Immissionen der Birken bereits
deshalb hinzunehmen, weil der Beklagte für sie nicht verantwortlich ist
(siehe oben II.1.b). Damit scheidet ein Entschädigungsanspruch gemäß § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB aus, denn dieser setzt voraus, dass der Nachbar die Immissionen
nach
Soweit dem Urteil des Senats vom 27. Oktober 2017 - V ZR 8/17
(
nicht festgehalten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:20.09.2019
Aktenzeichen:V ZR 218/18
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 2 S. 2; NRG BW § 16 Abs. 1