OLG Köln 22. Februar 2024
2 Wx 265/22
BGB § 1170; FamFG § 448

Aufgebotsverfahren: keine Antragsberechtigung früherer Eigentümer; Unbekanntheit des Gläubigers bei Unauffindbarkeit des Grundschuldbriefs

letzte Aktualisierung: 25.1.2024
OLG Köln, Beschl. v. 22.2.2023 – 2 Wx 265/22

BGB § 1170; FamFG § 448
Aufgebotsverfahren: keine Antragsberechtigung früherer Eigentümer; Unbekanntheit des
Gläubigers bei Unauffindbarkeit des Grundschuldbriefs

1. Gem. § 448 Abs. 1 FamFG ist in einem Aufgebotsverfahren nach § 1170 BGB der im
Grundbuch eingetragene Eigentümer des belasteten Grundstücks antragsberechtigt, nicht aber der
frühere Eigentümer.
2. Der Gläubiger eines Briefgrundpfandrechts ist unbekannt i. S. d. § 1170 BGB, wenn der
erteilte Brief unauffindbar und der Aufenthalt des letzten bekannten Inhabers unbekannt ist. Diese
Voraussetzungen liegen nicht schon dann vor, wenn der Grundstückseigentümer selbst von dem
Verbleib des Briefs und dem Aufenthalt des letzten Inhabers keine Kenntnis hat.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

1. Im Grundbuch von K., Blatt N01, sind in Abteilung N02 unter lfd. Nr. N03 und N04 seit
1966 bzw. 1967 Grundschulden im Betrage von 30.000,-- DM bzw. 7.000,-- DM zuzüglich
Zinsen für die Beteiligte zu 3. mit Sitz in U./Belgien (ohne Ausschluss der Erteilung des
Briefs) eingetragen. Laut dem belgischen Handelsregister stellte die Gesellschaft ihre
Tätigkeit am 17.12.1998 ein (Bl. 49).

Am 13.03.2015 wurde der Beteiligte zu 2. als Miteigentümer in Erbengemeinschaft und am
04.08.2015 wurde die Beteiligte zu 1. als Miteigentümerin in Erbengemeinschaft in Bezug
auf den den im oben genannten Grundbuchblatt verzeichneten Grundbesitz eingetragen.
Mit Vertrag vom 23.06.2016 (UR Nr. 768/2016 des Notars X. in F., Bl. 6 ff.) verkauften die
Beteiligten zu 1. und 2. den Grundbesitz an die Eheleute Y., welche am 03.01.2017 als
Eigentümer zu je 1/2 Anteil eingetragen wurden.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 12.09.2017 wurde Herr Rechtsanwalt T. zum
Nachtragsliquidator der Beteiligten zu 3. bestellt (Bl. 92).

Mit Schriftsatz vom 10.11.2020 haben die Beteiligten zu 1. und 2. auf Hinweis des
Amtsgerichts ihren zunächst mit Schriftsatz vom 10.07.2017 (Bl. 1 ff.) verfolgten Antrag auf
Kraftloserklärung der Grundschuldbriefe dahingehend umgestellt, dass ein
Gläubigeraufgebot nach § 1170 BGB beantragt wird (Bl. 127). Am 13.08.2021 hat die
Rechtspflegerin des Amtsgerichts das Aufgebot erlassen (Bl. 190 ff.).

Der Nachtragsliquidator der Beteigten zu 3. ist dem Antrag mit Schriftsatz vom 22.01.2021
entgegengetreten und hat geltend gemacht, es fehle an den Voraussetzungen eines
Verfahrens nach § 1170 BGB jedenfalls insoweit, als die Antragsteller die Forderungen der
Beteiligten zu 3. in Höhe von 13.579,-- € anerkannt hätten (Bl. 210 f.). Die Rechtspflegerin
hat mit Schreiben vom 22.12.2021 hierauf geantwortet (Bl. 213 f.); dem ist der
Nachtragsliquidator wiederum mit Schriftsatz vom 31.01.2022 entgegengetreten (Bl. 224
ff.). Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Umstände seien entgegen der
Auffassung des Amtsgerichts nicht geeignet, eine zwischenzeitliche Erfüllung als „sehr
wahrscheinlich“ erscheinen zu lassen. Er habe mit den Antragstellern, vertreten durch
ihren Verfahrensbevollmächtigten, einen Vergleich geschlossen, wonach auf die beiden
Grundschulden insgesamt 13.579 € zu zahlen seien.

Durch am 03.02.2022 erlassenen Beschluss vom 02.02.2022, in dessen Rubrum nur die
Beteiligten zu 1. und 2. aufgeführt sind, hat die Rechtspflegerin den unbekannten
Gläubiger der beiden oben bezeichneten Grundschulden mit seinen Rechten
ausgeschlossen, den Antragstellern die Kosten des Verfahrens auferlegt sowie den
Verfahrenswert auf 1.850,-- € festgesetzt; wegen der gegebenen Begründung wird auf Bl.
232 Bezug genommen. Die Übersendung an beide Rechtsanwälte ist gegen EB verfügt
worden (Bl. 233); in der ab-Verfügung vom 03.02.2022 findet sich der Zusatz „+ 1EB“. Am
04.02.2022 ist die Anheftung des Beschlusses an die Gerichtstafel zum Zwecke der
öffentlichen Zustellung erfolgt (Bl. 246). Es findet sich weiter ein Vermerk, wonach eine
beglaubigte Beschlussabschrift am 23.02.2022 an RA T. abgesandt worden ist (Bl. 235).
Mit am 01.04.2022 bei dem Amtsgericht Euskirchen eingegangenem Schriftsatz vom
01.04.2022 hat der Nachtragsliquidator gegen den Ausschließungsbeschluss für die
Beteiligte zu 3. Beschwerde eingelegt und vorgebracht, der Beschluss sei am 01.03.2022
formlos zugegangen (Bl. 250 ff.). Die angekündigte Beschwerdebegründung ist nicht zu
den Akten gelangt.

Unter dem 09.01.2023 hat der Vorsitzende des Senats die Verfahrensbevollmächtigten der
Beteiligten auf den voraussichtlichen Erfolg des Rechtsmittels unter Angabe der Gründe
hingewiesen (Bl. 6 ff.). Eine Stellungnahme ist nicht zu den Akten gelangt.

2.
a) Die nach § 58 Abs. N03 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
Insbesondere ist die Beschwerdefrist des § 63 Abs. N03 FamFG mit der am 01.04.2022
eingerichten Beschwerdeschrift gewahrt, weil nicht festgestellt werden kann, dass der
angefochtene Beschluss noch vor dem vom Nachtragsliquidator angegebenen Datum
(01.03.2022) zugegangen ist. Ein förmliches Empfangsbekenntnis der
Verfahrensbevollmächtigten des Nachtragsliquidators befindet sich nicht bei den Akten;
den Vermerken des Amtsgerichts Bl. 235 ist schon nicht mit Gewissheit zu entnehmen,
dass an sie ein solches zusammen mit dem Beschluss überhaupt versandt worden ist.

b) Die Beschwerde ist auch begründet.

aa) Der Ausschließungsantrag ist unzulässig, weil es den Antragstellern an der
erforderlichen Antragsberechtigung mangelt. Gemäß § 448 Abs. 1 FamFG ist
antragsberechtigt für ein Verfahren nach § 1170 BGB der Eigentümer des belasteten
Grundstücks. Die antragstellenden Beteiligten zu 1. und 2. waren indes – was vom
Amtsgericht nicht beachtet worden ist - bereits seit dem 03.01.2017 und damit geraume
Zeit vor Antragstellung nicht mehr als Eigentümer des belasteten Grundbesitzes
eingetragen. Soweit sich die Beteiligten zu 1. und 2. im Kaufvertrag unter VI.1. als
Verkäufer verpflichtet hatten, den verkauften Grundbesitz „frei von eingetragenen
Belastungen“ zu verschaffen, vermag dies nichts an der zwingenden gesetzlichen
Regelung des § 448 Abs. 1 FamFG zu ändern. Abgesehen davon könnte allein eine
Löschung dazu führen, dass der Grundbesitz „frei von eingetragenen Belastungen“ würde,
während die Ausschließung von Gläubigerrechten nach § 1170 Abs. 2 BGB zum Entstehen
einer Eigentümergrundschuld führt und damit nicht per se die Eintragung beseitigen kann.

bb) Darüber hinaus wären die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht geeignet,
die erforderlichen Glaubhaftmachungen zu erbringen. Soweit das Amtsgericht
eidesstattliche Versicherungen dahingehend verlangt hat, „dass über das eigentliche
Schicksal der beiden Grundschulden und deren heutige Rechtsinha-berschaft keine
gesicherten Kenntnisse bestehen“, genügt dieser Inhalt nicht zur Glaubhaftmachung der
Voraussetzungen des § 1170 BGB i.V.m. §§ 449, 450 FamFG.

aaa) Gemäß § 1170 BGB muss der Gläubiger des Grundpfandrechts unbekannt sein, was
gemäß § 449 FamFG vom Antragsteller glaubhaft zu machen ist.

Unbekannt ist der im Grundbuch eingetragene Gläubiger der Hypothek, wenn unklar ist,
um wen es sich dabei handelt, wenn er verstorben und nicht festzustellen ist, wer ihn
beerbt hat, wenn er oder sein möglicher Erbe ihr Recht nicht nachweisen können oder den
Nachweis trotz Aufforderung ohne zureichenden Grund in angemessener Zeit nicht
erbringen. Bei einer Briefhypothek kommt es dagegen nicht entscheidend darauf an, wer
den Gläubiger beerbt hat und ob dessen Erbrecht nachweisbar oder nachgewiesen ist.
Eine solche Hypothek kann nämlich nach §§ 1153, 1154 BGB auch ohne Eintragung in das
Grundbuch durch schriftliche Erklärung und Übergabe des Briefs wirksam
rechtsgeschäftlich einem Dritten abgetreten werden und geht auf den Erben nach § 1922
Abs. N03 BGB nur über, wenn es an einer solchen Abtretung fehlt. Deshalb ist der
Gläubiger einer solchen Hypothek unbekannt, wenn der für sie erteilte Brief unauffindbar
und der Aufenthalt des letzten bekannten Inhabers unbekannt ist. Die zuletzt genannten,
hier maßgeblichen Voraussetzungen liegen nicht schon dann vor, wenn
der Grundstückseigentümer selbst von dem Verbleib des Briefs und dem Aufenthalt des
letzten Inhabers keine Kenntnis hat. (BGH, Beschluss vom 22.05.2014, V ZB 146/13 –
juris = NJW-RR 2014, 1360). Entscheidend ist, ob der Antragsteller alle naheliegenden
und mit zumutbarem Aufwand zu erschließenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, um
den Verbleib des Briefs und den Aufenthalt seines letzten Inhabers zu klären, und dies
glaubhaft gemacht worden ist. Zu den auszuschöpfenden Quellen gehört eine Nachfrage
bei Personen, die etwas über den Hypothekenbrief wissen können, wobei Auskünfte zu
dem Verbleib des Briefs von Personen, die mit zumutbarem Aufwand nicht zu ermitteln
sind, nicht verlangt werden können (BGH a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben würden die – auf entsprechende, indes unzutreffende Vorgabe
des Amtsgerichts - vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Beteiligten zu 1. und
2. für eine Glaubhaftmachung nicht ausreichen. Zwar mögen keine Nachforschungen im
Bereich der im Handelsregister gelöschten Buchgläubigerin veranlasst sein. Indes bedürfte
es angesichts dessen, dass die Möglichkeit besteht, dass einer der Voreigentümer der
Beteiligten zu 1. und 2. die Grundschuldbriefe nach Tilgung von der Gläubigerin erlangt
hat, einer konkreten Darstellung, welche Nachforschungen sie in Bezug auf deren
Unterlagen angestellt haben (vgl. OLG München, Beschluss vom 22.12.2017 – 34 Wx
302/17 – juris Tz. 19).

Es kann daher dahinstehen, ob der Auffassung zu folgen ist, ob im Falle der Löschung
einer juristischen Person im Hinblick auf die Nachtragsliquidation ein Gläubigeraufgebot
schlechthin ausgeschlossen ist (so Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearbeitung 2019, §
1170 Rn. 10).

bbb) Weiter muss der Antragsteller gemäß § 450 Abs. 1 FamFG vor der Einleitung des
Verfahrens glaubhaft machen, dass eine das Aufgebot ausschließende Anerkennung des
Rechts des Gläubigers innerhalb der Zehnjahresfrist des § 1170 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht
erfolgt ist. Abgesehen davon, dass sich die vorgelegten Versicherungen hierüber nicht
verhalten, ist Folgendes zu beachten: Es ist nicht ersichtlich, dass und aufgrund welcher
Umstände die Beteiligten zu 1. und 1. angesichts dessen, dass sie nur von 2015 bis zum
02.01.2017 als Eigentümer eingetragen waren, für den Zehnjahreszeitraum zuverlässige
Angaben zu der negativen Tatsache fehlender Anerkenntnishandlungen des jeweiligen
Eigentümers aus eigener Wahrnehmung (vgl. zu diesen Anforderungen an eine
eidesstattliche Versicherung vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 28.07.2014 – N03 W 22/14
– juris Tz. 15 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.10.2018 – 3 Wx 254/19 – juris Tz. 15;
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.04.2020 – 3 Wx 145/17 – juris Tz. 18; Keidel/Sternal,
FamFG, 20. Aufl. 2020, § 31 Rn. 12) machen können.

c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, 2 FamFG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG
liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Köln

Erscheinungsdatum:

22.02.2024

Aktenzeichen:

2 Wx 265/22

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundpfandrechte

Normen in Titel:

BGB § 1170; FamFG § 448