2-Wochen-Frist des § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG nicht disponibel
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 11079R
letzte Aktualisierung: 15.3.2013
BGH, 7.2.2013 - III ZR 121/12
BeurkG § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2; BNotO § 19 Abs. 1
2-Wochen-Frist des
a) Die Regelfrist von zwei Wochen nach
b) Ein Abweichen von der Regelfrist kommt nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall nachvollziehbare Gründe – auch unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers es
rechtfertigen, die dem Verbraucher zugedachte Schutzfrist zu verkürzen. Voraussetzung für die
Nichteinhaltung der Frist ist deshalb ein sachlicher Grund.
c) Der Notar hat, so die Regelfrist von zwei Wochen nicht abgelaufen ist und die Zwecke dieser Wartefrist nicht anderweitig erfüllt sind, die Amtspflicht, eine Beurkundung auch dann abzulehnen, wenn diese von den Urkundsbeteiligten gewünscht wird.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 121/12
Verkündet am:
7. Februar 2013
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ:
BGHR:
ja
ja
ja
BeurkG § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2; BNotO § 19 Abs. 1
a) Die Regelfrist von zwei Wochen nach
steht nicht zur Disposition der Urkundsbeteiligten.
b) Ein Abweichen von der Regelfrist kommt nur dann in Betracht, wenn im
Einzelfall nachvollziehbare Gründe - auch unter Berücksichtigung der
Schutzinteressen des Verbrauchers - es rechtfertigen, die dem Verbraucher
zugedachte Schutzfrist zu verkürzen. Voraussetzung für die Nichteinhaltung
der Frist ist deshalb ein sachlicher Grund.
c) Der Notar hat, so die Regelfrist von zwei Wochen nicht abgelaufen ist und
die Zwecke dieser Wartefrist nicht anderweitig erfüllt sind, die Amtspflicht,
eine Beurkundung auch dann abzulehnen, wenn diese von den Urkundsbeteiligten gewünscht wird.
BGH, Urteil vom 7. Februar 2013 - III ZR 121/12 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Februar 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 11. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 23. März 2012 aufgehoben.
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 5. Zivilkammer des
Landgerichts Dortmund vom 1. Juni 2011 unter Zurückweisung
der Anschlussberufung des Beklagten abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt,
a) an die Kläger als Gesamtgläubiger 10.385,78 € sowie an die
H.
Rechtsschutzversicherung 485,09 € jeweils nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 16. Juli 2007 zu zahlen;
b) an die Kläger als Gesamtgläubiger weitere 745 € (Notariatsgebühren) zu zahlen;
c) die Kläger von vorgerichtlichen Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte Sch.
, R.
und Kollegen,
Hagen, in Höhe von 1.025,30 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zur tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger erwarben mit von dem Beklagten beurkundeten Kaufvertrag
vom 16. April 2007 von dem Verkäufer Erich S.
F.
straße
zwei in H.
,
, gelegene, bei Vertragsschluss vermietete Eigentumswohnungen zu einem Kaufpreis von insgesamt 151.000 €. Der Verkäufer S.
hatte die Vertragsobjekte seinerseits erst kurz zuvor erworben und war
bei Vertragsschluss noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, worauf im Kaufvertrag mit den Klägern hingewiesen wurde, ebenso wie auch darauf, dass der grundbuchliche Vollzug der vom Beklagten beurkundeten Teilungserklärung des (Vor-)Eigentümers noch ausstehe. Der Kaufvertrag vom
16. April 2007 enthielt weiter folgende Vorbemerkung:
"Vorliegend handelt es sich um ein Verbrauchergeschäft iSd. § 13
BGB. Dies ist der Fall, wenn der Verkäufer in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14
Abs. 1 BGB). Bei einem Verbrauchergeschäft hat der Notar gem.
der not. Verhandlung 14 Tage vor der Beurkundung vorliegt.
Hier ist diese Überlegungsfrist nicht gewahrt. Die Käufer werden
eindringlich belehrt, dass es ratsam ist, sich vor einem Immobilienkaufvertrag mit Vertrauenspersonen zu besprechen, um sich
die Risiken klarzumachen und dass der Gesetzgeber die 14-tägige
Überlegungsfrist als Regelfall vorsieht.
Die Käufer werden darauf hingewiesen, dass sie sich mit der Finanzierung der Immobilie für fast 30 Jahre binden und sie wegen
des aufzunehmenden Kredits mit der Wohnung und ihrem gesamten persönlichen Vermögen haften. Dies gilt umso mehr, wenn
Mieter die Miete nicht zahlen sollten. Die Käufer wollen auch nach
dieser Belehrung noch unbedingt heute beurkunden und lehnen
den Vorschlag des Notars ab, die 14-tägige Überlegungsfrist abzuwarten. Sie bestehen also trotz der geschilderten tatsächlichen
und rechtlichen Umstände und Bedenken des Notars auf die heutige Beurkundung."
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 7. Mai 2007 erklärten die Kläger dem Verkäufer S.
gegenüber wegen arglistiger Täuschung und
Irrtums die Anfechtung des mit ihm geschlossenen - für sie wirtschaftlich nachtteiligen - Kaufvertrags sowie daneben den Rücktritt vom Vertrag. Nachdem der
Verkäufer dem mit Schreiben vom 10. Mai 2007 entgegengetreten war und auf
Abwicklung des seines Erachtens wirksam zustande kommenden Kaufvertrags
bestanden hatte, einigten sich die Kläger anschließend mit ihm im Rahmen einer so bezeichneten Aufhebungsvereinbarung vom 16. Juni 2007 darauf, dass
der Verkäufer sie gegen Zahlung von 5.000 € bei gleichzeitiger Freistellung des
Verkäufers von sämtlichen Kosten und Steuern aus dem Vertrag entließ. Für
ihre anwaltliche Vertretung gegenüber dem Verkäufer S.
erteilten
die Bevollmächtigten der Kläger diesen eine Rechnung über 5.870,87 €. Mit
Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 25. Juni 2007 forderten die Kläger den
Beklagten sodann unter Berücksichtigung der von ihnen seinerzeit noch akzeptierten Notarkosten für die Erstellung des Vertragsentwurfs mit Fristsetzung bis
zum 15. Juli 2007 zur Zahlung von 10.515,71 € auf.
Gegen die ihnen erteilte Kostenrechnung des Beklagten legten die Kläger Kostenbeschwerde ein, der das Landgericht Dortmund nach Anhörung der
Parteien und Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen B.
Be.
und
mit Beschluss vom 8. Juni 2010 stattgab. Zur Begründung führte es
aus, dass der Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2
BeurkG nicht eingehalten habe.
Unter dem 23. September 2009 stellte der Beklagte seine Beurkundungskosten auch dem Verkäufer S.
als Zweitschuldner in Höhe
von 745 € in Rechnung. Dieser glich diese Forderung aus und machte sie seinerseits gegenüber den Klägern wegen der in der Aufhebungsvereinbarung
vereinbarten Kostenübernahme der Kläger geltend. Sie wurden vom Amtsgericht Iserlohn verurteilt, diesen Betrag an den Verkäufer S.
zu zahlen.
Mit ihrer Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten mit dem Vorwurf
einer Verletzung notarieller Amtspflichten Ersatz der ihnen durch den Abschluss
des von ihm beurkundeten Kaufvertrags entstandenen Kosten in Gestalt der an
geleisteten Abstandszahlung von 5.000 € sowie
den Verkäufer S.
der ihnen in diesem Zusammenhang durch die Einschaltung ihrer Bevollmächtigten erwachsenen Rechtsanwaltskosten; daneben begehren sie Erstattung
ihrer an den Verkäufer S.
gezahlten Notarkosten sowie Freistellung
von den Kosten ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.025,30 €
gemäß der Rechnung ihrer Bevollmächtigten vom 9. Juni 2010.
Die Kläger machen dem Beklagten zum Vorwurf, dieser habe die Frist
des
Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen, weil
den Klägern eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Form von Ansprüchen gegen den Zeugen Be.
zustehen könnte.
Gegen das Urteil haben die Kläger Berufung und der Beklagte Anschlussberufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der
Berufung der Kläger auf die Anschlussberufung des Beklagten das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage endgültig abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
der Kläger, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Beklagte zwar seine ihm
gegenüber den Klägern bestehende Amtspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2
BeurkG verletzt habe. Den Klägern sei ein Entwurf des Vertrags nicht mindestens 14 Tage vor dem Beurkundungstermin überlassen worden. Tatsächlich
seien dem Beklagten auch nach eigenem Vortrag Gründe für die von ihm verlangte Beurkundung des Kaufvertrags ohne Einhaltung der Frist des § 17
Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG nicht genannt worden. Es sei deshalb für ihn völlig
ungewiss gewesen, ob und inwieweit die Kläger im Vorfeld der Beurkundung
über deren Gegenstand, Bedeutung und Tragweite ausreichend unterrichtet
waren. Er hätte sich deshalb durch Nachfrage bei den Beteiligten und hier insbesondere bei den Klägern selbst ein Bild davon machen müssen, ob diese
tatsächlich ernsthaft und aus welchem Grunde überhaupt aus eigenem Entschluss Willens waren, den Vertrag ohne Einhaltung der Frist abzuschließen.
Die unterlassene Nachfrage des Beklagten stelle sich als Verletzung der ihm
nach
auf eine Einhaltung der dort für den Regelfall vorgesehenen (Überlegungs-)Frist
dar.
Angesichts der Gesamtumstände liege die Annahme nahe, dass die Kläger bei entsprechender Nachfrage des Beklagten von einem Vertragsschluss
abgesehen hätten. Sofern freilich die Kläger auf konkrete Nachfrage hin keine
plausible Erklärung für eine besondere Eilbedürftigkeit des Geschäfts hätten
bieten können, aber gleichwohl unbeirrt auf der sofortigen Beurkundung bestanden hätten, wäre der Beklagte allerdings berechtigt und verpflichtet gewesen, die Beurkundung vorzunehmen.
Die Frage der Kausalität bedürfe allerdings keiner abschließenden Feststellung. Denn die Kläger hätten durch den Abschluss ihrer mit dem Verkäufer
S.
geschlossenen Aufhebungsvereinbarung vom 16. Juni 2007 den
Zurechnungszusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung des Beklagten und ihrem geltend gemachten Schaden unterbrochen, da es für diese auf
freier Willensentschließung beruhende Vereinbarung an einem rechtfertigenden
Anlass gefehlt habe. Sie habe sich bei gegebener und auch für die anwaltlich
vertretenen Kläger überschaubarer Sachlage als eine ungewöhnliche, völlig
unsachgemäße und unvertretbare Reaktion dargestellt. Den Klägern habe ein
Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung der dem Verkäufer
obliegenden Beratungspflichten zugestanden. Aufgrund dieses Schadensersatzanspruchs seien sie so zu stellen gewesen, als hätten sie vom Abschluss
des Kaufvertrags abgesehen. Dies stelle sich auch zugleich als anderweitige
Ersatzmöglichkeit im Sinne des
zustande gekommen. Verhandele der Verkäufer mit dem Käufer nicht nur über die
Bedingungen des angestrebten Kaufvertrags, sondern erteilte er ihm unabhängig davon einen Rat, werde die Beratung zur Hauptpflicht des Verkäufers aus
einem selbständigen Beratungsvertrag. Dies gelte insbesondere dann, wenn
der Verkäufer dem Käufer Berechnungsbeispiele über Kosten und finanzielle
Vorteile des Erwerbs vorlege, die diesen zum Vertragsabschluss bewegen sollen. Dies sei vorliegend insbesondere nach den Erläuterungen der Kläger vor
dem Landgericht im Rahmen des Kostenbeschwerdeverfahrens zum Inhalt der
mit dem Zeugen Be.
geführten Gespräche sowie auch nach dem Inhalt der
vom Beklagten in den Kaufvertrag aufgenommenen Vorbemerkung mit dem
darin enthaltenen Hinweis unter anderem auf die Bedeutung laufender Mieteinnahmen für die Sicherung der Finanzierung der Kläger ersichtlich der Fall gewesen. Dass der Zeuge Be.
als selbständiger Finanzberater aufgetreten
sei, spreche hier nicht entscheidend gegen die Annahme eines selbständigen
Beratungsvertrags zwischen den Klägern und dem Verkäufer S.
neben dem anschließend geschlossenen Kaufvertrag. Sei der Zeuge Be.
damit
betraut gewesen, die wesentlichen Vertragsverhandlungen mit den Kaufvertragsinteressenten zu führen, und sei ihm hierbei weitgehend freie Hand gelassen worden, genüge dies nach der Rechtsprechung, ihn bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers anzusehen. Abgesehen davon könne sich, sofern sich bei der Vermittlung eines Kaufvertrags die Aufgabe einer Beratung des Kaufinteressenten stelle und diese vom Verkäufer dem mit den eigentlichen Vertragsverhandlungen
befassten Vermittler oder Makler überlassen werde, dessen stillschweigende
Bevollmächtigung zum Abschluss des Beratungsvertrags aus den Umständen
ergeben. Habe aber ein selbständiger Beratungsvertrag zwischen den Klägern
und dem Verkäufer S.
bestanden, sei dieser zu richtiger und vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände verpflichtet gewesen,
die für den Kaufentschluss der Kläger von wesentlicher Bedeutung gewesen
seien oder hätten sein können. Diese Pflicht habe der Verkäufer beziehungsweise sein für ihn hier als Erfüllungsgehilfe tätig gewordene Vermittler Be.
verletzt, als er den Klägern ein unzutreffendes Bild vom Wert der berechtigten
Ertragserwartung der ihnen angebotenen Immobilie gegeben und sie so maßgeblich zum Vertragsschluss veranlasst habe. Die Kläger könnten dem auch
nicht mit Erfolg entgegenhalten, eine streitige Auseinandersetzung mit dem
Verkäufer S.
sei ihnen nicht zuzumuten gewesen, da sie in diesem
Fall den Nachweis fehlerhafter Beratung nur durch den Zeugen Be.
hätten
führen können. Denn neben den von ihnen vorgetragenen objektiven Kriterien
für den Inhalt zudem ergänzend auch auf das Zeugnis des Beklagten berufen
können, in dessen Gegenwart ihnen der Vertragsschluss noch als einmalige
Gelegenheit angepriesen worden sein solle, obwohl damals die Finanzierung
des Kaufs noch gar nicht geklärt gewesen sei und ihnen insbesondere weder
die erworbene Wohnung von innen noch der Inhalt der hierüber bestehenden
Mietverträge bekannt gewesen seien.
II.
Die Klageabweisung durch das Berufungsgericht hält einer rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Den Klägern steht vielmehr ein Schadensersatzanspruch in der ausgeurteilten Höhe nach
Beklagten zu.
1.
Der Beklagte hat die den Klägern gegenüber obliegende Amtspflicht aus
hier streitgegenständlichen Kaufvertrags am 16. April 2007 verletzt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten insoweit einer rechtlichen Überprüfung nur
im Ergebnis stand. Die dagegen erhobenen Gegenrügen des Beklagten bleiben
ohne Erfolg.
Der Notar hat nicht darauf hingewirkt, dass die Kläger als Verbraucher
ausreichend Gelegenheit erhielten, sich vor der Beurkundung mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen; er hat nicht gewährleistet, dass
zwei Wochen vor der Beurkundung der abzuschließende Vertrag den Klägern
zur Verfügung gestellt worden ist.
a) Bei den Klägern handelt es sich um Verbraucher und bei dem Verkäufer S.
um einen Unternehmer. Der abzuschließende Kaufvertrag
war beurkundungsbedürftig gemäß
der Notar grundsätzlich verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Kläger ausreichend Gelegenheit erhalten, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung
auseinanderzusetzen. In Verbraucherverträgen hat er im Regelfall dafür Sorge
zu tragen, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts
zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt worden ist.
b) Hiervon durfte der Beklagte in der maßgeblichen Beurkundung am
16. April 2007 nicht absehen. Ein rechtfertigender Anlass, bereits an diesem
Termin die Beurkundung vorzunehmen, bestand nicht.
aa) Die nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 BeurkG einzuhaltende
Regelfrist von zwei Wochen zwischen Zurverfügungstellung des Vertragsentwurfs und der Beurkundung steht in einem Spannungsverhältnis zu § 15 Abs. 1
BNotO, denn nach dieser Vorschrift darf der Notar seine Urkundstätigkeit nicht
ohne ausreichenden Grund verweigern. Den Beteiligten steht insoweit ein Anspruch auf die Amtstätigkeit des Notars zu. Dieses Spannungsverhältnis ist mit
dem Gesetzeszweck des
Gesetzgeber stand bei der Neuregelung des
Augen, dass die Möglichkeiten der Aufklärung durch den Notar anlässlich der
Beurkundung nicht ausreichend genutzt werden, wenn (namentlich) Verbraucher unvorbereitet zum Notartermin erscheinen. Das liege in einem Teil der Fälle daran, dass die Terminabsprachen sehr kurzfristig getroffen würden und die
Beurkundung dann vorgenommen werde, ohne dass sich der Verbraucher mit
dem Text des beabsichtigten Rechtsgeschäfts vertraut machen und sich überlegen könne, welche Fragen er an den Notar richten wolle. Oft erfahre der Verbraucher auch erst im Notartermin, dass der Notar einige für ihn ausschlaggebende Fragen gar nicht zu prüfen habe. Viele Verbraucher scheuten sich dann,
einen Termin "platzen zu lassen". Im Ergebnis bleibe dann das Aufklärungspotential des Beurkundungsverfahrens ungenutzt (BT-Drucks. 14/9266 S. 50).
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist der Zweck des Gesetzes,
(insbesondere) den Verbraucher vor unüberlegtem Handeln zu schützen, regelmäßig erreicht, wenn er nach Mitteilung des Textes des beabsichtigten
Rechtsgeschäfts eine Überlegungsfrist von zwei Wochen hat. Diese - an die für
Widerrufsrechte bei Verbraucherverträgen geltende Zwei-Wochen-Frist des
im Einzelfall unterschritten werden, in besonderen Fällen kann aber auch ein
Überschreiten dieser Frist geboten sein (BT-Drucks. 14/9266 S. 51). Durch diese flexible Ausgestaltung kann und soll zwar (auch) vermieden werden, dass
sich die Zwei-Wochen-Frist als unnötige "Beurkundungssperre" auswirkt. Andererseits darf der Gedanke des Verbraucherschutzes nicht in den Hintergrund
treten. Ein Abweichen von der Regelfrist kommt nur dann in Betracht, wenn im
Einzelfall nachvollziehbare Gründe - auch unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers - es rechtfertigen, die dem Verbraucher zugedachte
Schutzfrist zu verkürzen. Voraussetzung für die Nichteinhaltung der Frist ist
deshalb ein sachlicher Grund für ihre Abkürzung. Der vom Gesetz bezweckte
Übereilungs- und Überlegungsschutz muss auf andere Weise als durch die
Einhaltung der Regelfrist gewährleistet sein (vgl. KG DNotZ 2009, S. 47, 48;
Staudinger/Hertel, BGB, [2004] Vorbem. zu §§ 127a, 128 Rn. 529; Ganter in
Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 2. Aufl., Rn. 1409;
Bücker/Viefhues
2002, 286, 289; Grziwotz
Weingärtner/Wöstmann, Richtlinienempfehlungen der BNotK/ Richtlinien der
der Notarkammern, S. 188 Rn. 28; a.A. Litzenburger
Dabei ist auch im Blick zu behalten, dass sich jemand, der sich überhastet zu
einem Grundstückskaufvertrag überreden und unmittelbar die Beurkundung bei
einem Notar durchführen lässt, ohne sich hinreichend mit dem Gegenstand des
Vertrages vertraut gemacht zu haben, auch dazu drängen lassen wird, auf die
Einhaltung der Pflichten aus
Der vom Gesetzgeber bezweckte Verbraucherschutz ist daher - entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts - nur dann ausreichend gewahrt, wenn dem
Notar, so die Regelfrist von zwei Wochen nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 BeurkG nicht abgelaufen ist und die Zwecke dieser Wartefrist nicht anderweitig erfüllt sind, die Amtspflicht auferlegt wird, eine Beurkundung trotz eines entgegenstehenden Wunsches der Urkundsbeteiligten abzulehnen (KG
aaO; Brambring
Philippsen
BeurkG, 16. Aufl., § 17 Rn. 197; Armbrüster in Armbrüster/Preuss/Renner,
BeurkG/DONot, 6. Aufl., § 17 Rn. 227; so wohl auch Armbrüster NotBZ 2009,
54, 56; a.A. Prinz in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl.,
Rn. 39g; Bohrer
bb) Im vorliegenden Fall hatte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine hinreichende Auseinandersetzung der Kläger mit dem zu beurkundenden Kaufvertrag stattgefunden. Sie hatten die Wohnung nicht besichtigt
und die Finanzierung war nicht geklärt. Der Beklagte selbst hat angegeben,
dass er nicht mitbekommen habe, welchen Grund die Kläger hatten, den Kaufvertrag sofort beurkunden zu lassen. Lediglich der Aufforderung zur Beurkundung ist er nachgekommen. Der Beklagte hat deshalb auch nicht ansatzweise
irgendwelche Feststellungen dazu getroffen, dass die Zwecke der Regelwartefrist nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 BeurkG gewahrt waren. Er hätte
deshalb die Beurkundung am 16. April 2007 nicht durchführen dürfen.
cc) Die Gegenrügen des Beklagten insoweit bleiben ohne Erfolg. Er
konnte, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, nicht durch
die Vorbemerkung im Kaufvertrag und den Hinweis auf die Verbindlichkeit des
beurkundeten Kaufvertrages seine Pflicht zur Gestaltung des Beurkundungsverfahrens in der Weise, dass eine hinreichende Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit dem zu schließenden Vertrag besteht, erfüllen. Die Zwecke des Wartegebots des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 BeurkG konnten mit dem
Hinweis auf die Verbindlichkeit des abgeschlossenen Vertrages nicht erreicht
werden.
2.
Die Amtspflichtverletzung hat der Beklagte zumindest fahrlässig verwirklicht. Die entsprechenden Feststellungen nehmen die Revisionskläger als für
sich günstig hin. Gegenrügen hat der Beklagte insoweit nicht erhoben.
Soweit die Kläger geltend machen, die Pflichtverletzung sei vorsätzlich
erfolgt, kann dies hier dahingestellt bleiben, da auch die fahrlässige Amtspflichtverletzung zur Haftung führt und diese hier nicht durch das Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ausgeschlossen wird (siehe dazu unter 4.),
wofür allein die Frage der vorsätzlichen Begehung von Bedeutung sein könnte.
3.
Aufgrund der Amtspflichtverletzung des Beklagten ist der Vertrag unter
Missachtung der Regelfrist am 16. April 2007 beurkundet worden. Durch die
"vorzeitige" Beurkundung sind die hier geltend gemachten Schäden eingetreten. Die vom Berufungsgericht geäußerten Zweifel hinsichtlich der Kausalität
bestehen nicht; sie gründen allein auf der - verfehlten - Auffassung, dass die
Einhaltung der gesetzlichen Regelfrist zur Disposition der Urkundsbeteiligten
steht und deshalb auch bei pflichtgemäßem Vorgehen an diesem Tage eine
Beurkundung hätte erfolgen können. Dies trifft, wie ausgeführt, nicht zu.
4.
Soweit das Berufungsgericht eine Haftung des Notars verneint, weil die
Kläger durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages den Zurechnungszusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung des Beklagten und dem geltend gemachten Schaden unterbrochen hätten, hält dies einer rechtlichen
Überprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht hat der Beurteilung zugrunde gelegt, dass aufgrund der Äußerungen des Zeugen Be.
gegenüber den Klägern ein Beratungsvertrag mit dem Verkäufer der Wohnung zustande gekommen sei. Schon
in diesem Ausgangspunkt begegnet, wie die Revision zu Recht rügt, die Auffassung des Berufungsgerichts durchgreifenden Bedenken.
a) Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt,
dass die Beratung zur selbständigen Hauptpflicht des Verkäufers aus einem
Beratungsvertrag wird, wenn der Verkäufer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen und auf Befragen des Käufers einen ausdrücklichen Rat erteilt.
Dabei steht es einem auf Befragen des Käufers erteilten Rat gleich, wenn der
Verkäufer als Ergebnis intensiver Vertragsverhandlung ein Berechnungsbeispiel
über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, dass zur Förderung
der Vermittlung des Geschäfts dienen soll (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2003
13. Oktober 2006 aaO Rn. 14; Bamberger/Roth/Fischer, BGB, 3. Aufl., § 675
Rn. 82). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist deshalb ein Beratungsvertrag zwischen dem Käufer und dem Verkäufer einer Immobilie nur angenommen worden, wenn die Berechnungsbeispiele individuell zugeschnitten
waren und insoweit über allgemeine Informationen und eine Anpreisung hinausgehen (vgl. BGH, Urteile vom 18. Juli 2008 - V ZR 71/07,
Rn. 10 ff; 13. Juni 2008 - V ZR 114/07,
2006 aaO; 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04,
2003 - V ZR 423/02,
115 f).
b) Das Berufungsgericht stellt hier für den Vertragsschluss darauf ab,
was die Kläger im Kostenbeschwerdeverfahren zum Inhalt der Gespräche mit
dem Zeugen Be.
dass der Zeuge Be.
ausgeführt haben. Dort haben die Kläger zwar ausgeführt,
ihnen nicht nur die Immobilie allgemein als günstige
Kaufgelegenheit angeboten hätte, sondern auch einige Bemerkungen hinsichtlich der Finanzierung der Wohnungen gemacht hätte. Dass hier jedoch ein konkretes, auf die persönlichen Verhältnisse der Kläger zugeschnittenes Berechnungsbeispiel mündlich gemacht worden sei, haben die Kläger im Notarkostenbeschwerdeverfahren nicht vorgetragen; solches ist nicht ersichtlich und vom
Berufungsgericht nicht festgestellt. Die von den Klägern im Notarkostenbeschwerdeverfahren wiedergegebenen Äußerungen des Zeugen Be.
sind so
allgemein gehalten, dass sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des
V. Zivilsenats schwerlich der (konkludente) Abschluss eines Beratungsvertrags
mit selbständigen Pflichten zwischen den Klägern und dem Verkäufer begründen ließe, deren Verletzung Schadensersatzansprüche der Kläger nach sich
ziehen könnten. Gleiches gilt hinsichtlich der vom Beklagten in den Kaufvertrag
aufgenommenen Vorbemerkung mit dem darin (unter anderem) enthaltenen
Hinweis auf die Bedeutung laufender Mieteinnahmen für die Sicherung und Finanzierung der Kläger. Auch hier ist nicht erkennbar, dass durch den Zeugen
Be.
eine konkrete Beratung der Kläger hinsichtlich der Finanzierung der
Immobilie mit individuellen Zahlen vorgenommen worden ist. Wie das Berufungsgericht selbst festgestellt hat, war die Finanzierung zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht festgelegt.
Ausgehend hiervon kann in dem Abschluss des Vergleichs keine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs gesehen werden. Vielmehr stellte
sich dies als eine verständliche, gut nachvollziehbare Maßnahme dar, die bei
einer Inanspruchnahme durch den Verkäufer drohenden finanziellen Risiken zu
begrenzen.
5.
Dem Schadensersatzanspruch der Kläger steht auch nicht entgegen,
dass eine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht oder bestanden hätte.
a) Eine solche anderweitige Ersatzmöglichkeit kommt nicht in Betracht in
Form eines Schadensersatzanspruchs gegen den Verkäufer S.
.
Wie ausgeführt bestanden keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Zustandekommen eines selbständigen Beratungsvertrags zwischen den Klägern und
dem Verkäufer S.
; die Erhebung einer Schadensersatzklage wäre
den Klägern jedenfalls mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht zumutbar. Für kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche oder das Bestehen von Anfechtungsgründen hinsichtlich des Kaufvertrags ist nichts dargetan oder ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nichts festgestellt.
b) Auch Ansprüche gegen den Zeugen Be.
kommen als anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht in Betracht. Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre der Abschluss eines Anlageberatungs- oder Auskunftsvertrags
hinsichtlich der getätigten "Kapitalanlage" und im Anschluss daran eine unzutreffende Auskunft oder Beratung. Selbst wenn man - dem Landgericht folgend - unterstellt, dass diese Voraussetzungen vorlagen, so standen den Klägern jedoch keinerlei Beweismittel zur Verfügung. Sie hätten sich allein auf die
Parteivernehmung des Be.
als eines möglichen Prozessgegners berufen
können. Die Erfolgsaussicht eines solchen Schadensersatzprozesses wäre
mehr als gering gewesen. Ein Nachweis hinsichtlich des Abschlusses des Vertrages und einer Falschberatung konnte auch nicht durch den Beklagten als
Zeugen erbracht werden, da dieser bei dem Beratungsgespräch und einem
möglichen mündlichen Vertragsschluss nicht dabei war. Die allgemeine Äußerung anlässlich der Beurkundung, bei dem Kaufvertrag handele es sich um eine
günstige Gelegenheit, hält sich für sich genommen im Bereich einer allgemeinen Anpreisung. Eine zumutbare andere Ersatzmöglichkeit besteht aber dann
nicht, wenn derjenige, der durch eine Amtspflichtverletzung eines Notars geschädigt wurde, mit einer Klage gegen einen angeblich ersatzpflichtigen Dritten
wegen Beweisschwierigkeit abgewiesen werden müsste (Senatsurteil vom
25. Juni 1959 - III ZR 72/58,
Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 2. Aufl., Rn. 2199). Der Senat
kann dies selbst entscheiden, da eine weitere Aufklärung nicht zu erwarten ist.
6.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden, da die Sache zur Ententscheidung reif ist (vgl. § 562 Abs. 1, § 563
Abs. 3 ZPO).
Die erhobene Verjährungseinrede hinsichtlich der Schadensersatzforderung wegen der Zahlung von 745 € Notarkosten an den Verkäufer, zu denen die
Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 9. September 2011 verurteilt
worden sind, greift nicht durch. Sie hatten mit ihrer Kostenbeschwerde die Kostenforderung des Beklagten wegen der streitgegenständlichen Beurkundung
erfolgreich bekämpft. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 8. Juni 2010
die Kostenberechnung des Beklagten wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß
nicht damit rechnen, dass der Beklagte daraufhin wegen dieser Beurkundung
dem Verkäufer im Wege der Zweitschuldnerhaftung am 23. September 2009
eine Kostenrechnung stellen würde und sie darüber hinaus wegen dieser
Rechnung vom Verkäufer in Regress genommen werden könnten. Die Verjährungsfrist konnte daher frühestens mit der Zuleitung dieser Kostenrechnung
durch den Verkäufer an die Kläger beginnen; somit war sie bei Erhebung der
entsprechenden Schadensersatzforderung hier im Prozess noch nicht abgelaufen.
Schlick
Herrmann
Hucke
Wöstmann
Seiters
Vorinstanzen:
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:06.02.2013
Aktenzeichen:III ZR 121/12
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
DNotI-Report 2013, 62-63
MittBayNot 2013, 325-331
ZNotP 2013, 74-78
BeurkG § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2; BNotO § 19 Abs. 1