OLG Düsseldorf 23. September 2016
3 Wx 130/15
BGB § 181; GmbHG §§ 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1, 54 Abs. 1 S. 1

Befreiung des Liquidators der GmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB; Erfordernis einer Satzungsgrundlage; Satzungsdurchbrechung

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 17.11.2016
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2016 - 3 Wx 130/15

BGB § 181; GmbHG §§ 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1, 54 Abs. 1 S. 1
Befreiung des Liquidators der GmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB;
Erfordernis einer Satzungsgrundlage; Satzungsdurchbrechung

Eine angemeldete konkrete Vertretungsregelung
(„Zum Liquidator der Gesellschaft wird bestellt: Herr G. S., … Er ist stets
einzelvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.“)
ist hinsichtlich der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB dann nicht
eintragungsfähig, wenn die die abstrakte Vertretungsbefugnis von Liquidatoren regelnde
Ergänzung der Satzung in den Gesellschafterbeschlüssen
(...“Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft wird ergänzt: Die Gesellschaft hat einen oder
mehrere Liquidatoren. Ein Liquidator vertritt die Gesellschaft allein, bei mehreren Liquidatoren
wird die Gesellschaft durch zwei Liquidatoren gemeinschaftlich vertreten. Durch
Gesellschafterbeschluss kann allen oder einzelnen Liquidatoren erteilt werden: – Befreiung von
den Beschränkungen des § 181 BGB, und – Befugnis zur Einzelvertretung der Gesellschaft. ...“)
nicht mindestens gleichzeitig mit eingetragen werden kann, weil der sich insoweit mit Blick auf
seine Dauerwirkung als „zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung“ darstellende
Gesellschafterbeschluss nicht notariell beurkundet und daher – selbst bei allstimmiger
Beschlussfassung – unwirksam ist.

Gründe:

I.
Die Satzung der betroffenen Gesellschaft enthält in § 4 folgende Regelungen zur Vertretung der Gesellschaft:
„1.
Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer.
2.
Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so ist dieser alleinvertretungsberechtigt. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so sind je 2 von
ihnen gemeinschaftlich oder einer von ihnen in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt.
3.
Die Gesellschafterversammlung kann einzelnen, mehreren oder allen Geschäftsführern Alleinvertretungsbefugnis erteilen und/oder sie
von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.“
Alleinige Gesellschafter sind der Beteiligte und dessen Ehefrau. Zum ersten Geschäftsführer der Gesellschaft bestellten sie – unter
Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB – den Beteiligten.
In einer Gesellschafterversammlung vom 9. April 2015 beschlossen die Gesellschafter unter anderem:
„1.
Die Gesellschaft wird mit Wirkung zum Ablauf des heutigen Tages aufgelöst.
2.
Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft wird ergänzt:
Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Liquidatoren. Ein Liquidator vertritt die Gesellschaft allein, bei mehreren Liquidatoren wird die
Gesellschaft durch zwei Liquidatoren gemeinschaftlich vertreten.
Durch Gesellschafterbeschluss kann allen oder einzelnen Liquidatoren erteilt werden:
Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, und
Befugnis zur Einzelvertretung der Gesellschaft.
3.
Herr G. S. wird als Geschäftsführer abberufen.
4.Zum Liquidator der Gesellschaft wird bestellt: Herr G. S., …
Er ist stets einzelvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.“
Die vorgenannten Gesellschafterbeschlüsse liegen ausschließlich in privatschriftlicher Form vor.
Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 9. April 2015 hat der Beteiligte unter anderem unter Überreichung der Niederschrift über die
Gesellschafterversammlung vom gleichen Tage zur Eintragung angemeldet die Auflösung der betroffenen Gesellschaft, seine
Abberufung als Geschäftsführer und seine Bestellung zum einzelvertretungsbefugten und von den Beschränkungen des § 181 BGB
befreiten Liquidator, darüber hinaus die Eintragung der abstrakten Vertretungsbefugnis der Liquidatoren entsprechend Ziffer 2. der
Beschlüsse der Gesellschafterversammlung.
Daraufhin hat das Registergericht durch die angefochtene Entscheidung ausgesprochen, der vorbezeichneten Anmeldung könne noch
nicht entsprochen werden, weil sie hinsichtlich der abstrakten und der konkreten Regelung betreffend die Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB zu beanstanden sei. Dies hat das Registergericht näher begründet.
Gegen diesen ihm am 21. Mai 2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte mit seinem am 10. Juni 2015 bei Gericht
eingegangenen Rechtsmittel, zu dessen Begründung er – näher dargelegt – ausführt, die Grundlagen für die beantragte Eintragung
fänden sich in den privatschriftlichen Gesellschafterbeschlüssen vom 9. April 2015 zu Ziffern 2. und 4.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakte Bezug genommen.

II.
Das Rechtsmittel des Beteiligten ist als befristete Beschwerde statthaft und auch im übrigen zulässig, §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 59 Abs. 2,
61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG. Es ist nach der vom Registergericht ordnungsgemäß mit weiterem
Beschluss vom 11. Juni 2015 ausgesprochenen Nichtabhilfe und der Vorlage an das Beschwerdegericht dem Senat auch zur
Entscheidung angefallen.
In der Sache jedoch bleibt es ohne Erfolg. Die Beanstandung des Registergerichts erweist sich als zutreffend.
1.
Die angemeldete konkrete Vertretungsregelung ist hinsichtlich der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nur dann
eintragungsfähig, wenn die die abstrakte Vertretungsbefugnis von Liquidatoren regelnde Ergänzung der Satzung in Ziffer 2. der
Gesellschafterbeschlüsse mindestens gleichzeitig miteingetragen werden kann. Dies hat bereits das Registergericht in der
Zwischenverfügung und dem Nichtabhilfebeschluss näher ausgeführt, folgt zweifelsfrei aus der Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 27. Oktober 2008 (WM 2009, 23 ff.; insbesondere Tz. 11) und wird nach ihrer ausdrücklichen Erklärung von
der Rechtsmittelbegründung ebenso gesehen.
2.
Die abstrakte Regelung ist indes nicht eintragungsfähig, weil der Gesellschafterbeschluss über die Änderung – Ergänzung – der
Satzung der betroffenen Gesellschaft unwirksam ist.
a)
Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sind Gesellschafterbeschlüsse über die Abänderung des Gesellschaftsvertrages zur Eintragung in
das Handelsregister anzumelden. Unwirksame Beschlüsse jedoch darf das Registergericht nicht eintragen (MK-Harbarth, GmbHG, 2.
Aufl. 2016, § 54 Rdnr. 73; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 54 Rdnr. 20; jeweils m.w.Nachw.).
b)
Grundsätzlich muss ein Gesellschafterbeschluss über eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages notariell beurkundet werden, § 53
Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz GmbHG. Differenzierter ist die Lage bei einer sogenannten Satzungsdurchbrechung zu beurteilen.
Satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse sind solche, die, ohne eine Satzungsbestimmung zu ändern, im Einzelfall von
dieser abweichen, bei denen mithin für künftige Fälle die Satzung mit ihrem bisherigen Inhalt fortgelten soll; hierunter fallen
grundsätzlich auch Beschlüsse über die Erweiterung oder Ergänzung der Satzung. Die Satzungsdurchbrechung ist
zustandsbegründend, wenn der Beschluss eine Dauerwirkung entfaltet, mag der durch ihn herbeigeführte Zustand auch auf einen
bestimmten Zeitraum begrenzt sein. Demgegenüber sind unter punktuellen Satzungsdurchbrechungen Beschlüsse zu verstehen, bei
denen sich die Wirkung des Beschlusses in einem Einzelakt, nämlich der betreffenden Maßnahme, erschöpft. Jedenfalls
zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung sämtlicher Bestimmungen über die
Satzungsänderung. Werden diese Vorschriften nicht eingehalten, ist der Beschluss unwirksam, und zwar selbst dann, wenn bei ihm
alle Gesellschafter mitgewirkt haben, sowie unabhängig davon, ob diese bei ihrer Beschlussfassung eine Satzungsdurchbrechung
herbeiführen wollten oder nicht. Ein solchermaßen unwirksamer Gesellschafterbeschluss kann zwar grundsätzlich in eine
schuldrechtliche Verpflichtung zu einem der getroffenen Regelung entsprechenden Verhalten umgedeutet werden, doch kann eine
solche schuldrechtliche Abrede grundsätzlich nicht bewirken, dass eine bestimmte organisationsrechtliche Regelung der Satzung
geändert wird (BGHZ 123, 15 ff.; Nachweise zur obergerichtlichen Rechtsprechung bei OLG Dresden NZG 2012, 507 f.; Scholz-
Priester, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 53 Rdnr. 29 f.; Groß-kommGmbHG-Ulmer, 2008, § 53 Rdnr. 36; Harbarth a.a.O., § 53 Rdnr. 45, 48
f. und 52; wohl auch Zöllner/Noack a.a.O., § 53 Rdnr. 45).
Nach teilweise vertretener Auffassung (Harbarth a.a.O., Rdnr. 51; Priester a.a.O., Rdnr. 30a m.w.Nachw.) bedürfen auch punktuelle
Satzungsdurchbrechungen der Einhaltung der Satzungsänderungsvorschriften, jedoch mit Ausnahme des Erfordernisses der
Registereintragung. Nach diesem Standpunkt muss also auch dann der Beschluss notariell beurkundet werden. Folgt man dem, ist der
hier in Rede stehende Gesellschafterbeschluss auch dann unwirksam, wenn man in ihm eine punktuelle Satzungsdurchbrechung
sehen wollte, da es an der erforderlichen Form fehlt. Diese Frage bedarf indes keiner Vertiefung.
Denn richtigerweise ist der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 9. April 2015 zu Ziffer 2. als zustandsbegründende
Satzungsdurchbrechung anzusehen. Solange nämlich ein Liquidator für die betroffene Gesellschaft handelt, soll – ständig – die
Möglichkeit bestehen, ihn durch Gesellschafterbeschluss von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien. Dass die Liquidation
insgesamt ein abgrenzbarer Zeitraum sein wird, steht der Qualifikation als Zustandsbegründung nach den dargestellten Grundsätzen
nicht entgegen. Auch macht selbst die Rechtsmittelbegründung nicht geltend, die Liquidation beschränke sich vorliegend auf einen
sozusagen nicht nennenswerten Umfang selbst in zeitlicher Hinsicht (zum Gesichtspunkt der kurzen Dauer BGH a.a.O., Tz. 14 juris-
Version). Es tritt hinzu, dass die Gesellschafter tatsächlich bereits zugleich die Befreiung des konkret bestellten Liquidators
beschlossen haben, sich die Erweiterung der rechtlichen Befugnis also auch faktisch während der gesamten Liquidation bei jedem
rechtsgeschäftlichen Handeln ständig aktualisieren kann; deshalb weicht die Lage im gegebenen Fall nicht entscheidungserheblich
von Sachverhalten ab, bei denen einem Gesellschafter satzungsdurchbrechend eine Befreiung von einem Wettbewerbsverbot erteilt
wurde und die im Schrifttum als zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung angesehen werden.
Die Allstimmigkeit der Beschlussfassung steht der Unwirksamkeitsfolge, wie gezeigt, nicht entgegen.
c)
Sofern dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit überhaupt gesonderte Bedeutung zukommen sollte (in diesem Sinne möglicherweise
BGH WM 2009, 23 ff., Tz. 12), folgt hieraus nichts für das Rechtsmittel Günstigeres. Sowohl die Identität des Datums von
Gesellschafterversammlung und Registeranmeldung als auch die Einheitlichkeit des Schriftbildes der Niederschrift der Versammlung
und der beglaubigen Erklärung erweisen, dass auch die Gesellschafterversammlung nicht ohne notarielle Begleitung stattgefunden
haben dürfte. Dann aber geht es bei dem Anliegen der Beschwerde, einem privatschriftlichen Gesellschafterbeschluss über eine
Satzungsänderung zur Geltung zu verhelfen, letztlich nur um eine Frage der Kostenersparnis und hätten die Gesellschafter bei ihrem
Vorgehen die erforderliche Form ohne jede Schwierigkeit einhalten können.
3.
Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Registergericht durch Zwischenverfügung entschieden hat.
Zwar wird vertreten, es stelle keinen eine Zwischenverfügung rechtfertigenden behebbaren Mangel nach § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG
dar, wenn es einer erneuten Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Satzungsänderung bedürfe, vielmehr sei in
diesem Fall der Eintragungsantrag sogleich zurückzuweisen (Harbarth a.a.O., § 54 Rdnr. 80 m.w.Nachw.). Hier besteht jedoch neben
der Möglichkeit einer erneuten Beschlussfassung auch diejenige einer Anpassung des Eintragungsantrages.

III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Tragung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren ergibt sich unmittelbar
aus dem Gesetz, und eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet bereits deshalb aus, weil am
Beschwerdeverfahren nur der Beteiligte teilgenommen hat.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor. Die
entscheidungstragenden Erwägungen des Senats weichen von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht ab.
Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG; die Anwendung des § 67 GNotKG würde
voraussetzen, dass ein unternehmensrechtliches Verfahren vorliegt, was nicht der Fall ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

23.09.2016

Aktenzeichen:

3 Wx 130/15

Rechtsgebiete:

GmbH
In-sich-Geschäft

Erschienen in:

RNotZ 2017, 110-113

Normen in Titel:

BGB § 181; GmbHG §§ 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1, 54 Abs. 1 S. 1