LG Frankfurt 15. Juni 2023
2-13 S 92/22
WEG §§ 9a, 12

Passivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft

letzte Aktualisierung: 27.7.2023
LG Frankfurt a. M., Urt. v. 15.6.2023 – 2-13 S 92/22

WEG §§ 9a, 12
Passivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Klage auf Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums ist nach Inkrafttreten des
WEMoG auch dann gegen die GdWE zu richten, wenn eine Teilungserklärung aus dem Jahre 2001
die „Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer“ vorsieht.

Gründe

I.
Die Parteien sind die einzigen Mitglieder der WEG … Nach § 6 der im Jahre 2001
beurkundeten Teilungserklärung bedarf es zur Veräußerung der Zustimmung der anderen
Wohnungseigentümer. Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.11.2021 verkaufte die Klägerin ihren
Wohnungseigentumsanteil. Die Beklagte erteilte ihre Zustimmung zu dem Verkauf auf
Aufforderung bislang nicht. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen
wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, da kein wichtiger Grund für die Versagung der
Zustimmung bestehe. Die Klägerin sei mangels Aufforderung der Beklagten nicht gehalten
gewesen, Erkundigungen über die Erwerberin einzuholen. Spätestens mit Übersendung der
Selbstauskunft in dem Rechtsstreit lägen der Beklagten die gewünschten Informationen vor.
Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen das Urteil und begehrt weiterhin die
Klageabweisung. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts habe die Klägerin der Beklagten
sämtliche Informationen über den Erwerber aktiv erteilen müssen. Die erst im Rechtsstreit
vorgelegte Selbstauskunft sei völlig unzureichend, weswegen die Klage derzeit noch immer
unbegründet sei. Neben den Angaben zur Person der Erwerberin bedürfe es Angaben und
Nachweise zu den monatlichen Einnahmen und Ausgaben, ggf. hilfsweise über das Aktiv- und
Passivvermögen. Die Beklagte habe die Zustimmung bislang nicht endgültig verweigert. Sie sei
aber „alarmiert“, weil die Erwerberin offensichtlich den Kaufpreis finanzieren müsse … Die
Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Ansicht, nach dem Wortlaut
und dem Sinn und Zweck der Regelung in § 12 WEG seien die übrigen Wohnungseigentümer
und nicht der Verband passivlegitimiert. Im Übrigen habe die Beklagte die geforderte
Selbstauskunft erhalten. … Wegen des weiteren Parteivortrages in der Berufungsinstanz wird
auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die Berufung ist zulässig. Die Beklagtenvertreter haben die Berufungsbegründung zwar
innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 24.11.2022 entgegen § 130d S. 1 ZPO
nur per Fax eingereicht. Sie haben aber zugleich dargelegt, dass eine Einreichung per beA nicht
möglich war und dies durch eine Mitteilung über eine Störung des beA-Systems ausreichend
glaubhaft gemacht. Damit blieb die Einreichung per Fax gemäß § 130d S. 2, 3 ZPO zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte als Wohnungseigentümerin ist nicht
passivlegitimiert für die Klage auf Zustimmung zu der Veräußerung des Wohnungseigentums
der Klägerin. Insoweit liegt die Zustimmungsverpflichtung bei der GdWE, so dass im Falle der
Zustimmungsverweigerung diese – und nicht die einzelnen Wohnungseigentümer individuell –
auf dem Klageweg in Anspruch genommen werden müssen.

Bei einer Vereinbarung über die Zustimmung der „anderen Wohnungseigentümer“ war insoweit
bereits nach altem Recht streitig, ob alle Wohnungseigentümer individuell zustimmen mussten
(vgl. BeckOGK/Skauradszun, 1.12.2019, WEG § 12 Rn. 16) oder ob ein Mehrheitsbeschluss der
übrigen Wohnungseigentümer ausreichte und es sich damit letztlich um eine
Gemeinschaftsaufgabe handelte (Bärmann/Suilmann, 14. Aufl. 2018, WEG § 12 Rn. 23).
Nach dem WEMoG werden abweichende Ansichten dazu vertreten, wer
zustimmungsberechtigt im Sinne des § 12 Abs. 1 WEG ist, wenn die Teilungserklärung – wie
hier – die Zustimmung der Wohnungseigentümer verlangt. Teilweise wird vertreten, dass in der
Regel und im Zweifel die Erteilung bzw. Nichterteilung der Zustimmung Aufgabe des Verbands
sei, wenn die Vereinbarung nicht ausdrücklich regelt, für wen der Zustimmungsberechtigte
handelt (vgl. BeckOGK/Skauradszun, 1.3.2023, WEG § 12 Rn. 15; Bärmann/Suilmann,
15. Aufl. 2023, WEG § 12 Rn. 24). Teilweise wird die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
jedenfalls dann als richtiger Anspruchsgegner angesehen, wenn Verwalterzustimmung vereinbart
ist (vgl. BeckOK WEG/Hogenschurz, 52. Ed. 3.4.2023, WEG § 12 Rn. 72; Jennißen/Grziwotz,
WEG, 7. Aufl. 2022, § 12 Rn. 31; Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 43 Rn. 41, Fn. 139;
Grüneberg/Wicke, BGB, 82. Aufl. 2023, § 12 WEG, Rn. 13). Nach anderer Ansicht ist die
Klage auf Erteilung der Zustimmung gegen den zu richten, von dessen Zustimmung die
Veräußerung nach der Gemeinschaftsordnung abhängt; die Klage ist danach gegen den
Verwalter oder gegen die Wohnungseigentümer individuell zu richten (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl.
2021, WEG § 12 Rn. 71; Bärmann/Pick/Emmerich WEG § 12 Rn. 36; AG Heidelberg,
Beschluss vom 19.03.2021 – 45 C 2/21, ZWE 2021, 269 ff.).

Nach Auffassung der Kammer ist die erste Auffassung zutreffend. Die Vereinbarung der
Zustimmung der „anderen Wohnungseigentümer“ ist objektiv-normativ auszulegen, wobei die
Auslegung gemäß § 47 WEG im Lichte der Neufassung des WEG zu erfolgen hat
(BeckOGK/Skauradszun, 1.3.2023, WEG § 12 Rn. 15).

Zwar spricht der Wortlaut zunächst für eine individuelle Zustimmung sämtlicher anderen
Wohnungseigentümer. Wie das Reichsgericht aber bereits für eine vergleichbare in der Satzung
einer GmbH enthaltene Klausel, dass die Abtretung von Geschäftsanteilen von „der
Zustimmung der Gesellschafter“ abhängig ist, entschieden hat (RGZ 159, 282 (279), ist die
Regelung objektiv unklar, da sie auch den Sinn haben kann, dass über diese Angelegenheit die
Mehrheit – dort der Gesellschafterversammlung und damit letztlich der Gesellschaft –
entscheidet oder aber die individuelle Zustimmung eines jeden Gesellschafters erforderlich ist.
Dieses Problem stellt sich ebenso hier.

Bei der Zustimmung zu einer Veräußerung des Wohneigentums gemäß § 12 Abs. 1 WEG
handelt es sich im Zweifel um eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, für die
nunmehr alleine die GdWE zuständig ist (§ 18 Abs. 1 WEG). Eine Zuständigkeit der einzelnen
Wohnungseigentümer besteht abgesehen von der Beschlussfassung im Rahmen der
Eigentümerversammlung bzw. bei Notmaßnahmen nicht mehr. Von der Veräußerung betroffen
ist zudem nicht nur das Sondereigentum des veräußerungswilligen Eigentümers, sondern
maßgeblich auch die Gemeinschaft. Durch das Erfordernis der Zustimmung soll daher ein
Schutz dagegen erfolgen, dass das Wohnungseigentum in die Hand eines persönlich oder
finanziell unzuverlässigen Erwerbers gerät (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2012 – V ZB 2/12,
NJW 2013, 299, 300, Rn. 13). Betroffen hiervon ist aber zumindest im neuen Recht alleine die
Gemeinschaft im Rahmen ihrer Verwaltungszuständigkeit, die Rechtsbeziehungen der
Eigentümer untereinander sind, und dies war eines der zentralen Ziele der WEG-Reform 2020,
weitgehend gekappt worden.

Zwar ist der Wortlaut des § 12 Abs. 1 WEG bei der Neufassung des WEG unverändert
geblieben. Durch die Begründung zum Gesetzentwurf des WEMoG (BT-Drs. 19/18791, S. 58)
zu § 18 Abs. 1 WEG wird aber deutlich, dass es sich bei Pflichten im Rahmen der Verwaltung
„stets um Pflichten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ handelt (vgl.
BeckOGK/Skauradszun, 1.3.2023, WEG § 12 Rn. 15). Im Übrigen spricht auch die Regelung
des § 12 Abs. 4 WEG für das Erfordernis der Zustimmung der GdWE. Nach dieser Regelung
können die Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit nach § 25 Abs. 1 WEG beschließen,
dass eine Veräußerungsbeschränkung nach § 12 Abs. 1 WEG aufgehoben wird. Wenn aber die
grundsätzliche Zustimmungsbedürftigkeit zu Veräußerungen von der Gemeinschaft aufgehoben
werden kann, dann muss auch die – weniger weitgehende – Erteilung oder Versagung der
Zustimmung im Einzelfall durch die Gemeinschaft erfolgen.

Bei der Auslegung der Vereinbarung ist hier zudem zu berücksichtigen, dass die
Teilungserklärung aus dem Jahr 2001 und damit aus der Zeit vor der Entscheidung des BGH
über die Rechtsfähigkeit der WEG (Beschluss vom 02.06.2005 – V ZB 32/05, NJW 2005,
2061 ff.) stammt. Aus der Formulierung in der Teilungserklärung, die Veräußerung bedürfe der
Zustimmung „der anderen Wohnungseigentümer“ kann damit nicht geschlossen werden, dass
die in der WEG verbleibenden Eigentümer und nicht die GdWE zustimmungsberechtigt sein
sollten. Denn die Zustimmung der Gemeinschaft konnte im Jahr 2001 noch nicht vorgesehen
werden. Insoweit ist die Teilungserklärung vor dem Hintergrund der Strukturänderungen durch
das WEG in den Jahren 2007 und das WEMoG auszulegen. Vereinbarungen, die mit den
Neuregelungen des Verwaltungssystems der WEG nicht (mehr) in Übereinstimmung zu bringen
sind, sind insoweit an das neue Recht anzupassen, dies betrifft insbesondere – wie hier –
Aufgabenzuschreibungen an Eigentümer oder Verwalter, die nach neuem Recht dem Verband
zukommen (vgl. BeckOK WEG/Elzer Rn. 8; BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 66. Ed.
1.5.2023, WEG § 47 Rn. 7). Dass die Gemeinschaft nur aus zwei Einheiten besteht, ändert an
der Auslegung nichts. Denn nach der Rechtsprechung des BGH unterliegt auch die
Zweiergemeinschaft den normalen Verwaltungsregeln des WEG (BGH ZWE 2021, 128).
Unzuträglichkeiten sind damit auch nicht verbunden, denn wenn die Gemeinschaft keinen
Verwalter hat, vertritt der nicht klagende Wohnungseigentümer diese im Wege der kupierten
Gesamtvertretung alleine (BGH NJW 2022, 3003).

Für die Zuständigkeit des Verbands spricht auch ein Vergleich mit dem Gesellschaftsrecht.
Auch hier stellt sich für die GmbH ein vergleichbares Problem (dazu RGZ 159, 272 – vgl. § 15
Abs. 5 GmbHG), während gem. § 68 Abs. 2 S. 1 AktG die Übertragung von Namensaktien nur
an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werden kann. Soweit bei einer GmbH mit
personalistischem Zuschnitt (Familiengesellschaft) im Zweifel von der Zustimmung aller
anderen Gesellschafter auszugehen sein soll (vgl. RGZ 159, 272, 278 f.; Henssler/Strohn
GesR/Verse, 5. Aufl. 2021, GmbHG § 15 Rn. 92 mwN), kann dies nicht auf das WEG-Recht
übertragen werden. Denn während die Zustimmung im GmbH-Recht dem Schutz vor
ungewollten Veränderungen im Gesellschafterkreis dient und die Veräußerlichkeit von
Geschäftsanteilen sogar ganz ausgeschlossen werden kann, ist die Verweigerung der
Zustimmung im WEG-Recht nur aus wichtigem Grund möglich (§ 12 Abs. 2 S. 1 WEG). Ein
wichtiger Grund zur Versagung der Zustimmung zu einer Veräußerung von Wohnungseigentum
ist gegeben, wenn der vorgesehene Erwerber voraussichtlich keine Gewähr dafür bietet, sich
persönlich in die Gemeinschaft einzuordnen, wenn er im Hinblick auf die Verteilung
gemeinschaftlicher Lasten wirtschaftliche Bedenken rechtfertigt oder wenn er voraussichtlich
durch die Nichterfüllung gemeinschaftsbezogener Pflichten den Gemeinschaftsfrieden
nachhaltig stören wird (BGH, Urt. v. 25.09.2020 – V ZR 300/18, NZM 2021, 41, 43 f., Rn. 23).
Durch das Erfordernis der Zustimmung soll ein Schutz davor erfolgen, dass
Wohnungseigentum in die Hand eines persönlich oder finanziell unzuverlässigen Erwerbers
gerät (BGH, Urt. v. 18.10.2019 – V ZR 188/18, ZWE 2020, 188, Rn. 13). Der wichtige Grund
muss objektiv vorliegen und nicht nur subjektiv von den Wohnungseigentümern so empfunden
werden; notwendig sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine gemeinschaftswidrige Gefahr
für das Funktionieren der Wohnungseigentümergemeinschaft besteht, die letztlich das weitere
Zusammenleben in der Wohnungseigentümergemeinschaft unzumutbar macht (Hügel/Elzer, 3.
Aufl. 2021, WEG § 12 Rn. 56). Da die Zustimmung nur aus – nachprüfbaren – wichtigen
Gründen verweigert werden darf, ist eine Differenzierung bei der Auslegung von
Zustimmungsvereinbarungen hinsichtlich der Mitgliederzahl der WEG nicht vorzunehmen (a.A.
Lafontaine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 12
WEG 1. Überarbeitung [Stand: 15.04.2021] Rn. 27).

Nach alledem ist die Teilungserklärung dahingehend auszulegen, dass die Zustimmung gegen die
GdWE gerichtlich durchzusetzen ist, so dass die Klage gegen den Wohnungseigentümer
mangels Passivlegitimation abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da sich die
vorliegende Konstellation in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt und eine
Leitentscheidung durch den Bundesgerichtshof erfordert.

Der Streitwert für den Rechtsstreit war nach § 49 GKG auf € 42.000,00 (20% des Kaufpreises)
festzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.01.2018 – V ZR 71/17, NJW-RR 2018, 775 f.).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Frankfurt

Erscheinungsdatum:

15.06.2023

Aktenzeichen:

2-13 S 92/22

Rechtsgebiete:

Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

WEG §§ 9a, 12