Kommanditistenaußenhaftung im Insolvenzverfahren
letzte Aktualisierung: 13.12.2019
OLG Hamm, Urt. v. 2.9.2019 – 8 U 3/19
HGB §§ 128, 161, 171, 172 Abs. 4
Kommanditistenaußenhaftung im Insolvenzverfahren
Im Hinblick auf die Außenhaftung des Kommanditisten ist entscheidend, ob die auf dem Insolvenzanderkonto
vorhandenen liquiden Mittel die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten
abdecken, sodass nach deren Bereinigung aus der Insolvenzmasse ein nicht unerheblicher Betrag
verbleiben wird, der an die Insolvenzgläubiger verteilt werden kann. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G GmbH & Co. Containerschiff
KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) und nimmt den Beklagten nach erstinstanzlicher
Abweisung der Klage im Berufungsverfahren weiterhin als Kommanditisten auf
Rückzahlung von Ausschüttungen i.H.v. 17.000,00 € in Anspruch.
Die im Jahr 2003 gegründete Insolvenzschuldnerin ist ein Publikumsfonds, der den Erwerb
und Betrieb der Containerschiffe MS „B“ und MS „B2“ zum Gegenstand hatte. Die Schiffe
wurden mittels Schiffshypothekendarlehen der I AG und der D sowie Einlagen der
Kommanditisten finanziert. In dem Verfahren mit dem Az. 67b IN 18/13 Amtsgericht
Hamburg wurde mit Beschluss vom 21.02.2013 das Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter
bestellt (Anlage K 1). Der Beklagte war entsprechend seiner Eintragung im
Handelsregister A des Amtsgerichts Hamburg als Kommanditist an der
Insolvenzschuldnerin mit einer Kommanditeinlage i. H. v. 50.000,00 € beteiligt (HRA
###70, Anlage K 5).
In den Jahren von 2004 bis 2008 erhielt der Beklagte von der Insolvenzschuldnerin
Ausschüttungen nach § 172 Abs. 4 S. 2 HGB in einer Gesamthöhe von 24.500,- €, wegen
deren Zusammensetzung auf S. 2 des angefochtenen Urteils verwiesen wird. In den
Zeitpunkten der Ausschüttungen waren diese jeweils nicht durch Vermögenseinlagen
gedeckt.
Im Jahre 2010 führte der Beklagte im Rahmen eines Sanierungsverfahrens 7.500,- € an
die Insolvenzschuldnerin zurück. Nach der Insolvenzeröffnung vom 21.02.2013 wurden
nach den Angaben des Klägers bis zum Stichtag 22.02.2017 Forderungen von 38
Gläubigern in Gesamthöhe von 18.865.059,18 € zur vom Kläger mit „winsolvenz“ erstellten
Insolvenztabelle nach § 175 InsO angemeldet (Anlage K 2); diese sollen in der aus der
Tabellenstatistik Anlage K 10 ersichtlichen jeweiligen Höhe durch das Insolvenzgericht
festgestellt, für den Ausfall festgestellt, bestritten bzw. zurückgenommen worden sein. Die
Einzelheiten und Zusammensetzung hat der Beklagte erstinstanzlich mit Nichtwissen
bestritten. Auf zwei Insolvenzanderkonten waren zum einen zum 06.02.2018 ein Guthaben
von 3.967.775,71 € (Anlage K 8) und zum anderen zum 23.12.2016 ein Guthaben von
226.066,73 USD (Anlage K 4) vorhanden; auch dies sowie spätere Kontenstände hat der
Beklagte mit Nichtwissen bestritten.
Mit seiner seit dem 24.02.2017 beim Landgericht Arnsberg anhängigen und seit dem
28.03.2017 rechtshängigen Klage hat der Kläger eine Hauptforderung von 17.000,- €
nebst Zinsen aus wieder aufgelebter Kommanditistenhaftung gerichtlich geltend gemacht.
Er hat erstinstanzlich zuletzt behauptet, dass beide Schiffe mittlerweile verkauft seien, die
MS B für 6.000.000,- $ und die MS B2 für 6,75 Millionen $. Er warte noch auf Mitteilung
der beiden Schiffshypothekengläubigerinnen nach § 190 InsO, ob/inwieweit diese bei der
Befriedigung aus dem Sicherungsgut mit ihren Forderungen ausgefallen seien. Die
Inanspruchnahme der schuldnerischen Kommanditisten sei jedenfalls erforderlich.
Guthaben auf den beiden Anderkonten zum 20.08.2018 von nunmehr insgesamt
4.427.178,97 € stünden festgestellte Insolvenzforderungen von 91.997,40 €, für den
Ausfall festgestellte Insolvenzforderungen von 11.456.908,77 €, bestrittene
Insolvenzforderungen von 235.239,49 € und nachgemeldete Insolvenzforderungen von
144.468,59 € gegenüber, so dass sich die Unterdeckung ohne Verfahrenskosten auf
-7.501.435,28 € belaufe.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 17.000,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet und die Auffassung vertreten, dass seine Inanspruchnahme zur
Befriedigung der Insolvenzgläubiger jedenfalls nicht erforderlich sei. Die jeweiligen
Insolvenzforderungen und die Zahlen hinsichtlich des Verkaufs der Schiffe hat er jeweils
mit Nichtwissen bestritten. Er hat gemeint, dass die Verkaufspreise der Schiffe nach
ordnungsgemäßer Abrechnung in die Tabelle aufzunehmen und dort zu aktualisieren
seien.
Das Landgericht hat dem Kläger mit Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 20.07.2018
aufgegeben, die amtliche Insolvenztabelle binnen drei Wochen vorzulegen. Dieser Auflage
ist der Kläger bis zum Ende der für die Entscheidung im schriftlichen Verfahren gesetzten
Schriftsatzfrist bis zum 31.10.2018 nicht nachgekommen.
Das Landgericht Arnsberg hat mit dem erstinstanzlichen Urteil vom 30.11.2018 die
Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt,
dass die Klage zulässig, aber unbegründet sei. Der Streitgegenstand sei hinreichend
bestimmt, es liege keine zu unbestimmte Teilklage vor. Auch die Rechtswegzuständigkeit
der Kammer sei gegeben. Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Zahlung von
17.000,00 € aus den §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 S. 2 HGB nicht schlüssig dargelegt. Zwar
sei es nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.02.2018 ausreichend, wenn der
Kläger die Insolvenztabelle mit den festgestellten Forderungen vorlege, die nicht aus der
Insolvenzmasse befriedigt werden könnten. Der Kläger habe jedoch keine gerichtliche
Insolvenztabelle vorgelegt. Die von ihm vorgelegten Ausdrucke der bei ihm selbst
genutzten Software „winsolvenz“ genügten den Anforderungen der Rechtsprechung nicht.
Dies ergebe sich daraus, dass sich nur aufgrund der gerichtlichen Tabelle mittelbar aus §
201 Abs. 2 InsO eine Rechtskraftwirkung ergebe, die ein Ausdruck aus der beim Kläger
intern geführten Software nicht zu erzeugen vermöge. Trotz Auflage der Kammer habe der
Kläger die gerichtliche Insolvenztabelle nicht vorgelegt. Der stattdessen mögliche
schlüssige Vortrag der einzelnen Gläubigerforderungen sei dem Kläger ebenfalls nicht
gelungen. Der zu einzelnen ausgewählten Forderungen erfolgte Vortrag genüge vom
Umfang her ersichtlich nicht für die Annahme, dass die Verbindlichkeiten nicht aus der
Insolvenzmasse befriedigt werden könnten. Das vorgelegte Schreiben der I AG vom
14.11.2017 über eine nach Verwertung „des Schiffes“ noch auf 6.567.659,06 € zu
beziffernde Forderung sei nicht konkret genug, weil sich aus ihm nicht ergebe, ob dies
auch die Verwertung des anderen Schiffes mit umfasse. Insoweit habe der Kläger zuletzt
mitgeteilt, nach Veräußerung der Schiffe noch auf die abschließende Mitteilung der
Schiffshypothekengläubigerinnen über ihren Ausfall zu warten. Der Beklagte habe das
Bestehen der Forderungen, die ordnungsgemäße Anmeldung und Prüfung sowie den vom
Kläger mitgeteilten Stand der Aktiva und Passiva bestritten.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und macht zur Begründung seines
weiterverfolgten Antrags erster Instanz im Wesentlichen Folgendes geltend:
Die Entscheidung des Landgerichts sei mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht vereinbar. Auch in dem durch diesen mit Urteil vom
20.02.2018 bei einem gleich gelagerten Sachverhalt entschiedenen Fall sei die
gerichtliche Insolvenztabelle nicht vorgelegt worden. Vielmehr genüge er – der Kläger
– seiner Darlegungslast durch die Vorlage der von ihm geführten Insolvenztabelle
gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 InsO. Der Bundesgerichtshof habe zu keinem Zeitpunkt die
Vorlage der gerichtlichen Insolvenztabelle zur Darlegung der Insolvenzforderungen
gefordert. Vielmehr habe er bereits mit Urteil vom 18.10.2011 entschieden, dass der
Insolvenzverwalter seiner Darlegungslast durch Vorlage einer bloßen
Forderungsaufstellung genüge.
Das Oberlandesgericht Frankfurt habe im hiesigen Insolvenzverfahren aktuell
entschieden, dass er – der Kläger – seiner Substantiierungslast bereits dann genüge,
wenn er die durch ihn selbst erstellte Tabelle gemäß § 175 InsO in das Verfahren
einführe. Demgegenüber habe das Landgericht seine – des Klägers – Darlegungslast
überspannt.
Schließlich habe das Landgericht auch verkannt, dass der Beklagte hinsichtlich der
festgestellten Insolvenzforderungen – auch der Ausfallforderungen (vor allem der I
AG) - mit jeglichen Einwendungen aufgrund der Rechtskrafterstreckung auf den
Kommanditisten ausgeschlossen sei. Das Landgericht habe das Bestreiten des
Beklagten daher schon nicht berücksichtigen dürfen.
Mit Schriftsatz vom 15.08.2019 hat der Kläger unter Vorlage eines aktuellen
Kontoauszuges (Anlage BK 2), einer Kopie der Tabelle des Amtsgerichts Hamburg im
Insolvenzverfahren nebst angepasster eigener Tabellenstatistik (Anlage BK 3), eines
Beschlusses des Amtsgerichts Hamburg zur Anmeldung gem.
Gläubigerforderungen bis zum 09.08.2019 (Anlage K 4) sowie Korrespondenz über
die Forderungsaufstellung mit dem Amtsgericht Hamburg und der Rechtsnachfolgerin
der I AG (Anlage K 5) behauptet, dass sich das inzwischen nach Übertragung des
Guthabens vom USD-Konto auf das EUR-Insolvenzverwalterkonto nur noch auf
diesem geführte Guthaben auf 4.777.913,06 € zum 14.08.2019 belaufe, vorrangige
Insolvenzforderungen von 6.176.666,37 € festgestellt worden seien und zudem
feststellungsfähige nachrangige Forderungen i.H.v. 1.586.891,46 € angemeldet
worden seien.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn – den
Kläger – 17.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Berufungsangriffe des Klägers und macht hierzu
im Wesentlichen Folgendes geltend:
Das Landgericht habe zutreffend entschieden, dass der Kläger nicht schlüssig
dargelegt habe, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung Forderungen
von Gesellschaftsgläubigern bestünden, für welche er – der Beklagte – hafte und die
nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden könnten.
Die Entscheidung des Landgerichts befinde sich auf einer Linie mit anderweitigen
ober- und höchstrichterlichen Entscheidungen zur identischen Insolvenzmasse des
OLG Koblenz, LG Kempten, OLG Bamberg und LG München, deren Begründungen
er – der Beklagte – sich zu eigen mache.
Sollte der Senat hiervon abweichend entscheiden wollen, wäre wegen Divergenz zu
den genannten Entscheidungen die Revision zuzulassen. Das OLG Frankfurt habe in
der vom Kläger zitierten Entscheidung aus diesem Grunde die Revision zugelassen.
Mit den Anl. K 2 und K 10 habe der Kläger über die angemeldeten Forderungen
jeweils nur einen Eigenbeleg vorgelegt. Es mangele weiter an der Vorlage einer
gerichtlichen Tabelle mit festgestellten Forderungen. Diese werde gemäß § 178 Abs.
2 InsO zum Prüftermin von dem Insolvenzgericht erstellt und ab diesem Zeitpunkt dort
weitergeführt. Dem Eigenbeleg eines Verwalters könne nicht die vom
Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 20.02.2018 behandelte
Rechtskrafterstreckung auf Dritte zukommen.
Der Insolvenzverwalter habe seine Klage nach § 253 ZPO zu substantiieren. Dies
gelte insbesondere auch für die Niederlegung hinsichtlich der
Insolvenzgläubigerforderungen auf Passivseite und Änderungen auf Aktivseite in
Ergänzung der Tabelle.
Soweit dem Streitstoff des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof vom 20.02.2018
eine mit „winsolvenz“ erstellte Tabelle zugrunde gelegen habe, sei dies vom dortigen
Beklagten nicht wie vorliegend mit konkreten Angriffen gegen die Tabelle unter dem
Gesichtspunkt der Vorlage eines Eigenbeleges thematisiert worden.
Selbst wenn man die Anl. K 2 und K 10 als ausreichend zur Substantiierung der
Gläubigerforderungen ansehen wolle, habe der Kläger die Höhe der Aktiva und
Passiva nicht schlüssig dargelegt. Zudem seien die Zahlungsangaben des Klägers zu
den Verkaufserlösen der Schiffe und den Ausfallforderungen der D und I dem Grunde
und der Höhe nach unplausibel und würden weiterhin bestritten.
In zwei Parallelverfahren zur identischen Insolvenzmasse vor dem OLG München
habe der Kläger die Verfahren vor dem Hintergrund für erledigt erklärt, dass der
Kläger eine Forderung des Finanzamtes aus Gewerbesteuer i.H.v. rund 2 Mio. €
bedingt durch den Verkauf des Schiffes im Insolvenzverfahren unzulässig aus durch
die Einzahlungen von Kommanditisten vorhandenen Mitteln beglichen habe und diese
der Insolvenzmasse daher hinzuzurechnen seien. Dann ergebe sich keine
Masseunterdeckung.
Er – der Beklagte – sei auch keineswegs insgesamt mit Einwendungen gegen die
festgestellten Forderungen ausgeschlossen. Vielmehr unterfielen konkrete
Einwendungen der vom Bundesgerichtshof vorgesehenen einschränkenden
Auslegung des § 129 HGB. Auch im Falle einer festgestellten Forderung, die
offensichtlich unberechtigt sei, könne die Klage unbegründet sein.
Überdies treffe den Kläger die sekundäre Darlegungslast, insbesondere die Höhe der
Ausfallforderungen darzulegen. Hinsichtlich der Ausfallforderungen der I und der D
bestehe prozessual noch kein Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage, sondern
nur dem Grunde nach. Dementsprechend sei in dem Verfahren vor dem OLG
Bamberg mit vergleichbarem Sachverhalt auf eine Feststellungsklage umgestellt
worden.
Schließlich sei unabhängig davon die Tabelle hinsichtlich der für den Ausfall
festgestellten Forderungen der I unstreitig inhaltlich falsch, weil diese und nicht die B3
Management als Gläubigerin bezeichnet sei. Der Kläger müsse insoweit zur
Substantiierung der Forderung die Titelumschreibung nach § 727 ZPO oder ähnliches
nachweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze und der zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg, denn seine Klage ist zulässig und
begründet.
A. Zulässigkeit der Berufung:
Die Berufung des Klägers ist gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegen das im ersten
Rechtszug ergangene Endurteil des Landgerichts, das ihn mit mehr als 600,00 €
beschwert, statthaft. Sie ist auch fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO
schriftlich beim Senat eingelegt worden (§ 519 Abs. 1 ZPO) und innerhalb der
Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO vor dem Senat begründet worden.
B. Begründetheit der Berufung:
Die Berufung des Klägers ist begründet, weil das Landgericht die Klage zu Unrecht als
zwar zulässig, aber unbegründet abgewiesen hat.
I. Zulässigkeit der Klage
1. Zuständigkeit
Die vom Landgericht erstinstanzlich angenommene örtliche und sachliche Zuständigkeit
unterliegt grundsätzlich gem. § 513 Abs. 2 ZPO nicht der Überprüfung durch den Senat.
Allerdings hat das Landgericht seine Rechtswegzuständigkeit – bzgl. derer grundsätzlich
gem. § 17 a Abs. 5 GVG ebenfalls Bindung für den Senat besteht - in dem angefochtenen
Urteil festgestellt, ohne hierüber – wie es geboten gewesen wäre - vorab durch
rechtsmittelfähigen Beschluss zu entscheiden (vgl. Musielak/Voit/Wittschier, GVG, § 17 a
Rn. 19-22, beck-online). Jedoch ergibt die deshalb notwendige eigene Sachprüfung des
Senats, dass das Landgericht zu Recht von seiner Rechtswegzuständigkeit für die Haftung
aus § 171 Abs. 2 HGB ausgegangen ist, auch wenn der Anspruch anteilig materiell durch
Steuerforderungen ausgefüllt sein sollte (vgl. Senat, Urteil vom 11.06.2018, 8 U 124/17,
juris, Rn. 8).
2. Teilklage
Die Klage ist zulässig. Insbesondere liegt in der vorliegend Konstellation – wie der
Bundesgerichtshof in einem anderen Verfahren geklärt hat (BGH, Urt. v. 20.02.2018, II ZR
272/16) - keine unzulässige Teilklage vor. Anders als bei der Geltendmachung der
persönlichen Haftung des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß §
93 InsO stellt die Inanspruchnahme eines Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter
gemäß § 171 HGB keine Teilklage dar, wenn dessen noch offene Haftsumme insgesamt
geltend gemacht wird. Es bedarf dann keiner Klarstellung, welche konkreten
Gläubigerforderungen in welcher Reihenfolge geltend gemacht werden. Denn der
Kommanditist haftet im Gegensatz zum Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts nicht unbeschränkt, sondern nur im Umfang seiner Haftungssumme. Die vom
Insolvenzverwalter einzuziehende Hafteinlage dient der gleichmäßigen anteiligen
Befriedigung aller berechtigten Gläubiger. Daher definiert in der Insolvenz nicht die
einzelne Gläubigerforderung, sondern die insgesamt bestehende Außenhaftung des
Kommanditisten den Streitgegenstand.
3. Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters
Die grundsätzliche Prozessführungsbefugnis des Klägers als Insolvenzverwalter gemäß §
171 Abs. 2 HGB steht vorliegend zwischen den Parteien nicht in Streit.
Soweit der Beklagte unter Hinweis auf verschiedene Verfügungen des Amtsgerichts
Hamburg als Insolvenzgericht des Verfahrens 67b IN 18/13 geltend macht, dass eine
Masseunzulänglichkeit vorliege, die der Kläger habe anzeigen müssen, weil der Beklagte
als Kommanditist nicht für Masseschulden und Massekosten hafte, sondern der
eingezogene Betrag vielmehr den Gesellschaftsgläubigern zugutekommen müsse, greift
dies nicht durch.
Die nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB eingezogenen Beträge dürfen nach überwiegender
Auffassung, der der Senat folgt, grundsätzlich nicht zur Deckung von Verfahrenskosten
und sonstigen Masseverbindlichkeiten herangezogen werden. Zwar ist der Anspruch nach
§ 171 Abs. 2 HGB bei der Massekostendeckungsprüfung (§ 26 InsO) so zu
berücksichtigen, als stünde er der Masse zu, damit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
nicht mangels Masse abgelehnt werden muss, obwohl die Geltendmachung der
Außenhaftung eine (ggf. anteilige) Befriedigung von Insolvenzgläubigern ermöglichen
würde (vgl. z. B. Haas/Mock, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019,
§ 171 Rn. 62). Daraus folgt aber nicht, dass die Kommanditisten zur Deckung der
Verfahrenskosten und zur Begleichung von Masseverbindlichkeiten herangezogen werden
dürfen. Denn die Befugnis, Forderungen der Gläubiger gegen Gesellschafter gebündelt
einzuziehen, setzt bereits bei Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten der
Gesellschaft voraus (BGH, Teilurteil vom 24. September 2009, IX ZR 234/07, Rn. 15,
juris).
Der Senat hat in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung geklärt, wie sich eine –
anders als vorliegend vom Insolvenzverwalter angezeigte – Masseunzulänglichkeit auf die
Außenhaftung des Kommanditisten für Gläubigerforderungen auswirkt:
Es ist entscheidend, ob die auf dem Insolvenzanderkonto vorhandenen liquiden Mittel die
Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten mehr als abdecken, sodass
nach deren Bereinigung aus der Insolvenzmasse absehbar ein nicht unerheblicher Betrag
verbleiben wird, der ungeachtet einer möglichen ursprünglichen Masseunzulänglichkeit an
die Insolvenzgläubiger zu verteilen sein wird (Senat, Urteil vom 11.06.2018, 8 U 124/17,
juris Rn. 29; Urteil vom 10.07.2019, 8 U 159/18). Das ist hier im Rahmen der für die
Zulässigkeit der Klage relevanten Prozessführungsbefugnis des Klägers nach seinem
insoweit hier ausreichenden schlüssigen Tatsachenvortrag zweifelsfrei der Fall:
Nach dem letzten Schriftsatz vom 15.08.2019, der Tatsachenvortrag enthält, der
angesichts der Entwicklung des Insolvenzverfahrens in erster Instanz noch nicht
vorgetragen werden konnte (vgl. §§ 529-531 ZPO), beträgt der Massebestand zum
14.08.2019 4.777.913,06 €, während die Insolvenzforderungen i.H.v. 6.176.666,37 €
festgestellt sind und die Masseforderungen jedenfalls deutlich darunter liegen. Eine
Masseunzulänglichkeit liegt damit nicht vor und die Klageforderung kann jedenfalls den
Gläubigern zugutekommen, was für die Prozessführungsbefugnis ausreicht.
II. Begründetheit der Klage
1. Hauptanspruch aus Kommanditistenhaftung
Die Begründetheit der Klageforderung i. H. v. 17.000,00 € ergibt sich aus den §§ 161, 128,
171, 172 Abs. 4 HGB.
Der Beklagte schuldet als Kommanditist die Zahlung des Betrages zur Masse, mit dem er
haftet und der zur Befriedigung der Gläubiger benötigt wird (vgl. Baumbach/ Hopt/Roth,
HGB, 38. Aufl., § 171 Rn. 12, beck-online; Senat, Urt. v. 07.07.2010, 8 U 106/09, Rn. 27,
juris).
Gemäß Anl. K 5 ist der Beklagte im Handelsregister A des Amtsgerichts Hamburg unter
der Nummer HRA ##### in der Liste der Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin
eingetragen. Er ist damit formell wirksam als Kommanditist festgestellt. Mit der wirksamen
Anmeldung sowie Bekanntmachung der Eintragung des Kommanditisten und des Betrags
seiner Einlage gemäß § 162 Abs. 1 und Abs. 2 HGB wirkt die Eintragung bezüglich des
Umfangs der Haftung des Kommanditisten gemäß §§ 172 ff. HGB verbindlich
(Baumbach/Hopt/Roth, a.a.O., § 162 Rn. 6, § 172 Rn. 1).
Ursprünglich hatte der Kläger seine sich aus der Eintragung im Handelsregister ergebende
Hafteinlage i. H.v. 50.000,00 € vollständig erbracht und war damit von einer
weitergehenden Haftung im Außenverhältnis frei.
a) Wiederaufleben der Haftung
Die ursprünglich durch Leistung gemäß § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB erloschene Haftung
gemäß § 172 Abs. 4 S. 1, 2 HGB ist aber teilweise – zunächst i.H.v. 24.500,00 € - wieder
aufgelebt.
Eine Rückzahlung der Einlage im Sinne v. S. 1 dieser Bestimmung ist jede Zuwendung an
einen Kommanditisten, durch die dem Gesellschaftsvermögen ein Wert ohne
entsprechende Gegenleistung entzogen wird. Darunter fallen auch (im
Gesellschaftsvertrag vorgesehene) Ausschüttungen, wenn die Zahlung nicht aus dem
Gewinn geleistet werden kann und das Kapitalkonto unter die bedungene Einlage
herabmindert oder eine bestehende Belastung vertieft. Aber auch die Entnahme von
Gewinnanteilen ist nach S. 2 haftungsschädlich, wenn der Kapitalanteil durch Verlust unter
den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit er durch die Entnahme
unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird (Baumbach/Hopt/ Roth, a.a.O., § 172
Rn. 4-12, beck-online). Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt, dass der
Gläubiger bzw. Insolvenzverwalter die Tatsache geschehener Zuwendungen an den
Kommanditisten nachweisen muss, während Letzterer die Voraussetzungen ihrer
Haftungsunschädlichkeit darzulegen hat (Haas/Mock, in: Röhricht/Graf von
Westphalen/Haas, a.a.O., § 172 Rn. 45; Baumbach/Hopt/Roth, a.a.O., § 172 Rn. 12, beckonline;
BGH, Urt. v. 11.12.1989, II ZR 78/89, BGHZ 109, S. 334-344, Rn. 14).
Gemessen daran ist hier von einem Wiederaufleben der Haftung in Höhe der
Klageforderung auszugehen. Unstreitig hat der Beklagte im Zeitraum von 2004 bis 2008
von der Insolvenzschuldnerin Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 24.500,00 €
erhalten. Der Kläger hat erstinstanzlich dargelegt, dass die Ausschüttungen an den
Beklagten nicht durch Vermögenseinlagen gedeckt gewesen seien, dadurch der
Kapitalanteil unter die bedungene Einlage herabgemindert worden sei und daher der
Betrag gemäß den §§ 171 Abs. 2, 174 Abs. 1, Abs. 4 HGB an ihn – den Kläger –
zurückzuzahlen sei. Diesem schlüssigen Vortrag ist der Beklagte nicht hinreichend
entgegengetreten. Er hätte näher darlegen und zahlenmäßig aufschlüsseln müssen, dass
sein Kapitalkonto auch unter Berücksichtigung der Ausschüttungen jeweils auskömmlich
oberhalb der Hafteinlage lag. Da hierzu keine näheren Ausführungen durch den Beklagten
erfolgt sind, können die von ihm darzulegenden Voraussetzungen einer
Haftungsunschädlichkeit nicht festgestellt werden; vielmehr ist von einer unstreitigen
Haftungsschädlichkeit der Ausschüttungen auszugehen.
Die Rückzahlung von 7.500,00 € in 2010 hat anteilig zu einem erneuten Erlöschen der
Haftung gemäß § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB geführt. Dies berührt aber nicht die Haftung für
den hier geltend gemachten Restbetrag von 17.000,00 €.
b) Aktivlegitimation
Der Kläger ist als Insolvenzverwalter gemäß § 171 Abs. 2 HGB kraft Amtes nicht nur
prozessual legitimiert, die Haftung als gesetzlicher Prozessstandschafter der Gläubiger
gegenüber dem Beklagten geltend zu machen (s. o.), sondern seine Einziehungsbefugnis
umfasst materiell-rechtlich die Aktivlegitimation für sämtliche Haftungsforderungen der
Gesellschaftsgläubiger, die ihre Forderungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Gesellschaft angemeldet haben, selbst wenn die Insolvenzforderungen vom
Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger bestritten und die Widersprüche nicht beseitigt
worden sind (BGH, Urt. v. 17.12.2015, IX ZR 143/13, BGHZ 208, S. 227-242).
c) Gläubigerforderungen
Der Klageforderung stehen Gläubigerforderungen in übersteigender Höhe gegenüber. Die
Haftung aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB setzt voraus, dass Forderungen von
Insolvenzgläubigern mindestens in Höhe des geltend gemachten Haftungsbetrages
bestehen. Insoweit trifft den klagenden Insolvenzverwalter im Ausgangspunkt die
Darlegungs- und Beweislast und kommt für den Fall des Nachweises der Insolvenztabelle
die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils zu, und zwar im Hinblick auf § 201 Abs. 2 InsO
auch gegenüber Kommanditisten (BGH, Urt. v. 20.02.2018, II ZR 272/16, juris, Rn. 13 ff.,
22 ff.).
aa) Zwischen den Parteien steht in Streit, ob – wofür grundsätzlich der Kläger darlegungsund
beweisbelastet ist – überhaupt wirksam zur Insolvenztabelle angemeldete und
festgestellte Gläubigerforderungen bestehen bzw. ob der Kläger diese im Prozess
schlüssig dargelegt hat, insbesondere, ob für den Vortrag zu den Gläubigerforderungen
die von dem Kläger in seiner Funktion als Insolvenzverwalter selbst erstellte und
vorgelegte Insolvenztabelle (§ 175 InsO) nebst „Tabellenstatistik“ (Anlage K 10) ausreicht
oder hierfür die Vorlage der von dem Insolvenzgericht gem. § 178 InsO zum Prüftermin
erstellten und erforderlichenfalls weitergeführten Insolvenztabelle ausreicht.
bb) Der Senat hat vor dem Hintergrund der o. g. Grundsatzentscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 20.02.2018 (a.a.O., Rn. 15) erhebliche Zweifel an der vom
Landgericht unter Verweis auf einen Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG
Koblenz, Urteil vom 06.11.2018, 3 U 265/18; OLG Bamberg, Beschluss vom 05.11.2018, 4
U 3/18; OLG München, Beschluss vom 23.04.2019, 18 U 2990/18, Beschluss vom
24.04.2019, 18 U 3194/18) vertretenen Rechtsauffassung, dass schon zur hinreichend
bestimmten (§ 253 Abs. 2 ZPO) oder jedenfalls zur inhaltlich schlüssigen Darlegung der
der Forderung gegen den Kommanditisten zu Grunde liegenden Gläubigerforderungen die
Vorlage einer (beglaubigten) Abschrift der vom Insolvenzgericht angefertigten
Insolvenztabelle im Sinne des § 178 InsO erforderlich sei. Diese Rechtsprechung dürfte
die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers (vgl. zu den Anforderungen an die
wechselseitigen Darlegungslasten im Zivilprozess grundlegend Greger, in: Zöller, ZPO, 32.
Aufl., § 138 Rn. 7 b, 8 a; BGH, NJW 2015, S. 468, 469) unter Vermischung mit der hiervon
zu trennenden möglichen Rechtskraftwirkung von zur Insolvenztabelle festgestellten
Gläubigerforderungen überspannen. Letztlich kann der Senat diese Frage jedoch im
Ergebnis offen lassen.
cc) An dem obigen Maßstab gemessen hat der Kläger seine Darlegungslast nämlich
jedenfalls inzwischen durch seinen Vortrag zu den im Insolvenzverfahren angemeldeten,
festgestellten und bestrittenen Gläubigerforderungen unter Vorlage und Bezugnahme auf
eine Kopie der vom Amtsgericht Hamburg erstellten Insolvenztabelle nach § 178 InsO
(Anlage BK 3) erfüllt. Danach bestehen nach
Gläubigerforderungen in Gesamthöhe von 6.562.659,86 €, die i.H.v. 6.176.666,37 €
festgestellt und i.H.v. 385.993,49 € bestritten worden sind. Nachrangige
Tabellenforderungen i. S. d.
Forderungen der Insolvenzgläubiger anfallende Zinsen) sind – wie die Klarstellung des
Klägers bzgl. der Abweichung des Vortrags im Schriftsatz vom 15.08.2019 und der Tabelle
nach § 178 InsO in der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2019 ergeben hat – i.H.v.
1.837.891,46 € angemeldet worden, davon i.H.v. 251.851,10 € bestritten und i.H.v.
1.586.040,36 € festgestellt worden bzw. feststellungsfähig.
Diesen neuen Vortrag und die Übereinstimmung des Inhalts der in Kopie vorgelegten
gerichtlichen Insolvenztabelle (§ 178 InsO) mit dem Originaldokument hat der Beklagte in
tatsächlicher Hinsicht weder schriftsätzlich noch mündlich bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung vor dem Senats vom 02.09.2019 bestritten, obwohl für ihn eine tatsächliche
Erklärung zu dem Inhalt des direkt von Anwalt zu Anwalt zugestellten Schriftsatzes vom
15.08.2019 innerhalb von rund zwei Wochen unter Beachtung des Maßstabs der §§ 138,
139, 282 ZPO möglich und zumutbar gewesen wäre. Da der neu vorgetragene
Tatsachenstoff unstreitig ist und sein erstmaliger Vortrag im Berufungsverfahren zudem auf
der zeitlichen Entwicklung des Insolvenzverfahrens beruht – also nach dem
landgerichtlichen Urteil teilweise geänderte Tatsachen betrifft -, ist der Kläger mit seinem
Vorbringen nicht gem. den §§ 529-531 ZPO präkludiert.
Soweit der Beklagte die Gläubigerforderungen erstinstanzlich noch damit bestritten hat,
dass zum Vortrag der wirksamen Anmeldung zur Insolvenztabelle Angaben und Belege
zum jeweiligen Auftraggeber der Anmeldung sowie zu den Grundlagen der Forderungen
(Rechnungen, Lieferscheine etc.) gehörten, ist dies nach der o. g. Grundsatzentscheidung
des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht erforderlich, denn es handelt sich um Angaben,
die selbst in der amtlichen Tabelle des Insolvenzgerichts nach § 178 InsO nicht enthalten
sind. Im Übrigen fehlt es an hinreichend konkretem Tatsachenvortrag des Beklagten, der
im vorliegenden Insolvenzverfahren Zweifel an der Wirksamkeit der einzelnen
Forderungsanmeldungen begründen könnte (vgl. dazu Senat, Urteil vom 11.06.2018, 8 U
124/17, a.a.O., Rn. 27).
dd) Auch die rechtlichen Angriffe gegen die den vorgelegten Tabellen zugrunde liegenden
Gläubigerforderungen greifen nicht durch:
(1) Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass es auf die nunmehr vorgelegte gerichtliche
Insolvenztabelle wegen des Zeitablaufs seit dem mehrere Jahre zurück- liegenden
Prüftermin der angemeldeten Forderungen nicht ankommen könne, weil die dortigen
Zahlen nicht notwendig identisch mit der aktuellen eigenen Tabelle und Tabellenstatistik
des Klägers seien, greift dieser Einwand nicht durch. Die von dem Kläger in Kopie
vorgelegte gerichtliche Insolvenztabelle datiert nämlich nach ihrem Inhalt – Eintragungen
in der Rubrik „Berichtigung“ unter den Nr. 28, 31 und 33 – frühestens von Ende Mai 2019,
ist also bzgl. der ursprünglich angemeldeten und im letzten Prüftermin festgestellten
Forderungen aktuell und ganz weitgehend identisch mit der eigenen aktualisierten Tabelle
des Klägers zum 15.08.2019 (Anlage BK 3). Im Juli/August 2019 hinzugekommen und
bisher nur in der aktuellen Tabellenstatistik des Klägers enthalten sind lediglich i.H.v.
1.586.040,36 € festgestellte nachrangige Forderungen nach
Beklagte indes in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten hat.
(2) Soweit der Beklagte einzelne Gläubigerforderungen in ihrer rechtlichen Berechtigung
angreift (lfd. Nr. 25 FHT Treuhand GmbH im Hinblick auf vorrangige Sozialansprüche, lfd.
Nr. 33 I AG, da Forderungsinhaberin die B3 Management sei und eine Titelumschreibung
nach § 727 ZPO nicht vorgelegt worden sei), kann der Senat dies nicht zugunsten des
Beklagten berücksichtigen:
Der Senat gelangt aus den obigen Gründen zu der tatsächlichen Überzeugung i.S.d. §
286 ZPO, dass Insolvenzforderungen im dargelegten Umfang bestehen, die die
Klageforderung bei weitem übersteigen. Selbst wenn unstreitig sein sollte, dass eine
einzelne Insolvenzgläubigerin falsch angegeben worden ist (I AG oder B3 Management)
und dass bzgl. der Insolvenzforderung Nr. 25 an sich vorrangige Sozialansprüche zu
berücksichtigen gewesen wären, sind doch Grund und Höhe der zugrunde liegenden
Forderung in der vorgelegten gerichtlichen Insolvenztabelle der Rechtskraftwirkung fähig
festgestellt worden (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 1 InsO, vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2018, II
ZR 272/16, Rn. 21-24).
d) Einlagenleistung zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich
Schließlich ist die Leistung des Beklagten auch zur Befriedigung der Gläubiger
erforderlich.
aa) Der Beklagte schuldet als Kommanditist die Zahlung des Betrages, mit dem er
grundsätzlich haftet, nur insoweit zur Masse, als es zur Befriedigung der Gläubiger
erforderlich ist. Eine solche Erforderlichkeit wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
vermutet. Daher trifft die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich einer fehlenden
Erforderlichkeit den in Anspruch genommenen Kommanditisten, während den klagenden
Insolvenzverwalter eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der für die Befriedigung der
Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft trifft, sofern nur er dazu im Stande
ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1989, II ZR 78/89, BGHZ 109, S. 334-344, Rn. 15).
bb) An diesem Maßstab gemessen hat der Beklagte die vermutete Erforderlichkeit seiner
Inanspruchnahme nicht widerlegt. Vorliegend ergibt sich vielmehr die Erforderlichkeit der
Inanspruchnahme des Beklagten schon unter ausschließlicher Berücksichtigung nur der
widerspruchslos festgestellten Forderungen. Allein unter Berücksichtigung der
festgestellten vorrangigen Insolvenzforderungen nach
Inanspruchnahme des Beklagten zur auch nur anteiligen Befriedigung der Gläubiger
erforderlich.
Diesen Forderungen steht nämlich – nach der unbestritten gebliebenen Übertragung des
Guthabens vom USD-Konto auf das EUR-Insolvenzverwalteranderkonto - ein nur noch auf
diesem geführtes Guthaben von 4.777.913,06 € zum 14.08.2019 als aktuelle
Insolvenzmasse gegenüber. Die Unterdeckung beträgt -1.398.753,31 €. Den Inhalt des in
Kopie vorgelegten Kontoauszuges des EUR-Anderkontos mit dem Endstand 14.08.2019
(die Zahlungsflüsse vom 13.08.2019 sind berücksichtigt), dem als Privaturkunde nach §
416 ZPO – ebenso wie den zuvor vorgelegten früheren Kontoauszügen - die Vermutung
der Vollständigkeit und Richtigkeit zukommt (vgl. Geimer, in: Zöller, a.a.O., § 416 Rn. 10),
kann der Beklagte nicht in zulässiger Weise einfach gem. § 138 Abs. 1 u. 2 ZPO bzw. mit
Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten. Vielmehr hätte der Beklagte angesichts
der eingetretenen Umkehr der Darlegungs- und Beweislast die Echtheit der Kopie
substantiiert bestreiten und seinerseits konkrete abweichende Tatsachen darlegen und
unter Beweis stellen müssen.
cc) Soweit der Beklagte – gestützt auf obergerichtliche Rechtsprechung (Entsch. des OLG
Dresden vom 27.06.2019, 8 U 2001/18; Hinweisbeschluss des OLG Stuttgart vom
01.08.2019, 20 U 6/19) – geltend macht, dass in die Berechnung der Insolvenzmasse nicht
lediglich das aktuelle Kontoguthaben einzustellen sei, sondern dieses um 2.018.974,30 €
fiktiv zu erhöhen sei, weil der Kläger mit den eingezogenen Kommanditeinlagen (insg.
6.936.984,22 € per 19.07.2019) insoweit fehlerhaft trotz nicht gegebener Haftung der
Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten nach den §§ 54, 55 InsO eine Forderung des
Finanzamts auf Zahlung von Gewerbesteuer nach Veräußerung der Schiffe erfüllt habe,
kann der Senat ebenso offen lassen wie die Beantwortung der vom Beklagten
aufgeworfenen Frage, ob bereits durch die Einziehung von Kommanditeinlagen durch den
Insolvenzverwalter in Höhe von mehr als 6,9 Mio. € die Insolvenzgläubigerforderungen im
Rang des
Im Ergebnis kommt es auf die Entscheidung der aufgeworfenen Fragen nicht an, weil
selbst dann, wenn man statt des tatsächlichen Guthabens die gesamten eingezogenen
Kommanditistenbeiträge berücksichtigen würde, eine Unterdeckung anzunehmen ist:
Der Senat ist nämlich der Auffassung, dass die Forderungen im Rang des
bei der Betrachtung der Unterdeckung ebenfalls zu berücksichtigen sind. Wenn man auch
insoweit nur die nach der unbestrittenen aktuellen Tabellenstatistik zum 15.08.2019
festgestellten bzw. feststellungsfähigen Forderungen von 1.586.891,46 € heranzieht,
betragen die Insolvenzforderungen schon (6.176.666,37 € + 1.586.891,46 € =)
7.763.557,83 €. Selbst wenn noch weitere Masseverbindlichkeiten wie etwa Kosten zu
bedienen sein sollten, übersteigen diese Forderungen die eingezogenen
Kommanditistenbeiträge von ca. 6,9 Mio. € deutlich.
Der Senat sieht keinen Grund, eine Haftung der Kommanditisten für Zinsforderungen von
Insolvenzgläubigern auf Insolvenzforderungen (Gegenstand des
verneinen. Diese Zinsforderungen sind nämlich nicht durch Handlungen des
Insolvenzverwalters oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden,
sondern haben ihren Ursprung in zuvor durch die Insolvenzschuldnerin begründeten
Forderungen bzw. in deren Nichterfüllung. Das betrifft andere Sachverhalte als
Masseforderungen nach den §§ 54, 55 InsO, zu denen die einschlägigen Entscheidungen
des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 24.09.2009, IX ZR 234/07 Rn. 10 ff.; Urt. v. 17.12.2015, IX
ZR 143/13 Rn. 11 f.) ergangen sind. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob diese
Rechtsprechung, die zu unbeschränkt haftenden Gesellschaftern ergangen ist, überhaupt
auf Kommanditisten anwendbar ist, ob Kommanditisten also evtl. auch für
Masseverbindlichkeiten haften (vom Senat in früheren Entscheidungen verneint), kommt
es insoweit nicht an.
Entsprechend dem Vorbringen der Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung hat auch
der Senat keine die Berücksichtigung nachrangiger Forderungen nach
der Kommanditistenhaftung verneinende obergerichtliche Rechtsprechung oder
Literaturstimmen gefunden.
dd) Auf die zwischen den Parteien in Streit stehende Frage, ob auch angemeldete, aber
vom Insolvenzverwalter bestrittene Insolvenzforderungen in die Beurteilung der
Erforderlichkeit der Kommanditistenhaftung einzubeziehen sind, kommt es nach alldem
sowohl für die vorrangigen Forderungen nach
InsO nachrangigen Forderungen nicht mehr entscheidungserheblich an.
ee) Aus den vorstehenden Gründen ist der Kläger entgegen der Auffassung des Beklagten
schließlich auch nicht gehalten, statt der vorliegenden Leistungsklage eine
Feststellungsklage i.S.d. § 256 ZPO zu erheben. Die von dem Kläger geltend gemachte
angebliche Unsicherheit über die Höhe der Insolvenzforderungen zum Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung besteht jedenfalls inzwischen nicht mehr, nachdem die
Insolvenztabelle im Anschluss an entsprechende Forderungsrücknahmen der
Gläubigerbanken keine nur für den Ausfall festgestellten Forderungen mehr enthält.
e) Weitere Einwände:
Sämtliche weiteren, nur erstinstanzlich erhobenen Einwände des Beklagten greifen
gegenüber dem gesetzlichen Anspruch des Klägers als Insolvenzverwalter gegen den
Beklagten auf Außenhaftung aus seiner vormaligen Kommanditistenstellung nicht durch.
aa) Keine Regelung im Gesellschaftsvertrag/kein Gesellschafterbeschluss:
Die Geltendmachung der grundsätzlich bestehenden Haftung durch den
Insolvenzverwalter hängt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht von einer
Regelung zur Rückforderung im Gesellschaftsvertrag oder von einem
Rückforderungsbeschluss der Gesellschafterversammlung ab. Denn der
Insolvenzverwalter macht gemäß § 171 Abs. 2 HGB auf gesetzlicher Grundlage
Außenhaftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger geltend.
bb) Einrede der Verjährung:
Die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung führt nicht zu einem dauernden
Leistungsverweigerungsrecht nach § 214 BGB. Sowohl bzgl. des Anspruchs gegen den
Beklagten als auch bzgl. der seiner Haftung zugrunde liegenden, nach dem oben
Festgestellten wirksam angemeldeten und festgestellten Insolvenzforderungen ist die
fünfjährige Verjährungsfrist ab Insolvenzeröffnung der §§ 159, 131 Abs. 1 Nr. 3, 161 Abs. 2
HGB - soweit der zugrunde liegende Einzelanspruch nicht früher verjährt - nicht
abgelaufen, bevor die Verjährung durch die vorliegende Klageerhebung gehemmt worden
ist. Das Insolvenzverfahren ist am 21.02.2013 eröffnet worden, die Insolvenzforderungen
sind zwischen dem 05.03.2013 und 21.08.2015 wirksam angemeldet worden, und die
Verjährungshemmung durch Klageerhebung gem. §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 253 Abs. 1,
261 Abs. 1 ZPO ist rechtzeitig mit der am 28.03.2017 eingetretenen Rechtshängigkeit
erfolgt. Konkreter Vortrag des Beklagten zu bereits zuvor verjährten zugrunde liegenden
Einzelansprüchen ist nicht erfolgt.
cc) Einwand der Erfüllung, § 362 BGB:
Schließlich kann auch der vom Beklagten erstinstanzlich erhobene Erfüllungseinwand (§
362 BGB) keinen Erfolg haben. Aus den obigen Gründen kann der für die Erfüllung
darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, dass seine Haftung
wegen der bereits anderweitig durch die Veräußerungserlöse der Schiffe befriedigten
Gläubigerforderungen nicht mehr erforderlich sei. Eine Erfüllung der Klageforderung durch
eigene Zahlung behauptet der Beklagte schon nicht.
2. Zinsforderung:
Der nach alldem bestehende Anspruch aus den
dem der Rechtshängigkeit folgenden Tag in gesetzlicher Höhe aus den §§ 291, 288 Abs. 1
S. 2 BGB zu verzinsen.
III.
Am Maßstab der
Beklagten den in der Verhandlung vor dem Senat ausschließlich auf die Rechtsfrage der
Berücksichtigungsfähigkeit nachrangiger Insolvenzforderungen nach
der Kommanditistenhaftung beschränkten Schriftsatznachlass zu gewähren. Zum einen
Bestand für den Beklagten ausreichend Zeit, sich zu dem der Rechtsfrage zugrunde
liegenden tatsächlichen Vortrag des Klägers vom 15.08.2019 rechtzeitig zu erklären. Zu
der aufgeworfenen Rechtsfrage hat der Beklagtenvertreter im Übrigen - nach eigener
mündlicher Stellungnahme in der Verhandlung und der Möglichkeit der Rücksprache in
einer Sitzungsunterbrechung - in Übereinstimmung mit dem Klägervertreter vorgetragen,
dass es nach seinem Kenntnisstand keine von der vom Senat mündlich ausführlich
dargelegten und begründeten Auffassung abweichende obergerichtliche Rechtsprechung
gebe.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
IV.
Der Senat sieht keinen Anlass für eine Revisionszulassung gem.
dies weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern und die Rechtssache keine grundlegende Bedeutung hat. Auf
die divergierenden Auffassungen verschiedener Oberlandesgerichte zu den
Anforderungen an die zur Darlegung erforderliche Insolvenztabelle kommt es aus den
obigen Gründen nicht mehr entscheidungserheblich an. Zu der im Rahmen des Antrags
des Beklagten auf Zulassung der Revision mündlich angesprochenen Frage, ob sich die
Kommanditistenhaftung auch auf nachrangige Gläubigerforderungen nach § 39 Nr. 1 ZPO
bezieht, gibt es weder nach den Angaben der Parteien noch nach den Recherchen des
Senats von der vorliegenden Entscheidung abweichende obergerichtliche
Rechtsprechung, noch hat die aus Sicht des Senats eindeutige, den bisherigen
Weichenstellungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entgegenstehende sowie
nach dem Vortrag der Parteien und eigener Recherche auch in der Kommentarliteratur
nicht anderweitig beantwortete Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung oder erfordert eine
Fortbildung des Rechts.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:02.09.2019
Aktenzeichen:8 U 3/19
Rechtsgebiete:
Kommanditgesellschaft (KG)
Allgemeines Schuldrecht
OHG
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
HGB §§ 128, 161, 171, 172 Abs. 4