Zur Wirksamkeit einer Bauherrenmodell-Vollmacht
Rechtsprechung
A.
Bürgerliches Recht
1.
Ist ein Baubetreuungs. und Verwaltungsvertrag (Bauherren.
modell) wegen Nichtbeurkundung nichtig, so ist auch eine
hierzu notariell beurkundete Vollmacht gemäß
unwirksam.
Eine solche Vollmacht gilt jedoch u. U. zugunsten der finanzierenden Bank als wirksam, wenn diese die Unwirksamkeit
nicht kannte oder kennen mußte.
(Leitsatz nicht amtlich)
OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.7.1983 — 6 U 237182
Aus dem Tatbestand:
Die Kläger schlossen Ende des Jahres 1978 mit der Firma A.-GmbH
einen privatschriftlichen Betreuungs- und Verwaltungsvertrag. Gegenstand dieses Vertrages war der Erwerb und die Bebauung eines
Grundbesitzes in H. durch die Firma A. im Rahmen eines umfangreichen Bauvorhabens nach dem sogenannten Bauherrenmodell, an
dem sich zahlreiche Bauherren beteiligten. Die Kläger erteilten der B.
In einer notariellen Urkunde die Vollmacht, den Grundbesitz für sie
zu erwerben und in ihrem Namen Darlehen zur Finanzierung des Vorhabens bis zu 85% der Gesamtkosten aufzunehmen. Durch notariell
beurkundeten Vertrag vom 16.8.1979 kauften die Kläger — vertreten
durch die B. — den Grundbesitz von E. und verpflichteten sich, den
Kaufpreis von 78 646 DM bis zum 10.9.1979 auf ein Anderkonto des
amtierenden Notars einzuzahlen.
Die B. wandte sich wegen der Zwischenfinanzierung des Grundstückskaufs und des Bauvorhabens bezüglich der gesamten Baumaßnahme an die Beklagte, die den Bauherren durch Schreiben vom
21.8.1979 einen Kredit in Höhe von insgesamt 19 636 500 DM einräumte. Den auf den Grundbesitz der Kläger entfallenden Anteil an
dem Gesamtkredit errechnete die Beklagte auf 341 572 DM. Mit
Schreiben an die Kläger vom 31.10.1979 erklärte sie sich bereit, diesen Betrag auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen „bis auf weiteres" zu einem Zinssatz von 9% und gegen Zahlung
einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von 0,5% zur Verfügung zu
stellen. Ende Dezember 1979 forderte die B. die Beklagte auf, unter
anderem den von den Klägern geschuldeten Grundstückskaufpreis
zu zahlen. Die Beklagte überwies daraufhin am 28.12.1979 insgesamt
4 439 825 DM auf ein bei ihr geführtes Anderkonto zu treuen Händen
an den Notar mit der Weisung, über den Betrag erst zu verfügen,
wenn die Sicherheitenvereinbarung geregelt ist und die Freigabe des
Betrages schriftlich mitgeteilt wird.
Unter dem 22.8.1980 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie hege inzwischen erhebliche Zweifel an der Durchführung der Baumaßnahme
und sehe sich im Interesse der Kläger zum Widerruf des an den Notar
erteilten Treuhandauftrags veranlaßt. Ende 1981 unterrichtete die B.
die Kläger schriftlich darüber, daß die geplante Baumaßnahme wegen nachträglicher nicht erfüllbarer Forderungen finanzierender
Banken unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unmöglich geworden sei. Die Beklagte kündigte daraufhin den Klägern den eingeräumten Bauzwischenkredit und verlangte den Ausgleich des inzwischen bestehenden Sollsaldos. Die Kläger lehnten die Zahlung ab
und erhoben im vorliegenden Rechtsstreit Klage auf Feststellung,
daß der Beklagten aus dem Bauzwischenkredit für die Baumaßnahme keine Ansprüche auf Zahlung eines Betrages von 9 565,46 DM zustehen.
Zur Begründung haben sie vorgetragen: Sie seien aus dem in ihrem
Namen mit der Beklagten abgeschlossenen Kreditvertrag nicht verpflichtet, weil ihre der B. erteilte Vollmacht unwirksam sei. Der
Betreuungs- und Verwaltungsvertrag sei wegen fehlender notarieller
Beurkundung formunwirksam, infolgedessen sei auch die Vollmacht,
die Teil dieses Rechtsgeschäfts sei, nichtig. Die Beklagte sei auch
nicht gutgläubig gewesen,. da sie die Unwirksamkeit des Baubetreuungsvertrages gekannt oder schuldhaft nicht gekannt habe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat Widerklage erhoben mit dem Antrage, die Kläger zu verurteilen, an sie
11 202,56 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Nach Erhebung der Widerklage haben die Parteien den Rechtsstreit
hinsichtlich der negativen Feststellungsklage der Kläger übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und sich auf die
Sachanträge zur Widerklage beschränkt.
Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Dagegen richtet
sich die Berufung der Beklagten.
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Kläger
sind verpflichtet, die von der Beklagten geltend gemachten
Zinsen, Gebühren und Notarkosten zu zahlen, da der von der
B. in ihrem Namen abgeschlossene Kreditvertrag für sie verbindlich ist.
Die Kläger weisen zwar zutreffend darauf hin, daß der mit
der Firma A.-GmbH abgeschlossene Betreuungs- und Verwaltungsvertrag wegen Fehlens der nach
nichtig ist. Die Gesellschaft verpflichtete sich in diesem
Vertrag, auf einem von den Klägern zu erwerbenden Grundbesitz ein Bauvorhaben für Rechnung der Bauherren zu errichten. Gemäß § 1 oblag es der B. insbesondere, das Grundstück für die Kläger zu kaufen. Der Vertrag enthält demnach
eine Erwerbsverpflichtung der Kläger, die seit der Neufassung des
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzweifelhaft, wenn der Beauftragte das Grundstück im Namen der
Auftraggeber erwerben soll, da in diesem Falle die wirtschaftlichen Folgen des Rechtsgeschäfts voll den Auftraggeber treffen (vgl. zuletzt BGH
Anm. 5 a). So liegt der Fall auch hier, da der Vertrag darauf
gerichtet war, daß die B. im Namen der Kläger erwirbt, wie
sie dies entsprechend dem notariellen Vertrage vom
16.8.1979 auch getan hat.
Zugunsten der Kläger kann auch unterstellt werden, daß die
in der notariellen Urkunde vom 25.11.1978 erteilte Vollmacht, das Grundstück für die Kläger zu erwerben und Darlehen zur Finanzierung des Bauvorhabens bis zu 85% der
Gesamtkosten aufzunehmen, nach dem Grundsatz des
daß der Baubetreuungs- und Verwaltungsvertrag formunwirksam war, so ist davon auszugehen, daß sie die Vollmacht zum Kauf des Grundbesitzes und zur Aufnahme von
Darlehen so nicht erteilt hätten.
Gleichwohl müssen die Kläger die notarielle Vollmacht gegen sich gelten lassen, weil sie in entsprechender Anwendung der
ist. Die Beklagte hat, ohne daß ihr Fahrlässigkeit zum Vorwurf gemacht werden kann, auf den Bestand der Vollmacht
vertraut. Es ist allgemein anerkannt, daß
dann anzuwenden ist, wenn eine Vollmacht überhaupt nicht
bestanden hat und der Dritte begründeten. Zweifeln an ihrer
Entstehung nicht nachgeht (vgl. BGH
Staudinger-Dilcher 12. Aufl.
RGRK 12. Aufl.
Lasaulx 11. Aufl.
80 MittBayNot 1984 Heft 2
wirksam, wenn sie deren Unwirksamkeit nicht kannte oder
kennen mußte.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, daß die mit dem streitigen Kreditvertrag befaßten Angestellten der. Beklagten die Unwirksamkeit des Betreuungs- und Verwaltungsvertrages nicht kannten. (Wird ausgeführt).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts trifft die Beklagte auch nicht der Vorwurf der Fahrlässigkeit. Sie durfte auf
die Rechtswirksamkeit der ihr vorgelegten notariellen Vollmacht vertrauen und war nicht verpflichtet, den Betreuungsund Verwaltungsvertrag auf seine rechtliche Unbedenklichkeit zu prüfen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bank,
die ein Bauvorhaben finanziert, die rechtliche Wirksamkeit
der von dem Darlehensnehmer abgeschlossenen Verträge
prüfen muß, ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Der Bundesgerichtshof hat die einem Makler erteilte
Vollmacht zugunsten des Grundstückskäufers als wirksam
angesehen, weil die Vollmachtsurkunde nicht erkennen ließ,
daß es sich um den Teil eines bereits zur Veräußerung verpflichtenden Vertrages zwischen den Parteien des Grundstückskaufvertrages handelte. Ferner hat er es in derselben
Entscheidung als eine Überspannung der dem Käufer obliegenden Sorgfaltspflicht angesehen zu verlangen, daß der
Käufer als Laie den mangelnden Vorlesungs- und Genehmigungsvermerk einer notariellen Urkunde hätte erkennen
müssen (vgl. BGH
ist dem Landgericht und den Klägern zuzustimmen, daß an
die Sorgfaltspflicht einer Bank in diesem Zusammenhang
strengere Anforderungen zu stellen sind als an einen juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittsbürger. Der Bank
kann insbesondere eine Verpflichtung zur Beratung und Aufklärung auch über Rechtsfragen obliegen (vgl. bezüglich der
Verpflichtung zur Aufklärung bei einem steuerbegünstigten
Sparvertrag BGH
Beratung und Aufklärung über Rechtsfragen ist jedoch keine allgemeine Verpflichtung (vgl. Canaris a.a.O.), sondern
sie kann sich stets nur aus dem konkreten Bankgeschäft ergeben.
Im vorliegenden Falle haben die zuständigen Angestellten
der Beklagten nicht fahrlässig gehandelt, als sie auf die
Wirksamkeit der notariellen Vollmacht vertrauten. Die vom
Landgericht vertretene gegenteilige Auffassung läßt sich
nur dann rechtfertigen, wenn man der Beklagten die Verpflichtung auferlegt, den der Vollmacht zugrundeliegenden
Betreuungs- und Verwaltungsvertrag auf seine rechtliche
Wirksamkeit hin zu überprüfen. Eine so weitgehende Sorgfaltspflicht besteht jedenfalls unter den hier vorliegenden
Umständen nicht, da es regelmäßig nicht Sache einer Finanzierungsbank ist, die Rechtswirksamkeit der Verträge ihrer
Kreditnehmer mit Dritten zu überprüfen. Andernfalls müßte
man von dem zuständigen Kreditsachbearbeiter der Bank
verlangen, daß er das gesamte der Kreditangelegenheit zugrundeliegende Vertragswerk von vornherein ohne konkrete
Bedenken der Rechtsabteilung der Bank oder einem Rechtsanwalt zur Prüfung vorzulegen hat. Denn nur Rechtskundige
sind regelmäßig in der Lage, rechtliche Bedenken, die nicht
offensichtlich sind, zu erkennen und die erforderlichen
Konsequenzen daraus zu ziehen. Eine so strenge Sorgfaltspflicht könnte der Bank allenfalls unter den Voraussetzungen obliegen, unter denen der Bundesgerichtshof die MögMittBayNot 1984 Heft 2
lichkeit eines Einwendungsdurchgriffs wie beim finanzierten Abzahlungskauf beweglicher Sachen auch bei finanzierten Verträgen über die Verschaffung oder die Herstellung
von Bauwerken in Betracht gezogen hat, wenn der Globalkreditgeber des Bauträgers zugleich Kreditgeber des Käufers ist. Diese Möglichkeit besteht, wenn sich die Bank nicht
auf ihre Rolle als Kreditgeber beschränkt, sondern sich in
einer darüber hinausgehenden Weise am finanzierten Geschäft beteiligt, also insbesondere Aufgaben des Bauträgers im Zusammenwirken mit diesem wahrgenommen
hat. Das kommt z. B. in Betracht, wenn die kreditgebende
Bank den Eigentumserwerber und Darlehensnehmer wirbt
oder wenn sie sich aktiv auf der Seite des Bauträgers in die
Veräußerung des Grundbesitzes einschaltet oder wenn ihr
die gesamte rechtliche Ausgestaltung des „Dreiecksverhältnisses" zuzurechnen ist (vgl. BGH
1980, 344 m. Anm. Wolfsteiner] ). Unter diesen Voraussetzungen, wenn die Beklagte sich selbst aktiv an der Gestaltung des Bauvorhabens beteiligt hat, könnte es geboten erscheinen, ihr auch eine verschärfte Sorgfaltspflicht bezüglich der rechtlichen Wirksamkeit der hier zwischen den Bauherren und der Baubetreuerin geschlossenen Verträge aufzuerlegen. Anhaltspunkte dafür sind dem Parteivortrag jedoch nicht zu entnehmen. Der Umstand, daß die Beklagte
lediglich die Zwischenfinanzierung durchgeführt hat,
spricht eher dafür, daß die Beklagte nur als Kreditgeberin in
Erscheinung getreten ist.
Es Liegt auch kein Fall vor, in welchem der zuständige Kreditsachbearbeiter der Beklagten begründeten Anlaß hatte,
an der Rechtswirksamkeit der von den Klägern erteilten
notariellen Vollmacht zu zweifeln. Da sowohl die Vollmacht
zum Erwerb des Grundbesitzes als auch der Grundstückskaufvertrag mit der Firma E.-GmbH notariell beurkundet
waren, durfte der Sachbearbeiter der Beklagten ohne Fahrlässigkeit darauf vertrauen, daß die B. juristisch beraten war
und die gesetzlichen Formvorschriften beachtet hatte.
Selbst wenn er aber aufgrund seiner beruflichen Erfahrung
Zweifel an der Rechtswirksamkeit der den Grunderwerb betreffenden Verträge gehabt haben sollte, so brauchte er daraus nicht zu entnehmen, daß auch die Vollmacht zum Abschluß der Kreditverträge mit den Finanzierungsinstituten
davon betroffen sein könnte. Das gilt schon deshalb, weil
der Formmangel nicht zwangsläufig zum Scheitern der von
der Beklagten zu finanzierenden Geschäfte führen mußte,
sondern — wie es in der Praxis nicht selten der Fall ist —
nach
Die Beklagte kann daher entsprechend Nr. 14 Abs. 2 der in
ihrer Kreditzusage vom 31.10.1979 zum Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien gemachten_,
Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verbindung mit
neubestimmten Zinsen für die Dauer der Überweisung des
Grundstückskaufpreises auf das Notaranderkonto verlangen.
Ferner steht der Beklagten entsprechend der Vereinbarung
in ihrem Schreiben vom 31.10.1979 eine einmalige Bearbeitungsgebühr in Höhe von 1707,86 DM zu.
Schließlich kann die Beklagte den auf die Kläger entfallenden Betrag der Unkosten verlangen, die ihr durch den Treuhandauftrag an den Notar entstanden sind.
Die Summe dieser drei Posten entspricht dem Urteilsbetrage von 11 302,56 DM.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Düsseldorf
Erscheinungsdatum:14.07.1983
Aktenzeichen:6 U 237/82
Erschienen in: Normen in Titel:BGB §§ 313, 170 ff., 139