OLG Nürnberg 25. März 2024
15 Wx 2176/23
BGB §§ 164 Abs. 1 S. 1, 181, 1922 Abs. 1; GBO §§ 29 Abs. 1, 35 Abs. 1

Fortbestehen der transmortalen Vollmacht des Alleinerben nach dem Erbfall

BGB §§ 164 Abs. 1 S. 1, 181, 1922 Abs. 1; GBO §§ 29 Abs. 1, 35 Abs. 1
Fortbestehen der transmortalen Vollmacht des Alleinerben nach dem Erbfall

1. Die Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht für Verfügungen, die der Bevollmächtigte nach dem Tod des als Eigentümer eingetragenen Vollmachtgebers vornimmt, entfällt nicht dadurch, dass der Bevollmächtigte dessen Alleinerbe geworden sein kann.

2. Das Grundbuchamt darf beim grundbuchlichen Vollzug einer Eigentumsübertragung, die der transmortal Bevollmächtigte unter Berufung auf seine Vollmacht vornimmt, dessen Erbenstellung vielmehr nur dann berücksichtigen, wenn sie in der Form des § 35 GBO nachgewiesen ist.

OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.3.2024 – 15 Wx 2176/23

Problem
Der im Jahr 2022 verstorbene Grundstückseigentümer E hatte seiner Ehefrau F notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht unter Befreiung von § 181 BGB erteilt. Die Vollmacht galt über den Tod des E hinaus (sog. transmortale Vollmacht). F wurde Alleinerbin des E. Im Jahr 2023 schloss F einen notariell beurkundeten Vertrag über die Übertragung eines Nachlassgrundstücks des E an sich selbst. Auf Veräußererseite handelte F unter Vorlage der Vollmacht ausdrücklich für die Erben des verstorbenen E. Zu diesem Zeitpunkt lag noch kein grundbuchtauglicher Nachweis der Erbfolge vor. Das Grundbuchamt hielt die Auflassung für unwirksam, weil die Vollmacht des E an F aufgrund der Alleinerbenstellung der F mit dem Erbfall per Konfusion erloschen sei.

Entscheidung
Der transmortal Bevollmächtigte handelt aus vom Erblasser abgeleitetem Recht. Im Falle seines Handelns nach dem Tod des Erblassers werden jedoch nach ganz h. A. hierdurch nicht mehr der Erblasser, sondern die Erben vertreten (BGH NJW 1983, 1487; OLG München ZEV 2012, 376; OLG Frankfurt DNotZ 2012, 140).

Nach dem OLG Nürnberg ist die Übertragung des Eigentums am Nachlassgrundstück durch F als Stellvertreterin der Erben des E an sich selbst als Erwerberin wirksam, §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1, 164 Abs. 1 S. 1 BGB. Wegen der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB könne F die Auflassung gegenüber sich selbst erklären. Obwohl F die Alleinerbin des E sei, könne sie die transmortale Vollmacht nutzen. Die Ausfertigung der Vollmachtsurkunde weise dem Grundbuchamt die Erteilung und den Fortbestand der Vollmacht in grundbuchtauglicher Form (§ 29 Abs. 1 GBO) nach (Rn. 13). Teilweise wird zwar vertreten, die Vollmacht erlösche wegen des Zusammenfallens von Vertretenem und Vertreter in einer Person (vgl. die viel beachtete und kontrovers diskutierte Entscheidung des OLG Hamm DNotI-Report 2013, 70 = BeckRS 2013, 6211). Andere Stimmen behandeln die Vollmacht aufgrund einer systematischen bzw. formalen Betrachtung jedoch als fortbestehend. Das OLG Nürnberg schließt sich nun derjenigen Ansicht an, die ein Fortbestehen der Vollmacht im Rechtsverkehr (jedenfalls) nach den Rechtsscheingrundsätzen der §§ 170-173 BGB bejaht (Rn. 18). Maßgebend sei, dass das Grundbuchamt die Erbenstellung so lange nicht zu prüfen habe, bis ihm ein grundbuchtauglicher Erbnachweis nach § 35 Abs. 1 GBO vorliege (Rn. 18). Ferner könne über einen längeren Zeitraum Unsicherheit darüber bestehen, wer tatsächlich Erbe geworden ist. In dieser Phase habe der Rechtsverkehr ein Interesse daran, dass der Bevollmächtigte wirksam über das Grundstückseigentum verfügen könne (Rn. 19).

Praxishinweis
In der obergerichtlichen Rechtsprechung setzt sich zunehmend die Ansicht durch, dass das Grundbuchamt aufgrund der Rechtsscheinwirkungen der §§ 170-173 BGB vom Fortbestehen der transmortalen Vollmacht auszugehen hat, bis ihm ein grundbuchtauglicher Erbnachweis vorliegt (KG DNotZ 2021, 703; OLG München ZEV 2016, 656 Rn. 23 = MittBayNot 2017, 138; OLG Stuttgart MittBayNot 2019, 578 Rn. 8). Diese Ansicht hat zur Konsequenz, dass sich der Alleinerbe mit Blick auf das Grundbuchverfahren die Kosten der Erteilung eines an sich gem. § 35 Abs. 1 GBO erforderlichen Erbscheins sparen kann, indem er (nur!) als Bevollmächtigter der Erben auftritt.

Tritt der Bevollmächtigte zugleich als Alleinerbe auf und erklärt er, als solcher zu handeln, zerstört er nach einer Entscheidung des OLG München allerdings den Rechtsschein des § 172 BGB (OLG München NJW 2016, 3381 = DNotI-Report 2016, 163). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OLG München und der hier behandelten Entscheidung des OLG Nürnberg kommt es damit praktisch darauf an, in wessen Namen der Handelnde im Urkundsrubrum auftritt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Nürnberg

Erscheinungsdatum:

25.03.2024

Aktenzeichen:

15 Wx 2176/23

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht
Gesetzliche Erbfolge
In-sich-Geschäft

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 94-95

Normen in Titel:

BGB §§ 164 Abs. 1 S. 1, 181, 1922 Abs. 1; GBO §§ 29 Abs. 1, 35 Abs. 1