Zerlegung eines Grundstücks durch Flurstücksbildung ohne Vermessung
letzte Aktualisierung: 9.12.2021
OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 17.6.2021 – 2 L 104/19
VermGeoG LSA § 12 Abs. 2 S. 2; VwVfG §§ 41 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1, 44 Abs. 1, 51
Zerlegung eines Grundstücks durch Flurstücksbildung ohne Vermessung
1. Wird ein Grundstück aus Anlass des Verkaufs einer Teilfläche auf Antrag des Eigentümers durch
eine Flurstücksbildung ohne Vermessung nach § 12 Abs. 2 S. 2 VermGeoG zerlegt, muss die
Fortführung des Liegenschaftskatasters dem Käufer der Teilfläche nicht bekannt gegeben werden.
Auch nach dem Übergang des Eigentums auf den Käufer muss die dem Grundstückseigentümer
und Antragsteller bekannt gegebene Fortführung des Liegenschaftskatasters dem Käufer nicht
nochmals bekannt gegeben werden, um auch ihm gegenüber Wirksamkeit zur erlangen.
2. Weicht ein auf Antrag ergangener Verwaltungsakt substanziell vom Inhalt des Antrages ab, führt
dies zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, wenn die Abweichung weder durch das Fachrecht
noch durch den Antrag zugelassen ist und der Antragsteller sich auch nicht nachträglich mit der
Abweichung einverstanden erklärt.
3. Zur Frage der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts im Fall des Abweichens vom Antrag.
4. Die Fortführung des Liegenschaftskatasters ist nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie mit einem
unbemaßten Auszug aus der Liegenschaftskarte im Maßstab 1 : 1.000 bekanntgegeben wird.
5. Das Begehren, einen (bestandskräftigen) Verwaltungsakt aufzuheben, schließt das gewünschte
Ergebnis eines erfolgreichen Wiederaufgreifens des damaligen Verwaltungsverfahrens ein (vgl.
BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 – 1 C 29.95 – juris Rn. 17). Ein Antrag auf Wiederaufgreifen
des Verfahrens wird als einheitliches Begehren verstanden; folglich ist das Petitum sowohl unter
dem Gesichtspunkt des Wiederaufgreifens im engeren Sinne als auch unter dem Aspekt des
Wiederaufgreifens im weiteren Sinne zu würdigen.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Berufung des Klägers ist zum Teil begründet.
I.
Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgenommene Umstellung des Klageantrags stellt
keine Klageänderung dar, die gemäß § 91 Abs. 1 VwGO der Einwilligung der übrigen
Beteiligten oder der Sachdienlicherklärung des Senats bedürfte. Nach § 173 VwGO i.V.m.
§ 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung
des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen
erweitert oder beschränkt wird. Der Streitgegenstand wird durch das im Klageantrag zum
Ausdruck kommende Klagebegehren und den ihm zugrunde gelegten Sachverhalt
(Klagegrund) bestimmt; daher liegt eine Klageänderung unter anderem vor, wenn das bisher
verfolgte Rechtsschutzziel und der sachliche Streitstoff wesentlich erweitert werden
(BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 11.16 - juris Rn. 17, m.w.N.). Der Klagegrund
hat sich hier durch die Umstellung des Klageantrags im Berufungsverfahren nicht geändert.
Der Kläger hat den sein Begehren stützenden Lebenssachverhalt nicht ausgeweitet.
II.
Die Klage hat mit dem vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten Hauptantrag keinen
Erfolg. Die Verpflichtungsklage, mit der der Kläger die Änderung der vom Beklagten
vorgenommenen Fortführung des Liegenschaftskatasters mit den Daten des
Erfassungsrisses vom 6. August 2007 begehrt, ist unzulässig.
1. Zwar kann die Fortführung des Liegenschaftskatasters in statthafter Weise mit der
Anfechtungsklage angegriffen werden, weil es sich insoweit um einen feststellenden
Verwaltungsakt handelt (vgl. dazu Urteil des Senats vom 13. Oktober 2015 - 2 L 186/13 -
juris Rn. 40, m.w.N.). Sofern die Fortführung des Liegenschaftskatasters auf einem Antrag
auf Flurstücksneubildung beruht, dem nicht (in vollem Umfang) entsprochen wurde, mag
auch die Verpflichtungsklage mit dem Ziel der antragsgemäßen Neubildung der Flurstücke
und entsprechenden Fortführung des Liegenschaftskatasters statthaft sein.
2. Auch ist der Kläger als heutiger Eigentümer des neu gebildeten Flurstücks klagebefugt.
Er kann geltend machen, durch die Neubildung der Flurstücke 611 und 612 abweichend
von dem von seiner Rechtsvorgängerin gestellten Antrag vom 14. Juli 2007 in eigenen
Rechten verletzt zu sein. Gegen Verwaltungsakte, die gegen einen Rechtsvorgänger
ergangen sind bzw. gegen die Ablehnung oder Unterlassung eines von einem
Rechtsvorgänger beantragten Verwaltungsakt sind Rechtsnachfolger klagebefugt, wenn und
soweit die Ablehnung des Verwaltungsakts bzw. die Ablehnung oder Unterlassung auch
ihnen gegenüber Rechtswirkungen hat (R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl.,
§ 42 Rn. 174, m.w.N.). So liegt es hier. Die in Rede stehende Flurstücksbildung hat auch
gegenüber dem Kläger als heutigem Eigentümer des neu gebildeten Flurstücks 611
Rechtswirkungen.
3. Die Klage ist aber deshalb unzulässig, weil die im Jahr 2007 durchgeführte Fortführung
des Liegenschaftskatasters - auch gegenüber dem Kläger - bereits bestandskräftig geworden
ist.
a) Ein Anspruch des Klägers auf eine - von Rechtsbehelfsfristen unabhängige - bloße
Berichtigung des Liegenschaftskatasters auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 11
VermGeoG LSA kommt nicht in Betracht.
Nach § 1 Abs. 1 VermGeoG LSA obliegt der Vermessungs- und Geoinformationsbehörde
des Landes die Führung des Liegenschaftskatasters. Der Begriff „Führung“ wird als
umfassender Oberbegriff für alle Tätigkeiten und Maßnahmen zum Vorhalten eines
aktuellen Liegenschaftskatasters eingeführt; er umfasst Einrichten, Fortführen und
Erneuern (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf vom 4. Juli 1991, LT-Drs. 1/657, S. 5).
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VermGeoG LSA weist das Liegenschaftskataster für das
Landesgebiet alle Liegenschaften darstellend in der Liegenschaftskarte und beschreibend im
Liegenschaftsbuch nach. Gemäß § 11 Abs. 2 VermGeoG LSA dient das
Liegenschaftskataster der Sicherung des Grundeigentums, dem Grundstücksverkehr, der
Ordnung von Grund und Boden und ist neben den Topographischen Landeskartenwerken
alleinige Grundlage für raumbezogene Informationssysteme. Es soll den Anforderungen des
Rechtsverkehrs, der Verwaltung und der Wirtschaft gerecht werden und insbesondere die
Bedürfnisse der Landesplanung, der Bauleitplanung, der Bodenordnung, der Ermittlung von
Grundstückswerten sowie des Umwelt- und des Naturschutzes angemessen
berücksichtigen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 VermGeoG LSA ist das Liegenschaftskataster
amtliches Verzeichnis der Grundstücke im Sinne des § 2 Abs. 2 der Grundbuchordnung
(GBO); die Übereinstimmung mit dem Grundbuch ist zu wahren.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15. September 2015 - 2 L 138/13 -
juris Rn. 29, m.w.N.) bilden diese Vorschriften eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage,
das Liegenschaftskataster bei Zeichenfehlern zu berichtigen; die Katasterbehörden sind bei
solchen Fehlern verpflichtet und befugt, diese zu berichtigen. Ein solcher Zeichenfehler
liegt aber nach der zutreffenden Auffassung der Beteiligten nicht vor. Ein Zeichenfehler ist
dadurch gekennzeichnet, dass die Liegenschaftskarte von den maßgebenden
Vermessungszahlen abweicht. Mit der Berichtigung eines Zeichenfehlers wird lediglich ein
Widerspruch zwischen den Ergebnissen der Liegenschaftsvermessungen als „Basismaterial“
des Liegenschaftskatasters und der graphischen Darstellung in der Liegenschaftskarte
aufgelöst. Dabei wird öffentlich-rechtlich nicht über die rechtmäßigen (zivilrechtlichen)
Eigentumsgrenzen, sondern (nur) über den richtigen Verlauf der Grenzen nach dem
Liegenschaftskataster entschieden (Urteil des Senats vom 15. September 2015, a.a.O., Rn.
34). Der Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer bedarf es in diesen Fällen
nicht. Eine solche Abweichung der Liegenschaftskarte von den Vermessungszahlen besteht
hier nicht.
bb) Ein weiterer Fehler des Liegenschaftskatasters, der eine Berichtigungsbefugnis und -
verpflichtung der Katasterbehörden ohne Zustimmung der betroffenen
Grundstückseigentümer auslösen dürfte, kann vorliegen, wenn Widersprüche in den
Aufnahmeelementen vorliegen, etwa wenn die vorliegenden Vermessungszahlen
widersprüchlich sind und die Grenzpunkte nicht eindeutig ausweisen (vgl. OVG BBg, Urteil
vom 24. November 2011 - OVG 10 B 14.09 - juris Rn. 48). Auch solche Widersprüche
stehen hier nicht in Rede.
cc) Ein dritter Fall eines fehlerhaften Grenznachweises im Liegenschaftskataster ist der sog.
Aufnahmefehler, der durch die Grenzfeststellungsbehörde nicht erkannt werden kann,
sondern der subjektiven (übereinstimmenden) Erklärung der Beteiligten bedarf; er kann
durch fehlerhafte Erfassung (Uraufnahme) der rechtmäßigen Grenze oder durch
ordnungsgemäße Erfassung des falschen Grenzverlaufs (Grenzirrtum, also Irrtum in der
Sache) entstanden sein (vgl. Beschluss des Senats vom 12. April 2017 - 2 L 92/16 - juris
Rn. 17; Kummer/Möllering, Vermessungs- und Geoinformationsrecht Sachsen-Anhalt,
3. Aufl., § 16 Anm. 5.2.3.2). Bei einem Aufnahmefehler sind bereits die Liegenschaftszahlen
und damit in der Folge auch die Präsentationsebene der Liegenschaftskarte fehlerhaft, weil
bei der Vermessung von Grundstücksgrenzen ein Fehler unterläuft mit der Folge, dass der
Katastergrenznachweis nicht dem bei der Aufnahme (Vermessung) vorhanden gewesenen
rechtlichen Bestand entspricht, und die Abweichung weder mit der Ungenauigkeit des
Aufnahmeverfahrens erklärt noch als Messungenauigkeit angesehen werden kann (OVG
BBg, Urteil vom 24. November 2011, a.a.O. Rn. 47). Ein solcher Fehler führt zu einem
zwar widerspruchsfreien, aber nicht maßgebenden Nachweis der Flurstücksgrenze im
Liegenschaftskataster (Kummer/Möllering, a.a.O.). Die Grenze wird dabei eindeutig (wenn
auch inhaltlich falsch) im Kataster nachgewiesen (OVG BBg, Urteil vom 24. November
2011, a.a.O.). Auch ein solcher Fehler liegt hier nicht vor. Es wurde keine bereits
bestehende Grundstücksgrenze fehlerhaft erfasst oder vermessen. Eine Vermessung von
Grundstücksgrenzen erfolgte gerade nicht, vielmehr wurde eine Flurstücksbildung ohne
Vermessung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 VermGeoG LSA durchgeführt. Im Übrigen müssten
zur Berichtigung eines Aufnahmefehlers entsprechende Erklärungen der Grundeigentümer
eingeholt werden (vgl. Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22
Rn. 116). Eine solche Erklärung der Eigentümer des Nachbargrundstücks liegt nicht vor.
Vielmehr haben die Beigeladenen einer „Berichtigung“ der streitigen Grenze mit
Erklärungen vom 11. Juni 2018 (Beiakte A, Bl. 84 f.) ausdrücklich widersprochen.
b) Die im Jahr 2007 vorgenommene Fortführung des Liegenschaftskatasters ist - auch
gegenüber dem Kläger - bereits in Bestandskraft erwachsen, weil gegen diesen
Verwaltungsakt nicht innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage erhoben
wurde (§ 74 Abs. 1 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
Dem Eintritt der Bestandskraft kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass die Fortführung
des Liegenschaftskatasters unwirksam sei.
Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 43 Abs. 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt
gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem
Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird; der Verwaltungsakt wird mit dem
Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Die Anwendung des § 43 Abs. 1 VwVfG
kann dazu führen, dass ein Verwaltungsakt im Verhältnis zu den einzelnen Betroffenen zu
verschiedenen Zeitpunkten, einem bestimmten Betroffenen gegenüber im Gegensatz zu
den anderen möglicherweise auch überhaupt nicht wirksam wird (BVerwG, Urteil vom
28. Oktober 1993 - 4 C 15.93 - juris Rn. 19, m.w.N.).
aa) Die Wirksamkeit der angegriffenen Fortführung des Liegenschaftskatasters setzte eine
Bekanntgabe an den Kläger nicht voraus.
Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt
demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm
betroffen wird. Der Normtext erstreckt die Bekanntgabeverpflichtung damit auf
„betroffene Beteiligte“ und verweist insoweit auf §?13 VwVfG (Couzinet/Fröhlich, in:
Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. § 41 Rn. 61). Gemäß § 13 Abs. 1 VwVfG
sind Beteiligte (1.) Antragsteller und Antragsgegner, (2.) diejenigen, an die die Behörde den
Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat, (3.) diejenigen, mit denen die Behörde einen
öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat, und (4.) diejenigen, die
nach Absatz 2 von der Behörde zu dem Verfahren hinzugezogen worden sind. Nach § 13
Abs. 2 Satz 1 VwVfG kann die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren
rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, als
Beteiligte hinzuziehen. Hat der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für
einen Dritten, so ist dieser auf Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen;
soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu
benachrichtigen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Ob eine Person von dem Verwaltungsakt
„betroffen“ wird, richtet sich nach materiellem Recht. Maßgebend ist, ob der
Verwaltungsakt in die materiellen Rechte im Sinn eines schutzwürdigen Individualinteresses
einer anderen Person als die des Adressaten eingreift. Nur wirtschaftliche oder ideelle
Interessen begründen in diesem Sinne keine Betroffenheit (Stelkens, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 41 Rn. 32). Auch die Bekanntgabe eines
dinglichen Verwaltungsaktes (§?35 Satz 2 Var. 2) kann ein Fall des § 41 Abs.?1 Satz?1 Alt. 2
sein (Couzinet/Fröhlich, a.a.O., § 41 Rn. 62). So kann etwa die denkmalschutzrechtliche
Eintragung eines Gebäudes nicht nur dem Eigentümer, sondern auch den obligatorisch
Nutzungsberechtigten bekannt zu machen sein, sofern sie mit Blick auf die materiellrechtlichen
Rechtsfolgewirkungen auch deren Rechtsstellung betrifft (OVG NW, Urteil
vom 20. Juni 1991 - 7 A 23/90 - juris Rn. 10).
Nach diesen Grundsätzen war die Fortführung des Liegenschaftskatasters dem Kläger nicht
bekanntzugeben, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht „betroffener Beteiligter“ im Sinne von §
1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG war.
Das VermGeoG LSA enthält keine Vorschriften darüber, wem die Fortführung des
Liegenschaftskatasters bekanntzugeben ist. Für die Bekanntgabe der Grenzfeststellung und
Abmarkung sieht § 18 Abs. 1 VermGeoG LSA allerdings vor, dass diese den „anwesenden
Beteiligten“ grundsätzlich im Grenztermin, den „nicht anwesenden Beteiligten“ in
schriftlicher Form bekanntzugeben. Die Frage, wer „Beteiligter“ in einem solchen
Verfahren ist, ist allerdings weder im VermGeoG LSA noch in der
Durchführungsverordnung zum VermKatG LSA geregelt, so dass auf die Bestimmungen in
§ 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 13 VwVfG zurückzugreifen ist (vgl. Kummer/Möllering,
a.a.O., § 17 Anm. 4.1). Im Grenzfeststellungs- und Abmarkungsverfahren sind danach kraft
Gesetzes („geborene“) Beteiligte gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1
und 2 VwVfG der Antragsteller, der Antragsgegner und der Adressat der Verwaltungsakte
Grenzfeststellung und Abmarkung, wobei „Antragsgegner“ wegen der Eigenschaft von
Grenzfeststellung und Abmarkung als Verwaltungsakte mit Doppel- und Drittwirkung der
Eigentümer des Nachbargrundstücks ist (vgl. Kummer/Möllering, a.a.O., § 18 Anm. 4.2).
Als weiterer Beteiligter kann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 VwVfG nach Ermessen
der Vermessungsbehörde der hinzugezogen werden, dessen rechtliche Interessen durch die
Grenzfeststellung oder die Abmarkung berührt werden; bei der beabsichtigten Bildung
neuer Flurstücksgrenzen sollte bei vorliegendem Vertrag der Erwerber des Flurstücks
hinzugezogen werden (Kummer/Möllering, a.a.O., § 18 Anm. 4.3).
Dem entsprechend ist auch bei einer Flurstücksbildung ohne Liegenschaftsvermessung
nach § 12 Abs. 2 Satz 2 VermGeoG LSA der Erwerber eines neu gebildeten Flurstücks
nicht „geborener“ Beteiligter nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 3
VwVfG, soweit nicht er, sondern der (Noch-)Eigentümer und Veräußerer des neu zu
bildenden Grundstücks den Antrag auf Flurstücksneubildung gestellt hat. Eine
Beteiligtenstellung des Erwerbers kann sich nur dann ergeben, wenn die Behörde ihn nach
§ 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 VwVfG zu dem Verfahren
hinzugezogen hat. Eine solche Hinzuziehung nach Ermessen gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG
LSA i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kommt in Betracht, weil durch die Neubildung des
von ihm erworbenen Flurstücks seine rechtlichen Interessen berührt werden. Von einer
solchen Hinzuziehung hat der Beklagte - entsprechend seiner durch
Verwaltungsvorschriften vorgegebenen Verwaltungspraxis - ermessensfehlerfrei abgesehen.
Nach Nr. 3.4.1 des Runderlasses des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr vom
11. Februar 2013 - 42.11-23400-01 - (MBl. LSA 2013, S. 131) - LiegKatErl - wird bei
Veränderungen mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung der fortgeführte Inhalt des
Liegenschaftskatasters den Beteiligten gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i.V.m. § 41
VwVfG bekannt gegeben. Nach Nr. 3.4.2 LiegKatErl sind Beteiligte diejenigen, für die im
Grundbuch oder im Liegenschaftskataster Eigentum, ein Erbbaurecht oder ein sonstiges
grundstücksgleiches Recht an den fortgeführten Liegenschaften eingetragen ist, soweit ihre
rechtlichen Interessen durch die Fortführung berührt werden.
Die Hinzuziehung des Erwerbers ist dagegen nicht nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 13
Abs. 2 Satz 2 VwVfG notwendig, weil der Ausgang des Verfahrens keine rechtsgestaltende
Wirkung für ihn hat. Rechtsgestaltende Wirkung besteht dann, wenn die in Betracht
kommende Entscheidung unmittelbar Rechte eines Dritten begründet, ändert oder aufhebt
(Stelkens, a.a.O., § 13 Rn. 40, m.w.N.). Durch die Fortführung des Liegenschaftskatasters
werden Rechte des Käufers eines Grundstücks bzw. einer Teilfläche, für den noch kein
Recht im Grundbuch eingetragen ist, nicht unmittelbar begründet, geändert oder gestaltet.
Seine Rechtsposition besteht lediglich in einem vertraglichen Anspruch aus dem
Kaufvertrag auf Verschaffung des Eigentums an der verkauften Teilfläche. Dieses Recht
wird auch durch eine der vertraglichen Vereinbarung widersprechende Zerlegung eines
Grundstücks und die darauffolgende Fortführung des Liegenschaftskatasters nicht
unmittelbar verändert. Einer (unmittelbar) rechtsgestaltenden Wirkung der Fortführung des
Liegenschaftskatasters im Verhältnis zum Kläger als Käufer der Teilfläche stand hier schon
entgegen, dass erst danach, am 12. November 2007, eine Messungsanerkennung erfolgte,
mit der die Vertragsparteien die Identität der unvermessen verkauften Teilfläche und des bei
der Teilungsvermessung neu gebildeten Flurstücks bestätigten (vgl. zum Zweck der
Messungsanerkennung: BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2015 - V ZB 181/14 - juris
Rn. 17).
bb) Der Senat ist davon überzeugt, dass der damaligen Eigentümerin der neugebildeten
Flurstücke 611 und 612, die auch die Zerlegung des früheren Flurstücks 610 beantragt hatte,
die Fortführung des Liegenschaftskatasters gemäß Nr. 3.4.5 LiegKatErl durch Übersendung
eines Auszugs aus dem fortgeführten Liegenschaftskataster mit einem Hinweis auf die
Fortführung und einer Rechtsbehelfsbelehrung bekanntgegeben wurde. Zwar wurden die
Verwaltungsvorgänge, die eine solche Bekanntgabe an die frühere Grundstückseigentümerin
belegen könnten, nach den Angaben des Beklagten wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfrist
bereits vernichtet. Der notariellen Urkunde vom 12. November 2007 lässt sich aber
entnehmen, dass dem Notar ein Auszug aus dem Veränderungsnachweis des Beklagten mit
Lageplan vorlag. Da nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung dem
Notar diese Unterlagen nicht übersandt werden, ist davon auszugehen, dass er sie von der
Verkäuferin erhalten hatte.
cc) Dem Kläger als damaligem Käufer des neu gebildeten Flurstücks 611 musste die
Fortführung des Liegenschaftskatasters nach dem Eigentumsübergang auf ihn nicht
nochmals bekannt gegeben werden, um auch ihm gegenüber Wirksamkeit zu erlangen.
Zwar führen die Unterlassung der einfachen Hinzuziehung eines Dritten nach § 1 Abs. 1
VwVfG LSA i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG und daraus folgend die fehlende
Bekanntgabe des Verwaltungsakts an ihn grundsätzlich dazu, dass der Verwaltungsakt
gegenüber dem Dritten keine Wirksamkeit erlangt (vgl. Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG
§ 13 Rn. 35, m.w.N.). Ein grundstücksbezogener Verwaltungsakt wird jedoch wirksam,
wenn er dem aktuellen Eigentümer oder Besitzer bekannt gegeben wird; nach einer
wirksamen Bekanntgabe müssen die Rechtsnachfolger die Wirksamkeit eines solchen
Verwaltungsakts, d.h. dessen Geltungsanspruch, und auch dessen Unanfechtbarkeit gegen
sich gelten lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2021 - 6 C 26.19 - juris Rn. 44,
m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 25 ZB 01.2566 - juris Rn. 8, m.w.N.).
Bei der Fortführung des Liegenschaftskatasters handelt es sich zweifelsohne um einen
grundstücksbezogenen Verwaltungsakt.
dd) Die Fortführung des Liegenschaftskatasters ist entgegen der Auffassung des Klägers
auch nicht wegen Nichtigkeit (§ 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m § 44 VwVfG) unwirksam.
Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders
schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht
kommenden Umstände offensichtlich ist.
(1) Die angegriffene Fortführung des Liegenschaftskatasters leidet zwar an einem
materiellen Fehler. Dieser war aber nicht derart schwerwiegend, dass er die Nichtigkeit der
Fortführung zur Folge gehabt hätte; er führte nur zu deren Rechtswidrigkeit.
(1.1) Materielle Rechtmäßigkeitsmängel können darauf beruhen, dass die Behörde von
einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist, der in Wahrheit nicht vorlag (Berthold, in:
Kastner, VwVfG, 5. Aufl. 2021, § 48 Rn. 27, m.w.N.; Schoch, in: Schoch/Schneider,
VwVfG, § 48 Rn. 81). Rechtswidrig ist ein Verwaltungsakt auch dann, wenn er ohne
entsprechenden Antrag erlassen wurde, das materielle Recht eine Verfahrensöffnung aber
nur auf Antrag vorsieht (Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, 5. Aufl., § 22
Rn. 40, m.w.N.; Heßhaus, in BeckOK, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 22 Rn. 39). Weicht
ein auf Antrag ergangener Verwaltungsakt substanziell vom Inhalt des Antrages ab, führt
auch dies zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, wenn die Abweichung weder durch das
Fachrecht noch durch den Antrag zugelassen ist und der Antragsteller sich auch nicht
nachträglich mit der Abweichung einverstanden erklärt (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer,
VwVfG, 21. Aufl., § 22 Rn. 41).
Hiernach erweist sich die vom Beklagten vorgenommene Fortführung des
Liegenschaftskatasters als rechtswidrig.
Sie entspricht nicht dem Antrag der früheren Grundstückseigentümerin vom 14. Juli 2007.
Danach sollte aus dem Flurstück 25/5 (neu: 610) eine Teilfläche von „ca.“ 1.109 m2 laut
beiliegender Planskizze mit Maßangaben als eigenständiges Grundstück herausgeteilt
werden. Ferner verwies die Antragstellerin darauf, dass die Planskizze Bestandteil des
ebenso beiliegenden Notarvertrages sei. Nach dem Kaufvertrag sollte das geschätzte
Flächenmaß nicht Vertragsgrundlage sein; maßgebend für die Vertragsfläche sollten
vielmehr die von den Vertragsparteien festgelegten Grenzen sein. Die Planskizze enthielt
zentimetergenaue Längenmaße zwischen den Grenzpunkten des neu zu bildenden und
verkauften Flurstücks. Dem lässt sich eindeutig entnehmen, dass es der
Grundstückseigentümerin bei der Antragstellung darauf ankam, dass die Zerlegung des
Grundstücks nach den angegebenen Längenmaßen und nicht nach der mit einem „ca.-Maß“
angegebene Grundstücksfläche erfolgen sollte. Vor diesem Hintergrund greift auch nicht
der Einwand des Beklagten durch, dass bei einer Diskrepanz zwischen der angegebenen
Grundstücksfläche und der Geometrie der zu zerlegenden Fläche die Beteiligten
üblicherweise eine Zerlegung nach der angegebenen Grundstücksfläche wünschten. Ebenso
wenig vermag der Beklagte mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen
Einwand durchzudringen, für ihn seien die Angaben in dem an ihn gerichteten Antrag
maßgebend und nicht das, was die Vertragsparteien im Grundstückskaufvertrag vereinbart
hätten. Denn in ihrem Antrag vom 14. Juli 2007 nahm die damalige
Grundstückseigentümerin ausdrücklich Bezug auf die Planskizze mit Maßangaben und den
notariellen Vertrag. Die vom Beklagten vorgenommene Flurstücksbildung weicht jedenfalls
in Bezug auf zwei Längenmaße (49,47 m anstatt 49,9 m und 30,23 m anstatt 30,5 m) von
den in der Planskizze angegebenen Längenmaßen ab.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass sich die frühere Grundstückseigentümerin
gegenüber dem Beklagten mit einer vom Antrag vom 14. Juli 2007 abweichenden Zerlegung
des Grundstücks nachträglich einverstanden erklärte. Nach einem Aktenvermerk (Bl. 21 des
Verwaltungsvorgangs) erklärte sie im Rahmen einer telefonischen Nachfrage eines
Mitarbeiters des Beklagten am 30. Januar 2018, es sei ihr nicht bekannt bzw. bewusst, dass
im Jahr 2007 zu dem Verkauf/der Zerlegung des Grundstücks nochmals eine
Rücksprache/Absprache zur Festlegung der neuen Grenze des Flurstücks 610 erfolgt sei.
Eine Absprache, wie genau die Grenze zu bilden sei (ob Fläche oder Zahlen einzuhalten
sind), sei ihr nicht bekannt. Soweit der Beklagte geltend macht, nach Vernichtung der
entsprechenden Verwaltungsvorgänge sei nicht mehr aufklärbar, ob dem Antrag eine
andere, vom Kläger später mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 vorgelegte Planskizze
(Bl. 176 des Verwaltungsvorgangs) beigefügt war, ist dem zum einen entgegenzuhalten, dass
diese Skizze - im Gegensatz zu der vom Kläger und vom Senat für maßgeblich gehaltenen
Planskizze - nicht mit dem vom Notar abgezeichneten Vermerk „Anlage zur notariellen
Verhandlung vom 13.07.2007 - Nr. der Urkundenrolle 1129/2007“ versehen war. Zum
anderen weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die auf dem Erfassungsriss vom 6.
August 2007 angegebenen Längenmaße auch nicht mit den auf der anderen Planskizze
angegebenen Längenmaßen übereinstimmen.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass nicht geklärt sei, ob die von der
Verkäuferin beantragte Zerlegung nach den in der Planskizze angegebenen Längenmaßen -
unabhängig von der angegebenen Grundstücksfläche - aufgrund der Lage der bereits
vorhandenen, im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Grenzpunkte überhaupt umsetzbar
gewesen wäre. Wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre der Zerlegungsantrag zu
unbestimmt gewesen, weil dann unklar geblieben wäre, von welchen Längenmaßen ggf.
hätte abgewichen werden können. Der Beklagte hätte auch dann die Flurstücksbildung und
anschließende Fortführung des Liegenschaftskatasters ohne Rücksprache mit der
Antragstellerin nicht nach eigenem Ermessen abweichend von den in der Planskizze
vorgegebenen Maßen vornehmen und die „ca.-Fläche“ als maßgebend zugrunde legen
dürfen. Eine solche Befugnis lässt sich insbesondere den Bestimmungen des VermGeoG
LSA nicht entnehmen. Dass eine entsprechende Rücksprache erfolgte, nach der doch die
Grundstücksfläche maßgebend sein sollte, lässt sich - wie bereits ausgeführt - nicht
feststellen.
(1.2) Der aufgezeigte Fehler führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der Fortführung des
Liegenschaftskatasters.
Bei einem besonders schwerwiegenden, zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führenden
Fehler handelt es sich um einen Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings
unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung
immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt; die an einer
ordnungsgemäßen Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem
Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als
verbindlich anzuerkennen (BVerwG, Beschluss vom 5. April 2011 - 6 B 41.10 - juris Rn. 4).
Für die Frage, ob der besonders schwerwiegende Fehler „bei verständiger Würdigung aller
in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist“, ist auf den urteilsfähigen,
unvoreingenommenen Bürger, den aufmerksamen und verständigen Staatsbürger als
Durchschnittsbetrachter, der mit den in Betracht kommenden Umständen vertraut ist,
abzustellen; hieraus ergibt sich auch, dass Objekt der Betrachtung allein der Verwaltungsakt
mit dem Inhalt ist, wie er dem Betroffenen bekannt gegeben wurde und wie er bei
verständiger Würdigung auszulegen ist, wobei allerdings nicht jeder aus dem Verwaltungsakt
selbst erkennbare Fehler allein deswegen offensichtlich ist (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs,
VwVfG, 9. Aufl., § 44 Rn. 126 f., m.w.N.). Das Fehlen eines notwendigen Antrags führt,
wie der sonst gegenstandslose § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zeigt, nicht stets zur Nichtigkeit
(Sachs, a.a.O., Rn. 107, m.w.N.). Dem entsprechend hat auch ein von einem Antrag
abweichender Verwaltungsakt nicht stets dessen Nichtigkeit zur Folge.
Gemessen daran ist die vom Beklagten vorgenommene Fortführung des
Liegenschaftskatasters nicht nichtig. Die vom Zerlegungsantrag zumindest hinsichtlich
zweier Längenmaße (49,47 m anstatt 49,9 m und 30,23 m anstatt 30,5 m) abweichende
Flurstücksneubildung stellt keinen besonders schwerwiegenden, schlechterdings
unerträglichen Fehler im oben dargestellten Sinne dar. Darüber hinaus war der Fehler auch
nicht offenkundig; denn er war aus der Fortführungsmitteilung selbst, so wie sie der
damaligen Grundstückseigentümerin bekannt gegeben wurde, nicht ohne weiteres
erkennbar. Der beigefügte Auszug aus der Liegenschaftskarte im Maßstab 1 : 1.000 ließ die
Abweichung von den im Antrag angegebenen Maßen - wenn überhaupt - nur schwer
erkennen.
(2) Die der damaligen Grundstücksverkäuferin und Antragstellerin bekannt gegebene
Fortführung des Liegenschaftskatasters ist auch nicht wegen mangelnder Bestimmtheit
nichtig. Sie genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten (§ 1
Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG).
Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG bezieht sich auf den verfügenden Teil des
Verwaltungsakts einschließlich aller Nebenbestimmungen (Stelkens, a.a.O. § 37 Rn. 3,
m.w.N.). Der Entscheidungsinhalt muss so gefasst sein, dass der Adressat ohne weiteres
erkennen kann, was genau von ihm gefordert wird bzw. was in der ihn betreffenden
Angelegenheit geregelt worden ist (Tiedemann, in: BeckOK VwVfG § 37 Rn. 19, m.w.N.).
Der Adressat und die mit dem Vollzug befassten Behörden müssen den
Entscheidungsinhalt zutreffend erfassen und ihr künftiges Verhalten danach ausrichten
können (Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG § 37 Rn. 43, m.w.N).
Durch den Begriff „hinreichend bestimmt“ wird klargestellt, dass Bestimmbarkeit des
Regelungsinhalts genügt. Welches Maß an Konkretisierung notwendig ist, hängt von der Art
des Verwaltungsakts, den Umständen seines Erlasses und seinem Zweck ab. Maßstäbe im
Einzelnen können sich aus dem jeweiligen Fachrecht ergeben. Zudem ist maßgeblich,
welches Maß an Bestimmtheit der Behörde zur Regelung des Sachverhaltes überhaupt
möglich ist. Die Anforderungen dürfen nur so hochgesteckt werden, dass sie bei normalem,
dem Sachverhalt angemessenem Verwaltungsaufwand noch erfüllbar bleiben (Stelkens,
a.a.O., § 37 Rn. 5, m.w.N.). Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass aus dem
Verwaltungsakt selbst der Wille der Behörde eindeutig erkennbar ist; die Begründung des
Verwaltungsaktes kann in Zusammenhang mit den gesamten Umständen, die den
Betroffenen bekannt oder mindestens erkennbar sein müssen, zur Auslegung und
Klarstellung des Gewollten herangezogen werden (OVG SH, Urteil vom 22. Juli 2016 - 2
LB 5/16 - juris Rn. 35). Bei grundstücksbezogenen Verwaltungsakten muss zwar das
betroffene Grundstück genau bezeichnet werden (Stelkens, a.a.O., § 37 Rn. 36). Allerdings
genügt es etwa für die Bestimmtheit einer eingetragenen Baulast, wenn es unter
Zuhilfenahme von in der Baulast genannten Unterlagen möglich ist, ihre Reichweite genau
zu bestimmen (vgl. NdsOVG, Urteil vom 8. Juli 2004 - 1 LB 48/04 - juris Rn. 68). Soweit
Dritte von einem Verwaltungsakt (begünstigend oder belastend) betroffen werden, muss
dieser auch ihnen gegenüber bestimmt sein, wobei sie durch Unbestimmtheit jedoch nur
dann in ihren Rechten verletzt werden, wenn sich diese gerade auf die Merkmale eines
Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um die Verletzung solcher
Vorschriften auszuschließen, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Ist eine
Regelung rechtsnachfolgefähig, muss der Inhalt auch für spätere Rechtsnachfolger
feststehen (Stelkens, a.a.O., § 37 Rn. 4, m.w.N.).
Gemessen daran entspricht die vom Beklagten vorgenommene Fortführung des
Liegenschaftskatasters den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten.
Dem steht nicht entgegen, dass sie mit einem unbemaßten Auszug aus der
Liegenschaftskarte im Maßstab 1 : 1.000 bekanntgegeben wurde. Die Vertreter des
Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass der einer
Fortführungsmitteilung beigefügte Auszug aus der Liegenschaftskarte im Maßstab von 1 :
1.000 die Längen der Grundstücksgrenzen auf 20 cm genau wiedergeben, so dass der
Adressat den Verlauf und die Längen der (neuen) Grundstücksgrenzen im
Liegenschaftskataster im Wesentlichen erkennen kann. Zwar kommt es bei
Liegenschaftsvermessungen - anders als etwa bei Gebietsabgrenzungen im
Naturschutzrecht - auf zentimetergenaue Maße an. Daraus folgt aber nicht, dass auch die
Fortführungsmitteilung zentimetergenaue Angaben, etwa einen bemaßten Lageplan
enthalten muss, da dies mit einem regelmäßig nicht gerechtfertigten zusätzlichen
Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Wie die Vertreter des Beklagten in der mündlichen
Verhandlung dargelegt haben, müssten dazu alle Maßzahlen aus den Unterlagen des
Liegenschaftskatasters herausgesucht werden. Der Sachbearbeiter müsste dann in einem
anspruchsvollen Verfahren die Strecken einer Wertung unterziehen. Die Berechnung von
Längenmaßen erfolge anhand von Koordinaten, was ein mathematisch komplizierter
Vorgang sei. Dem Beklagten kann auch nicht vorgehalten werden, einer
Fortführungsmitteilung könne (zumindest) der zugrundeliegende Fortführungs- bzw.
Erfassungsriss beigefügt werden. Der - unmaßstäbliche - Erfassungsriss enthält zwar die
exakten Koordinaten der neuen und alten Grenzpunkte; daraus lassen sich aber - wie bereits
ausgeführt - nur nach umfangreichen mathematischen Berechnungen die Längen der
Grundstücksgrenzen errechnen. Der Erfassungsriss vom 6. August 2007 enthält nur in
Bezug auf einzelne Grundstücksgrenzen Längenmaße; diese geben aber kein vollständiges
Bild bezüglich der Längen sämtlicher Grundstücksgrenzen. Gerade zu der für den Kläger
wichtigen Länge der Grenze zwischen den Grenzpunkten 250yy und 515zz enthält der Riss
kein Maß. Dieses lässt sich auch nicht aus den beiden Angegebenen Längenmaßen
berechnen, sondern nur anhand der Koordinaten nach einer umfangreichen Berechnung.
Letztlich lässt sich der genaue Verlauf der neuen Grundstücksgrenzen nur nach einer
Grenzfeststellung vor Ort unter Zuhilfenahme der maßgeblichen Koordinaten bestimmen.
Selbst wenn anzunehmen sein sollte, dass die vom Beklagten vorgenommene Fortführung
des Liegenschaftskatasters zu unbestimmt ist, weil sie die genauen Maße der neuen
Flurstücksgrenzen nicht erkennen lässt, hätte dies nicht die Nichtigkeit der
Fortführungsmitteilung zur Folge. Ein unbestimmter Verwaltungsakt ist in der Regel nur
materiell rechtswidrig und anfechtbar. Nichtigkeit liegt vor bei innerer Widersprüchlichkeit,
Unverständlichkeit oder wenn völlig offenbleibt, in welchem Umfang und wie entschieden
wurde (Stelkens, a.a.O., § 37 Rn. 40). Nur Rechtswidrigkeit (und noch nicht Nichtigkeit) ist
anzunehmen, wenn der Inhalt der Regelung wenigstens in der Grundzielsetzung zum
Ausdruck kommt (Schönenbroicher, a.a.O., Rn. 106, m.w.N.). Eine nur rechtswidrige
Unbestimmtheit ist anzunehmen, wenn sich aus dem Verwaltungsakt hinreichend bestimmt
entnehmen lässt, welche konkrete Angabe fehlt, um ihn hinreichend bestimmt zu machen,
sodass man weiß, wonach man fragen und wonach man suchen soll (Tiedemann, a.a.O.,
§ 37 Rn. 24.1). Hiernach kann von einer Nichtigkeit der streitigen Fortführung des
Liegenschaftskatasters nicht ausgegangen werden. Ihr Inhalt kommt in der
Grundzielsetzung zum Ausdruck, das ehemalige Flurstück 610 gemäß dem Antrag der
Verkäuferin teilen zu wollen. Dass sie keine genauen Maße enthält, war für die Adressatin
ohne weiteres erkennbar. Auf entsprechende Nachfrage hätte der Beklagte einen bemaßten
Plan erstellen können.
4. Der Kläger kann den mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf eine dem
Antrag vom 14. Juli 2007 entsprechende Flurstücksneubildung im vorliegenden Verfahren
auch nicht mit Hilfe der Bestimmungen und Grundsätze über das Wiederaufgreifens des
Verfahrens durchsetzen.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (im engeren Sinne)
gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 4 VwVfG.
Nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des
Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu
entscheiden, wenn (1.) sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder
Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, (2.) neue Beweismittel
vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden,
oder (3.) Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind.
aa) Zwar ist der Antrag des Klägers vom 13. Dezember 2017 auf „Korrektur“ der
Flurstücksneubildung (auch) als Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach dieser
Regelung zur verstehen. Ein „Antrag“ im Rechtssinne liegt vor, wenn der Betroffene die
Aufhebung oder Änderung des ihn beschwerenden unanfechtbar gewordenen
Verwaltungsakts begehrt; auch eine konkludente Antragstellung ist möglich (Schoch, in:
Schoch/Schneider, VwVfG, § 51 Rn. 35, m.w.N.). Das Begehren, einen (bestandskräftigen)
Verwaltungsakt aufzuheben, schließt das gewünschte Ergebnis eines erfolgreichen
Wiederaufgreifens des damaligen Verwaltungsverfahrens ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.
Februar 1997 - 1 C 29.95 - juris Rn. 17).
bb) Auch ist der Kläger als „Betroffener“ im Sinne von § 51 Abs. 1 VwVfG anzusehen.
Auch der Rechtsnachfolger eines von dem Verwaltungsakt (ehemals) betroffenen Dritten
kann nach dieser Vorschrift antragsberechtigt sein (Schoch, a.a.O., § 51 Rn. 38, m.w.N.).
Zum Kreis der Betroffenen im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG gehören diejenigen, denen
gegenüber der bestandskräftig gewordene Verwaltungsakt Wirksamkeit entfaltet, was auch
gegenüber einem Rechtsnachfolger eines von einem Verwaltungsakt betroffenen Dritten
der Fall sein kann (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997, a.a.O., Rn. 22).
cc) Die weiteren Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
(1) Die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage hat sich nicht
nachträglich zugunsten des Klägers geändert. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn
"Tatsachen", die im Zeitpunkt des Erlasses des früheren Bescheides vorlagen und für die
behördliche Entscheidung objektiv bedeutsam waren, nachträglich wegfallen oder wenn
neue, für die Entscheidung erhebliche Tatsachen nachträglich eintreten (BVerwG, Urteil
vom 4. Dezember 2001 - 4 C 2.00 - juris Rn. 22). Das (subjektive) Erkennen der
Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts durch den Rechtsnachfolger des Antragstellers oder
Adressaten des Verwaltungsakts stellt keine Änderung der Sachlage dar. Eine Änderung der
Rechtslage liegt ersichtlich nicht vor.
(2) Auch liegen keine neuen „Beweismittel“ vor, die eine dem Kläger günstigere
Entscheidung herbeigeführt haben würden.
Beweismittel sind solche Erkenntnismittel, die die Überzeugung von der Existenz oder
Nichtexistenz von Tatsachen begründen können; neben Urkunden kommen als
Beweismittel auch Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Gutachten von
Nichtregierungsorganisationen und Augenscheinsobjekte in Betracht (Falkenbach, in:
BeckOK
Entscheidung nicht existent waren, oder vor Erlass des Verwaltungsaktes zwar vorhanden
waren, aber ohne grobes Verschulden des Antragstellers nicht oder nicht rechtzeitig in das
Verwaltungsverfahren eingebracht werden konnten (Falkenbach, a.a.O., Rn. 43, m.w.N.).
Die für die Flurstückbildung und Fortführung des Liegenschaftskatasters maßgeblichen
Urkunden, insbesondere der Antrag der Voreigentümerin vom 14. Juli 2007, lagen im
Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten über die Fortführung des Liegenschaftskatasters
vor.
(3) Es liegen auch keine Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vor. Nach dieser
Vorschrift findet die Restitutionsklage statt, (1.) wenn der Gegner durch Beeidigung einer
Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen
Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat, (2.) wenn eine Urkunde, auf die das
Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war, (3.) wenn bei einem Zeugnis
oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich
einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat, (4.) wenn das Urteil
von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in
Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist, (5.) wenn ein Richter bei dem
Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung
seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat, (6.) wenn das Urteil eines
ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf
welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist, (7.)
wenn die Partei (a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil
oder (b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine
ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, oder (8.) wenn der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und
das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Solche Wiederaufnahmegründe sind hier nicht
erkennbar. Insbesondere wurde hier keine Urkunde im Sinne von § 580 Nr. 2 ZPO
„fälschlich angefertigt“ oder „verfälscht“. § 580 Nr. 2 ZPO verweist auf die
Urkundenfälschungsdelikte gemäß §§ 267 ff. StGB (BVerwG, Beschluss vom 4. August
2016 - 8 B 24.15 - juris Rn. 7), die hier ersichtlich nicht vorliegen. Die Regelung des § 580
Nr. 7 Buchstabe b ZPO mag zwar neben § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG anwendbar sein (vgl.
BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - juris Rn. 26; Beschluss vom 3. Mai 2017
- 9 B 1.17 - juris Rn. 11, m.w.N.). Erforderlich ist im Rahmen des § 580 Nr. 7 Buchst. b
ZPO aber (im Gegensatz zu § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) stets, dass die Urkunde, auf die die
Restitutionsklage gestützt werden könnte, spätestens in dem Zeitpunkt errichtet worden ist,
in dem sie im Vorprozess noch hätte benutzt werden können (BVerwG, Urteil vom 27.
Januar 1994, a.a.O.; Beschluss vom 3. Mai 2017, a.a.O., m.w.N.). Vorliegend beruft sich der
Kläger aber nicht darauf, dass er erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens über die
Flurstücksneubildung eine solche Urkunde aufgefunden habe oder über sie verfüge. Er
macht vielmehr geltend, dass der Beklagte auf der Grundlage der ihr seinerzeit zur
Verfügung stehenden Unterlagen eine falsche Entscheidung getroffen habe.
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Wiederaufgreifen des
Verfahrens über die Fortführung des Liegenschaftskatasters (im weiteren Sinne) nach § 1
Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. §§ 51 Abs. 5, 48 VwVfG.
aa) Auch insoweit ist der Kläger - wie bei dem Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren
Sinne - als Rechtsnachfolger der Voreigentümerin Betroffener der Flurstücksneubildung
und damit antragsbefugt. Auch ein darauf gerichteter Antrag des Klägers liegt vor. Ein
Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens wird als einheitliches Begehren verstanden;
folglich ist das Petitum sowohl unter dem Gesichtspunkt des Wiederaufgreifens im engeren
Sinne als auch unter dem Aspekt des Wiederaufgreifens im weiteren Sinne zu würdigen
(Schoch, a.a.O., § 51 Rn. 35).
bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Behörde -
auch wenn, wie hier, die in § 51 Abs. 1 VwVfG normierten Voraussetzungen nicht
vorliegen - ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren wieder aufgreifen und eine neue, der
gerichtlichen Überprüfung zugängliche Entscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im
weiteren Sinne). Hinsichtlich der in § 51 Abs. 5 i.V.m. den §§ 48, 49 VwVfG zu sehenden
Ermächtigung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne, die die Korrektur
inhaltlich unrichtiger Entscheidungen ermöglicht, besteht für den Betroffenen allerdings nur
ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Der Gesetzgeber räumt bei der
Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als
Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen
vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen
Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme des
bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin
unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der
einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. U.a. kann die offensichtliche Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, die Annahme rechtfertigen, seine
Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 13.
August 2020 - 1 C 23.19 - juris Rn. 19, m.w.N.). Bei der Ermessensentscheidung über das
Wiederaufgreifen des Verfahrens hat die Behörde abzuwägen, ob dem Prinzip der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Einzelfallgerechtigkeit oder dem Interesse der
Allgemeinheit und von Drittbetroffenen am Eintritt von Rechtsfrieden und
Rechtssicherheit der Vorzug zu geben ist (NdsOVG, Beschluss vom 25. November 2004 -
8 LA 218/04 - juris Rn. 10, m.w.N.).
Gemessen daran hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen
des Verfahrens im weiteren Sinne. Zwar war Flurstücksneubildung und anschließende
Fortführung des Liegenschaftskatasters - wie oben ausgeführt - rechtswidrig. Dadurch hat
sich das dem Beklagten eröffnete Wiederaufnahmeermessen nach § 51 Abs. 5 VwVfG
i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG aber nicht zu einem Anspruch des Klägers auf Wiedergreifen des
Verwaltungsverfahrens verdichtet. Denn zu berücksichtigen sind hier insbesondere auch die
schutzwürdigen Interessen der Beigeladenen, die später das (Rest-)Flurstück (612) erworben
haben in der Annahme, dass die im Liegenschaftskataster angegebenen Flurstücksgrenzen
Bestand haben. Für sie war nicht erkennbar, dass die ihrem Grundstückserwerb
vorausgegangene Flurstücksbildung aufgrund der Abweichung vom Antrag der
Rechtsvorgängerin des Gesamtflurstücks fehlerhaft war. Sollte sich im Übrigen
herausstellen, dass die vom Kläger begehrte Flurstücksbildung „nach Maßgabe des Antrages
vom 14. Juli 2007“ nicht möglich ist, weil die von der Verkäuferin beantragte Zerlegung
nach den in der Planskizze angegebenen Längenmaßen aufgrund der Lage der bereits
vorhandenen, im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Grenzpunkte so nicht umsetzbar
ist, dürfte der Beklagte auch diesen Umstand berücksichtigen.
III.
Der Hilfsantrag des Klägers hat hingegen Erfolg. Er hat gegen den Beklagten einen
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen (sinngemäß) gestellten Antrag
auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens.
Wie oben bereits dargelegt, liegen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des
Verfahrens im weiteren Sinne vor. Der Beklagte hat sein Ermessen über das
Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48 und 49 VwVfG aber bislang weder
ausdrücklich noch konkludent ausgeübt. Er hat in der Sache ein Wiederaufgreifen, d.h. eine
Positiventscheidung auf der ersten Stufe der ihm obliegenden Ermessensentscheidung, mit
der Begründung abgelehnt, dass - weil ein der (bloßen) Berichtigung fähiger Zeichenfehler
nicht vorliege - eine Änderung der vom Kläger beanstandeten Flurstücksgrenze nur im
Einvernehmen mit den Beigeladenen möglich sei. Diese Erwägung trifft nicht zu. Zwar sind
- wie oben bereits dargelegt - die schutzwürdigen Interessen der Beigeladenen bei der
Ausübung des Wiederaufnahmeermessens zu berücksichtigen. Sie stehen aber einer
Wiederaufnahme des Verfahrens und einer späteren Rücknahme der Fortführung des
Liegenschaftskatasters nicht von vornherein entgegen. Es bedarf vielmehr einer Abwägung
der Interessen des Klägers an der Korrektur der vom Beklagten im Jahr 2007
vorgenommenen Flurstücksbildung und dem Interesse der Beigeladenen und ggf. der
Allgemeinheit am Bestand der im Liegenschaftskataster dargestellten Flurstücksgrenzen.
Daran fehlt es hier.
Der Beklagte konnte das ihm eröffnete Wiederaufnahmeermessen auch nicht durch seine
Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachträglich ausüben. Zwar kann die
Behörde gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des
Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Im
Grundsatz schafft die Vorschrift die prozessualen Voraussetzungen aber lediglich dafür,
dass die Behörde defizitäre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
ergänzen kann, nicht hingegen dafür, dass sie ihr Ermessen nachträglich erstmals ausübt
(BVerwG, Urteil vom 5. September 2006 - 1 C 20.05 - juris Rn. 22). Abweichend hiervon
schließt diese Vorschrift es zwar nicht aus, dass die Behörde eine Ermessensentscheidung
erstmals im gerichtlichen Verfahren trifft und zur gerichtlichen Prüfung stellt, wenn sich
aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach
Klageerhebung ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 1 C 14.10 - juris
Rn. 8). Eine solche Fallkonstellation liegt hier indessen nicht vor. Die Notwendigkeit einer
Ermessensentscheidung bestand schon bei Stellung des Antrags vom 13. Dezember 2017.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht
der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Sachantrag gestellt und
sich so auch nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben.
C.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten
beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
D.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten
Zulassungsgründe vorliegt.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OVG Sachsen-Anhalt
Erscheinungsdatum:17.06.2021
Aktenzeichen:2 L 104/19
Normen in Titel:VermGeoG LSA § 12 Abs. 2 S. 2; VwVfG §§ 41 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1, 44 Abs. 1, 51