Gleichwertigkeit von spanischer und deutscher Vaterschaftsanerkennung
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letzte Aktualisierung: 27.9.2017
BGH, Beschl. v. 5.7.2017 – XII ZB 277/16
BGB §§ 1592 Nr. 2, 1597, 1601; EGBGB Artt. 11 Abs. 1, 19 Abs. 1;
Art. 3 S. 1;
Gleichwertigkeit von spanischer und deutscher Vaterschaftsanerkennung
Die in Spanien vor dem zuständigen Standesamt erklärte Anerkennung der Vaterschaft ist der
Anerkennung nach deutschem Recht gleichwertig und ersetzt die hierfür vorgeschriebene Form
der öffentlichen Beurkundung.
Gründe:
I.
Das antragstellende Land (im Folgenden: Antragsteller) macht gegen
den Antragsgegner aus nach § 7 UVG übergegangenem Recht Kindesunterhalt
geltend.
Der Antragsteller erbrachte für das im Januar 2004 geborene Kind J. Unterhaltsvorschussleistungen.
Der Antragsgegner lebte früher mit der Mutter des
Kindes auf Mallorca (Spanien), wo das Kind geboren wurde. Auf Veranlassung
der Mutter und des Antragsgegners wurde der Antragsgegner in die spanische
Geburtsurkunde und in das spanische Familienbuch als Vater eingetragen. Die
Mutter und der Antragsgegner heirateten im Januar 2007. In der Anmeldung zur
Eheschließung wie auch in der deutschen Geburtsurkunde ist J. als Kind des
Antragsgegners verzeichnet. Die Ehe wurde im Januar 2012 geschieden. Die
elterliche Sorge für J. wurde allein der Mutter übertragen.
Der Antragsteller macht für die Zeit ab November 2013 den gesetzlichen
Mindestunterhalt abzüglich des (vollen) Kindergelds geltend. Hinsichtlich der
Zeit ab Januar 2016 haben die Beteiligten vor dem Oberlandesgericht wegen
des Auslaufens der Unterhaltsvorschussleistungen den Rechtsstreit in der
Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Antragsgegner wendet
ein, nicht der Vater des Kindes zu sein.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht
hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Dagegen richtet sich
seine zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der er die Abweisung des Unterhaltsantrags
erreichen will.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts besteht ein Verwandtschaftsverhältnis
im Sinne von
des Kindes.
Für die Frage der Abstammung als so genannte Vorfrage sei im vorliegenden
Unterhaltsverfahren deutsches Recht maßgeblich. Im Unterhaltsverfahren
finde nach Art. 3 Abs. 1 des Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende
Recht (Haager Unterhaltsprotokoll, HUP) das Recht des Staates
Anwendung, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe.
Das unterhaltsberechtigte Kind habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland. Die Vorfrage der Abstammung folge nach zutreffender Auffassung
dem Unterhaltsstatut als Hauptfrage.
Für einen Unterhaltsanspruch müssten die Voraussetzungen einer rechtlichen
Vaterschaft vorliegen, die gegeben seien. Denn der Antragsgegner habe
die Vaterschaft gemäß
seiner Vaterschaft gegenüber den spanischen Behörden erklärt. Gemäß
Art. 120 Nr. 1 des Spanischen Zivilgesetzbuchs werde die nichteheliche Abstammung
unter anderem bestimmt durch Anerkennung vor der mit der Führung
des Zivilregisters betrauten Amtsperson, in einem Testament oder in einer
anderen öffentlichen Urkunde. Gemäß Art. 124 des spanischen Zivilgesetzbuchs
setze die Wirksamkeit der in Bezug auf einen Minderjährigen abgegebenen
Anerkennung die ausdrückliche Zustimmung von dessen gesetzlichem Vertreter
oder die richterliche Genehmigung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft
und des gesetzlich benannten Elternteils voraus. Sowohl in der spanischen Geburtsurkunde
vom 10. Februar 2004 als auch im spanischen Familienbuch sei
der Antragsgegner auf seine und der Kindesmutter Veranlassung als Vater eingetragen
worden. Die Anmeldung zur Geburt sei von der Kindesmutter und dem
Antragsgegner unterzeichnet worden. Damit habe der Antragsgegner seine Vaterschaft
entsprechend den spanischen Rechtsvorschriften anerkannt.
Diese Anerkennung entfalte auch im deutschen Rechtskreis Wirkung.
Nach Art. 4 des Römischen CIEC-Übereinkommens über die Erweiterung der
Zuständigkeit der Behörden, vor denen nichteheliche Kinder anerkannt werden
können, vom 14. September 1961 (im Folgenden: CIEC-Übereinkommen vom
14. September 1961) könne jeder Staatsangehörige eines Vertragsstaats in
jedem beliebigen Vertragsstaat die Anerkennungserklärung in der Form öffentlich
beurkunden lassen, die das Ortsrecht vorschreibt.
Ungeachtet dessen sei jedenfalls gemäß
wirksamen Anerkennung auszugehen. Aus einem Auszug aus dem Geburtenregister
der Stadt E. ergebe sich, dass der Antragsgegner seit dem 13. Januar
2011 und damit mehr als fünf Jahre als Vater des Kindes eingetragen sei.
Durch die Vorschrift entstehe durch Heilung rückwirkend eine vollwertige Vaterschaft.
Gegen eine Anwendung von
dass die Erstellung der deutschen Geburtsurkunde allein auf Veranlassung der
Mutter und ohne Kenntnis des Antragsgegners erfolgt sei. Das folge aus dem
Wortlaut der Vorschrift und deren Sinn und Zweck, für Rechtsklarheit zu sorgen.
Die Kenntniserlangung des Antragsgegners sei für die Fristberechnung nicht
maßgeblich.
Der Antragsgegner könne sich auch nicht auf fehlende Leistungsfähigkeit
berufen. Der Anspruch sei wirksam auf das antragstellende Land übergegangen.
Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Geltendmachung des Unterhalts
seien gegeben.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Antragsgegner
ist rechtlicher Vater des Kindes und als solcher für den Anspruch auf Kindesunterhalt
nach
UVG kraft Gesetzes auf den Antragsteller übergegangen.
a) Der Antragsgegner ist Schuldner des Anspruchs auf Kindesunterhalt
nach
Ein Fall der vom Senat für Ausnahmekonstellationen zugelassenen
inzidenten Feststellung der leiblichen Vaterschaft (vgl. Senatsurteile BGHZ 191,
259 =
nicht vor.
aa) Ob die sich beim Verwandtenunterhalt stellende Vorfrage der Abstammung
unter der Geltung des Haager Unterhaltsprotokolls vom 23. November
2007 (HUP) selbständig oder unselbständig anzuknüpfen ist, ist zwar umstritten
(vgl. zum Streitstand Staudinger/Mankowski BGB [2016] Vorbem zum
HUP Rn. 12 ff.; Lehmann
ob die zum Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes nach früherer
Rechtslage ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsbeschluss
1984 - IVb ZR 2/83 -
247 =
nach deutschem Recht zu beurteilen ist, wenn dieses für die Unterhaltspflicht
des Vaters maßgeblich ist, auch unter Geltung des Haager Unterhaltsprotokolls
fortzuführen ist (vgl. Staudinger/Mankowski BGB [2016] Vorbem zum HUP
Rn. 29 ff. mwN; OLG Frankfurt
Diese Fragen können im vorliegenden Fall indessen offenbleiben. Denn
auch bei selbständiger Anknüpfung der Vorfrage ist auf die Abstammung nach
Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die
Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das Aufenthaltsstatut
wandelbar ist. Es ist im Gegensatz zum Ehewirkungsstatut nach Art. 19 Abs. 1
Satz 3 EGBGB nicht auf einen festen Zeitpunkt bezogen, sondern stellt auf den
aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ab. Überdies dürfte aber schon
gemäß
Recht anwendbar sein, weil der Antragsgegner offensichtlich deutscher Staatsangehöriger
war und ist.
Das Problem konkurrierender Vaterschaften aufgrund mehrerer in Betracht
kommender nationaler Rechte (vgl. Senatsbeschluss vom 3. August 2016
- XII ZB 110/16 -
eine andere Rechtsordnung, insbesondere das neben dem deutschen Recht
noch in Betracht kommende spanische Recht, zur gesetzlichen Vaterschaft eines
anderen Mannes als des Antragsgegners führen könnte, wird von der
Rechtsbeschwerde nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (zur Frage
wohlerworbener Rechte vgl. Staudinger/Henrich BGB [2014]
Rn. 14; MünchKommBGB/Helms 6. Aufl.
bb) Der Antragsgegner ist gemäß
der Vaterschaft rechtlicher Vater des Kindes geworden. Die vor dem zuständigen
spanischen Standesamt abgegebenen Erklärungen der Mutter und des Antragsgegners
ersetzen die nach dem anwendbaren deutschen Recht erforderliche
Form der Erklärungen (Anerkennung und Zustimmung) gemäß §§ 1595 ff.
BGB.
(1) Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen wurde
die Anmeldung der Geburt des Kindes gegenüber dem Standesamt von der
Mutter und dem Antragsgegner unterzeichnet. Danach hat der Antragsgegner
die Vaterschaft entsprechend den spanischen Rechtsvorschriften (Art. 120, 124
des spanischen Zivilgesetzbuchs - Codigo civil; vgl. auch Ferrer y Riba in
Spickhoff/Henrich/Schwab/Gottwald Streit um die Abstammung S. 293, 301 f.)
anerkannt. Dem entspricht die Eintragung des Antragsgegners als Vater des
Kindes in der spanischen Geburtsurkunde und im Familienbuch (vgl. auch Se-
natsbeschluss vom 20. Juli 2016 - XII ZB 489/15 -
dem angefochtenen Beschluss ergibt sich zudem die nach
erforderliche Zustimmung der Mutter. Die Rechtsbeschwerde hat bezüglich der
Ermittlung des ausländischen Rechts keine Verfahrensrüge erhoben (vgl. Senatsbeschluss
vom 24. Mai 2017 - XII ZB 337/15 - juris Rn. 13 ff.).
(2) Die in Spanien erklärte Anerkennung ist auch formwirksam. Dass die
in
nicht erfüllt ist, steht der Formwirksamkeit nicht entgegen. Nach Art. 4 des
CIEC-Übereinkommens vom 14. September 1961 (BGBl. 1965 II S. 19; zur
materiellrechtlichen Bedeutung s. Staudinger/Henrich BGB [2014] Vorbem zu
EGBGB Rn. 2) hat die nach Ortsrecht von der zuständigen Behörde beurkundete
Anerkennungserklärung die gleichen Wirkungen, wie wenn sie vor der
zuständigen Behörde des Heimatstaats des Erklärenden abgegeben worden
wäre. Spanien und Deutschland sind Vertragsstaaten des Übereinkommens
(vgl. BGBl. 1987 II, S. 448). Der Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus
der Internationalen Zivilstandskommission (CIEC) mit Wirkung zum 30. Juni
2015 lässt für sich genommen die Fortgeltung der abgeschlossenen Übereinkommen
unberührt (vgl. Kohler/Pintens
Die Maßgeblichkeit der Ortsform folgt damit übereinstimmend auch aus
ist im Ergebnis ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Beurkundung
durch das zuständige spanische Standesamt der nach deutschem Recht
vorgeschriebenen Beurkundung gleichwertig (äquivalent) ist, was durch die
Regelung des CIEC-Übereinkommens vom 14. September 1961 bekräftigt wird
(vgl. Staudinger/Winkler v. Mohrenfels BGB [2013]
MünchKommBGB/Spellenberg 7. Aufl.
Auch die Zustimmung der Mutter (vgl. MünchKommBGB/Spellenberg
6. Aufl.
vom 14. September 1961 keine gesonderte Regelung enthält, ist aufgrund
des nach
formwirksam erklärt worden. Die gegenüber dem zuständigen spanischen
Standesamt abgegebene Zustimmungserklärung ist mithin in Deutschland
ebenfalls formgültig.
(3) Selbst wenn die Anerkennung der Vaterschaft nach spanischem
Recht und zu einem Zeitpunkt erklärt worden sein sollte, zu dem deutsches
Recht noch keine Anwendung fand, hinderte dies ihre Wirksamkeit nicht. Denn
auch in diesem Fall ersetzt die nach spanischem Recht erklärte Anerkennung
die nach deutschem Recht erforderliche Form. Entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde entfällt die Wirkung auch nicht mit einem in der Hauptfrage
(hier der Abstammung) erfolgten Statutenwechsel. Dass das Gesetz in Art. 11
Abs. 1 EGBGB die Ortsform neben der Geschäftsform zulässt, belegt, dass zur
Frage der Form ein anderes Statut anwendbar sein kann als hinsichtlich der
Hauptfrage. Da die Anerkennung mithin auch nach deutschem Recht wirksam
erklärt worden ist, kommt es auf die vom Oberlandesgericht weiter aufgeworfene
Frage einer Heilung gemäß
b) Die vom Oberlandesgericht festgestellten weiteren Voraussetzungen
des von ihm zugesprochenen Anspruchs auf den Mindestunterhalt nach
und lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde
erfolgt allerdings mit der - vom Oberlandesgericht im Tenor des Beschwerdebeschlusses
versehentlich nicht wiedergegebenen - klarstellenden
Maßgabe, dass die titulierte Unterhaltsverpflichtung nach den übereinstimmen-
den teilweisen Erledigungserklärungen der Beteiligten nur bis einschließlich
31. Dezember 2015 dauert.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:05.07.2017
Aktenzeichen:XII ZB 277/16
Rechtsgebiete:Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Normen in Titel:BGB §§ 1592 Nr. 2, 1597, 1601; EGBGB Artt. 11 Abs. 1, 19 Abs. 1; CIEC Art. 4; HUP Art. 3 S. 1; UVG § 7