BGH 17. Februar 2022
V ZB 14/21
GBO § 35 Abs. 1 S. 2; BGB § 2077 Abs. 1

Nachweis der Erbfolge durch letztwillige Verfügung mit „Scheidungsklausel“

letzte Aktualisierung: 21.4.2022
BGH, Beschl. v. 17.2.2022 – V ZB 14/21

GBO § 35 Abs. 1 S. 2; BGB § 2077 Abs. 1
Nachweis der Erbfolge durch letztwillige Verfügung mit „Scheidungsklausel“

a) Einem Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO steht
nicht entgegen, dass die letztwillige Verfügung eine dem § 2077 Abs. 1 BGB entsprechende
Scheidungsklausel enthält, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass deren
Voraussetzungen erfüllt sind.
b) Das gilt auch, wenn die Scheidungsklausel abweichend von § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB vorsieht,
dass die letztwillige Verfügung bereits dann unwirksam sein soll, wenn der überlebende Ehegatte
einen Scheidungsantrag gestellt hat.

Gründe:

I.
Im Grundbuch des im Eingang dieses Beschlusses genannten Grundbesitzes
sind die Antragstellerin und ihr Ehemann je zur Hälfte als Miteigentümer
eingetragen. Mit notariellem Erbvertrag vom 25. Mai 2005 setzten sie sich gegenseitig
zu alleinigen Erben ein. Der Erbvertrag enthält folgende Regelung:
nem gesamten Inhalt nach unwirksam. Das gleiche gilt für den Fall,
dass beim Erbfall die Voraussetzungen für die Scheidung vorliegen
und entweder der Erblasser oder dessen Ehegatte die Scheidung
Nach dem Tod ihres Ehemanns beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme
auf den dem Grundbuchamt vorliegenden Erbvertrag sowie die
Niederschrift über dessen Eröffnung durch das Nachlassgericht ihre Eintragung
als Alleineigentümerin. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom
2. März 2020 die Berichtigung des Grundbuchs von der Vorlage eines Erbscheins
oder einer notariell beurkundeten eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin
darüber abhängig gemacht, dass die Ehe vor dem Tod des Ehemanns
nicht geschieden worden sei und bei dem Erbfall die Scheidungsvoraussetzungen
nicht vorgelegen hätten und/oder keiner der Eheleute einen Scheidungsantrag
gestellt habe. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Antragstellerin
weiterhin die Aufhebung der Zwischenverfügung erreichen.

II.
Das Beschwerdegericht meint, der Erbvertrag und die Eröffnungsniederschrift
seien für den Nachweis der Erbfolge nicht ausreichend. Zwar genüge für
den Nachweis der sich aus einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung
von Todes wegen ergebenden Erbfolge nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO grundsätzlich
die Vorlage der Verfügung und der Niederschrift über deren Eröffnung durch
das Nachlassgericht. Das gelte uneingeschränkt aber nur, wenn die Erbeinsetzung
unbedingt erfolgt sei. Bei der Scheidungsklausel des Erbvertrags handele
es sich um eine Verwirkungsklausel, die dazu führe, dass die Erbeinsetzung auflösend
bedingt sei. Sie gehe über die Regelung in § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB
hinaus. Jedenfalls bei Scheidungsklauseln, die nicht lediglich die Auslegungsregel
des § 2077 BGB wiederholten, sondern diese erweiterten, müsse das Grundbuchamt
auch ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit
der Erbeinsetzung einen Nachweis der Erbfolge in der Form des § 29 GBO verlangen.
Es komme nicht darauf an, wie wahrscheinlich der Eintritt der in der
Scheidungsklausel genannten Voraussetzungen sei. Entscheidend sei vielmehr,
dass es sich nicht um eine abstrakte Möglichkeit der Unwirksamkeit handele. Der
Nachweis könne unschwer durch eine eidesstattliche Versicherung des überlebenden
Ehegatten geführt werden; die Vorlage eines Erbscheins sei nicht zwingend
erforderlich.

III.
Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 78
Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die
Annahme des Beschwerdegerichts, die Zwischenverfügung des Grundbuchamts
sei zu Recht ergangen, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings
davon aus, dass die Eintragung der Antragstellerin als Alleineigentümerin des
Grundstücks den Nachweis ihrer Erbfolge voraussetzt. Der Nachweis der Erbfolge
kann nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO im Grundsatz nur durch einen Erbschein
geführt werden. Ergibt sich die Erbfolge nach dem eingetragenen Eigentümer
aus einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten
ist - wie hier in einem Erbvertrag (§ 2276 BGB) -, so genügt als Nachweis
nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO die Vorlage der Verfügung und der
Niederschrift über deren Eröffnung durch das Nachlassgericht. In diesem Fall
kann das Grundbuchamt die Vorlegung eines Erbscheins nur verlangen, wenn
es die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen hält (§ 35 Abs. 1
Satz 2 Halbsatz 2 GBO).

2. Richtig ist auch, dass der Nachweis der Erbfolge in der Form des § 35
Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO uneingeschränkt nur dann möglich ist, wenn die
Erbeinsetzung in der Verfügung unbedingt erfolgt ist. Enthält die öffentliche Verfügung
von Todes wegen dagegen eine bedingte Erbeinsetzung, so genügt die
Vorlage der Verfügung und die Niederschrift über deren Eröffnung durch das
Nachlassgericht grundsätzlich nicht. Auf der Grundlage der im Grundbucheintragungsverfahren
zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen bleiben dann nicht
aufklärbare Zweifel an dem Nachweis der Erbfolge. Das Grundbuchamt ist deshalb
unter Reduktion seines Ermessens nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GBO
gehalten, einen Erbschein oder ausreichende Erklärungen der Beteiligten in der
Form des § 29 GBO zu verlangen (vgl. zur Pflichtteilstrafklausel sowie zu allgemein
gehaltenen und speziellen Verwirkungsklauseln Senat, Beschluss vom
2. Juni 2016 - V ZB 3/14, FGPrax 2016, 244 Rn. 8 ff.).

3. Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung des Beschwerdegerichts, die
Vorlage des Erbvertrags und die Niederschrift über dessen Eröffnung durch das
Nachlassgericht sei zum Nachweis der Erbfolge der Antragstellerin deshalb nicht
ausreichend, weil der Erbvertrag eine Scheidungsklausel enthält, die von der Regelung
in § 2077 Abs. 1 BGB abweicht.

a) Nach § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch
die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor
dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es
gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers
die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser
die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat. Die Vorschrift findet auch
auf den Erbvertrag Anwendung (§ 2279 BGB; zum gemeinschaftlichen Testament
vgl. § 2268 BGB). Sie enthält eine dispositive Auslegungsregel entsprechend
dem vom Gesetz vermuteten wirklichen Willen des Erblassers, der auf die
Hinfälligkeit des Testaments bei Vorliegen der in der Vorschrift genannten Umstände
gerichtet ist (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 1959 - V ZR 97/58, FamRZ
1960, 28, 29; BGH, Beschluss vom 2. April 2003 - IV ZB 28/02, BGHZ 154, 336,
340).

b) Richtig ist auch, dass die Scheidungsklausel in dem Erbvertrag vom
25. Mai 2005 von der Vorschrift des § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB abweicht. Anders
als in § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelt, sieht sie die Unwirksamkeit des Erbvertrags
und damit der letztwilligen Verfügung des Erblassers bei Scheitern der
Ehe (§§ 1565, 1566 BGB) nicht nur dann vor, wenn der verstorbene Ehegatte die
Scheidung der Ehe beantragt oder ihr zugestimmt hat, sondern auch dann, wenn
der überlebende Ehegatte den Scheidungsantrag gestellt hat. Daraus folgt aber
nicht, dass der Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten nicht gemäß
§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO durch den Erbvertrag und die Eröffnungsniederschrift
des Nachlassgerichts geführt werden kann.

aa) Die Frage, ob bei einer von § 2077 Abs. 1 BGB abweichenden Scheidungsklausel
der Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten durch den
Erbvertrag und die Eröffnungsniederschrift gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO möglich
ist, ist allerdings umstritten.

(1) Einigkeit besteht darüber, dass bei einer in einer öffentlichen Urkunde
enthaltenen letztwilligen Verfügung von Ehegatten, in der keine Scheidungsklausel
vereinbart ist, die Vorlage der Verfügung und der Eröffnungsniederschrift
grundsätzlich zum Nachweis der Erbfolge ausreichend ist. Das Grundbuchamt
darf ohne konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des
§ 2077 Abs. 1 BGB keine weiteren Nachweise der Erbfolge des überlebenden
Ehegatten verlangen (vgl. KG, FamRZ 2013, 1073 Rn. 10; ZEV 2020, 764 Rn. 8;
Meikel/Weber, GBO, 12. Aufl., § 35 Rn. 119; Staudinger/Otte, BGB [15.2.2021],
§ 2077 Rn. 15.1, Böhringer, ZEV 2017, 68, 71; Volmer, ZEV 2006, 402, 403;
DNotI-Report 2006, 181, 182). Es hat bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung
als Grundlage der Eintragung einer Erbfolge (zur Auslegung vgl. Senat,
Beschluss vom 2. Juni 2016 - V ZB 3/14, FGPrax 2016, 244 Rn. 15 mwN) zwar
gesetzliche Auslegungsregeln zu berücksichtigen, wenn auch das Nachlassgericht
voraussichtlich darauf zurückgreifen muss (vgl. OLG Stuttgart, Rpfleger
1992, 154; OLG Schleswig, FGPrax 2006, 248, 249; OLG München, ZEV 2008,
340, 341; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 35 Rn. 42). Dazu gehört auch die Regelung
des § 2077 Abs. 1 BGB. Es liegt aber nur die abstrakte Möglichkeit vor, dass
die letztwillige Verfügung nach § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam wird. Andernfalls
wäre verheirateten Personen der Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1
Satz 2 GBO nicht möglich und die Vorschrift liefe weitgehend leer. Auf die statistische
Häufigkeit von Ehescheidungen kommt es nicht an.

(2) Nach einhelliger Ansicht gilt nichts anderes, wenn die letztwillige Verfügung
eine Scheidungsklausel enthält, die sich an die Voraussetzungen des
§ 2077 Abs. 1 BGB anlehnt (vgl. KG, FamRZ 2013, 1073 Rn. 11; ZEV 2020, 764
Rn. 8 u. 11; jurisPK-BGB/Lehrmann, 9. Aufl., § 2077 Rn. 45; Bauer/Schaub,
GBO, 4. Aufl., § 35 Rn. 145; BeckOK GBO/Wilsch [1.11.2021], § 35 Rn. 105;
jurisPK-BGB/Reymann, 9. Aufl., § 2268 Rn. 21; KEHE/Volmer, Grundbuchrecht,
8. Aufl., § 35 Rn. 121; Meikel/Weber, GBO, 12. Aufl., § 35 Rn. 119; Bestelmeyer,
notar 2013, 147, 151; Böhringer, ZEV 2017, 68, 71; Lange, ZEV 2009, 371, 373;
Weber, MittBayNot 2017, 163, 165; DNotI-Report 2006, 191, 183; offen gelassen
in OLG München, ZEV 2016, 401 Rn. 15). Diese Ansicht ist zutreffend. Einem
Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2
GBO steht nicht entgegen, dass die letztwillige Verfügung eine dem § 2077
Abs. 1 BGB entsprechende Scheidungsklausel enthält, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind. Die Unwirksamkeit
der letztwilligen Verfügung tritt dann nämlich unter denselben
Voraussetzungen ein, die auch das Gesetz vorsieht. Die Scheidungsklausel stellt
lediglich klar, dass die Unwirksamkeit auch dem wirklichen Willen des Erblassers
entspricht (vgl. § 2077 Abs. 3 BGB). Ohne konkrete Anhaltspunkte, dass die
Voraussetzungen der Scheidungsklausel vorliegen, kann daher keine Unwirksamkeit
der letztwilligen Verfügung nach § 2077 Abs. 1 BGB angenommen werden.

(3) Ist in der letztwilligen Verfügung eine von § 2077 Abs. 1 BGB abweichende
Scheidungsklausel vereinbart, gehen die Meinungen auseinander.

(a) Nach einer Auffassung, der sich das Beschwerdegericht angeschlossen
hat, ist bei Scheidungsklauseln, die von der gesetzlichen Auslegungsregel
abweichen, die Vorlage der letztwilligen Verfügung und der Niederschrift über
deren Eröffnung zum Nachweis der Erbfolge nicht ausreichend. Das wird insbesondere
angenommen für eine Klausel im Erbvertrag, nach der die Erbeinsetzung
im Fall der Einreichung eines Scheidungsantrags durch einen der beiden
Ehegatten und - anders als hier - unabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen
für die Ehescheidung unwirksam sein soll. Die Unwirksamkeit der notariellen
Verfügung wegen eines Antrags auf Ehescheidung sei keine ganz entfernte,
bloß auf theoretischen Überlegungen beruhende Möglichkeit. Es liege eine Nachweislücke
vor, die durch Vorlage eines Erbscheins oder einer eidesstattlichen
Versicherung darüber, dass ein Scheidungsantrag nicht anhängig sei, geschlossen
werden müsse (vgl. OLG München, ZEV 2016, 401 Rn. 15 ff.; OLG Naumburg,
FamRZ 2019, 1656 Rn.12 ff., 17 ff.; BeckOK GBO/Wilsch [1.11.2021], § 35
Rn. 105).

(b) Nach überwiegender Ansicht darf das Grundbuchamt bei einer Scheidungsklausel,
die eine Unwirksamkeit auch für den Fall des Scheidungsantrags
des überlebenden Ehegatten vorsieht, nur dann weitere Nachweise verlangen,
wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass ein Scheidungsantrag beim Tod
des Erblassers gestellt worden war. Allein der Umstand hoher Scheidungsquoten
ändere daran nichts. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass während
einer bestehenden Ehe einmal ein Scheidungsantrag gestellt worden ist. Gleichwohl
handele es sich doch immer noch um nicht mehr als eine abstrakte Möglichkeit,
die den durch § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO zum Ausdruck kommenden Wert
einer notariellen letztwilligen Verfügung nicht zu schmälern vermöge. Das Risiko,
dass im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ein Scheidungsverfahren anhängig
war, sei zu vernachlässigen (vgl. KG, ZEV 2020, 764 Rn. 9 f.; KEHE/Volmer
Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 35 Rn. 121; Meikel/Weber, GBO, 12. Aufl., § 35
Rn. 119; Staudinger/Otte, BGB [15.2.2021], § 2077 Rn. 15.1; jurisPK-BGB/Reymann,
9. Aufl., § 2268 Rn. 23; Böhringer, NZFam 2019, 442, 443; Drexler,
MittBayNot 2020, 365, 366 f.; Litzenburger, FD-ErbR 2019, 417615; Volmer, ZEV
2016, 402, 403; Weber, MittBayNot 2017, 163, 165; DNotI-Report, 2006, 181,
183; DNotI-Report 2018, 1, 2; Fröhler in Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung,
5. Aufl., 5. Kapitel J Rn. 182).

bb) Die zuletzt genannte Ansicht ist vorzugswürdig. Der Nachweis der Erbfolge
des überlebenden Ehegatten kann gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO durch
die Vorlage der letztwilligen Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen
Urkunde enthalten ist, und der Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts geführt
werden, wenn die Scheidungsklausel abweichend von § 2077 Abs. 1 Satz
2 BGB vorsieht, dass die letztwillige Verfügung bereits dann unwirksam sein soll,
wenn der überlebende Ehegatte einen Scheidungsantrag gestellt hat. Anders ist
es nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein solcher Scheidungsantrag
gestellt worden ist.

(1) Weil § 35 GBO bei verheirateten Erblassern andernfalls weitgehend
leer liefe, hat das Grundbuchamt, sofern keine konkreten anderweitigen Anhaltspunkte
vorliegen, davon auszugehen, dass letztwillige Verfügungen, die in einer
öffentlichen Urkunde enthalten sind, nicht nach § 2077 Abs. 1 BGB bzw. einer
entsprechenden Scheidungsklausel unwirksam geworden sind. Das Grundbuchamt
darf daher keine weiteren Nachweise in der Form des § 29 GBO verlangen
(vgl. Demharter, GBO, 32. Aufl., § 35 Rn. 39; KEHE/Volmer, Grundbuchrecht,
8. Aufl., § 35 Rn. 108; Meikel/Krause/Weber, GBO, 12. Aufl., § 35 Rn. 133;
Lange, ZEV 2009, 371, 373). Den Beteiligten sollen die damit verbundenen Kosten
und Mühen erspart bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013
- XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716 Rn. 41; Meikel/Krause/Weber, aaO Rn. 2;
KEHE/Volmer, aaO Rn. 128).

(2) Ein sachlicher Grund, davon bei einer Scheidungsklausel abzurücken,
die die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung auch für den Fall des Scheidungsantrags
des überlebenden Ehegatten vorsieht, ist nicht erkennbar. Zwar
handelt es sich bei dem Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten um eine
von dem Erblasser gewollte auflösende Bedingung für die Wirksamkeit des Erbvertrags.
Der Erblasser stellt den Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten
dem seinigen aber lediglich gleich. Die Scheidungsklausel knüpft, ebenso wie
§ 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB, an die Stellung eines Scheidungsantrags an. Das gilt
auch für eine Klausel, die, anders als hier, weiter abweichend von § 2077 Abs. 1
Satz 2 BGB für den Eintritt der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung den
Scheidungsantrag eines der Ehegatten ausreichen lässt, also nicht zusätzlich davon
abhängig macht, dass die Voraussetzungen für die Ehescheidung (§§ 1565,
1566 BGB) vorlagen. Der Unwirksamkeitsgrund des Scheidungsantrags ist vergleichbar
mit einem allgemeinen Unwirksamkeitsgrund, der jeder Verfügung von
Todes wegen abstrakt anhaften kann, z.B. bei Testierunfähigkeit des Erblassers
(vgl. OLG München, RNotZ 2016, 320, 322 f.; OLG Oldenburg, MittBayNot 2017,
500 Rn. 2; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 35 Rn. 39.1), der Bindung des Erblassers
durch einen vorherigen Erbvertrag oder ein vorheriges gemeinschaftliches
Testament, der späteren Aufhebung (vgl. Meikel/Weber, GBO, 12. Aufl., § 35
Rn. 133; DNotI-Report, 2006, 181, 182) oder der Anfechtung der Verfügung (vgl.
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 788). Solange das Grundbuchamt
keinen Anlass zu Zweifeln hat, muss es von der Wirksamkeit der letztwilligen
Verfügung ausgehen.

Damit unterscheidet sich die Scheidungsklausel von der Verwirkungsklausel,
für die der Senat den Nachweis der Erbfolge in der Form des § 29 GBO als
erforderlich angesehen hat (vgl. Rn. 6). Ob der überlebende Ehegatte den Nachweis
der Wirksamkeit leicht führen kann, ist unerheblich. Es bedarf deshalb keiner
Entscheidung, ob die eidesstattliche Versicherung ein taugliches Mittel zum
Nachweis der Erbfolge ist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Februar 2022
- V ZB 87/20, DB 2022, 861 Rn. 32).

IV.
Da das Beschwerdegericht hiernach die Beschwerde der Antragstellerin
gegen die Zwischenverfügung zu Unrecht zurückgewiesen hat, sind seine Entscheidung
und die Zwischenverfügung des Grundbuchamts aufzuheben (§ 78
Abs. 3 GBO i.V.m. § 74 Abs. 5 FamFG). Das Grundbuchamt darf den Vollzug der
beantragten Berichtigung des Grundbuchs nicht aus den in der Zwischenverfügung
genannten Gründen verweigern.

V.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Gegenstandswerts
beruht auf § 61 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

17.02.2022

Aktenzeichen:

V ZB 14/21

Rechtsgebiete:

Erbvertrag
Gemeinschaftliches Testament
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GBO § 35 Abs. 1 S. 2; BGB § 2077 Abs. 1