OLG Celle 08. März 2019
9 W 17/19
GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4

Fortführung einer GmbH nach dem Insolvenzplan

letzte Aktualisierung: 20.5.2019
OLG Celle, Beschl. v. 8.3.2019 – 9 W 17/19

GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4
Fortführung einer GmbH nach dem Insolvenzplan

1. Eine GmbH kann nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens nicht kraft
Fortsetzungsbeschlusses ihres Alleingesellschafters fortgesetzt werden, wenn der Insolvenzplan
keine Fortführungsplanung enthält.

2. Das Registergericht kann das aus dem Wortlaut von § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG herrührende
Erfordernis, wonach die Fortführung einen Insolvenzplan, „der den Fortbestand der Gesellschaft
vorsieht“, voraussetzt, selbstständig prüfen. Der Beschluss des Insolvenzgerichts, mit dem das
Insolvenzplanverfahren aufgehoben wird, schließt diese registergerichtliche Prüfung nicht aus.

3. Liegt zwischen der Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens seitens des Insolvenzgerichts und
dem Fortsetzungsbeschluss des Gesellschafters eine nicht unerhebliche Zeitspanne – im Streitfall
etwa sechs Monate –, so kommt auch die Anwendung der Voraussetzungen einer wirtschaftlichen
Neugründung im Anmeldezeitpunkt des Fortsetzungsbeschlusses in Betracht.

Gründe:

I. Unter dem 3. Dezember 2018 haben die Geschäftsführer der betroffenen
Gesellschaft über den Beteiligten zu 2), Notar S. aus S., zur Eintragung in das
Handelsregister angemeldet, dass die betroffene Gesellschaft aufgrund
Fortsetzungsbeschlusses ihrer Alleingesellschafterin fortgesetzt werde
(Anlagenhefter Bl. 3).

Dem war ein als Insolvenzplanverfahren geführtes Insolvenzverfahren
vorausgegangen, das auf einen Eigenantrag der betroffenen Gesellschaft wegen
drohender Zahlungsunfähigkeit vom August 2017 eingeleitet worden war (vgl. wg.
der Einzelheiten den Sonderband Kopien aus dem Insolvenzverfahren AG
Lüneburg …). Unter dem 28. Februar 2018 haben die hiesigen
Verfahrensbevollmächtigten für die betroffene Gesellschaft einen Insolvenzplan
zum Insolvenzgericht eingereicht. Der Plan sieht unter

„1. Zusammenfassung des bisherigen Verfahrens“
auf Seite 5 (Bl. 133 des Sonderbandes Kopien aus dem Insolvenzverfahren)
Folgendes vor:

„Durch diesen Insolvenzplan sollen die Insolvenzgläubiger der Schuldnerin
bei (teilweiser) Befriedigung ihrer Insolvenzforderungen bessergestellt
werden als im Falle der Durchführung eines Insolvenzhauptverfahrens. Im
Rahmen der Insolvenzplanregelungen sollen diese Insolvenzgläubiger
insbesondere durch die Zahlung eines Massebeitrags von dritter Seite
teilweise befriedigt werden und im Übrigen auf ihre Insolvenzforderungen
gegenüber dem Schuldner verzichten. Ferner soll die Schuldnerin von ihren
Schulden befreit werden und ihr hierdurch die grundsätzliche Möglichkeit
gegeben werden, entsprechend ihres Geschäftszwecks weiterhin werbend
tätig zu sein [Hervorhebung durch den Senat]. Zudem bezweckt der
Insolvenzplan die Überwindung des eingetretenen Vermögensverfalls.
Im Fall der Annahme des Insolvenzplans wird seitens der Gesellschafter ein
Betrag in Höhe von Euro 15.000,00 zur teilweisen Befriedigung der
Insolvenzforderungen zur Verfügung gestellt.“

Aus dem Insolvenzplan folgt weiter unter 2.2.2., dass die Einlage in Höhe von
15.000 € seitens der Gesellschafterin als Darlehen zur Finanzierung des
Insolvenzplans vorgesehen ist (S. 12 des Insolvenzplans), alternativ die
Stammeinlage in dieser Höhe erhöht werden sollte; ein – satzungsändernder -
Beschluss des letztgenannten Inhalts ist jedoch nicht gefasst worden.
Das Registergericht geht davon aus - zu den Akten gelangt sind die Beschlüsse
nicht –, dass das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom
22. Mai 2018 aufgehoben und durch weiteren Beschluss des Insolvenzgerichts
vom 6. August 2018 auch die Anordnung der Überwachung der Erfüllung des
Insolvenzplans aufgehoben ist.

Der zur Urkundenrolle Nummer 899/18 des Notars S. gefasste Beschluss der
Alleingesellschafterin betreffend die Fortsetzung der Gesellschaft datiert vom
29. November 2018 (Bl. 6f. des Heftstreifens Anlagen zur Registerakte).
Das Registergericht hat unter dem 31. Januar 2019 (Bl. 74 d.A.) den Notar
zunächst darauf hingewiesen, dass der Insolvenzplan den Fortbestand der
Gesellschaft nicht vorsehe und damit eine Fortsetzung der Gesellschaft gemäß §
60 Abs. 1 Nr. 4, 2. Hs, 2. Alt. GmbHG nicht möglich sei. Dem ist der
Prozessbevollmächtigte der betroffenen Gesellschaft sodann entgegengetreten
und hat gemeint, der Insolvenzplan bedürfe der Auslegung gemäß §§ 133, 157
BGB. Bei verständiger Würdigung der im Insolvenzplan vorgesehenen
Regelungen werde deutlich, dass sämtliche Maßnahmen, die der Insolvenzplan
zur Entschuldung der Gesellschaft vorsehe, nur dazu dienten, den Fortbestand
der Gesellschaft überhaupt erst zu ermöglichen. Zudem deute Seite 16 des
Insolvenzplans an, dass eine Ertragsplanung vorliege, die den Fortbestand der
Gesellschaft zum Gegenstand habe. Einer solchen würde es nicht bedurft haben,
wenn die Gesellschaft nicht fortbestehen solle.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 7. Februar 2019 (Bl. 94 d.A.) hat das
Registergericht daran festgehalten, dass im Streitfall eine Fortsetzung der
Gesellschaft nicht möglich sei. Der Insolvenzplan müsse eine abschließende und
eindeutige Aussage zum Fortbestand der Gesellschaft treffen, um als Basis für
einen Fortsetzungsbeschluss dienen zu können. Es genüge gesellschaftsrechtlich
nicht, im Insolvenzplan offen zu lassen, ob die Gesellschaft fortbestehen soll, oder
Situationen zu beschreiben für den Fall, dass die Gesellschaft nicht oder doch
fortbestehe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die fristgerecht eingelegte Beschwerde, mit
der die betroffene Gesellschaft daran festhält, es liege ein Fall zulässiger
Fortsetzung nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens vor.

II. Die statthafte und in zulässiger Weise erhobene Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Registergericht die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 Nr. 4
GmbHG – auch im Lichte des Schriftsatzes der Beschwerdeführerin vom 7. März
2019, Bl. 144-148 d.A. nebst dessen Anlagen, soweit in Bezug genommen – als
nicht erfüllt angesehen.

1.) Zwar eröffnet § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG von Gesetzes wegen grundsätzlich die
Möglichkeit zur Fortsetzung einer GmbH, wenn das Insolvenzplanverfahren
aufgehoben ist; dies gilt allerdings nicht voraussetzungslos, sondern dem Gesetze
nach, wenn in dem Insolvenzplan der Fortbestand der Gesellschaft vorgesehen
ist. Daran fehlt es im Streitfall.

a) Die oben zitierte Passage aus dem Insolvenzplan, auf die auch der Schriftsatz
vom 7. März 2019 zentral abstellt, in welcher es heißt, „ihr (=der Gesellschaft) soll
hierdurch die grundsätzliche Möglichkeit gegeben werden, entsprechend ihres
Geschäftszwecks weiterhin werbend tätig zu sein“, bleibt abstrakt und sieht allein
„die grundsätzliche Möglichkeit“ einer Fortführung vor. Sie umreißt aber in keiner
Weise konkret, wann und wie das geschehen soll. Vielmehr enthält der
Insolvenzplan allein Regelungen, die zum Inhalt haben, dass das gesamte bei der
Insolvenzschuldnerin noch vorhandene Vermögen zur Tilgung der Masseschulden
und zur quotalen Verteilung auf die Insolvenzgläubiger verbraucht wird.

b) Auch die als Anlage 3 zum Schriftsatz vom 7. März 2019 vorgelegte
eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers/Geselllschafters der
Alleingesellschafterin (Bl. 230 d.A.), wonach dieser stets Fortsetzungswillen
gehabt habe, ist gänzlich substanzlos.

c) Eine konkrete und nachvollziehbar näher beschriebene Absicht zur Fortführung
der Gesellschaft als werbende Gesellschaft nach Aufhebung des
Insolvenzplanverfahrens lässt der Insolvenzplan nicht erkennen; er lässt auch
nicht erkennen, aus welchen sächlichen, persönlichen und finanziellen Mitteln dies
geschehen sollte oder auch nur könnte. Ein etwa vorhandener Fortführungsplan
oder ein Konzept für die Geschäftsfortführung hat in den Insolvenzplan keinen
Eingang gefunden. Die Beschwerdeführerin hat auch den angeblich existierenden
Ertragsplan nicht zu den Akten gelangen lassen. Dass die früheren Arbeitnehmer
der Beschwerdeführerin noch vertraglich verbunden wären, ist weder vorgetragen
noch angesichts der verstrichenen Zwischenzeit anzunehmen.

d) Die Ausführungen im Insolvenzplan lassen vielmehr erkennen, dass die
Zustimmung der Gläubiger zum Insolvenzplan (und die Zustimmung zur
Quotenverbesserung von gut 2 % auf gut 8 % ihrer Forderung) dadurch befördert
und erzielt worden ist, dass die Alleingesellschafterin als Darlehen 15.000 €
eingeschossen haben wird (die im Insolvenzplan alternativ aufgezeigte Möglichkeit
einer Kapitalerhöhung in Höhe des genannten Betrages wurde nicht verwirklicht).
Daraus folgt, dass die Gemeinschuldnerin, die wegen drohender
Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzplanverfahren beantragt hat, über eine
irgendgeartete Finanzausstattung nicht mehr verfügt, vielmehr aus dem
Insolvenzplanverfahren noch eine zusätzliche Darlehensschuld von 15.000 €
herrührt, die ihre Eröffnungsbilanz belastet.

e) Der einzige nachvollziehbar erscheinende Grund, warum die
Gemeinschuldnerin aufrechterhalten werden soll, dürfte in der ihr erteilten
gewerberechtlichen Erlaubnis vom 4. April 2013 liegen, die der
Beschwerdeführerin vor dem Insolvenzplanverfahren die Ausübung des
Bewachungsgewerbes gestattet hat (Bl. 128 d.A.). Dass von der Altgenehmigung
nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auch noch in der Zukunft Gebrauch
gemacht werden soll, erscheint jedoch, nachdem das Vermögen der
Beschwerdeführerin zur Gänze verteilt worden ist, in keiner Weise schützenswert;
insoweit bedarf es vielmehr einer neuen aktuellen gewerberechtlichen
Überprüfung der Frage, ob eine Rechtsnachfolgerin der Beschwerdeführerin bzw.
die wiederaufgelebte (vgl. dazu auch sogleich unter 2.) Beschwerdeführerin unter
gleicher Leitung die Anforderungen an eine gewerberechtliche Zuverlässigkeit
noch oder wieder erfüllt.

Das gilt umso mehr, als das durchgeführte Insolvenzverfahren, in dem die
festgestellten Altschulden zu Lasten aller Insolvenzgläubiger zu einer unter 10%
liegenden Insolvenzquote erledigt worden sind, im Streitfall praktisch eine
Abwälzung der Schulden zu Lasten der Allgemeinheit dargestellt hat. Dies
erschließt sich daraus, dass sich die Schuldnerin festgestellten Forderungen von
knapp 270.000€ gegenüber sah, deren Gläubigerkreis vor allem
Sozialversicherungsträger, Finanzamt und Bundesagentur für Arbeit gewesen sind
(vgl. dazu die Insolvenztabelle Bl. 144 des Sonderbandes mit Kopien aus dem
Insolvenzverfahren).

Dagegen kann die Beschwerdeführerin auch nicht mit Erfolg darauf verweisen,
dass sie nur die Komplementär-GmbH zu einer Kommanditgesellschaft sei bzw.
gewesen sei. Denn es ist im Streitfall vielmehr so, dass bei der
Kommanditgesellschaft selbst noch einmal ebenfalls hohe unbeglichene
Schulden, vornehmlich gegenüber Sozialversicherungsträgern, angewachsen
waren (vgl. Bl. 225 - 229. d.A.). Deshalb verfängt keinesfalls der von der
Beschwerde befürwortete Mechanismus, dass bei der Beschwerdeführerin die
Fortsetzung zwingend einzutragen sei, nachdem sich das Registergericht für die
Kommanditgesellschaft dazu entschlossen habe.

2.) Wollte man entgegen dem Vorstehenden die Fortsetzungsfähigkeit der
vormaligen Gemeinschuldnerin grundsätzlich bejahen und eine eigene
Prüfungsbefugnis der Registergerichte hinsichtlich der im Insolvenzplan zum
Ausdruck kommenden Fortsetzung der Gesellschaft verneinen wollen, hätten die
Anmelder im Streitfall zudem die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der
Gesellschaft nicht zureichend dargetan.

Wenn – wie im Streitfall – zwischen der Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens
und dem Fortsetzungsbeschluss geraume Zeit vergeht, hier etwa sechs Monate,
und zudem der Insolvenzplan die Verteilung sämtlicher finanzieller Mittel der
Insolvenzschuldnerin vorsieht, ohne dass ihr Spielräume für eine Fortsetzung
verbleiben oder geschaffen würden, so könnte das Registergericht bezogen auf
den Zeitpunkt des Fortsetzungsbeschlusses der Alleingesellschafterin und dessen
Anmeldung in Anlehnung an die Ausführungen in Münchener Kommentar zum
GmbH-Gesetz/Berner, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 60 Rn. 249, sowie der BGHEntscheidung
II ZR 56/10, juris-Rn. 9, zumindest verlangen, dass entsprechend
den Anforderungen an eine wirtschaftliche Neugründung die Geschäftsführung
versichern müsste, dass der Gegenstand der geschuldeten Stammeinlage
zumindest zur Hälfte aufgebracht ist und zu ihrer freien Verfügung steht.

Entsprechendes fehlt im Streitfall; das Registergericht hatte für einen
entsprechende/n Auflage/Hinweis auch nach dem oben unter 1.) Ausgeführten
auch noch keinen Anlass.

Dafür, dass das Registergericht ein solches Verlangen erheben kann, spricht
insbesondere, dass für das Überwinden der unternehmerischen Krise – der
Bundesgerichtshof postuliert für die Unternehmensfortführung in seinem
Beschluss zu BGH II ZB 13/14, juris-Rn. 12, dass das Unternehmen als
wirtschaftliche Einheit aus Sach– und Personalmitteln am Markt erhalten bleibt –
im Streitfall wie dargelegt nichts spricht. Das Unternehmen stellt sich vielmehr
nach derzeitiger Sicht als leere GmbH-Hülle dar, welche allein noch über eine
gewerberechtliche Genehmigung zu verfügen meint.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gründet sich darauf, dass die Frage, ob
nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens die Fortsetzung einer GmbH allein
davon abhängt, dass die Gesellschafter einen Fortsetzungsbeschluss treffen oder
ob dem Registergericht eine eigenständige Prüfung der konkretisierten
Fortsetzungsabsicht und –prognose eröffnet ist und welche Anforderungen ggfs.
gestellt werden dürfen, noch gänzlich ungeklärt ist.
… … …

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Celle

Erscheinungsdatum:

08.03.2019

Aktenzeichen:

9 W 17/19

Rechtsgebiete:

GmbH

Normen in Titel:

GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4