Freigabe eines Grundstücks durch den Insolvenzverwalter bei insolventer GmbH; Nachweis der Vertretungsmacht bei Ermächtigung eines gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers zur Einzelvertretung
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 10996
letzte Aktualisierung: 6.10.2011
OLG München, 16.9.2011 - 34 Wx 376/11
Freigabe eines Grundstücks durch den Insolvenzverwalter bei insolventer GmbH;
Nachweis der Vertretungsmacht bei Ermächtigung eines gesamtvertretungsberechtigten
Geschäftsführers zur Einzelvertretung
1. Bei der Freigabe eines Vermögenswertes durch den Insolvenzverwalter sind der bzw. die
Geschäftsführer berechtigt, die GmbH bei Verfügungen über den freigegebenen
Vermögenswert zu verpflichten.
2. Sieht das Gesetz einen Nachweis der Eintragungsvoraussetzungen gemäß
ist diese Vorschrift nicht abschließend. Die allgemeine Nachweisführung gemäß § 29 Abs. 1
GBO bleibt weiterhin möglich.
3. Gemäß
GBO geheilt werden.
4. Der Nachweis, dass ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer zu einem
bestimmten Rechtsgeschäft einzeln ermächtigt worden ist, kann durch einen öffentlich
beglaubigten Beschluss über die Ermächtigung geführt werden.
5. Der Nachweis des Fortbestandes der Eigenschaft als Insolvenzverwalter kann durch die
Vorlage einer beglaubigten Abschrift der „Bescheinigung der Ernennung“ geführt werden,
wenn der Notar zugleich bescheinigt, dass ihm die Urschrift im Zeitpunkt der öffentlichen
Beglaubigung der Unterschrift des Insolvenzverwalters vorgelegen hat. Dabei ist auch ein
Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen der Ausstellung der Bescheinigung und der
Vornahme der Grundbuchhandlung unschädlich.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Tenor
I. Der Beschluss des Amtsgerichts Altötting - Grundbuchamt - vom 30. Juni 2011 wird
aufgehoben.
II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Beteiligte zu 2 als Eigentümerin des Flurstücks
xxx im Grundbuch einzutragen sowie über die Eintragung der Beteiligten zu 2 als
Eigentümerin der Flurstücke xxx und xxx neu zu entscheiden.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1 ist eine GmbH in Liquidation. Über ihr Vermögen wurde am 26.3.2009
das Insolvenzverfahren eröffnet, das bislang noch nicht beendet ist.
Es sind zwei Geschäftsführer für die GmbH bestellt. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrags vom
4.8.2005 wird die Gesellschaft von den zwei Geschäftsführern gemeinschaftlich vertreten; die
Gesellschafter können jedoch auch einen Geschäftsführer durch Beschluss zur
Einzelvertretung ermächtigen.
Einzige Gesellschafterin der Beteiligten zu 1 ist eine GmbH, über deren Vermögen ebenfalls
das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Für den Insolvenzverwalter dieser Alleingesellschafterin
ist am 1.4.2009 eine Bescheinigung über dessen Ernennung ausgestellt worden.
Im Eigentum der Beteiligten zu 1 steht das im Grundbuch (Blatt 6099) eingetragene
Grundstück FlSt. xxx, das mit Eintragung vom 29.6.2011 durch Verschmelzung aus den
Flurstücken xxx und xxx entstanden ist. Hinsichtlich dieses Grundstücks wurde am 30.3.2009
ein Insolvenzvermerk eingetragen, der nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter am
5.8.2009 wieder gelöscht wurde.
Die Beteiligte zu 2 erteilte - noch unter ihrem früheren Namen - einerseits am 10.4.2009 an
Frau F. eine Vollmacht zur Erklärung bzw. Entgegennahme der Auflassung sowie
andererseits am 4.5.2009 an Dr. K. eine Vollmacht, die für den Erwerb von Vermögenswerten
einschließlich Grundstücken der Beteiligten zu 1 erforderlichen Handlungen und Geschäfte in
ihrem Namen auszuführen. Dr. K. gab am 27.5.2009 namens der Beteiligten zu 2 ein Angebot
zum Kauf des gesamten Sacheinlagevermögens der Beteiligten zu 1 ab, insbesondere auch
zum Ankauf der Flurstücke xxx, xxx, xxx und xxx.
Dieses Angebot vom 27.5.2009 nahm der Insolvenzverwalter der Beteiligten zu 1 mit
notarieller Urkunde vom 28.5.2009 an. Daraufhin beantragte der Notar, der die
Angebotsurkunde errichtet hatte, mit Schreiben vom 28.12.2010 die Eintragung der
Beteiligten zu 2 als Eigentümerin.
Am 31.1.2011 übertrug das Grundbuchamt die Flurstücke xxx und xxx nach entsprechender
Freigabe durch die Beteiligte zu 2 auf ein anderes Grundbuchblatt.
Formunwirksamkeit der Auflassung. Soweit es Eintragungshindernisse gegen einen weiteren
Antrag aufzeigte, hat die Beteiligte zu 2 diesen inzwischen zurückgenommen.
Am 27.5.2011 bevollmächtigte einer der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 Frau G. zur
Abgabe, Entgegennahme und Beurkundung einer Auflassungserklärung hinsichtlich der in
Blatt 6099 des Grundbuchs eingetragenen Flurstücke (xxx, xxx, xxx und xxx). Mit
schriftlichem Gesellschafterbeschluss gleichen Datums, der in unbeglaubigter Kopie mit
vorgelegt wurde, hatte der Insolvenzverwalter der Alleingesellschafterin für alle Erklärungen
im Zusammenhang mit der Übertragung des Eigentums an dem auf Blatt 6099 eingetragenen
Grundstück, insbesondere die Abgabe und Beurkundung der Auflassungserklärung, diesem
Geschäftsführer Einzelvertretungsbefugnis erteilt.
Am 30.5.2011 erklärten Frau G. und Frau F. in notarieller Urkunde die Auflassung der
Flurstücke xxx, xxx, xxx und xxx durch die Beteiligte zu 1 an die Beteiligte zu 2, wobei sie
sich auf die ihnen erteilten Vollmachten beriefen. Diese Urkunde legte der Notar mit
Schreiben vom 30.5.2011 zur Erledigung der Zwischenverfügung vom 3.3.2011 beim
Grundbuchamt vor.
Mit Beschluss vom 30.6.2011 hat das Amtsgericht die Eintragungsanträge zurückgewiesen,
da die Einzelvertretungsbefugnis des Geschäftsführers der Beteiligten zu 1 nicht in
grundbuchmäßiger Form nach
In der daraufhin mit Schriftsatz vom 28.7.2011 eingelegten Beschwerde wird die Aufhebung
des Zurückweisungsbeschlusses vom 30.6.2011 beantragt. Der Beschwerdeschrift liegt eine
notariell beglaubigte Fassung eines Gesellschafterbeschlusses vom 19.7.2011 bei.
Gleichzeitig enthält die Urkunde den notariellen Vermerk, dass der Insolvenzverwalter der
Alleingesellschafterin im Rahmen der Beglaubigung das Original der Bescheinigung des
Amtsgerichts vom 1.4.2009 über dessen Ernennung vorgelegt habe, wovon eine beglaubigte
Ablichtung zu dieser Urkunde genommen wurde.
Der Beschwerde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.8.2011 nicht abgeholfen.
II.
Die nach § 71 Abs. 1, § 73 sowie
zugunsten der Beteiligten erhobene Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Eine Eintragung setzt nach
Auflassungserklärung sowie den Nachweis der Eintragungsvoraussetzungen durch öffentliche
oder öffentlich beglaubigte Urkunden voraus.
a) Zutreffend geht das Grundbuchamt davon aus, dass die Auflassung, die in der notariellen
Urkunde vom 27.5.2009 durch die Beteiligte zu 2 angeboten und mit notarieller Urkunde vom
28.5.2009 angenommen wurde, nicht den Vorschriften des
entspricht und daher nicht eingetragen werden konnte.
den Geschäftsführer oder einen von ihm Bevollmächtigten zu erfolgen hat. Nach Freigabe des
Grundstücks liegt die Verfügungsbefugnis nämlich wieder bei der GmbH (vgl. auch LG
Dessau-Roßlau
c) Nicht zu beanstanden ist zunächst auch die Auffassung des Grundbuchamtes, wonach die
in der notariellen Urkunde vom 30.5.2011 erklärte Auflassung nicht eingetragen werden
konnte, da die Wirksamkeit der Untervollmacht für die Erklärende, die Bevollmächtigte G.,
nicht in der Form der
wird, war ein Nachweis gemäß
möglich.
Auch der daneben mögliche Nachweis der wirksamen Erteilung der Vollmacht nach § 29
GBO war _ wie das Grundbuchamt zutreffend unter Verweis auf den fehlenden Nachweis der
Einzelvertretungsbefugnis angeführt hat - zunächst nicht geführt.
Wie der Wortlaut des
diese Vorschrift nur eine Beweiserleichterung. Neben
Nachweisführung gemäß
Demharter GBO 27. Aufl. § 32 Rn. 16). Die Beteiligten legten mit der notariellen
Auflassungserklärung vom 30.5.2011 allerdings einen schriftlichen Gesellschafterbeschluss
vom 27.5.2011 vor, der die Voraussetzungen des
Nachweis über die fortbestehende Legitimation des Insolvenzverwalters, der (nur) zeit seines
Amtes für die alleinige Gesellschafterin der Beteiligten zu 1 auftreten darf (
d) Nach den nunmehr vorgelegten, vom Senat als Tatsacheninstanz (vgl.
berücksichtigenden, Unterlagen ist der Nachweis der wirksamen Erteilung der Vollmacht
allerdings gemäß
Denn mit der Beschwerde wurde ein Gesellschafterbeschluss vom 19.7.2011 vorgelegt, in der
der Insolvenzverwalter der Alleingesellschafterin die dem handelnden Geschäftsführer mit
Beschluss vom 27.5.2011 erteilte Einzelvertretungsbefugnis für das vorliegend einzutragende
Grundstücksgeschäft bestätigt. Diese Erklärung des Insolvenzverwalters ist notariell
beglaubigt. Gleichzeitig wurde eine beglaubigte Ablichtung der Bescheinigung der
Ernennung des Insolvenzverwalters der Alleingesellschafterin vom 1.4.2009 vorgelegt. In
dem Beglaubigungsvermerk zur Urkunde selbst bescheinigt der Notar, dass ihm das Original
dieser Bescheinigung vom 1.4.2009 vorgelegt worden war. Damit ist auch der hinreichende
Nachweis geführt, dass der Insolvenzverwalter noch befugt war, für die Alleingesellschafterin
aufzutreten (vgl. Hügel/Wilsch GBO Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren Rn. 67). Denn
damit steht fest, dass er sich noch im Besitz des maßgeblichen Legitimationspapiers befand.
Die Vorlage des Gesellschafterbeschlusses genügt, um den Nachweis der
Einzelvertretungsbefugnis für das gegenständliche Geschäft zu erbringen. Der Beschluss vom
19.7. 2011 beseitigt nicht generell die Gesamtvertretung, sondern ermächtigt den handelnden
Geschäftsführer nur zur Vornahme einzelner, genau bezeichneter Geschäfte im
Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung an dem Grundbesitz. Eine solche
Einzelermächtigung bedarf der Eintragung ins Handelsregister nicht (so für den Fall der
und § 35 Rn. 57; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbH-Gesetz 17. Aufl. § 35 Rn. 32). Sie
kann als gewillkürte Vertretungsmacht für den Einzelfall nicht nur durch die übrigen
gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer, sondern - erst recht - auch durch die
Gesellschafter im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses erteilt werden. Wollte man
dennoch
Satzungsänderung, so dass die Eintragung nur deklaratorisch wirkt
(Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG 19. Aufl. § 39 Rn. 24; Roth/Altmeppen § 39
Rn. 5). Trotz fehlender Eintragung würde daher der Beschluss rechtliche Wirkung entfalten,
nachdem er allen am Eintragungsverfahren Beteiligten bekannt gemacht ist
(Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack § 39 Rn. 24).
e) Auch die Unterbevollmächtigung von Frau G. ist durch beglaubigte Unterschrift des
demnach vertretungsberechtigten Geschäftsführers in der Urkunde vom 27.5.2011
nachgewiesen.
2. Die weiteren Eintragungsvoraussetzungen, wie Antrag und Voreintragung, liegen
hinsichtlich des Flurstücks xxx vor.
3. Die in der Auflassung bezeichneten Flurstücke xxx und xxx wurden mittlerweile von Blatt
xxx abgeschrieben. Auch insofern hat das Grundbuchamt die Eintragung unter Hinweis auf
den fehlenden Nachweis der Einzelvertretungsbefugnis abgelehnt.
Der Antrag, die Eintragungen hinsichtlich sämtlicher (ursprünglich vier) Grundstücke
vorzunehmen, steht nicht unter dem (zulässigen) Vorbehalt des § 16 Abs 2 GBO. Ein solcher
Vorbehalt kann - wie hier nicht - ausdrücklich erklärt werden; auch ein stillschweigender
Vorbehalt ist nicht ersichtlich (vgl. Demharter § 16 Rn 11).
Da durch das Beschwerdegericht nicht geklärt werden kann, ob die beantragte Eintragung trotz vermutlich zwischenzeitlich erfolgter Umschreibung auf einen anderen Eigentümer oder
zumindest möglicherweise vorliegender Eintragungsanträge - noch vorgenommen werden
kann, ist das Verfahren dem Grundbuchamt insoweit zur erneuten Entscheidung unter
Berücksichtigung der dem Beschluss zugrundeliegenden Auffassung des Beschwerdegerichts
zurückzuleiten.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:16.09.2011
Aktenzeichen:34 Wx 376/11
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Aktiengesellschaft (AG)
Insolvenzrecht
DNotI-Report 2011, 163
DNotZ 2011, 951-954
GBO §§ 29 Abs. 1, 74; InsO §§ 35, 56, 80; AktG § 78 Abs. 4