Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten eines Berufsbetreuers
letzte Aktualisierung: 21.12.2023
OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.7.2023 – 15 Wx 988/23
BtOG §§ 30 Abs. 1; BGB §§ 134, 138
Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten eines Berufsbetreuers
1. Die nach § 30 Abs. 1 S. 1 und 2 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) untersagte Annahme
einer Zuwendung von Todes wegen durch einen Berufsbetreuer stellt einen Verstoß gegen seine
Berufspflichten dar, nicht jedoch einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134
BGB.
2. Die entsprechende letztwillige Verfügung des Erblassers und der Vermögensübergang nach
Testierfreiheit wirksam.
3. Diese gesetzgeberische Wertung ist auch bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit der letztwilligen
Verfügung zu berücksichtigen.
Gründe
I.
Der am ... verstorbene unverheiratete Erblasser hatte keine Abkömmlinge. Der Beschwerdeführer war zu
dessen Berufsbetreuer bestellt worden.
Er hatte den Erblasser bei der Erstellung eines Textes für ein Testament unterstützt und dazu einen
maschinenschriftlichen (Lücken-)Text vorformuliert und ausgedruckt, der lautete wie folgt:
„MEIN LETZTER WILLE
, hiermit habe ich Hr. R. gebeten meinen Letzten Wunsch aufzuschreiben, weil ich nicht mehr so lange
schreiben kann.
Ich K., wohnhaft ..., in ..., geb. am … setzte hiermit
Ich habe keine weiteren Angehörigen und möchte deshalb, dass er nach meinem Tod über mein noch
vorhandenes Vermögen bei der Sparda – Bank in ...
sowie über das bei der Sparkasse ... verfügen kann.
K.
Auf den vorgedruckten Linien fügte der Erblasser handschriftlich das Datum „11.5.21“ ein und zu Beginn des
Textes die Worte „Mein letzter Wille“. Nach „setzte hiermit“ ergänzte er die Worte „R. Straße ..., in ..., geb. ...
als meinen Alleinerben ein“. Des Weiteren ergänzte er handschriftlich die IBAN seiner beiden Konten und
schloss den Text mit seiner Unterschrift ab. Wegen der Einzelheiten wird auf das Testament (Bl. 33 d.A.)
Bezug genommen. Das Testament wurde am 26.11.2021 in besondere amtliche Verwahrung genommen.
Am 29.06.2022 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben
ausweist (Bl. 45/48 d.A.).
Der Antrag wurde vom Amtsgericht Schwabach zunächst mit Beschluss vom 17.10.2022 wegen
Sittenwidrigkeit des Testaments zurückgewiesen (Bl. 67/68 d.A.). Diesen Beschluss hat der Senat aber im
Beschwerdeverfahren Az. 15 W 3268/22 mit Beschluss vom 19.01.2023 wegen Tätigwerdens der funktionell
unzuständigen Rechtspflegerin aufgehoben.
Mit Beschluss vom 06.02.2023 wies das Amtsgericht Schwabach den Antrag erneut zurück und begründete
dies mit Formunwirksamkeit und Sittenwidrigkeit des Testaments. Wegen der Einzelheiten wird auf den
angegriffenen Beschluss (Bl. 88/90 d.A.) Bezug genommen.
Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 15.03.2023 zugestellten Beschluss richtet sich die
Beschwerde vom 13.04.2023, eingegangen bei Gericht am selben Tage, mit der der Beschwerdeführer sich
gegen die Argumentation des Erstgerichts wendet und Aufhebung des Beschlusses und Anweisung des
Nachlassgerichts zur Erteilung des beantragten Erbscheins begehrt (Bl. 91/95 d.A.).
Das Amtsgericht Schwabach hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17.04.2023 nicht abgeholfen (Bl. 96
d.A.).
II.
Die nach
eingelegt (
Sie hat in der Sache auch Erfolg, da der Beschwerdeführer testamentarischer Alleinerbe geworden ist.
1. Das Testament vom 11.05.2021 ist nicht formungültig.
Zu Recht geht das Erstgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer dem Erblasser ein von ihm mittels
Computer vorgefertigtes Schriftstück überlassen hat, das mit „MEIN LETZTER WILLE“ überschrieben war
und bereits die Person des Erblassers maschinenschriftlich (mit Name, Geburtsdatum und Adresse)
eindeutig identifiziert hatte. Auch diese Aussage (“habe ich Hr. R. gebeten meinen Letzten Wunsch
aufzuschreiben, weil ich nicht mehr so lange schreiben kann.“) ist nämlich bereits in dem Vordruck enthalten.
Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen bestreitet, beim Ausfüllen des vorgefertigten Blanko-Formulars
zugegen gewesen zu sein, er habe vielmehr erst einige Tage nach dem 05.11.2021 zwei versiegelte
Umschläge erhalten, kann dies in formeller Hinsicht dahinstehen, da jedenfalls von einer eigenhändigen
Erstellung der handschriftlichen Eintragungen in den Vordruck durch den Erblasser auszugehen ist (vgl. auch
die Feststellung der Rechtspflegerin im Beschluss vom 17.10.22, Bl. 67 d.A.).
Die handschriftlichen Teile des Testaments lauten wie folgt:
„Mein letzter Wille, …
R. Straße ..., in ..., geb. ... als meinen Alleinerben ein… DE .. …
DE .. …
E. K“.
Aufgrund dieses Sachverhalts kann aber von einer Formungültigkeit des Testaments nicht ausgegangen
werden.
Erblasser die gesamten Verfügungen persönlich und schriftlich verfassen muss. Beschränkt sich der
Erblasser darauf, einen von einer anderen Person geschriebenen Testamentsentwurf lediglich eigenhändig
zu unterschreiben, ist zwar die Unterschrift wirksam, der restliche Text des Testaments wegen des
Formverstoßes (§ 125) dagegen nicht.“ (BeckOGK/Grziwotz, 1.4.2023, BGB § 2247 Rn. 21 m.w.N.).
Im Einzelnen gehört dazu, „daß der Verfügung außer der Person des Bedachten auch der Gegenstand des
zugewendeten Vermögensvorteils hinreichend zu entnehmen ist.“ (BGH Urt. v. 29.5.1980 – IVa ZR 26/80, JR
1981, 24, Rn. 16). „Nachdem sich die Eigenhändigkeit auf das gesamte Testament bezieht, ist es bereits
schädlich, wenn einzelne Teile davon oder einzelne Wörter mechanisch hergestellt werden. … Betroffen sind
jedoch lediglich die Verfügungen des Erblassers. Andere Bestandteile des Testaments, die ohne rechtliche
Relevanz sind, können auch auf andere Weise als eigenhändig ergänzt werden. … Nicht vom
Formerfordernis der Eigenhändigkeit umfasst sind somit Teile des Testaments, die keine Verfügungen
enthalten oder solche, die nicht zum Inhalt des Testaments nach § 2247 gehören. Beispiel hierfür ist die
Überschrift bzw. Benennung als Testament, „Letzter Wille“ etc. Auch die Angabe des Namens des Testators
ist nicht Inhalt des Testaments.“ (BeckOGK a.a.O. Rn. 27).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die vorgedruckten Teile keine Verfügungen enthalten bzw. nur zur
näheren Identifikation dienen. Die Überschrift und die Angaben zum Erblasser sind nach dem oben
Gesagten nicht Inhalt des Testaments, genauso wenig die Mitteilung, dass keine weiteren Angehörigen
vorhanden sind.
Eigenhändig ergänzt hat der Erblasser hingegen die Angaben zur Person des Erben und zu den
zugewendeten Vermögenswerten, nämlich seine beiden Kontoguthaben. Zwar waren diese Angaben
teilweise vorgedruckt, da nämlich die beiden kontoführenden Kreditinstitute (Sparda Bank und Sparkasse)
genannt waren. Jedoch ist auch dies unschädlich, da es sich hierbei nur um weitere Identifizierungshilfen
handelte, nachdem sich die kontoführenden Kreditinstitute ohne diese vorgedruckte Angabe genauso
anhand der in den beiden handschriftlich ergänzten IBAN-Nummern enthaltenen früheren Bankleitzahlen
hätten ermitteln lassen.
2. Das Testament ist auch nicht nichtig.
Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach
Mitarbeitern in Heimen und Pflegeeinrichtungen geltende
30 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung finden.
Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 S. 1 u. 2 BtOG, worauf der Senat bereits im
Beschluss vom 19.01.2023 hingewiesen hat, nicht per se zur Unwirksamkeit einer entsprechenden
letztwilligen Verfügung führen. Bei Prüfung dieser Frage ist nämlich die gesetzgeberische Wertung, die der
Schaffung des § 30 BtOG zugrunde liegt, zu berücksichtigen. Dieser ist – anders als
Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik bewusst nicht als gesetzliche Verbotsnorm i.S.v.
Nichtigkeitsfolge ausgestaltet worden (vgl. Jürgens/Loer, 7. Aufl. 2023, BtOG § 30 Rn. 1: „Das Verbot für
berufliche Betreuer ist anders konstruiert, sodass diese auch bei sogenannten „stillen“ Testierungen, also
wenn sie von dem Testament zu Lebzeiten des Betreuten keine Kenntnis hatten, die Zuwendung dennoch
nicht annehmen dürfen“). Vielmehr soll die Verfügung selbst im Hinblick auf die Testierfreiheit des Erblassers
wirksam bleiben, der Betreuer darf das Zugewendete lediglich nicht annehmen. Tut er dies dennoch, obwohl
er keine Ausnahmegenehmigung nach § 30 Abs. 3 BtOG erhalten hat, verstößt er gegen seine
Berufspflichten, was in der Zukunft Folgen im Hinblick auf die Bewertung seiner Zuverlässigkeit haben kann
– der bereits stattgefundene Vermögensübergang nach
ergibt sich aus … § 27 BtOG … Die Gefahr, andernfalls nicht mehr als beruflicher Betreuer tätig sein zu
können, wird den Betreuer wohl in vielen Fällen dazu bewegen, die erbrechtliche Zuwendung
auszuschlagen.“; so auch Jürgens a.a.O.; Krätzschel/Falkner/Döbereiner NachlassR, § 7, Rn. 11a m.w.N.).
Diese gesetzgeberische Wertung ist auch bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit zu berücksichtigen. Denn die
Motivation des Erblassers und sein Verhalten sind regelmäßig nicht als sittenwidrig zu bewerten, sondern
allenfalls das Verhalten des Berufsbetreuers. Damit ist aber eine Einschränkung der Testierfreiheit durch
Einordnung einer letztwilligen Verfügung als sittenwidrig und damit unwirksam nur in absoluten
Ausnahmefällen zu rechtfertigen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Zwar hat das OLG Celle in der vom Erstgericht zitierten Entscheidung vom 07.01.2021 – 6 U 22/20 (NJW
2021, 1681) entschieden, dass im Einzelfall eine Sittenwidrigkeit eines Testaments vorliegen kann, wenn
eine Berufsbetreuerin „ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und
alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn
dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen“. Die
Entscheidung ist aber in der Kommentierung und Literatur mit nachvollziehbarer Begründung auf Ablehnung
gestoßen, da die Verfügung des Erblassers als einseitiges Rechtsgeschäft und mangels subjektiven
Elements auf seiner Seite kaum sittenwidrig sein könne und es zudem andere Möglichkeiten gebe, den
Erblasser zu schützen, nämlich die bereits erwähnten gesetzlichen Verbote sowie die Anfechtungsregeln der
437206, beck-online; Krätzschel/Falkner/Döbereiner NachlassR, § 7, Rn. 11a, je m.w.N.; zustimmend wohl
Leipold a.a.O.).
Im Ergebnis kann dies hier aber dahinstehen, da ein so besonderer Einzelfall wie der dort entschiedene, in
dem die Berufsbetreuerin den gerade erst von einem schweren Schlaganfall genesenden Erblasser, der
noch unter der grundlegenden Veränderung seiner Lebensumstände durch Umzug ins Heim litt, zum Notar
brachte, damit er das auf ihre Veranlassung hin entworfene Testament zu ihren Gunsten unterzeichne, hier
nicht festgestellt ist. Die Entscheidung wurde daher auch vom Erstgericht nicht herangezogen.
Soweit aber das Nachlassgericht im hiesigen Fall dennoch Sittenwidrigkeit bejaht, weil der Berufsbetreuer
dem alleinstehenden Erblasser ein vorgefertigtes Blankoformular zur eigenen Erbeinsetzung
„untergeschoben“ habe, vermag dies vor dem oben aufgezeigten Hintergrund aber ebenfalls nicht zu
überzeugen. Aufgrund der aufgezeigten, dem § 30 BtOG zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertung
und dem damit bezweckten umfassenden Schutz der Testierfreiheit des Erblassers ist die Erbeinsetzung des
Beschwerdeführers trotz der anzunehmenden Beeinflussung des Erblassers aufgrund des bestehenden
Vertrauens- und Näheverhältnisses vorliegend bei der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände nicht als
„mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren“ (vgl. z.B. BGH NJW
2008, 2027;
„Hilfestellung“ des Betreuers, nachdem sich konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von
Anfechtungsgründen nach
3. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben. Daneben konnte der Senat bereits den nach § 352e
Abs. 1 S. 1 FamFG zwingend erforderlichen Feststellungsbeschluss (vgl. Gietl/Längsfeld,
erlassen. Im Übrigen war das zuständige Nachlassgericht zur Erteilung des begehrten Erbscheins
anzuweisen (BeckOK FamFG/Schlögel, 46. Ed. 2.4.2023, FamFG § 352e Rn. 18 m.w.N.).
III.
Eine Kostenentscheidung war aufgrund des ergangenen Feststellungsbeschlusses hinsichtlich der Kosten
beider Instanzen durch das Beschwerdegericht zu treffen. Hierbei fand für die Kosten des
Beschwerdeverfahrens
erfolgreich war. Hingegen besteht kein Anlass, von der Erhebung der üblichen Kosten für die begehrte
Erbscheinserteilung nach dem GNotKG im erstinstanzlichen Verfahren abzusehen, so dass es diesbezüglich
bei der Kostenpflicht des Antragstellers bleibt.
Die Feststellung zu den außergerichtlichen Kosten entspricht dem Grundsatz, dass in Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte im Regelfall seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat
(BeckOK FamFG/Weber 41. Ed. 1.1.2022, FamFG § 81 Rn. 11).
Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren bleibt bis zur Festsetzung des
Nachlasswerts durch das Nachlassgericht vorbehalten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (
Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Es handelt sich
vorliegend um eine Einzelfallentscheidung, die über die hier konkret zu beurteilende Frage hinaus keine
Bedeutung hat.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Nürnberg
Erscheinungsdatum:19.07.2023
Aktenzeichen:15 Wx 988/23
Rechtsgebiete:
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Gesetzliche Erbfolge
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform
BtOG §§ 30 Abs. 1; BGB §§ 134, 138