Zur Bestimmung der Ausübungsstelle eines Leitungsrechts mit Bauverbot durch tatsächliche Ausübung
4.
Die Bestimmung der Ausübungsstelle einer Dienstbarkeit,
die zur Anlegung einer unterirdischen Leitung auf dem
Grundstück (oder Flurstück) berechtigt, kann auch dann der
tatsächlichen Ausübung überlassen werden, wenn als weiterer Inhalt der Dienstbarkeit ein Bauverbot für eine im Ausmaß festgelegte Schutzzone der Leitung vereinbart ist (Er.
gänzung zum Senatsbeschluß vom 6. März 1981, V ZB 2181,
LM BGB § 1023 Nr. 4 =
tragung auch dieses Bauverbots setzt nicht voraus, daß die
,Leitung bei Erteilung der Eintragungsbewilligung schon vorhanden war.
BGH, Beschlug vom 16. 2.1984 — V ZB8183 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Der Eigentümer der betroffenen Flurstücke bewilligte, für die Be•
schwerdeführerin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit folgenden Inhalts einzutragen:
„Die R. AG ist berechtigt, in einem Grundstücksstreifen von 8 m Breite (Schutzstreifen) eine Ferngasleitung mit Kabel und Zubehör (Anlage) unterirdisch zu verlegen, zu betreiben und die Grundstücke zum
Zwecke des Baues, des Betriebes und der Unterhaltung der Anlage
zu benutzen.
Auf dem Schutzstreifen der in Anspruch genommenen Grundstücke
dürfen für die Dauer des Bestehens der Anlage keine Gebäude errichtet oder sonstige Einwirkungen, die den Bestand oder Betrieb der Anlage beeinträchtigen oder gefährden, vorgenommen werden. Die Außengrenzen des Schutzstreifens werden bestimmt durch die Lage
der Rohrleitung, deren Achse grundsätzlich unter der Mittellinie des
Schutzstreifens liegt."
Auf den Eintragungsantrag der Beschwerdeführerin hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung den durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde zu erbringenden Nachweis verlangt, daß
die Ferngasleitung schon im Zeitpunkt der Eintragungsbewilligung
verlegt war. Die als Beschwerde geltende Erinnerung gegen diese
Zwischenverfügung hat das Landgericht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hält die weitere Beschwerde für unbegründet. Es sieht
sich an einer dahingehenden Entscheidung aber im Hinblick auf den
Beschluß des Oberlandesgerichts Oldenburg- vom 29.12.1978 =
Aus den Gründen:
1. Die Vorlage ist gemäß
Das Oberlandesgericht ist mit den Vorinstanzen der Auffassung, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die ein
Leitungsrecht mit einem auf dessen Ausübungsstelle bezogenen Bauverbot zum Inhalt hat,bedürfe nurdann keiner Beschreibung des Leitungsverlaufes in der Eintragungsbewilligung, wenn die Leitung schon im Zeitpunkt der Bewilligung
verlegt gewesen sei. Diese Tatsache aber sei in der Form
des
die Verlegung zwar noch vor der Entscheidung über den Eintragungsantrag, aber erst nach Erteilung der Eintragungsbewilligung erfolgt sei. Das vorlegende Oberlandesgericht
möchte diese die Auslegung des Grundbuchrechts betreffende Rechtsfrage verneinen. Das Oberlandesgericht Oldenburg hingegen hat sie in dem bezeichneten Beschluß für
eine im wesentlichen gleichlautende Eintragungsbewilligung bejaht. Damit ist die Vorlegungsvoraussetzung gegeben.
2. Entgegen der Rechtsauffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts ist die — zulässige — weitere Beschwerde
begründet.
Zutreffend legt das Oberlandesgericht die Eintragungsbewilligung dahin aus, daß sich das den Gegenstand der
Dienstbarkeit bildende Leitungsrecht jeweils auf das gesamte Flurstück erstreckt, die Ausübung dieses Rechts
aber nur auf einen realen Teil jedes Flurstücks beschränkt
ist. Die Zulässigkeit einer solchen Gesamtbelastung mit
Ausübungsbeschränkung setzt
Dabei ist nicht von Belang, daß Belastungsobjekt hier — mit
einer Ausnahme — nicht Grundstücke, sondern Flurstücke
sind. Denn auch ein Flurstück kann mit einer Dienstbarkeit
belastet werden (
Grundstück auch in der Weise, daß zwar das ganze Flurstück belastet, die Ausübung jedoch auf einen realen Flurstücksteil beschränkt wird. Es steht dann grundsätzlich im
Belieben der Beteiligten, ob sie die Bestimmung des Ausübungsorts rechtsgeschäftlich zum Inhalt der_ Dienstbarkeit
machen oder der tatsächlichen Ausübung überlassen (Senatsbeschluß vom 6.3.1981,
1981, 1261). Ist die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlicher Inhalt der Belastung, muß sie in der Eintragungsbewilligung
eindeutig bezeichnet sein; soll hingegen die tatsächliche
Ausübung maßgeblich sein, so besteht dieses Eintragungserfordernis nicht (Senatsbeschluß vom 6.3.1981 aaO.).
Vorliegend ergibt sich aus der Eintragungsbewilligung
nicht, daß die Ausübungsstelle durch dingliche Einigung
zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht worden ist. Darauf
ließe sich entgegen der Meinung des Oberlandesgerichts
auch dann nicht schließen, wenn die Ferngasleitung bereits
im Zeitpunkt der Eintragungsbewilligung vorhanden gewesen sein sollte; denn die Bewilligung enthält — anders
als im Falle des Senatsurteils vom 23.10.1981, NJW 1982,
1039 [=
schon vorhandene Leitung. Da zur Auslegung der Eintragungsbewilligung nur Umstände herangezogen werden dürfen, die aus der Bewilligung selbst hervorgehen oder die
nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für
jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senatsurteile
vom 26.4.1961, LM BGB § 1018 Nr. 4; vom 17.1.1969, NJW
1969, 502, 503 [=
aaO.), ist es bedeutungslos, ob die Leitung bereits angelegt
war. Auch der vom Oberlandesgericht verlangte Nachweis
dieser Tatsache wäre folglich für die Auslegung unerheblich.
Somit ist davon auszugehen, daß hier die Ausübungsstelle
nicht vereinbarter Inhalt der Dienstbarkeit Ist, sondern
durch die tatsächliche Ausübung bestimmt wird. Die örtliche Lage der Leitung bedurfte daher keiner Festlegung in
der Eintragungsbewilligung. Daran ändert der Umstand
nichts, daß die Dienstbarkeit auch noch das Verbot enthält,
in einem bestimmten Abstand beiderseits der Leitung
(Schutzstreifen) Gebäude zu errichten.
Ein solches Bauverbot bedeutet nach der auch schon früher
vertretenen Meinung des vorlegenden Oberlandesgerichts
Celle (NdsRpfl 1978, 57; 1982, 198, 199; ebenso OLG Hamm
[=
genutzten Grundstücken OLG Bremen
2404) einen so wesentlichen Eingriff in die Substanz des Eigentums, daß die Ausübungsstelle notwendigerweise zum
rechtsgeschäftlichen Inhalt der Dienstbarkeit gehöre und
daher in der Eintragungsbewilligung bezeichnet werden
84 MittBayNot 1984 Heft 2
müsse (zustimmend: Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht 7. Aufl. Rdnr. 481; Palandt/Bassenge, BGB 43. Aufl.
§ 1018 Anm. 4 c; MünchKomm/Joost § 1090 Rdnr. 22 und
dort Fußn. 108; im Ergebnis auch MünchKomm/Fa/ckenberg
§ 1018 Rdnrn. 14 und 15). Dieser Ansicht kann der Senat.
nicht beitreten.
Wesenskern der vorliegenden Dienstbarkeit ist das Recht,
auf dem Flurstück eine Ferngasleitung anzulegen und zu
nutzen. Dieses Recht wird durch das Bauverbot nur verstärkt
und inhaltlich entsprechend ausgestaltet, nämlich dahin,
daß der Grundeigentümer in der Leitungszone kein Gebäude
errichten darf. Das Bauverbot ist mithin ein bloßer Annex
des Leitungsrechts, von dessen Bestand abhängig und in
der Wirkung ihm zugeordnet. Daraus folgt, daß die Anforderungen an die sachenrechtliche Bestimmtheit des Bauverbots nicht losgelöst von dem Inhalt des Leitungsrechts
beurteilt werden können. Dieses Recht aber hat hier den zulässigen Inhalt, daß es sich auf das ganze Flurstück erstreckt und daß die lagemäßige Bestimmung erst der tatsächlichen Ausübung überlassen bleibt. Dem entspricht
das vereinbarte Bauverbot. Es bezieht sich auf den örtlichen
Bereich der Ausübung des Leitungsrechts und betrifft somit
jede Stelle des Flurstücks, an der das Leitungsrecht ausgeübt werden kann, bis zur Ausübung also praktisch das ganze
Flurstück, danach nur noch die im Ausmaß festgelegte
Schutzzone des tatsächlichen Leitungsverlaufs. Damit ergibt sich die Bestimmtheit der örtlichen Beschränkung des
Bauverbots aus seinem untrennbaren Zusammenhang mit
dem Inhalt des Leitungsrechts.
Diesen von den Beteiligten gewollten Zusammenhang verkennt das Oberlandesgericht, wenn es meint, eine Dienstbarkeit der vorliegenden Art sei „im Zweifel" auf eine rechtsgeschäftliche Bestimmung der Ausübungsstelle „angelegt". Zwar wird sich ein Grundstückseigentümer zur Bestellung einer solchen Dienstbarkeit in der Regel erst bereit finden, wenn er zuvor wenigstens den ungefähren Verlauf der
Leitung mit dem Berechtigten abgesprochen hat; naheliegend mag dann die Annahme sein, daß darüber eine schuldrechtliche Abrede getroffen worden ist; nicht gewollt aber
ist gerade eine dingliche Festlegung der Ausübungsstelle
und der daran gebundenen Bauverbotszone. Deren Bestimmung soll der tatsächlichen Ausübung überlassen bleiben.
Diese Lösung vereinfacht etwa nötig werdende Änderungen
der Trassenführung im Zeitraum bis zur Ausübung. Wäre
nämlich die Ausübungsstelle sachenrechtlich festgeschrieben, so würde eine auch nur geringfügige Abweichung des
wirklichen vom ursprünglich geplanten Leitungsverlauf
aufwendige grundbuchmäßige Änderungen erforderlich
machen (vgl. Senatsurteil vom 21.11.1975,
[=
Soweit das Oberlandesgericht die mit einem Bauverbot verbundene Art der Einwirkung auf das Eigentum als maßgeblich ansieht, ist auch das kein ausschlaggebender Gesichts•
punkt für einen Zwang zur dinglichen Festlegung der Ausübungsstelle (insofern zutreffend MünchKomm/Falckenberg § 1018 Rdnr. 15). Nicht erst in dem Bauverbot, sondern
schon in der Einräumung des Leitungsrechts liegt der eigentliche und wesentliche Eingriff in das Eigentum. Auch
ohne Vereinbarung eines Bauverbots ist der Eigentümer gehalten, jeden die Ausübung der Leitungsdienstbarkeit störenden tatsächlichen Eingriff zu unterlassen (§§ 1090 Abs. 2,
1027, 1004 Abs. 1 BGB). Wenn daher das Gesetz die Möglichkeit zuläßt, diese Dienstbarkeit auf das gesamte Grundstück (oder Flurstück) zu erstrecken und nur ihre AusTübung
MittBayNot 1984 Heft 2
auf die von der tatsächlichen Benutzung erfaßte Teilfläche
zu begrenzen, so ist bei einer solchen Vertragsgestaltung
der Eigentümer von vornherein hinsichtlich des ganzen
Grundstücks dem Risiko ausgesetzt, daß sich eine Bebauung später gerade an der Stelle, an der das Leitungsrecht
ausgeübt wird, als hinderlich erweist und dann auf Verlangen beseitigt werden muß. In der Auswirkung kaum weiter
geht die hier getroffene Vereinbarung, einen im Umfang
festgelegten Schutzstreifen der Leitung nicht zu bebauen.
Der Unterschied besteht nur darin, daß in diesem Falle der
Dienstbarkeitsberechtigte nach Bestimmung der Aus•
übungsstelle grundsätzlich die Beseitigung jedes in der
Schutzzone errichteten Gebäudes und nicht bloß tatsächlich störender Bauten verlangen kann. Dieser Unterschied
aber fällt praktisch nicht ins Gewicht; denn die Errichtung
eines Gebäudes wird in aller Regel die Ausübung des Lei•
tungsrechts an der bebauten Fläche verhindern oder mindestens erschweren, so daß der Eigentümer auch ohne Vereinbarung eines Bauverbots im Hinblick auf den dann gegebenen gesetzlichen Abwehranspruch außerstande ist, vor Ausübung des Leitungsrechts das Grundstück nach eigenem
Ermessen zu bebauen.
Daß die vorübergehende, bis zur Ausübung des Leitungsrechts bestehende Ungewißheit über die örtliche Lage der
Bauverbotszone zur Rechtsunsicherheit führt, ist bereits
eine Folge des Umstandes, daß es das Gesetz überhaupt gestattet, die Bestimmung des Ausübungsorts der tatsächlichen Ausübung vorzubehalten. Die Nachteile, die sich daraus für den Rechtsverkehr ergeben können, werden durch
die Vereinbarung eines auf die Ausübungsstelle des Leitungsrechts bezogenen Bauverbots jedenfalls nicht in
einem Maße verstärkt, daß sich aus diesem Grunde die Notwendigkeit einer dinglichen Festlegung der Ausübungsstelle rechtfertigen ließe.
Das Grundbuchamt durfte mithin die Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nicht von dem Nachweis abhängig machen, daß die Ferngasleitung schon bei
Erteilung der Eintragungsbewilligung vorhanden war. Auf
die weitere Beschwerde der Antragstellerin sind daher der
angefochtene Beschluß des Landgerichts und die vom
Grundbuchamt erlassene Zwischenverfügung aufzuheben.
5. BGB §§ 1190, 1163, 1176 f.; ZPO § 932 (Zur Löschung einer
Arresthypothek)
Zur Löschung einer Arresthypothek ist auch die Bewilligung
eines früheren Grundstücksmiteigentümers erforderlich,
der in Höhe des nicht durch festgestellte Forderungen ausgefüllten Teils des Höchstbetrages eine Eigentümergrundschuld erlangt hat.
(Leitsatz nicht amtlich)
OLG Frankfurt am Main, Beschluß vom 28.2.1984 - 20 W
829/83 — mitgeteilt von Notar Karl H. Hartmann, Augsburg
Aus dem Tatbestand:
Die Beteiligten zu 2) und 4) waren zu je 1/2 Miteigentümer eines
Grundstücks. Die Beteiligte zu 2) erwirkte gegen den Beteiligten zu
4) am 22.9.1978 einen Arrestbefehl wegen einer angeblichen Forderung von 29.000 DM. Die Lösungssumme ist in dem Arrestbefehl auf
30.000 DM festgesetzt. Aufgrund dieses Arrests ließ die Beteiligte zu
2) eine Höchstbetragshypothek von 30.000 DM auf den Anteil des Beteiligten zu 4) an dem Grundstück für sich eintragen. Der Beteiligte
zu 4) wurde alsdann durch rechtskräftiges Urteil vom 19.2.1979 zur
Zahlung von 20.331,02 DM nebst 4% Zinsen verurteilt. Die von ihm
der Beteiligten zu 2) zu erstattenden Kosten wurden auf 1772,27 DM
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.02.1984
Aktenzeichen:V ZB 8/83
Erschienen in: Normen in Titel:BGB §§ 1023, 1090; GBO § 29