Notarielles Kostenrecht: Bewertung eines Kirchenaustritts
letzte Aktualisierung: 24.6.2024
LG Arnsberg, Beschl. v. 9.2.2024 – 5 OH 21/23
GNotKG §§ 36 Abs. 3, 52 Abs. 4
Notarielles Kostenrecht: Bewertung eines Kirchenaustritts
1. Im Hinblick auf den Auffangcharakter des
Kirchenaustritten stets einen Geschäftswert von 5.000 Euro anzunehmen. Auf diesen Auffangwert
ist lediglich zurückzugreifen, wenn die Gründe für den Kirchenaustritt nicht bekannt oder nicht
finanzieller Natur sind.
2. Nennt der Beteiligte als Grund für den Kirchenaustritt seine hohe Kirchensteuerbelastung, so ist
es nicht zu beanstanden, wenn der Notar den Geschäftswert in entsprechender Anwendung des § 52
Abs. 4 GNotKG anhand der künftig entfallenden Kirchensteuer bemisst.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Der Antragsteller hat am 09.03.2021 zur Urkundenrolle Nr. 65/2021 die
Kirchenaustrittserklärung des Beteiligten zu 2) beurkundet.
Für seine Tätigkeit der Unterschriftsbeglaubigung mit Entwurfserstellung hat der
Antragsteller mit Rechnung vom 25.05.2021 (Rechnungs-Nr. 0000464/21) dem Beteiligten
zu 2) gegenüber 220,51 € berechnet. Dieser Rechnung hat der Notar einen Geschäftswert
gemäß
gelegt.
Der Beteiligte zu 3) hat den Ansatz dieses Geschäftswertes anlässlich einer
Geschäftsprüfung bei dem Notar im Jahr 2022 beanstandet und ihn mit Verfügung vom
19.07.2022 angewiesen, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen.
Mit Schreiben vom 08.11.2023 hat der Antragsteller aufgrund dieser Weisung eine
Entscheidung über die notarielle Kostenberechnung nach
beantragt.
Der Antragsteller vertritt unter Hinweis auf die in Kommentaren vertretene
Literaturmeinung die Ansicht, es handele sich bei einem Kirchenaustritt zwar um eine
Erklärung, die sich unmittelbar auf eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, nämlich
die Beendigung der Mitgliedschaft in einer Glaubensgemeinschaft, richte, die aber
unmittelbar einen vermögensrechtlichen Bezug, nämlich den Wegfall der
Kirchensteuerpflicht, habe. Deshalb sei hier nicht der Auffangwert von 5000 € gemäß § 36
Abs. 3 GNotKG zugrundezulegen, sondern der Wert stattdessen nach § 36 Abs. 2
GNotKG unter Berücksichtigung des Umfangs der künftig entfallenden Kirchensteuer zu
schätzen. Es hätten im vorliegenden Fall auch genügend Anhaltspunkte für eine
Wertbestimmung nach
mitgeteilt habe, der Kirchenaustritt erfolge auch wegen seiner hohen
Kirchensteuerbelastung, welche ca. 5000 € pro Jahr betrage. Ausgehend von dieser
jährlichen Steuerersparnis von 5000 € habe er entsprechend § 52 Abs. 4 GNotKG unter
Berücksichtigung des Lebensalters des Beteiligten zu 2) von damals 59 Jahren, einen
Zeitraum von zehn Jahren zugrunde gelegt und somit den Wert auf 50.000 € bestimmt.
Der Präsident des Landgerichts hat unter dem 20.12.2023 Stellung genommen. Insoweit
wird auf Bl. 26, 27 der Akte Bezug genommen.
Dem Beteiligten zu 2) ist rechtliches Gehör gewährt worden, von dem er jedoch keinen
Gebrauch gemacht hat.
II.
Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 130 Abs. 2 S. 1, 127
GNotKG vom 08.11.2023 ist unbegründet.
Die Anweisung des Präsidenten des Landgerichts Arnsberg vom 19.07.2023 ist nicht
gerechtfertigt, weil die streitgegenständliche Kostenrechnung des Antragstellers vom
25.05.2021 nicht fehlerhaft ist.
Bei einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit ist nach
Geschäftswert - sofern er sich nicht aus den Vorschriften des GNotKG ergibt- unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der
Bedeutung der Sache und der Vermögens-und Einkommensverhältnisse der Beteiligten
nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Erst wenn sich keine genügenden Anhaltspunkte für die Wertbestimmung ergeben, ist von
einem Auffangwert von 5000 € nach
Vorliegend indessen hatte der Notar genügend Anhaltspunkte für eine Bestimmung des
Wertes nach
Beteiligte zu 2) als Grund für seinen Kirchenaustritt seine hohe Kirchensteuerbelastung mit
ca. 5000 € jährlich angegeben hatte. In diesem Fall ist es beanstandungsfrei, dass der
Notar seiner Kostenrechnung als Geschäftswert nicht den Auffangwert von 5000 € gemäß
GNotKG unter Berücksichtigung des Umfangs der künftig entfallenden Kirchensteuer in
entsprechender Anwendung von § 52 Abs. 4 GNotKG zugrunde gelegt und so im Hinblick
auf das Lebensalter des Beteiligten zu 2) und seiner Steuerpflicht einen Wert von 50.000 €
bestimmt hat.
Dem Beteiligten zu 3) ist zuzubilligen, dass in den Fällen, in denen keine hinreichenden
Anhaltspunkte für eine Wertfestsetzung nach
dem Notar die Gründe für den Kirchenaustritt nicht bekannt oder diese nicht finanzieller
Natur sind, auf den Auffangwert von 5000 € nach
sein dürfte. Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Im Hinblick auf den
Auffangcharakter des
Kirchenaustritten stets einen Geschäftswert von 5000 € anzunehmen, auch wenn sich aus
den Umständen des Einzelfalles hinreichende Anhaltspunkte für einen abweichenden
Geschäftswert nach
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 130 Abs. 3 GNotKG, § 81 Abs.1 FamFG.
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Arnsberg
Erscheinungsdatum:09.02.2024
Aktenzeichen:5 OH 21/23
Rechtsgebiete:Kostenrecht
Normen in Titel:GNotKG §§ 36 Abs. 3, 52 Abs. 4