OLG Bremen 09. Mai 2025
1 W 4/25
BeurkG § 35

Vergessene Unterschrift des Notars unter Erbvertrag; Heilung durch Unterschrift dem verschlossenem Umschlag; Anbringen der Unterschrift vor Verschließung des Umschlags

letzte Aktualisierung: 5.6.2025
OLG Bremen, Beschl. v. 9.5.2025 – 1 W 4/25

BeurkG § 35
Vergessene Unterschrift des Notars unter Erbvertrag; Heilung durch Unterschrift
dem verschlossenem Umschlag; Anbringen der Unterschrift vor Verschließung des Umschlags

Die Heilung einer Niederschrift ohne Unterschrift des Notars nach § 35 BeurkG verlangt lediglich,
dass die Aufschrift auf dem verschlossenen Umschlag vom Notar unterschrieben worden ist, ohne
ausdrücklich weitergehend auch zu bestimmen, dass diese Unterschrift erst nach Verschließung des
Umschlags aufzubringen gewesen wäre.

Gründe

I.
Am 19.10.2012 schlossen der Beteiligte zu 1) und seine Ehefrau (nachfolgend: Erblasserin)
zusammen mit den Beteiligten zu 2) und zu 3), ihren gemeinsamen Töchtern, mit notarieller
Urkunde eine Vereinbarung, nach deren Ziff. II § 1 und § 2 der Beteiligte zu 1) und die
Erblasserin sich gegenseitig als Vorerben einsetzten mit Bestimmung einer Nacherbfolge der
gemeinsamen Töchter, wobei nach Ziff. II § 4 dieser Urkunde sämtliche vorstehenden
Verfügungen als vertragsmäßige Verfügungen im Sinne von § 2278 BGB anzusehen seien
sollten. Die Urkunde vom 19.10.2012 wurde vom beurkundenden Notar nicht unterzeichnet,
seine Unterschrift befand sich jedoch auf dem Umschlag, mit dem die Urkunde verschlossen
war. Zugleich erklärten die Beteiligten zu 2) und zu 3) einen Pflichtteilsverzicht.
Am 08.09.2021 errichteten der Beteiligte zu 1) und die Erblasserin ein gemeinschaftliches
notarielles Testament, in welchem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten.

Die Erblasserin verstarb am 10.08.2023 und der Beteiligte zu 1) beantragte den Erlass eines
ihn als alleinigen und unbeschränkten Erben ausweisenden Erbscheins. Das Amtsgericht
Bremen-Blumenthal wies diesen Antrag mit Beschluss vom 26.11.2024 zurück.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde, die er
damit begründet, dass es sich bei der Urkunde vom 19.10.2012 nicht um einen Erbvertrag
handele, da darin von der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments die Rede
gewesen sei und innerhalb des Familienkreises eine erbvertragliche Bindung nicht
beabsichtigt gewesen sei. Zudem sei die Verfügung von Todes wegen vom 19.10.2012
unwirksam, da der beurkundende Notar die Urkunde nicht unterzeichnet habe. Das
Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 31.01.2025 nicht abgeholfen.

II.
Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und gemäß den §§ 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1
FamFG auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) war aus den Gründen
der angefochtenen Entscheidung sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 31.01.2025 als
unbegründet zurückzuweisen.

Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Verfügungen von Todes wegen in der
Urkunde vom 19.10.2012 als vertragsmäßige Verfügungen im Sinne von § 2278 BGB
anzusehen sind und damit wegen der Bindungswirkung nach den §§ 2290, 2292 BGB nicht
durch das gemeinschaftliche Testament vom 08.09.2021 aufgehoben werden konnten, an
dem die Beteiligten zu 2) und zu 3) als weitere Parteien der Vereinbarung vom 19.10.2012
nicht beteiligt waren. Dies ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Regelung in Ziff. II § 4
der Urkunde, wonach sämtliche vorstehenden Verfügungen – und damit auch die
Regelungen in Ziff. II § 1 und § 2 zur gegenseitigen Einsetzung als Vorerben mit einer
Nacherbfolge der gemeinsamen Töchter – mit erbvertraglicher Wirkung erfolgen sollten. Für
eine anderweitige Auslegung entgegen diesem eindeutigen Wortlaut bietet die Urkunde
keine Anhaltspunkte.

Ebenfalls hat das Amtsgericht zutreffend festgestellt, dass die fehlende Unterschrift des
Notars auf der Urkunde nicht zu einer Unwirksamkeit des Erbvertrags führte, sondern nach
§ 35 BeurkG eine Heilung durch Unterzeichnung des verschlossenen Umschlags erfolgen
konnte. Dass diese Unterschrift – wie der Beteiligte zu 1) behauptet – vom Notar bereits vor
der Verschließung des Umschlags erfolgt wäre, ist mangels erkennbarer Anzeichen hierfür
als lediglich ins Blaue vorgetragen anzusehen; ohnehin sieht das Gesetz selbst lediglich vor,
dass die Aufschrift auf dem verschlossenen Umschlag vom Notar unterschrieben worden ist,
ohne ausdrücklich weitergehend auch zu bestimmen, dass diese Unterschrift erst nach
Verschließung des Umschlags aufzubringen gewesen wäre (vgl. so auch die hM in der
Literatur, siehe BeckOGK/Grziwotz, Ed. 1.4.2025, § 35 BeurkG Rn. 14;
MüKoBGB/Sticherling, 9. Aufl., § 35 BeurkG Rn. 9). Die vom Beteiligten zu 1) angeführte
Gegenauffassung vermag nicht zu überzeugen, da sie – mangels praktischer
Nachweisbarkeit der Reihenfolge von Verschließung und Unterschrift im Streitfall – die vom
Gesetzgeber gewollte Heilungswirkung des §35 BeurkG faktisch leerlaufen zu lassen drohen
würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG; die Wertfestsetzung folgt aus §§ 61, 40
GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Bremen

Erscheinungsdatum:

09.05.2025

Aktenzeichen:

1 W 4/25

Rechtsgebiete:

Erbvertrag
Beurkundungsverfahren
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform

Normen in Titel:

BeurkG § 35