Unangemessen lange Bindungsfrist, wenn Erteilung der Baugenehmigung als aufschiebende Bedingung vereinbart ist
letzte Aktualisierung: 13.8.2019
LG Traunstein, Beschl. v. 27.1.2016 – 7 O 238/16
BGB §§ 145, 147, 308 Nr. 1, 433
Unangemessen lange Bindungsfrist, wenn Erteilung der Baugenehmigung als aufschiebende Bedingung vereinbart ist
Enthält der von der erwerbenden Bank gestellte notarielle Kaufvertrag eine aufschiebende Bedingung, die zu einer
unangemessenen langen Bindungsfrist (hier: 9.1.2015 bis 31.12.2017) zulasten des Verbrauchers als Verkäufer führt,
so ist der Vertrag analog
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe
I. Glaubhaftgemachter Sachverhalt:
Die Antragstellerin hat folgenden Sachverhalt glaubhaft gemacht:
Die Antragstellerin, die beruflich ausschließlich als Angestellte bei der Volksfürsorge/… AG tätig ist, ist
Eigentümerin des Grundstücks, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Altötting für N. Blatt …,
Gemarkung N., Flurstück …, R1 …, Gebäude und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche 134.240 qm
und Gemarkung O., Flurstück …, Flur H1, Ackerland, Grünland, 4.090 qm.
Am 09.01.2015 unterzeichneten Antragstellerin und Antragsgegnerin vor dem Notar R2 M2 in A. einen
Vertrag, wonach die Antragstellerin o.g. Grundstück an die Antragstellerin aufschiebend bedingt veräußerte.
Unter Ziffer X des notariellen Kaufvertrages Anlage K1 ist bestimmt wie folgt:
„Aufschiebende Bedingung, Rücktrittsrecht
Der schuldrechtlichen Teil des Kaufvertrages ist aufschiebend bedingt. Der Bedingungseintritt erfolgt mit dem
Eingang einer entsprechenden, jederzeit möglichen Erklärung des Erwerbers in notariell beglaubigter Form
beim beurkundenden Notar, seinem Sozius oder Vertreter des Inhalts, dass die Bedingung eintritt. Mit
Bedingungseintritt werden die in dieser Urkunde enthaltenen, aufschiebend bedingten schuldrechtlichen
Vereinbarungen wirksam. Die in dieser Urkunde erklärte Auflassung ist unbedingt erklärt. Der
Bedingungseintritt kann durch den Erwerber, spätestens bis zum 31.12.2017 erklärt werden. Nach diesem
Zeitpunkt kann der Bedingungseintritt nicht mehr herbeigeführt werden und die Bedingung gilt als endgültig
nicht eingetreten. Der Erwerber kann jederzeit auf den Bedingungseintritt in notariell beglaubigter Form beim
beurkundenden Notar, seinem Sozius oder Vertreter verzichten. In diesem Fall gilt die Bedingung ebenfalls
als endgültig nicht eingetreten. Der Erwerber ist berechtigt, von diesem Vertrag durch einseitige Erklärung
gegenüber dem Veräußerer ohne Vorliegen eines Rücktrittgrundes jederzeit zurück zu treten. Der Rücktritt
ist durch eingeschriebenen Brief gegenüber dem Veräußerer zu erklären und dem Notar in Kopie mitzuteilen.
Der Rücktritt kann längstens bis zum 31.12.2017 erfolgen. Das Rücktrittsrecht erlischt vorher, wenn der
Rücktrittsberechtigte ausdrücklich darauf verzichtet. Eine Kopie der von dem Erwerber unterzeichneten
Verzichtserklärung soll dem amtierenden Notar zugesandt werden (...).“
Es wird diesbezüglich Bezug genommen auf die Anlage K1. Der Kaufvertrag war zuvor auf Veranlassung der
Antragsgegnerin durch den von ihr ausgesuchten Notar, R2 M2, entworfen worden, wobei von Seiten der
Antragstellerin kein Einfluss auf die Formulierung des Vertrages genommen wurde und keine individuellen
Verhandlungen zwischen den Parteien stattfanden. Sämtliche Vertragsklauseln wurden von
Antragsgegnerseite gestellt, beispielsweise die Grundstücksfläche des zu verkaufenden Grundstücks, der
Quadratmeterpreis oder die konkrete Vertragslaufzeit. In der Folgezeit kam es zur Eintragung einer
Auflassungsvormerkung für die Antragsgegnerseite. Die Antragsgegnerin bietet nunmehr das o.g.
Grundstück gegenüber Dritten als Tauschgrundstück an.
Diesen Sachverhalt hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, durch die Vorlage der eidesstattlichen
Versicherungen von Frau H2 S1 (Bl. 15), Frau G. W., sowie Herrn J. A. und Herrn T1 H3 sowie durch
Vorlage des notariellen Kaufvertrags vom 09.01.2015 (K 1).
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Zum Antrag Ziffer 1.
a. Verfügungsanspruch
Ein entsprechender Anspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 analog BGB,
Hiernach steht dem Eigentümer ein Unterlassungsanspruch zur Abwehr künftiger Beeinträchtigungen seines
Rechts zu, solange er nicht gem.
Umschreibung des Eigentums gem.
Grundbuchamtes mit der Gefahr einer Umschreibung des Eigentums und der hierdurch entstehenden
Vermutung des
genügt auch die erstmals bevorstehende Beeinträchtigung (Palandt, § 1004 RN 52).
Im vorliegenden Fall ist die Antragstellerin auf Grundlage des glaubhaft gemachten Sachverhalts auch nicht
zur Duldung eines entsprechenden Vorgehens der Antragsgegnerin verpflichtet. Eine Duldungspflicht ergibt
sich insbesondere nicht aus dem notariellen Kaufvertrag vom 09.01.2015, da dieser nicht wirksam
geschlossen wurde, §§ 147, 308 I Nr. 1 (analog) BGB.
Im vorliegenden Fall verstößt die unter Ziffer X. Nr. 1 formulierte Vertragsklausel gegen § 308 I Nr. 1
(analog). Die §§ 305 ff BGB sind im vorliegenden Fall in sachlicher und persönlicher Hinsicht anwendbar. Bei
der Antragstellerin handelt es sich auf Grundlage des glaubhaft gemachten Sachverhalts um eine
Verbraucherin im Sinne des
ausschließlich als Angestellte der … tätig ist.
Bei der genannten Vertragsklausel handelt es sich auch um AGB im Sinne des
wurde der Vertrag im Gesamten durch den beurkundenden Notar vorformuliert. Die Frage, ob dies für eine
Vielzahl von Verträgen geschah, kann gem.
Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass es sich bei ihr um eine Verbraucherin handelt und sie aufgrund
der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. So hat sie in diesem Zusammenhang
dargelegt, dass von ihren Seiten weder Einfluss auf die konkrete Formulierung des Vertrages genommen
werden konnte, noch hier individuelle Verhandlungen geführt wurden. Gemäß
die allgemeinen Geschäftsbedingungen im konkreten Fall auch als einseitig vom Antragsgegner gestellt.
Soweit unter X. Nr. 1 im notariellen Kaufvertrag vom 09.01.2015 die aufschiebende Bedingung des
schuldrechtlichen Teils des Kaufvertrages vereinbart ist, wonach der Bedingungseintritt mit dem Eingang
einer entsprechend jederzeit möglichen Erklärung des Erwerbers erfolgen kann und dieser
Bedingungseintritt bis zum 31.12.2017 einseitig durch den Erwerber herbeigeführt werden kann, der
gleichzeitig jederzeit auf den Bedingungseintritt verzichten kann, handelt es sich hier um eine Regelung,
welche gegen § 308 Nr. 1 (analog) BGB verstößt. In diesem Zusammenhang wird vertreten, dass § 308 Nr. 1
BGB auch aufschiebende Bedingungen in Verträgen erfasst, zumindest aber analog Anwendung findet (u. a.
Staudinger/Coester-Waltjen, BGB 2013, § 308 Nr. 1 Rn. 9; Palandt/Grünberg, § 308 Nr. 1 RN 3, Kieninger in
MüKo zum
Gesetz den Vertragspartner des Verwenders schützen will, nämlich, dass ein Vertrag noch nicht wirksam
zustande kommt, während der Vertragspartner gebunden bleibt (vgl. OLG Karlsruhe, NJW RR 95, 504).
Annahme des Vertragsangebots nicht unangemessen benachteiligt wird. Die Bestimmung der
„unangemessenen Länge“ ist nach Inhalt und wirtschaftlicher Bedeutung des Vertrages unter
Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der Verkehrsanschauung zu entscheiden.
Unangemessen lange ist eine Frist, die ohne schutzwürdiges Interesse des Verwenders über den Tatbestand
des
Einholen notwendiger Informationen, Bearbeitungs- und Prüfungszeit, wesentlich hinausgeht (vgl.
Jauernig/Stadler, Kommentar zum BGB 16. Auflage 2015 § 308 Rn. 2). Grundsätzlich muss dabei anhand
der vertragstypischen Gegebenheiten eine Interessenabwägung erfolgen.
Aus Ziffer X des Vertrags ergibt sich der Grund bzw. die Bedingung für den erklärten Vorbehalt nicht. Aus
Ziffer I Nr. 2 lässt sich entnehmen, dass die unter X Nr. 1 vereinbarte aufschiebende Bedingung aufgrund der
noch ausstehenden Baugenehmigung, welche noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, erfolgt.
Die Erteilung einer Baugenehmigung als vereinbarte Bedingung unterstellt ergibt im Rahmen einer
Abwägung entsprechender Interessen der Parteien im Rahmen der Möglichkeiten des Eilrechtsschutzes,
dass eine derartig lange, einseitige Bindung der Antragstellerin, die hier auch keinen gesonderten
finanziellen Ausgleich vorsieht, unangemessen ist. Die Antragstellerin kann vorliegend weder den
Vertragsschluss einseitig herbeiführen, noch den (zeitlich befristeten) Schwebezustand beenden. Hier wird
der Antragstellerin nach dem im Eilverfahren glaubhaft gemachten Sachverhalt unangemessen und einseitig
das Risiko für außerhalb des Vertrags liegende Umstände aufgebürdet.
Klauseln, die eine unbestimmte oder unangemessen lange Annahmefrist statuieren, sind total nichtig. An die
Stelle der unwirksamen AGB-Klausel tritt nach
Abs. 2 BGB (vgl. Becker in Beckscher Online Kommentar BGB, Bamberger Roth, 37. Edition, 01.11.2015, §
308 Nr. 1 Rn. 14). Den sofortigen Vertragsschluss haben die Parteien eindeutig und ausdrücklich durch die
Vereinbarung einer, wenn auch wirkungslosen, Bedingung und die Verweigerung der sofortigen Annahme
durch die Antragsgegner abgelehnt. Die Antragstellerin ist mithin nicht mehr an ihr Angebot gebunden, § 146
BGB, ein wirksamer Vertrag kam nicht mehr zustande. Da mithin ein unwirksamer Vertrag vorliegt, ist die
Antragstellerin nicht gemäß
Antragsgegnerin verpflichtet.
b. Verfügungsgrund
Die Antragstellerin hat auch die Eilbedürftigkeit des Verfügungsanspruchs insofern dargestellt, als die
Umstände, wonach die Antragsgegnerin das Grundstück schon jetzt zum Tausch anbietet, die Besorgnis
begründen, dass eine Antragstellung der Antragsgegnerin auf Eigentumsumschreibung gegenüber dem
Grundbuchamt bevorsteht, v.a. jederzeit gestellt werden kann. Hierdurch wird das Umschreibungsverfahren
in Gang gesetzt mit der Gefahr einer Umschreibung und Wirkung des Grundbuchs gem.
2. Zum Antrag Ziffer II.
a. Verfügungsanspruch
Der Anspruch ergibt sich aus
vom 09.01.2015 erfolgte Eintragung der mangels schuldrechtlichen Anspruchs (s.o., nicht zustande
gekommener Kaufvertrag) nicht bestehenden Auflassungsvormerkung hat auf Grundlage des glaubhaft
gemachten Sachverhalts dazu geführt, dass das Grundbuch gem.
b. Verfügungsgrund
Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, dass eine Gefährdung des Rechts des
Widersprechenden glaubhaft gemacht wird,
3. Zum Streitwert
Der Streitwert ist nach
dabei 1/3 des von Antragstellerseite zugrunde gelegte Grundstückskaufpreis zugrunde gelegt (vgl.
Thomas/Putzo, § 3 Rn. 52).
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Traunstein
Erscheinungsdatum:27.01.2016
Aktenzeichen:7 O 238/16
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
AGB, Verbraucherschutz
Kaufvertrag
BGB §§ 145, 147, 308 Nr. 1, 433