OLG München 27. September 2021
34 Wx 253/21
BGB §§ 749 Abs. 2, 1010, 1795, 181; GBO §§ 16, 19

Vereinbarung des Ausschlusses der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft oder neutral

BGB §§ 749 Abs. 2, 1010, 1795, 181; GBO §§ 16, 19
Vereinbarung des Ausschlusses der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft oder neutral

1. Die Erklärung des Ausschlusses der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft oder zumindest neutral.

2. Wird in einem Grundstücksüberlassungsvertrag die Eintragung eines solchen Ausschlusses für einen geschäftsunfähigen Minderjährigen durch einen sorgeberechtigten Elternteil bewilligt, der wie der Minderjährige einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück erhält, ist die Bewilligung wegen des Vorliegens eines unerlaubten Insichgeschäfts unwirksam.

3. Dies hindert, wenn ein innerer Zusammenhang mit der Grundstücksüberlassung besteht, auch die Eintragung der Auflassung.

OLG München, Beschl. v. 27.9.2021 – 34 Wx 253/21

Problem
Die Veräußerin ist als Miteigentümerin von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Mit notariellem Vertrag veräußerte sie Miteigentumsanteile an dem Grundstück an ihre Enkeltochter und deren Mutter, den anderen Miteigentümer sowie weitere Beteiligte. Die Enkeltochter ist minderjährig und wurde bei Vertragsschluss durch die allein sorgeberechtigte Mutter vertreten. Die Urkunde sah insbesondere vor, dass das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer ausgeschlossen wird (§§ 749 Abs. 2, 1010 BGB) und die Vertragsteile die Eintragung dieses Ausschlusses an ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil im Grundbuch bewilligen und beantragen.

Auf den Eintragungsantrag des Urkundsnotars hin erging eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes, wonach die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Enkeltochter erforderlich sei. Gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB sei die Mutter von der Vertretung ausgeschlossen, wenn sie als Vertreter auf beiden Seiten des Vertrags stehe. Die Minderjährige könne nicht durch einen Elternteil vertreten werden, der selbst einen Miteigentumsanteil erhalten solle, wenn im Vertrag ein Ausschluss der Auseinandersetzung vereinbart sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Entscheidung
Das OLG wies die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung zurück. Die Eintragung der Auflassung sowie weiterer Rechte und Belastungen setze u.a. voraus, dass auch diese weiteren Rechte und Belastungen eingetragen werden könnten. Zwar bestünden gegen die Wirksamkeit der Auflassung als solcher keine durchgreifenden Bedenken, die begehrte Eintragung könne gleichwohl nicht erfolgen, weil derzeit nicht bewilligt sei (§ 19 GBO), den Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft einzutragen. Dieser Mangel stehe der Eintragung insgesamt entgegen.

Zunächst führte das OLG aus, dass jedenfalls dort, wo – wie beim Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft – der materielle Rechtserfolg die Grundbucheintragung voraussetze, eine Einschränkung der materiell-rechtlichen Vertretungsbefugnis auch die verfahrensrechtliche Bewilligungsbefugnis erfasse und deshalb vom Grundbuchamt von Amts wegen zu beachten sei (vgl. BGH DNotI-Report 2021, 77, 78 zu § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Außerdem sei das Grundbuchamt zur Wahrung der Richtigkeit des Grundbuchs verpflichtet und dürfe deshalb keine Eintragung vornehmen, deren materiell-rechtlich begründete Unrichtigkeit ihm bekannt sei. Insofern könne auch offenbleiben, welche Konsequenzen sich aus einem Verstoß gegen § 181 BGB im Hinblick auf Verfahrenshandlungen sonst ergeben würden.

Gemäß § 181 BGB könne ein Vertreter grds. im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen kein Rechtsgeschäft vornehmen. Hiervon ausgenommen seien insb. Willenserklärungen, die für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft oder zumindest neutral seien, da ein Interessenwiderstreit ausgeschlossen sei und Belange Dritter nicht entgegenstünden; dies bestimme sich nach den rechtlichen Folgen des Geschäfts, ohne dass eine wirtschaftliche Betrachtung anzustellen sei. Stehe einem Vorteil die Aufgabe eines Rechts gegenüber, sei das Geschäft auch dann nicht rechtlich vorteilhaft oder neutral, wenn die Vorteile die Nachteile erheblich überwögen. Die Übereignung einer belasteten Sache sei jedoch abweichend zu beurteilen, da die Belastung den Vorteil nur von vornherein einschränke. Dies gelte auch, wenn das Grundstück bei der Übertragung zugleich mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastet werde (BGH DNotI-Report 2021, 77) oder sich der Veräußerer eine Belastung des Grundstücks vorbehalte (Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, § 107 Rn. 4).

Werde mit der Auflassung des Grundstücks der Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft gemäß § 749 Abs. 2 BGB erklärt, so sei das Grundstück – anders als bei Übertragung eines mit einem gleichzeitig vom Veräußerer sich selbst eingeräumten Vorbehaltsnießbrauch – bei Übereignung noch nicht mit dem Recht belastet. Auch stelle dies keinen bloßen Vorbehalt des Veräußerers dar, die Immobilie belasten zu dürfen. Der Erwerber erhalte vielmehr ein Grundstück, dessen Belastung er selbst – jedenfalls gegenüber den weiteren Erwerbern – bewilligen müsse. Allein die Erklärung des Ausschlusses der Aufhebung der Gemeinschaft sei bereits rechtlich nachteilig, da der Erklärende damit einem Dritten ein Recht an seinem Eigentum einräume. Hieran ändere auch der vorgetragene Umstand nichts, dass die Vereinbarung des Auseinandersetzungsausschlusses und die Übertragung lediglich aus Kostengründen in einer Urkunde zusammengefasst worden seien; das Einverständnis mit der Belastung erweise sich als rechtlich nachteilhaft, da die Enkeltochter ein Recht aufgebe. Auf wirtschaftliche Aspekte dürfe gerade nicht abgestellt werden.

Grundbuchverfahrensrechtlich hindere schließlich das Fehlen einer wirksamen Bewilligung auch die Eintragung der Auflassung. Selbst wenn man insoweit nicht von einem einheitlichen Antrag, sondern von formal selbstständigen Anträgen ausgehen wolle, liege eine jedenfalls stillschweigende Bestimmung nach § 16 Abs. 2 GBO vor; der Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft diene hier offensichtlich dem Zweck, den von der Eigentümerin ihren Nachkommen überlassenen Grundbesitz ungeschmälert im Familienverband zu erhalten, sodass von einem inneren Zusammenhang dieser Maßnahme mit der Auflassung und insofern von einer Bestimmung nach § 16 Abs. 2 GBO auszugehen sei.

Praxishinweis
Die Übertragung ideeller Miteigentumsanteile an Grundbesitz an ein minderjähriges Kind ist nach der Entscheidung des OLG München jedenfalls dann nicht lediglich rechtlich vorteilhaft bzw. neutral, wenn mit derselben Urkunde der Ausschluss der Auseinandersetzung der Gemeinschaft bzgl. des übertragenen Grundbesitzes vereinbart wird. Auch wenn dies teilweise anders beurteilt wird (vgl. LG Münster FamRZ 1999, 739; ebenso wohl Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 3610l), dürfte die Entscheidung im Rahmen der vorsorgenden Vertragsgestaltung zu berücksichtigen sein. Das minderjährige Kind sollte – jedenfalls vorsorglich – durch einen Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) vertreten werden, solange noch keine abschließende Klärung durch den BGH erfolgt ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

27.09.2021

Aktenzeichen:

34 Wx 253/21

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
In-sich-Geschäft
Reallast
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 166-168

Normen in Titel:

BGB §§ 749 Abs. 2, 1010, 1795, 181; GBO §§ 16, 19