OLG Köln 11. Februar 2014
2 Wx 245/13
EGBGB Artt. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1; BGB § 1371 Abs. 1

Türkei: Gesetzliches Ehegattenerbrecht für unbewegliches Vermögen in Deutschland

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 7.8.2014
OLG Köln, 11.2.2014 - 2 Wx 245/13

EGBGB Artt. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1; BGB § 1371 Abs. 1
Türkei: Gesetzliches Ehegattenerbrecht für unbewegliches Vermögen in Deutschland
Das türkische Internationale Privatrecht (Art. 15 II IPRG) führt nicht zu einer Erhöhung der
Erbquote des Ehegatten über eine Anwendung des § BGB § 1371 BGB § 1371 Abs. 1 BGB.

Gründe

1.

Der Beteiligte zu 1) und die Erblasserin, beide türkische Staatsangehörige, hatten am 28.07.1970
in der Türkei die Ehe geschlossen. Bei den Beteiligten zu 2) bis 4) handelt es sich um die
gemeinsamen Kinder der Eheleute; der weitere Sohn Mevlüt ist am 30.07.1986 kinderlos und
unverheiratet verstorben.
In den Nachlass der Erblasserin fiel Grundbesitz in Deutschland, nämlich je 1/ 2 Anteil an den
beiden Miteigentumsanteilen, die in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern von
Bergneustadt des Amtsgerichts Gummersbach, Blatt 3919 und Blatt 3983, verzeichnet sind;
insoweit ist die Erblasserin als Berechtigte zu 1/2 Anteil eingetragen.
In der notariellen Urkunde vom 18.06.2013 (UR Nr. 1093/2013 des Verfahrensbevollmächtigten
der Beteiligten) haben die Beteiligten zu 2) und 3) im eigenen Namen und als vollmachtlose
Vertreter der Beteiligten zu 1) und 4) - nur zur Berichtigung der Wohnungs- und
Teileigentumsgrundbücher - die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der als
Miterben der Erblasserin den Beteiligten zu 1) zu 1/4 Anteil und die Beteiligten zu 2) bis 4) zu je
1/4 Anteil ausweist; die Beteiligten zu 1) und 4) haben die Erklärungen in der Urkunde unter
dem 03.07.2013 genehmigt. Der Notar hat die Urkunde mit Antrag vom 10.07.2013 bei dem
Nachlassgericht eingereicht und auf dessen Nachfrage mitgeteilt, dass der Erbschein nur für den
in Deutschland gelegenen Grundbesitz erteilt werden solle.
Nach Erteilung entsprechender Hinweise hat der Richterin des Nachlassgerichts mit Beschluss
vom 02.09.2013 den Erbscheinsantrag zurückgewiesen und mit näherer Begründung ausgeführt,
der Erbanteil des Beteiligten zu 1) als Ehegatten betrage 1/2, weil der gesetzliche Erbteil um 1/4
erhöht sei; es finde § 1371 Abs. 1 BGB Anwendung. Der Beschluss ist auf Veranlassung des
Amtsgerichts am 10.09.2013 den Beteiligten persönlich zugestellt worden ist. Am 18.09.2013 ist
bei dem Amtsgericht ein auf den 14.08.2013 datierter, mit "Beschwerde gegen den Beschluß
vom 2.9.2013" überschriebener Schriftsatz des Notars eingegangen, in welchem der Notar mit
näherer Begründung ausführte, der Erbscheinsantrag werde in der ursprünglichen Form aufrecht
erhalten. Die Richterin des Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 20.09.2013
nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Die Beschwerde ist gemäß 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist insbesondere fristgerecht nach § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden. Dabei fällt nicht ins
Gewicht, dass der angefochtene Beschluss den Beteiligten nicht wirksam bekannt gegeben und
dadurch die Beschwerdefrist von einem Monat nicht in Gang gesetzt worden ist, weil die
Bekanntmachung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den
verfahrensbevollmächtigten Notar (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG) zu richten gewesen
wäre (Keidel/Sternal, FamFG, 18. Auflage 2014, § 15 Rn. 24). Denn auch wenn es sich bei der
am 10.09.2013 bewirkten Zustellung an die Beteiligten persönlich um eine wirksame
Bekanntmachung des Beschlusses gehandelt hätte, wäre die Einlegung der Beschwerde am
18.09.2013 noch fristgerecht erfolgt.
In diesem Zusammenhang weist der Senat das Amtsgericht darauf hin, dass dem entsprechend
der Notar als Verfahrensbevollmächtigter in das Beschlussrubrum aufzunehmen war (§ 38
Abs. 2 Nr. 1 FamFG); zudem hätten auch die Beteiligten zu 1) und 4) im Rubrum aufgeführt
werden müssen, weil sie die vollmachtlose Antragstellung der Beteiligten zu 2) und 3)
genehmigt haben und aufgrund dessen ebenfalls Antragsteller im Erbscheinsverfahren geworden
sind.
Die Beschwerde ist begründet.
Erben der Erblasserin sind in Bezug auf den Grundbesitz in Deutschland die Beteiligten zu 1) bis
4) zu je 1/4 Anteil geworden.
Der Erbscheinsantrag ist auf den unbeweglichen Nachlass in Deutschland beschränkt; insoweit
ist deutsches Erbrecht anzuwenden. Das maßgebliche Erbstatut richtet sich, wenn der Erblasser -
wie hier die Erblasserin - türkischer Staatsangehöriger war, nach dem Konsularvertrag zwischen
der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich vom 28. Mai 1929 (RGBl. 1930 II S. 747;
1931 II S. 538; BGBl. 1952 II S. 608); dieses zwischenstaatliche Abkommen geht der
innerstaatlichen Regelung des Art. 25 EGBGB vor (vgl. BGH NJW-RR 2013, 201 [BGH
12.09.2012 - IV ZB 12/12]). Nach Ziff. 14 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrages
bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach
den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte. Die erbrechtlichen
Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Vermögens hingegen bestimmen sich nach den
Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn
der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre; hinsichtlich des
unbeweglichen in Deutschland gelegenen Nachlasses mithin nach deutschem Erbrecht.
Aufgrund dessen beträgt das Ehegattenerbrecht des Beteiligten zu 1) gemäß § 1931 Abs. 1 BGB
1/4 neben den Beteiligten zu 2) bis 4) als den noch lebenden Kindern. Eine Erhöhung des
Ehegattenerbteils auf der Grundlage des § 1371 Abs. 1 BGB findet hier nicht statt.
In der vorliegenden Konstellation stellt sich die streitige Frage, ob die Vorschrift des § 1371
Abs. 1 BGB allein güterrechtlich oder zugleich güterrechtlich und erbrechtlich (Theorie von der
Doppelqualifikation) einzuordnen ist (zum Meinungsstreit s. nur Senat ZEV 2012, 205 [OLG
Köln 05.08.2011 - 2 Wx 115/11]), nicht. Denn da hier nach der oben dargestellten Rechtslage für
den unbeweglichen Nachlass in Deutschland das deutsche Erbrechtsstatut gilt, käme die
Vorschrift dann, wenn auch deutsches Ehegüterrecht zur Anwendung käme, nach beiden
Theorien gleichermaßen zur Anwendung. Im vorliegenden Fall hängt die Anwendung der
Vorschrift daher allein davon ab, ob hinsichtlich des in Deutschland gelegenen Grundbesitzes
auch das deutsche Güterrechtsstatut gilt. Dies ist nicht der Fall.
Gemäß Art. 220 Abs. 3 Satz 2 BGB ist auf die im Jahre 1970 geschlossene Ehe für die Zeit nach
dem 08.04.1983 Art. 15 EGBGB anzuwenden. Dies führt, da beide Ehegatten die türkische
Staatsangehörigkeit hatten, gemäß § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zu einer
Verweisung auf das türkische Recht, nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unter Einbeziehung des
ausländischen internationalen Privatrechts. Das internationale Privatrecht der Türkei ist im
Gesetz über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht vom 27.11.2007 (IPRG) geregelt.
Art. 15 Abs. 2 dieses Gesetzes enthält die folgende Regelung:
"Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung findet bei unbeweglichem Vermögen das Recht
des Ortes der Belegenheit Anwendung". (Übersetzung nach
Bergmann/Ferid/Henrich/Rumpf/Odendahl, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei,
Stand Mai 2013, Seite 55).
Dabei handelt es sich in Bezug auf den in Deutschland befindlichen unbeweglichen Nachlass um
eine Rückverweisung auf das deutsche Recht. Zu einer Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB
führte diese Rückverweisung, die vom deutschen Recht durch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB
angenommen wird, indes nur dann, wenn sie sich in gegenständlicher Hinsicht als Verweisung
auf das Güterrecht des Belegenheitsstaates darstellte und zudem in zeitlicher Hinsicht eine
Rückwirkung auf vor Inkrafttreten des Gesetzes (hier im Jahre 1989) erworbenen Grundbesitz
entfaltete. An der erstgenannten Voraussetzung fehlt es, ohne dass es einer Prüfung der zweiten
Voraussetzung bedarf.
§ 1371 Abs. 1 BGB wird von der Verweisung in Art. 15 Abs. 2 IPRG nicht erfasst. § 1371 BGB
setzt - da die Vorschrift an die Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten
anknüpft - die Entstehung einer Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts voraus; eine solche
wird durch die Verweisung in der genannten Vorschrift des türkischen Rechts indes nicht
begründet. Denn diese verweist auf das Recht des Lageortes lediglich in Ansehung der
"Auseinandersetzung" der ehelichen Güter. Zudem stellt § 1371 Abs. 1 BGB keine
Auseinandersetzungsregelung dar. Denn die Vorschrift knüpft an den Tod eines Ehegatten an
und sieht für diesen Fall eine (pauschale) Abgeltung des schuldrechtlichen Zugewinnausgleichs
durch eine Erhöhung der Erbquote vor.

3.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Köln

Erscheinungsdatum:

11.02.2014

Aktenzeichen:

2 Wx 245/13

Rechtsgebiete:

Eheliches Güterrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

FGPrax 2019, 287-288

Normen in Titel:

EGBGB Artt. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1; BGB § 1371 Abs. 1