BGH 28. Oktober 1988
V ZR 60/87
EGBGB Art. 96

Voraussetzungen für die Annahme eines Leibgedingsvertrages

des Werkvertrages nach §313 BGB vorlag, noch konkret
dazu etwas aussagt, wie es im konkreten Fall mit der Anwendung der Makler- und Bauträgerverordnung stand.
In diesen beiden Punkten versetzt die Entscheidung vielmehr den Leser in, wohl vom Urteil nicht beabsichtigte, Zweifel.
3. Die Entscheidung sagt ausdrücklich, daß das Grundstück
von den Eigentümern unmittelbar zu kaufen war Und daß es
zum Erwerb des Grundstücks nicht mehr gekommen ist.
Eine Heilung eines eventuellen Formzwangs durch vollzogene Auflassung scheidet also aus.
Die Entscheidung sagt ferner, daß der Werkunternehmer
sich gewerbsmäßig als Bauträger, Generalunternehmer mit
Planungsverpflichtung oder als Generalübernehmer zu der
im Werkvertrag vorgesehenen schlüsselfertigen Errichtung
des Hauses auf einem vom Auftraggeber zu erwerbenden
Grundstück verpflichtet hat. Die Entscheidung spricht zwar
davon, daß das Grundstück vorweg zu erwerben war. Dies
gibt aber allein noch keinen hinreichend sicheren Schluß
darauf; ob und inwieweit der Werkvertrag mit dem Grundstückserwerb in irgendeiner Weise rechtlich verknüpft war
oder nicht.
Die Frage der Verknüpfung lag um so näher und wäre um so
mehr zu erörtern gewesen, als nach dem Sachverhalt der
Kunde sich auf ein Inserat meldete, nach dem „Einfamilienhäuser zu erwerben seien`. Wer ein Einfamilienhaus erwerben will, will in der Regel in einer Einheit Grundstück und
Bauwerk erwerben, nicht ein Grundstück kaufen und einen
Werkvertrag abschließen, mögen die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten sein wie auch immer. Jedenfalls wäre
hierauf einzugehen gewesen. Schließlich wären auch die
Gesichtspunkte des unlauteren Wettbewerbs erörterungswürdig gewesen, gerade weil gezielt und ausdrücklich „Einfamilienhäuser" zu erwerben waren (vgl. die Entscheidungen
des LG München 1 und des OLG München, in diesem Heft
S. 102).
Mag man die rechtliche Verknüpfung in der Leerformel
sehen, daß die einzelnen Leistungen miteinander „stehen
und fallen sollen" oder sieht man die Verknüpfung richtigerweise im synallagmatischen Verhältnis oder mögen die Verträge nur im Abschluß, nicht aber im weiteren rechtlichen
Schicksal voneinander abhängen. (vgl. Korte DNotZ 1984,
3 ff., Lichtenberger DNotZ 1988, 531 ff.), es hätten jedenfalls
alle diese Fragen erörtert werden müssen, gleich, welchen
Standpunkt -man auch imErgebnis dann immer bezieht.
Selbst wenn es rechtlich möglich und sachlich denkbar
gewesen wäre, die Verträge rechtlich zu trennen, hätte das
Urteil dazu Stellung nehmen müssen.
4. Das Urteil darf daher auf keinen Fall dazu Anlaß bieten,
diese Entscheidung als Freibrief dafür zu verwerten, Werkverträge. und Grundstückserwerbverträge unbedenklich voneinander zu trennen. Vielmehr bedarf es hierzu einer genauen Untersuchung, die sehr häufig nach den in der Rechtsprechung und Literatur herausgearbeiteten Grundsätzen zu
einer wie auch immer gearteten Verknüpfung führen werden
oder zumindest können, mag es auch nur in einer bedingungsmäßigen Abhängigkeit sein, die entsprechend zu
beurkunden ist (vgl. Korte, Lichtenberger aaO). Auf keinen
Fall erlaubt das Urteil den Schluß, nur deshalb, weil der
BGH, aus welchen Gründen auch immer, diese Problematik
nicht erörtert, nunmehr sei „getrennt alles möglich`: Es verbleibt vielmehr bei den nach wie vor bestehenden Fragen
der wie auch immer gearteten rechtlichen (bedingungsMittBayNot 1989 Heft 2
mäßigen oder synallagmatischen) Verknüpfung. Hieran will
das Urteil, auch wenn es weder im Sachverhalt, noch in der
Begründung hierzu etwas aussagt, keinesfalls etwas.
ändern.
Bei diesen Verknüpfungsfragen ist in der Ermittlung des Willens der Beteiligten, des Sachverhaltes und der Ausgestaltung der Beurkundung äußerste Sorgfalt und äußerste Genauigkeit und Penibilität geboten; ein Mehr ist nach dem
Stand der Meinungen in Rechtsprechung und Literatur und
nach den Grundsätzen, daß der sicherste Weg zu begehen
ist, im Zweifel stets besser als ein Weniger. Nach heutiger
Rechtslage wäre auch den Gesichtspunkten des unlauteren
Wettbewerbs noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken, weil
jetzt die Sanktion des § 13a UWG besteht.
5. Ebensowenig wie zu den vorstehenden Fragen nimmt das
Urteil dazu Stellung, wie es nun mit der Anwendung der
Makler- und Bauträgerverordnung auf derartige Verträge
steht. Dies ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.
Nach herrschender Meinung findet die Makler- und Bauträgerverordnung dann keine Anwendung, wenn der Grundstückserwerb so gestaltet ist, daß, etwa auch gesichert
durch ranggerechte Auflassungsvormerkung und vor allem
durch entsprechende Gestaltung der Zahlungspflichten des
Käufers, die den Grundstückserwerb nicht von den Zahlungen aus dem Werkvertrag abhängig machen, der gleiche
Zustand besteht, wie wenn der Werkunternehmer auf einem
Grundstück des Bestellers Bauwerke errichten würde.
Handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen,
so findet, was gerne übersehen wird, auf jeden Fall das Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung,
welches Vorausleistungen nur in seinem eng begrenzten
Rahmen zuläßt. Auch wenn man also mit der herrschenden
Meinung in diesem Fall die Anwendung der Makler- und Bauträgerverordnung verneint, so darf man darin auf keinen Fall
einen Freibrief für beliebige Zahlungsmodalitäten erblicken,
vielmehr ist stets das AGB-Gesetz zu beachten.
Zu bedauern ist jedenfalls, daß das Urteil auch zu dieser
Frage keine Stellung nimmt, vielmehr den Eindruck erweckt,
als sei unbedenklich die Makler- und Bauträgerverordnung
anwendbar, was nach dem Sachverhalt zumindest zweifelhaft erscheint, jedenfalls nach herrschender Meinung.
Notar Dr. Peter Lichtenberger, München
4. EGBGB Art. 96 (Voraussetzungen für die Annahme eines
Leibgedingvertrages)
Eine Grundstücksübertragung wird noch nicht allein durch
eine Wohnrechtsgewährung mit Pflege- und Versorgungsverpflichtung zum Altenteilsvertrag i. S. v. Art. 96 EGBGB,
(Leitsatz nicht amtlich)
BGH, Urteil vom 28.10.1988 — V ZR 60/87 —
Aus dem Tatbestand:
Der Kläger und seine — im Herbst 1980 verstorbene — Ehefrau verkauften mit notariellem Vertrag vom 19. Mai 1972 ihr Hausgrundstück
an die Beklagte. Als Entgelt verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Leibrente und bestellte den Verkäufern als Gesamtgläubigern „ein Wohnrecht an ihrer bisherigen Wohnung, bestehend aus
Stube, Kammer, Küche und Steinküche sowie Nebengelaß und freien
Umgang in Haus und Garten' Heizung und Beleuchtung gehörten
nicht dazu. Außerdem verpflichtete sich die Beklagte, die Verkäufer
in kranken Tagen zu pflegen oder pflegen zu lassen.
Der Kläger wohnt seit etwa Mitte Dezember 1980 bei den Eheleuten B.


Er hat behauptet, die Beklagte habe es trotz seiner Pflegebedürftigkeit abgelehnt, ihn nach seinem Krankenhausaufenthalt im Herbst
1980 zu betreuen. Seine Wohnung sei zudem nach einem Brand nicht
mehr bewohnbar. Er verlangt die Zahlung einer Wohnwertentschädigung sowie die Erstattung ersparter Pflegekosten.
Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens im -wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der
Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision erstrebt die
Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Aus den Gründen:
Das Urteil kann schon deswegen keinen Bestand haben,
weil das Berufungsgericht keine Feststellung darüber getroffen hat, daß das Niedersächsische Ausführungsgesetz
zum BGB auf das Rechtsverhältnis der Parteien überhaupt
anwendbar ist.
Gemäß § 5 Nds. AGBGB gelten, soweit die Parteien nichts
anderes vereinbart haben, die Vorschriften des Gesetzes
über Altenteilsverträge nur für Schuldverhältnisse aus Verträgen nach Art. 96 EGBGB. Art. 96 EGBGB betrifft
Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsverträge,
die mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung
stehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat ein
Altenteils- oder Leibgedingsvertrag im Sinne dieser Bestimmung in der Regel die Gewährung des Unterhalts zum Inhalt,
wobei dem Altenteiler ein Wohnrecht an einem bestimmten
Teil des überlassenen Grundstücks gewährt wird. Auf der
anderen Seite soll in Verbindung damit dem Übernehmer ein
Gut oder ein Grundstück überlassen werden, kraft dessen
Nutzung er sich eine eigene Lebensgrundlage schaffen und
gleichzeitig den dem Altenteiler geschuldeten Unterhalt
gewinnen kann (BGHZ 53, 41, 43; Senätsurt. v. 3. April 1981,
V ZR 55/80, NJW 1981, 2528 [= DNotZ 1982, 45] jew. m. w. N.).
Der Wesenszug eines solchen Altenteils liegt in einem
Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz
— wenigstens teilweise — begründende Wirtschaftseinheit
unter Abwägung der Interessen des abziehenden Altenteilers und des nachrückenden Angehörigen der nächsten
Generation. Tritt in einer schuldrechtlichen Vereinbarung
demgegenüber der Charakter eines gegenseitigen Vertrages
mit beiderseits gleichwertigen Leistungen in den Vordergrund, so kann im allgemeinen nicht angenommen werden,
es handele sich um eine Altenteilsvereinbarung (BGHZ 53,
41, 43). Eine Grundstücksübertragung wird daher noch nicht
allein durch eine Wohnrechtsgewährung mit Pflege- und Versorgungsverpflichtung zum Altenteilsvertrag im Sinne von
Art. 96 (Senatsurt. v. 4. Dezember 1981, V ZR 37/81, DNotZ
1982, 697, 698).
Die für die Annahme eines Altenteilsvertrages danach
erforderlichen Voraussetzungen hat das Berufungsgericht
nicht festgestellt.
5. BGB § 633 (Keine Gewährleistung für Verschleißerscheinungen auch bei 5jähriger Gewährleistungsfrist)
Der normale gebrauchsbedingte Verschleiß einer Werkleistung (hier: Lasuranstrich von Fenstern) stellt auch dann
keinen Fehler dar, wenn er sich innerhalb der vereinbarten
fünfjährigen Gewährleistungsfrist realisiert.
(Leitsatz nicht amtlich)
LG Stuttgart, Urteil vom 1.6.1987 — 27 0 148/87 — mitgeteilt
von Notar Prof. Dr. Helmut Schippel, München
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines aufgrund
übernommener Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern am
15.10.1986 bezahlten Betrages in Anspruch.
Die Beklagte hatte einer Fa. K. den Auftrag erteilt, Fenster bei einem
Bauvorhaben der Beklagten einzubauen; die Holzteile sollten nach
dem zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis lasiert werden. Die
Klägerin übernahm für diese Arbeiten gegenüber der Beklagten eine
Gewährleistungsbürgschaft „auf erstes Anfordern" in Höhe von
33.200,— DM. Die Beklagte nahm die Arbeiten am 27.11.1981 ab.
Mit Schreiben vom 4.12.1984 rügte ihr Architekt die Ablösung und Verwitterung des Außenanstrichs an den Holzteilen der eingebauten
Fenster. Nach erfolgter — fruchtlos gebliebener — Fristsetzung
zur Nachbesserung nahm die Beklagte die Klägerin aufgrund der
Gewährleistungsbürgschaft in voller Höhe für die Kosten der Ersatzvornahme gerichtlich mit Erfolg in Anspruch:
Die Klägerin meint, ein Gewährleistungsfall habe nicht vorgelegen,
weil die Leistung nicht mangelhaft, sondern nur — witterungsbedingt — verschlissen gewesen sei, und behauptet, Lasuranstriche
müßten spätestens alle zwei Jahre erneuert werden.
Aus den Gründen:
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Rückzahlung des
zurückgehaltenen — rechtsgrundlos erlangten — Betrages
verlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB).
Die Klägerin hat auf die Anforderung der Beklagten rechtsgrundlos geleistet, weil die Hauptschuld und demzufolge
die Bürgschaftsverpflichtung nicht bestand (§ 767 Abs. 1
S. 1 BGB). Der Beklagten stand ein Anspruch auf Kostenvorschuß zur Nachbesserung (§ 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B, § 633
Abs. 3 BGB) nicht zu. Der Unternehmer hat seine Werkleistung mangelfrei erbracht.
Maßgeblich für die Frage, ob ein Mangel vorliegt, ist der Zeitpunkt der Abnahme. Danach können zwei Mängeltypen unterschieden werden: Der offene Mangel, bei dem der
Mangeltatbestand bei Abnahme bereits vollendet ist und die
Fehlerhaftigkeit offen zutagetritt, und der Mangel, der bei
Abnahme lediglich (im Keim) begründet ist, während sich
der volle Mangeltatbestand erst zeitlich nach Gefahrübergang vollendet (vgl. Kaiser, Mängelhaftungsrecht der VOB/B,
5. Aufl., Rdnr. 23 c m. w. N.).
Der Mangel liegt „im Keim" dann vor, wenn sich infolge des
nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauchs ein Zustand
herausbildet, der in einem kürzeren Zeitraum als vorausgesetzt diesen Gebrauch ganz oder teilweise unmöglich
macht. Ein solcher „Anlage"-Mangel liegt hier nicht vor.
Fenster sind den Witterungseinflüssen ausgesetzt. Die Parteien des Werkvertrages wußten, daß diese Witterungseinflüsse den Fensteranstrich im Laufe der Zeit zerstören. Dies
nahm die Beklagte auch im Rahmen des normalen witterungsbedingten Verschleißes in Kauf. Sie durfte allerdings
erwarten, daß diese Abnutzung nicht schneller als üblich erfolgen würde. Sie durfte dagegen nicht erwarten, daß diese
Verschleißerscheinungen sich erst nach Ablauf der vereinbarten fünfjährigen Gewährleistungsfrist zeigen würden.
Die Vernehmung des Sachverständigen und der Zeugen hat
ergeben, daß es sich bei den an den Fenstern festgestellten
Schäden um die witterungsbedingten Verschleißerscheinungen handelt, die bei Lasuranstrichen vor allem an der Wetterseite in dieser Art wie hier und nach einer Zeitspanne wie
hier üblicherweise auftreten. Einen Lasuranstrich, der den
Witterungseinflüssen länger standhält, gibt es nach der
Aussage des Sachverständigen nicht. Das verwendete Material und auch die erbrachte Leistung weichen daher nicht
negativ von der Sollbeschaffenheit ab.
MittBayNot 1989 Heft 2

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

28.10.1988

Aktenzeichen:

V ZR 60/87

Erschienen in:

MittBayNot 1989, 81-82

Normen in Titel:

EGBGB Art. 96