OLG München 27. Oktober 2011
34 Wx 435/11
GBO § 22; InsO § 88

Löschung einer gem. § 88 InsO unwirskamen Sicherungshypothek durch Unrichtigkeitsnachweis möglich

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Dokumentnummer: 34wx435_11
letzte Aktualisierung: 10.1.2012
OLG München, 27.10.2011 - 34 Wx 435/11
GBO § 22; InsO § 88
Löschung einer gem. § 88 InsO unwirskamen Sicherungshypothek durch Unrichtigkeitsnachweis möglich
Ist eine zu Gunsten eines Gläubigers im Grundbuch eingetragene Sicherungshypothek mit der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre
unwirksam geworden, so kann der Insolvenzverwalter ungeachtet der Möglichkeit eines
späteren erneuten Wirksamwerdens der Sicherung die Berichtigung des Grundbuchs im Wege
des Unrichtigkeitsnachweises betreiben (Anschluss an OLG Köln vom 14. Juli 2010, 2 W
86/10, ZIP 2010, 1763; a.A. OLG Stuttgart vom 30. August 2011, 8 W 310/11).


Oberlandesgericht München
Az.:
34 Wx 435/11
Unterschleißheim, Blatt 11006-15 AG München - Grundbuchamt
In der Grundbuchsache
wegen Löschung einer Zwangshypothek
erlässt das Oberlandesgericht München -34. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht Lorbacher, die Richterin am Oberlandesgericht Paintner und den
Richter am Oberlandesgericht Hinterberger am 27. Oktober 2011 folgenden
Beschluss
I.
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts
München - Grundbuchamt - vom 2. September 2011 aufgehoben.
II.
Das Amtsgericht München - Grundbuchamt - wird angewiesen, die im Grundbuch
des Amtsgerichts München von Unterschleißheim in der Dritten Abteilung unter
lfd. Nr. 3 eingetragene Zwangssicherungshypothek zu 100.000 € für xx, geb. xx;
zu verzinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit
11.09.2008, zu löschen.
III.
Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
34 Wx 435/11
Gründe:
I.
Der Insolvenzschuldner ist zu 1/2 Miteigentümer eines Grundstücks. An dessen
Grundstücksanteil wurde zugunsten des Beteiligten zu 2, eines Gläubigers, am
5.11.2010 eine Zwangshypothek zu 100.000 € nebst Zinsen gemäß einem Endurteil des
Landgerichts B. vom 9.6.2009 im Wege der Sicherungsvollstreckung eingetragen. Über
das Vermögen des Schuldners wurde am 24.11.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet;
der Beteiligte zu 1 ist zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Antrag auf Eintragung der
Eröffnung im Grundbuch stammt vom 30.11.2010; die Eintragung am Grundstücksanteil
des Schuldners wurde am 7.12.2010 bewirkt.
Der Beteiligte zu 1 beabsichtigt, den Hälfteanteil durch Veräußerung zu verwerten.
Zunächst
beantragte
er
die
Löschung
der
Zwangshypothek
im
Wege
der
Grundbuchberichtigung. Auf Zwischenverfügung des Grundbuchamts vom 29.7.2011
änderte er seinen Antrag dahin, einen Vermerk zu der eingetragenen Zwangshypothek
anzubringen, wonach diese gemäß § 88 InsO schwebend unwirksam sei und die
endgültige Unwirksamkeit eintrete, sobald der Eigentümer nicht mehr als solcher
eingetragen sei. Mit Schriftsatz vom 2.9.2011 hat er erneut seinen ursprünglichen
Löschungsantrag als Hauptantrag und den Antrag auf Eintragung eines Vermerks zur
Zwangssicherungshypothek hilfsweise gestellt.
Das Grundbuchamt hat dem Beteiligten zu 2 als Inhaber der Zwangshypothek
Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Dieser hat sich sich gegen eine Löschung
verwahrt. Mit Beschluss vom 2.9.2011 hat das Grundbuchamt die Eintragungsanträge
zurückgewiesen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Zwangshypothek von
der Rückschlagsperre erfasst werde, diese zwar schwebend unwirksam sei, jedoch die
Möglichkeit einer Konvaleszenz des Rechts bestehe, wenn es als Buchposition erhalten
bleibe und mit einem gegebenenfalls geänderten Rang wieder auflebe, wenn der
Schuldner bei Verfahrensbeendigung oder Freigabe seine Verfügungsbefugnis wieder
erlange. Die Löschung aufgrund Unrichtigkeit würde daher eine weitere potentielle
Unrichtigkeit nach sich ziehen, weshalb die Löschungsbewilligung des Gläubigers
erforderlich sei. Dem Hilfsantrag könne deswegen nicht entsprochen werden, weil für
das Grundbuchrecht der numerus clausus des Sachenrechts gelte, mithin nur
eintragungsfähig sei, was auch dazu vorgesehen sei. Die Wiederholung von
gesetzlichen Folgen oder deren künftige Auswirkungen sei nicht eintragungsfähig. Die
Voraussetzungen des § 88 InsO seien im Zusammenhang mit der Grundbuchakte
ersichtlich, während sich die Folgen aus dem Gesetz ergäben. Für die Eintragung eines
zusätzlichen Vermerks zur Erläuterung der Rechtslage gebe es keine Grundlage. Noch
viel weniger treffe dies für den Fall einer Eigentumsübertragung zu, da die Rechtslage
bei künftigen Veränderungen im Grundbuch nicht vorab durch einen entsprechenden
Vermerk vorgeprüft werden könne.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1, der davon ausgeht, die
eingetretene Rückschlagsperre erfasse die Zwangshypothek und diese sei auf Antrag
des Insolvenzverwalters, trotz eines möglichen Wiederauflebens nach Beendigung der
Insolvenz, zu löschen.
Das Grundbuchamt hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.
Vor dem Senat hatte der Beteiligte zu 2 erneut Gelegenheit zur Stellungnahme. An
seiner Auffassung, die Zwangshypothek müsse eingetragen bleiben, hält er fest.
II.
Die nach § 71 Abs. 1, § 73 GBO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des
im eigenen Namen kraft Amtes beschwerdeberechtigten Insolvenzverwalters hat in der
Sache Erfolg. Dem Löschungsantrag im Weg der Grundbuchberichtigung (§ 22 Abs. 1
GBO) ist stattzugeben.
1. Mit dem Grundbuchamt geht der Senat davon aus, dass die Voraussetzungen für das
Eingreifen der Rückschlagsperre und damit des § 88 InsO gegeben sind, somit die am
5.11.2011 erlangte Sicherung durch Eintragung der Zwangshypothek mit der Eröffnung
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des Verfahrens am 24.11.2011 unwirksam geworden ist. Auf den Antrag, das
Insolvenzverfahren zu eröffnen, kommt es hier nicht an. Denn bereits die Eröffnung fand
innerhalb einer Monats nach Erlangung der Sicherheit statt (vgl. im Einzelnen Keller ZIP
2000, 1324/1331; ZIP 2006, 1174/1179).
2. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.1.2006 (BGHZ 166, 74) sind
die von der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre betroffenen Sicherungen eines
Gläubigers gegenüber jedermann, wenn auch schwebend, unwirksam. Wird deshalb
gemäß
§
InsO
eine
Zwangshypothek
unwirksam,
entsteht
keine
Eigentümergrundschuld (so noch BayObLG Rpfleger 2000, 448). Jedoch können
Gläubigersicherungen, die (schwebend) unwirksam geworden sind, ohne Neueintragung
mit entsprechend verändertem Rang wirksam werden, wenn sie als Buchposition
erhalten sind und die Voraussetzungen für eine Neubegründung der Sicherung im Wege
der Zwangsvollstreckung bestehen. Bei Freigabe des Grundstücks durch den
Insolvenzverwalter kann die durch die Rückschlagsperre unwirksam gewordene
Zwangshypothek schon im Zeitpunkt der Freigabe wieder wirksam werden. Dessen
ungeachtet geht der Bundesgerichtshof ersichtlich davon aus, dass die eingetragene
Zwangshypothek, sobald sie unwirksam wird (und aktuell noch ist), auch aufgrund
Unrichtigkeitsnachweises (§ 22 GBO) beseitigt werden kann (Rn. 13 und 22; dazu
Volmer ZfIR 2006, 441), es somit einer Klage auf Zustimmung zur Löschung gegen den
widersprechenden Gläubiger (§ 888 Abs. 2 oder § 894 BGB) nicht bedarf.
Wohl auch die Mehrheit der grundbuchrechtlichen Literatur hält eine Löschung im Wege
des Unrichtigkeitsnachweises weiterhin für vollziehbar (Keller ZIP 2006, 1174/1179;
Volmer ZfIR 2006, 441; Böttcher NotBZ 2007, 86/89; Wilsch JurBüro 2006, 396/399;
wohl auch Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren Rn. 10
m.w.N.). Dem hat sich das Oberlandesgericht Köln (ZIP 2010, 1763), wenn auch nur im
nichttragenden Teil seiner Entscheidung, angeschlossen und klargestellt, dass die
Grundsätze zum Wiederaufleben nur greifen, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des
Insolvenzverfahrens oder der Freigabe des Grundstücks die Zwangshypothek noch im
Grundbuch eingetragen ist (aaO., S. 1765). Dem schließt sich der Senat an. Denn das
vom Bundesgerichtshof befürwortete Wiederaufleben der Sicherung, etwa nach
Freigabe durch den Insolvenzverwalter, ist kein Grund, der Gläubigergemeinschaft
während des laufenden Insolvenzverfahrens im Verhältnis zu einem Einzelgläubiger die
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Verwertung des Grundstücks massiv zu erschweren. Das Insolvenzverfahren bezweckt
gerade, alle Gläubiger gleichmäßig zu bedienen. Dass der Bundesgerichtshof mit seiner
Entscheidung
das
Verhältnis
Einzelzwangsvollstreckungszwischen
gläubigern
Insolvenzgläubigern
andererseits
einerseits
zugunsten
der
und
letzteren
verschieben wollte, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Betroffen ist, wie auch das
Oberlandesgericht Köln erkennt, nur der Fall, dass die Zwangshypothek bestehen bleibt,
eine Verwertung des belasteten Grundstücks zugunsten der Masse also nicht
stattgefunden hat. Dann ist es sinnvoll, die formelle Buchposition zu erhalten. Wie
aufgezeigt, geht auch der Bundesgerichtshof als selbstverständlich davon aus, dass
dem
Insolvenzverwalter,
und
zwar
bereits
auf
der
Verfahrensebene,
die
Löschungsmöglichkeit erhalten bleiben soll (s.o.).
Die gegenteilige Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart (Beschluss vom 30.8.2011, 8
W 310/11, bei juris) überzeugt nicht. Die vorhandene Buchposition ist als solche kein
Grund,
unter
den
Voraussetzungen
des
§22
GBO,
also
auch
auf
Unrichtigkeitsnachweis, nicht zu löschen. Die Gehörsgewährung im Verfahren der
Berichtigung infolge Unrichtigkeitsnachweises ist auch nicht abhängig von der
Werthaltigkeit der (grundbuchrechtlichen) Position (BGH Rpfleger 2005, 135/136; siehe
Hügel/Holzer § 22 Rn. 21; Demharter GBO 27. Aufl. § 1 Rn. 49). Diese selbst bildet im
streng
förmlichen
Grundbuchverfahren
den
Anlass
für
die
Beteiligung
des
ausgewiesenen Berechtigten. Überdies ist die Anhörung schon deshalb keine bloße
Förmelei, weil sie auch der Sachaufklärung dienen kann und nicht völlig auszuschließen
ist, dass noch Umstände (etwa die Freigabe; siehe dazu Keller ZIP 2006, 1174/1179)
zutage treten, die für die Entscheidung des Grundbuchamts von Bedeutung sind.
3. Die in der Literatur angedachte Möglichkeit (Bestelmeyer Rpfleger 2006, 388; Wilsch
JurBüro 2006, 396/399), im Grundbuch in der Veränderungsspalte die schwebende
Unwirksamkeit zu vermerken, ist nach Ansicht des Senats verschlossen. Wie das
Grundbuchamt zu Recht ausführt, könnte ein derartiger Vermerk lediglich die - aus dem
Grundbuch im Übrigen erschließbare - Rechtslage erläutern. Dazu fehlt neben einer
praktischen Notwendigkeit auch die gesetzliche Grundlage.
4. Einer Entscheidung über die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens bedarf
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es nicht, weil solche Kosten nicht angefallen sind (vgl. § 131 Abs. 1 und 3 KostO). Für
die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten kann es angesichts der nicht einfachen
Rechtslage bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit verbleiben,
dass jede Seite ihre eigenen Kosten selbst trägt.
Für den ersten Rechtszug ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§
78 Abs. 2 GBO) gegeben sind. Die Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des Rechts
und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (siehe OLG Stuttgart
vom 30.8.2011, 8 W 310/11, OLG Köln 2010, 1763).
Hierzu ergeht folgende Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 78 GBO, § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem
Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichung einer
Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht - dies ist der Bundesgerichtshof in
76133 Karlsruhe, Herrenstraße 45 a, Postanschrift: 76125 Karlsruhe - einzulegen. Die
Rechtsbeschwerde muss enthalten:
1. die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird,
und
2. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Beteiligten müssen sich durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG).
Lorbacher
Paintner
Hinterberger
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
GBO § 22
InsO § 88
Ist eine zu Gunsten eines Gläubigers im Grundbuch eingetragene Sicherungshypothek mit der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre
unwirksam geworden, so kann der Insolvenzverwalter ungeachtet der Möglichkeit eines
späteren erneuten Wirksamwerdens der Sicherung die Berichtigung des Grundbuchs im Wege
des Unrichtigkeitsnachweises betreiben (Anschluss an OLG Köln vom 14.7.2010, 2 W 86/10 =
ZIP 2010, 1763; a. A. OLG Stuttgart vom 30.8.2011, 8 W 310/11).
OLG München, 34. Zivilsenat
Beschluss vom 27.10.2011
34 Wx 435/11

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

27.10.2011

Aktenzeichen:

34 Wx 435/11

Rechtsgebiete:

Insolvenzrecht
Grundbuchrecht

Erschienen in:

RNotZ 2012, 173-175
notar 2012, 64-65
FGPrax 2012, 13
NotBZ 2012, 57-59
Rpfleger 2012, 199-200

Normen in Titel:

GBO § 22; InsO § 88