Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz; Änderung der Freigrenzen in Niedersachsen
letzte Aktualisierung: 22.3.2023
OLG Braunschweig, Beschl. v. 30.11.2022 – 2 W 113/22
Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz; Änderung der Freigrenzen in
Niedersachsen
Das Niedersächsische Gesetz über Grundstücksgeschäfte im Bereich der Landwirtschaft
(NGrdstLwG) vom 29.06.2022 gilt für Veräußerungsgeschäfte nach
der Eintragungsantrag erst nach seinem Inkrafttreten bei dem Grundbuchamt eingeht.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. ist eingetragener Eigentümer des im Grundbuch von Heckenbeck Blatt 557
verzeichneten Grundbesitzes. Dabei handelt es sich um eine Landwirtschaftsfläche in der Größe
von 7.332 qm.
Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 20.06.2022 (UR-Nr.: 434/22 des Notars E,
Northeim/Bl. 43. ff. d. A.) hat der Beteiligte zu 1. der Beteiligten zu 2. den Grundbesitz
verkauft. Gleichzeitig ist unter § 2 des Vertrags die Auflassung erklärt worden.
Mit am 29.09.2022 bei dem Grundbuchamt eingegangenem Antrag vom 24.09.2022 hat der
Notar den Antrag auf Eigentumsumschreibung gestellt. Das Grundbuchamt hat mit Verfügung
vom 05.10.2022 auf Eintragungshindernisse hingewiesen und im Hinblick auf das
Niedersächsische Gesetz über Grundstücksgeschäfte im Bereich der Landwirtschaft
(NGrdstLwG) vom 29.06.2022 die Vorlage einer Genehmigung/eines Negativattests nach § 2
GrdstVG verlangt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 14.11.2022, mit welcher sie die
Auffassung vertreten, dass keine Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz
erforderlich sei, weil der Vertrag bereits am 22.06.2022 geschlossen worden sei und deshalb das
bis zum 31.08.2022 geltende Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum
Grundstücksverkehrsgesetz zur Anwendung komme. Dieses Ergebnis folge auch aus § 1 Abs. 1
S. 2 NGrdstLwG, da hiernach zur Berechnung der Größe der Grundstücke auch diejenigen
Grundstücke mit einzuschließen seien, die bis zum 31.08.2022 nach § 1 des Niedersächsischen
Ausführungsgesetzes zum Grundstücksverkehrsgesetz veräußert worden seien.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.11.2022 nicht abgeholfen, weil
es auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Eigentumsumschreibung bei dem
Grundbuchamt ankomme, und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als
Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die zulässige Beschwerde (
Das Grundbuchamt hat zu Recht mit Zwischenverfügung vom 05.10.2022 die Vorlage einer
Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz verlangt.
a) Nach
genehmigungsbedürftigen Veräußerung erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn
dem Grundbuchamt die Unanfechtbarkeit der Genehmigung nachgewiesen wird. Bis zur
Erteilung der Genehmigung ist die Verfügung schwebend unwirksam (vgl. Demharter, GBO,
31. Aufl., § 19 Rn. 117; Hügel, a. a. O., Rn. 31 m. w. N.). Das Grundbuchamt hat deshalb
sowohl im Rahmen des
ob der Rechtsvorgang sachlich und zeitlich genehmigungspflichtig ist oder wenigstens sein kann.
Kommt das Grundbuchamt zu dem Ergebnis, dass eine Genehmigungspflicht besteht oder hält
es diese nicht für völlig ausgeschlossen, so hat es den Nachweis der Genehmigung oder eine
Negativbescheinigung der Genehmigungsbehörde zu verlangen (vgl. Munzig in Keller/Munzig,
Grundbuchrecht, § 20 Rn. 139 f.; Hügel in: BeckOK GBO, 47. Edition,
„Verfügungsbeeinträchtigungen“ Rn. 67 m. w. N.).
b) So liegen die Dinge hier.
aa) Nach
Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag hierüber der Genehmigung. Da Gegenstand des
Kaufvertrags vom 20.06.2022 ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne von § 1 Abs. 1
GrdstVG ist und die Voraussetzungen eines genehmigungsfreien Rechtsgeschäfts nach § 4
GrdstVG nicht vorliegen, ist der Vertrag vom 20.06.2022 grundsätzlich genehmigungsbedürftig.
Demgemäß hat das Grundbuchamt zu Recht nach
entgegenstehende Hindernisse hingewiesen und eine angemessene Frist zur Behebung des
Hindernisses durch Vorlage einer Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz oder
eines Negativattests nach
bb) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist das Geschäft nicht gemäß § 2 Abs. 3
Nr. 2 GrdstVG genehmigungsfrei.
(1) Nach dieser Norm können die Länder bestimmen, dass die Veräußerung von Grundstücken
bis zu einer bestimmten Größe keiner Genehmigung bedarf. Richtig ist zwar, dass nach § 1
GrdstVGAG ND (Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Grundstücksverkehrsgesetz) die
Veräußerung von Grundstücken, die kleiner als 1,00 ha sind, genehmigungsfrei gestellt worden
ist. Dies trifft auf das hier in Rede stehende Grundstück zu, weil die Größe lediglich 7.332 qm
beträgt. Das Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Grundstücksverkehrsgesetz ist jedoch
nach § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 NGrdstLwG mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am
01.09.2022 außer Kraft getreten. Gemäß dem nun geltenden § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NGrdstLwG
ist nur noch die Veräußerung von solchen Grundstücken nach dem Grundstücksverkehrsgesetz
genehmigungsfrei, die kleiner als 0,5 ha sind, was auf das hier verkaufte Grundstück nicht
zutrifft.
(2) Dass das Niedersächsische Gesetz über Grundstücksgeschäfte im Bereich der
Landwirtschaft erst nach Abschluss des Vertrags vom 20.06.2022 in Kraft getreten ist, steht dem
nicht entgegen. Die Genehmigungsbedürftigkeit muss zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung
bestehen (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl., § 19 Rn. 116 m. w. N.). Die Einführung eines
Genehmigungszwangs hat zwar regelmäßig keine Rückwirkung, wenn nur das
Verpflichtungsgeschäft für genehmigungspflichtig erklärt wird und bereits wirksam ist. Eine
Genehmigungspflicht entsteht aber dann, wenn die rechtsgeschäftliche Verfügung vor ihrer
Eintragung in das Grundbuch einem Genehmigungszwang unterworfen wird (Hügel, a. a. O.,
Rn. 34; Keller/Munzig, a. a. O., Rn. 146; Demharter, a. a. O., § 19 Rn. 121).
Hieran gemessen ist die Eigentumsübertragung genehmigungspflichtig.
(a) Nach
Grundstücks als auch der schuldrechtliche Vertrag hierüber genehmigungsbedürftig. Da der
schuldrechtliche Vertrag am 20.06.2022 und damit noch unter Geltung des Niedersächsischen
Ausführungsgesetzes zum Grundstücksverkehrsgesetz geschlossen worden ist, ist er ohne
Genehmigung wirksam. Dies führt jedoch nicht zu einer genehmigungsfreien Wirksamkeit der
Veräußerung. Denn nach
schuldrechtlichen Vertrags, die hier nicht vorliegt, auch die in Ausführung des Vertrags
vorgenommene Auflassung als genehmigt.
Die nach
Veräußerung des Grundstücks bedarf für ihre materiell-rechtliche Wirksamkeit nach § 873 Abs.
1 BGB neben der schon vorliegenden Einigung der Beteiligten über die Rechtsänderung noch
der Eintragung im Grundbuch, an der es hier fehlt. Die Verfügung ist mithin noch nicht
wirksam vorgenommen worden. Der hierfür noch erforderliche Rechtsakt, nämlich die
Eintragung im Grundbuch, vollzieht sich vielmehr unter der Geltung des am 01.09.2022 in
Kraft getretenen Niedersächsischen Gesetzes über Grundstücksgeschäfte im Bereich der
Landwirtschaft, so dass auch dessen Freistellungsgrenze zur Anwendung kommt (vgl. auch
BayObLG, Beschluss v. 14.07.1977 – BReg. 2 Z 31/76,
(b) Die Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 NGrdstLwG führt zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach
errechnet sich die Größe von Grundstücken zwar u. a. unter Einschluss von Grundstücken, die
innerhalb von drei Jahren vor der Veräußerung aus dem im Zuständigkeitsbereich derselben
Genehmigungsbehörde gelegenen Grundeigentum der veräußernden Person genehmigungsfrei
bis zum 31.08.2022 nach § 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum
Grundstücksverkehrsgesetz veräußert wurden. Daraus folgt jedoch nicht, dass bis zum
31.08.2022 erklärte Auflassungen generell nach dem alten Rechtsstand zu beurteilen sind; es
geht vielmehr um Veräußerungen, die bis zum 31.08.2022 durch Eintragung im Grundbuch
wirksam geworden sind bzw. deren Eintragungsantrag bis zu diesem Zeitpunkt gestellt worden
ist.
2.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da sich die Kostenregelung unmittelbar aus dem
Gesetz ergibt (
3.
Gemäß
Bedeutung hat.
4.
Der Beschwerdewert ist gemäß den §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 u. 3 GNotKG festgesetzt
worden.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Braunschweig
Erscheinungsdatum:30.11.2022
Aktenzeichen:2 W 113/22
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Sonstiges Öffentliches Recht
GrdstVG § 2