OLG Frankfurt a. Main 07. März 2006
20 W 21/2005
GBO §§ 29, 53; BGB § 129; BeurkG §§ 39, 40; ZPO § 440 Abs. 2

Grundbuchtaugliche Unterschriftsbeglaubigung trotz nachträglicher Ergänzung des Textes über der Unterschrift

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 10623
letzte Aktualisierung: 08.03.2006
OLG Frankfurt, 08.03.2006 - 20 W 21/2005
GBO § 29; BGB § 129; BeurkG §§ 39, 40
Grundbuchtaugliche Unterschriftsbeglaubigung trotz nachträglicher Ergänzung des Textes
über der Unterschrift


Gründe:
Für die Antragstellerin ist seit 1975 in Abt. II, lfde. Nr. … ein lebenslängliches
Nießbrauchsrecht an dem betroffenen Grundbesitz eingetragen. Sie erstrebt die
Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 GBO insoweit, als am 25.04.1997 hinsichtlich
einer am 02.03.1988 eingetragenen Grundschuld zu Gunsten der Beteiligten zu 2) eine
Vorrangseinräumung im Grundbuch eingetragen wurde.
Auf Grund einer Bewilligung der Grundstückseigentümerin vom 11.02.1988 war die
Eintragung der Grundschuld unter Abt. III, lfde. Nr. … des Grundbuchs antragsgemäß
an rangbereitester Stelle erfolgt. Unter dem 06.02.1997 beantragte die Beteiligte zu 2)
die Wahrung einer Vorrangseinräumung zu Lasten des Nießbrauchs auf der Grundlage
einer am 20.09.1984 durch den Ortsgerichtsvorsteher von O1 öffentlich beglaubigten
Erklärung der Antragstellerin.
Darin wird einer zu Gunsten der Beteiligten zu 2) eingetragenen oder noch
einzutragenden Grundschuld oder Hypothek in Höhe von 100.000,00 DM nebst bis zu
15 % Zinsen und bis zu 5 % Nebenleistungen der Vorrang vor dem in Abt. II, lfde. Nr. …
eingetragenen Nießbrauch einräumt und die Eintragung dieser Rangänderung in das
Grundbuch bewilligt.
Mit Zwischenverfügung vom 17.02.1997 verlangte das Grundbuchamt unter Hinweis auf
die Vielzahl der zu Gunsten der Beteiligten zu 2) eingetragenen Grundschulden und
unter Fristsetzung von vier Wochen ab Zugang die Ergänzung der eingereichten
Vorrangseinräumung dahin, welchem Recht der Vorrang eingeräumt wird und fügte die
am 20.09.1984 beglaubigte Erklärung im Original wieder bei. Mit Anschreiben dem
17.04.1997, beim Grundbuchamt eingegangen am 21.04.1997, beantragte die Beteiligte
zu 2) die Eintragung der Vorrangseinräumung zu Gunsten der im Grundbuch in Abt. III,
lfde. Nr. … eingetragenen Briefgrundschuld. Diesem Anschreiben war das öffentlich
beglaubigte Original der Erklärung zur Vorrangseinräumung wieder beigefügt. Darauf
befand sich jetzt der Vermerk:
" Vorrang soll der Grundschuld Abteilung III lfd.Nr. … in Höhe von DM 100.000,00
eingeräumt werden: O1, den 16.04.97, Unterschrift B geb. C". Daraufhin erfolgte am
25.04.1997 der jetzt verfahrensgegenständliche Rangvermerk, von dessen Eintragung
die Antragstellerin auch benachrichtigt wurde.
Unter dem 12.08.2004 hat die Beteiligte zu 1) die Berichtigung des Grundbuchs
beantragt bzw. die Eintragung eines Amtswiderspruchs, da die Einwilligungserklärung
des Rangrücktritts unwirksam sei. Die Behebung des in der Zwischenverfügung vom
17.02.1997 angegebenen Eintragungshindernisses sei erst nach Ablauf der darin
Änderungsvermerk sei nicht klar, dass die Antragstellerin die Unterschrift nach
Änderung der Urkunde geleistet habe. Sie habe jedenfalls keine Unterschrift zum
Rangrücktritt zu Gunsten einer Grundschuld aus dem Jahr 1988 gegeben.
Auf Rückfrage des Grundbuchrechtspflegers hat die Antragstellerin erklärt, ihr Antrag sei
als Bewerde aufzufassen. Der Grundbuchrechtspfleger hat der Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.12.2004 die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kammer hat ausgeführt, die Voraussetzungen zur Eintragung eines
Amtswiderspruchs lägen nicht vor, das Grundbuch sei nicht unrichtig. Eine erneute
Beglaubigung der Unterschrift unter den Änderungsvermerk von 1997 sei nicht
erforderlich gewesen, da es sich nur um eine Klarstellung der in 1984 bereits in
öffentlich beglaubigter Form bewilligten Vorrangseinräumung gehandelt habe. Zwar
gelte wegen der nachträglichen Änderung die Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO nicht
mehr. Trotzdem habe das Grundbuchamt zu Recht keine Zweifel daran gehabt, dass die
Ergänzung mit Billigung der Antragstellerin eingefügt worden sei. Dafür spreche schon
das gleiche Schriftbild der Unterschrift unter der Bewilligung aus 1984 und dem Zusatz
vom
16.04.1997.
Außerdem
habe
die
Antragstellerin
sich
nach
der
Eintragungsmitteilung nicht gegen die Eintragung gewandt und in dem Schreiben ihrer
Verfahrensbevollmächtigten vom 12.08.2004 die Unterzeichnung unter den
klarstellenden Zusatz selbst eingeräumt.
Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde, die nicht begründet worden ist. Die
Verfahrensbevollmächtigte hat darum gebeten, die Begründung der Beschwerde nach
dem Beschluss über die Prozesskostenhilfe vorlegen zu dürfen.
Die weitere Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 78, 80 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3, 73
GBO, aber nicht begründet. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die
Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht vorliegen, §§ 71 Abs.
2, 53 Abs. 1 Satz 1 GBO.
Das Grundbuchamt hat bei der Eintragung der Vorrangseinräumung keine gesetzlichen
Vorschriften, insbesondere nicht § 29 GBO, verletzt.
Dass die Erfüllung der Zwischenverfügung erst nach Ablauf der mit der
Zwischenverfügung gesetzten Frist erfolgte, ist ohne Belang. Das Grundbuchamt muss
eine Erfüllung der Zwischenverfügung noch solange berücksichtigen, wie der
Zurückweisungsbeschluss dem Antragsteller noch nicht bekannt gegeben ist, auch
wenn die gesetzte Beseitigungsfrist längst abgelaufen sein sollte (allgemeine Meinung,
Rdnr. 466 ).
Die Bewilligung der Vorrangseinräumung durch die Antragstellerin ist auch mit dem
geänderten Inhalt durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen, § 29 Abs. 1
Satz 1 GBO.
Auszugehen ist von dem Begriff der Beglaubigung des § 40 BeurkG. Die öffentliche
Beglaubigung ist im Gegensatz zur öffentlichen Beurkundung nur eine Beglaubigung der
Unterschrift des Erklärenden, nicht des Inhalts der schriftlich abgefassten Erklärung.
Öffentliche Urkunde i.S.d. § 415 ZPO ist nur der Beglaubigungsvermerk, die
abgegebene Erklärung selbst ist eine Privaturkunde. In Hessen ist auch der
Ortsgerichtsvorsteher nach § 13 Hess. Ortsgerichtsgesetz i. d. F. vom 02.04.1980 ,
GVBl I S. 113, zur öffentlichen Beglaubigung von Unterschriften befugt
(Eylmann/Vaasen: BeurkG, 2. Aufl., § 40, Rdnr. 3, 6, 29).
Ob eine nach der Unterschriftsbeglaubigung erfolgte Textänderung noch die Form des §
29 GBO erfüllt, ist streitig. Nach der früher überwiegenden Meinung (KG OLGE 3, 306;
7, 336; KGJ 22, A 125; KGJ 29, A 116 und KGJ 35, A 227; Jansen: BeurkG, § 40, Rdnr.
13; OLG Celle MittBayNot 1984, 207 mit ablehnender Anm. Winkler; offengelassen von
BayObLG DNotZ 1985, 220) konnte nur durch erneute Unterschrift und deren öffentliche
Beglaubigung das Formerfordernis hinsichtlich des geänderten Textes gewahrt werden.
Der Senat vertritt wie bereits die Kammer in der angefochtenen Entscheidung die
Auffassung, dass auch bei einer nachträglichen Textänderung die Form der öffentlichen
Beglaubigung gewahrt bleibt, da der Beglaubigungsvermerk nur die Echtheit der
Unterschrift des Erklärenden betrifft, aber nichts über den Erklärungsinhalt aussagt. Da
nach § 40 Abs. 5 BeurkG die Beglaubigung einer Blankounterschrift, also ohne jeglichen
darüber stehenden Text, zulässig ist, kann die nachträgliche Änderung eines
vorhandenen Textes nichts an der Wahrung der Form der öffentlichen Beglaubigung
ändern.
Davon zu unterscheiden ist aber die Beweiskraft einer solchen nachträglich geänderten
Urkunde. Für die Änderung gilt nicht die Vermutung des § 440 Abs. 4 ZPO, nämlich
dass auch der über der Unterschrift stehende Text von demjenigen herrührt, dessen
Unterschrift beglaubigt ist. Es unterliegt dann der freien Beweiswürdigung des
Grundbuchamtes bzw. des an seine Stelle tretenden Erstbeschwerdegerichts, ob die
Ergänzung des Textes von der bzw. mit dem Willen der Person vorgenommen worden
ist, die die Unterschrift geleistet hatte (Palandt/Heinrichs: BGB, 65. Aufl., § 129, Rdnr. 2 ;
Soergel/Hefermehl: BGB, 13. Aufl., § 129, Rdnr. 3; Staudinger/Hertel: BGB, 2004, §
129, Rdnr. 128-130; Bauer/von Oefele: GBO, § 29, Rdnr. 130; Demharter: GBO, 25.
Aufl., § 29, Rdnr. 44; Meikel/Brambring: Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 29, Rdnr. 221;
MittBayNot 1984, 207, 209; ders. in Anm. zu BayObLG DNotZ 1985, 221, 225).
Da diese Beweiswürdigung auf dem Gebiet der den Tatsacheninstanzen vorbehaltenen
Tatsachenfeststellung liegt, unterliegt sie einer rechtlichen Überprüfung nur dahin, ob sie
verfahrensfehlerfrei getroffen worden ist, insbesondere ob alle wesentlichen Umstände
berücksichtigt worden sind, ferner ob die tatrichterliche Würdigung einen Verstoß gegen
gesetzliche Beweisregeln, die Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze
erkennen lässt. Es genügt danach, dass die tatsächliche Würdigung des Landgerichts
möglich ist, zwingend muss sie nicht sein (Budde in Bauer/von Oefele, aaO., § 78, Rdnr.
23). Nach diesem Maßstab sind Verfahrensfehler der Vorinstanzen nicht ersichtlich.
Die Besonderheit der Textänderung vom 16.04.1997 besteht darin, dass sie zusätzlich
unterschrieben ist und das Landgericht zumindest vom äußeren Erscheinungsbild des
Schriftzuges und im Vergleich zu der öffentlich beglaubigten Unterschrift davon
ausgehen durfte, dass er ebenfalls von der Antragstellerin herrührt. Die Antragstellerin
ist in der weiteren Beschwerde auch nicht der Wertung des Landgerichts
entgegengetreten, dass sie im Anwaltsschreiben vom 12.08.2004 mit ihrem Vortrag, die
Bank habe nachträglich in ein beglaubigtes Dokument eine bestimmte Grundschuld
eingetragen und sich das Dokument von der Antragstellerin abzeichnen lassen,
eingeräumt habe, dass die Unterschrift unter den Vermerk 16.04.1997 von ihr stamme.
Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin mit dem Vortrag im Anwaltsschreiben vom
03.09.2004, sie habe jedenfalls keine Unterschrift zum Rangrücktritt zu Gunsten einer
Grundschuld aus dem Jahr 1988 gegeben, davon wieder abrücken wollte. Maßgeblich
für die Beurteilung einer Gesetzesverletzung im Rahmen des § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO
ist die dem Grundbuchamt zur Zeit der Eintragung unterbreitete Sachlage und die zu
dieser Zeit bestehende Rechtslage. Deshalb ist kein Amtswiderspruch, auch nicht
gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO, einzutragen, wenn sich aus nachträglich zu den Akten
gereichten Urkunden oder bekannt gewordenen Umständen ergibt, dass die der
Eintragung zu Grunde liegenden Unterlagen rechtlich fehlerhaft waren (Senat in st.
Rspr., vgl. FGPrax 2003, 197; Demharter: GBO, 25. Aufl., § 53, Rdnr. 22, 23 ; Meincke
in Bauer/von Oefele, aaO., § 53, Rdnr. 66). Der Ausnahmefall, dass dem Grundbuchamt
die Unrichtigkeit bekannt war oder bei gehöriger Prüfung erkennbar gewesen wäre, liegt
nicht vor.
Da die am 20.09.1984 öffentlich beglaubigte Vorrangseinräumung sich auch auf
zukünftig noch zu Gunsten der Beteiligten zu 2) einzutragende Grundschulden bezog,
war unschädlich, dass die Bewilligung zur Eintragung des begünstigten Rechts erst vom
11.02.1988 datierte. Aus der Tatsache, dass von der bewilligten Vorrangseinräumung
bei Eintragung des begünstigten Rechts 1988 noch kein Gebrauch gemacht wurde,
sondern erst in 1997 die Eintragung beantragt wurde, musste sich für das
unter der Textänderung vom 16.04.1997 ergeben. Zu Recht hat das Landgericht
ausgeführt, dass ein Eintragungsantrag auch auf eine bereits vor Jahrzehnten wirksam
gewordene Eintragungsbewilligung gestützt werden kann (BayObLG DNotZ 1994,182;
Demharter: GBO, 25. Aufl., § 19, Rdnr. 112). Die Eintragungsbewilligung ist mit Zugang
an den Begünstigten wirksam und bindend geworden und das Grundbuchamt durfte auf
Grund der Vorlage durch die Begünstigte, die Beteiligte zu 2), sowohl im ursprünglichen
Zustand als auch nach der Textänderung davon ausgehen, dass sie dieser durch die
Antragstellerin ausgehändigt wurde und weder vor, noch gleichzeitig mit der
Aushändigung ein Widerruf erfolgt ist (Demharter, aaO., § 19, Rdnr. 113). Es gibt
deshalb auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Grundbuch im Hinblick auf die
eingetragene Vorrangseinräumung nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmen
würde und deshalb im Sinn von § 22 GBO unrichtig wäre. Die eine Unrichtigkeit
begründenden Tatsachen müssten zudem in der Form des § 29 GBO nachgewiesen
werden.
Da demnach die weitere Beschwerde der Antragstellerin erfolglos bleiben musste, war
auch ihr Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen (§§ 114 ZPO,
FGG).
Zur
Begründung
ihrer
weiteren
Beschwerde
hatte
die
Verfahrensbevollmächtigte über ein Jahr lang Zeit. Eine Abhängigmachung der
Begründung von der Gewährung von Prozesskostenhilfe war nicht zulässig, da keine
Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren gewährt werden kann
(Zöller/Philippi: ZPO, 25. Aufl., § 114, Rdnr. 3, m. w. H.).
Die Entscheidung über die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO.
Einer Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bedurfte es nicht, da die
Beteiligte zu 2) nicht zu der weiteren Beschwerde angehört worden ist.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO,
wobei berücksichtigt wurde, dass Verfahrensgegenstand nur die Eintragung eines
Widerspruchs gegen die eingetragene Vorrangseinräumung war.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

07.03.2006

Aktenzeichen:

20 W 21/2005

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Beurkundungsverfahren
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2006, 114-115
RNotZ 2006, 357-359
DNotZ 2006, 767-768

Normen in Titel:

GBO §§ 29, 53; BGB § 129; BeurkG §§ 39, 40; ZPO § 440 Abs. 2