Amtspflichten bei Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses
DNotI
Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 2w495_13
letzte Aktualisierung: 12.5.2014
OLG Koblenz, 18.3.2014 - 2 W 495/13
BGB §§ 250 ff., 2057, 2314 Abs. 1, 2316;
Amtspflichten bei Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses
Bei Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses entscheidet der Notar unter
Berücksichtigung der Einzelfallumstände nach eigenem Ermessen, welche konkreten
Ermittlungen er vornimmt. Das Ergebnis dieser eigenen Ermittlungen muss er in der Urkunde
niederlegen und als eigene Erklärung zum Ausdruck bringen, dass nach diesen Ermittlungen
weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden sind.
Gründe
Am ...1.2012 verstarb Herr H. Dieser war mit der Schuldnerin verheiratet. Der Gläubiger ist eines von
vier Kindern der Eheleute.
Durch notariellen Erbvertrag vom 11.10.2010 setzten sich der Erblasser und die Schuldnerin
wechselseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Der Gläubiger hat im Wege einer Stufenklage
seine - sowie ihm von zwei weiteren Geschwistern abgetretene - Pflichtteilsansprüche geltend gemacht.
Durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 8.10.2012 hat das Landgericht die Schuldnerin zur
Auskunftserteilung, und zwar durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt. Zu den
Einzelheiten, die das notarielle Nachlassverzeichnis zu umfassen hatte, wird auf das Teil-
Anerkenntnisurteil Bezug genommen.
Am 8.11.2012 hat die Schuldnerin vor dem Notar Dr. F. in H. - unter ausdrücklicher Verneinung weiterer
Nachlasspositionen bei gleichzeitiger Versicherung an Eides Statt - folgende Erklärung abgegeben:
„Mein Ehemann H. ist verstorben und hat mich als Alleinerbin eingesetzt.
Von einem unserer Kinder wurde ich aufgefordert, ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen.
Ich erkläre hiermit, dass die Aktiva und Passiva des Nachlasses meines vorgenannten Ehemannes sich aus
der beigefügten Anlage 1 ergeben. Bezüglich Ziff. 9 der Anlage verweise ich auf die dem Notar in Kopie
vorgelegte Urkunde Nummer 436/1976 des Notars S. in S.
An den Sohn A. sind folgende Schenkungen erfolgt:
- im Jahre 2009 das Anwesen H.-Straße 33 in B. unter Nießbrauchsvorbehalt für meinen Ehemann und
mich.
Die entsprechende Urkunde lag dem Notar nicht vor, befindet sich jedoch im Besitz von Herrn
Rechtsanwalt S. in R.
- im Jahre 2011 ein Porsche 911 Baujahr 2000 mit einer Laufleistung von circa 103.000 Kilometern.“
Der notariellen Urkunde beigefügt ist eine - ursprünglich am 2.4.2012 für das Nachlassgericht gefertigte
und von einem Bevollmächtigten unterzeichnete - Nachlassaufstellung, die handschriftlich ausgefüllt ist,
diverse nicht beigefügte Anlagen in Bezug nimmt und mehrfach den Hinweis „bei RA S.“ enthält.
Der Gläubiger stuft dieses Nachlassverzeichnis als unzureichend ein und hat unter dem 20.6.2013 Antrag
auf Festsetzung von Zwangsmitteln gemäß
Urkunde als vollständig verteidigt und ihre Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen
Nachlassverzeichnisses als erfüllt angesehen.
Durch seinen angegriffenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag des Gläubigers als unbegründet
zurückgewiesen. Die Schuldnerin habe ihre ausgeurteilte Verpflichtung erfüllt. Das vorgelegte notarielle
Verzeichnis genüge den an ein solches gemäß
eigene Unterschrift habe der Notar sich die ihm vorgelegte Nachlassaufstellung zu Eigen gemacht. Ob der
Notar zuvor seiner Ermittlungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen sei, erweise sich als unerheblich,
da er durch die eigenhändige Unterzeichnung für den ausgewiesenen Nachlassbestand Verantwortung
übernommen habe. Eine eventuelle inhaltliche Unrichtigkeit des Verzeichnisses könne der Gläubiger auf
der dritten Stufe seiner Klage geltend machen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Gläubiger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten
sofortigen Beschwerde, mit welcher er rügt, dass die vorgelegte notarielle Urkunde schon ihrem Wortlaut
nach keine eigene Erklärung des Notars beinhalte, sondern ausdrücklich nur eine von der Schuldnerin
abgegebene Erklärung niederlege. Dem Sinn und Zweck eines notariellen Nachlassverzeichnisses werde
diese Vorgehensweise nicht gerecht, vielmehr solle durch Einschaltung des Notars gerade sichergestellt
werden, dass die Vermögensgegenstände so detailliert angegeben würden, dass ihre Identität feststehe.
Aus diesem Grunde sei der Notar auch zu eigenen Ermittlungen verpflichtet und dürfe nicht in schlichter
Weise die Vorgaben seines Auftraggebers ungeprüft übernehmen. Schließlich gehe auch der Verweis des
Landgerichts auf die dritte Stufe der Klage fehl, da die dort seitens des Gläubigers geschuldete
Anspruchsbezifferung gerade eine ordnungsgemäße vorherige Auskunftserteilung durch die Schuldnerin
voraussetze.
Die Schuldnerin ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten mit dem Hinweis, der Notar habe „alles
in seiner Macht mögliche getan.“ Er sei keine Ermittlungsbehörde, die irgendwelche Auskünfte bei
Banken, Finanzbehörden etc. einfordern könne und habe auch rein faktisch keine Möglichkeit, die
Angaben der Schuldnerin zu überprüfen. Ihrer Auskunftspflicht sei die Schuldnerin somit umfassend
nachgekommen, so dass der Gläubiger ggf. die weiteren Stufen seiner Klage aufrufen möge. So lasse der
gläubigerseitige Vortrag jegliche Anhaltspunkte dafür vermissen, inwiefern das eingereichte
Nachlassverzeichnis inhaltlich zu dessen Nachteil falsch sein solle. Folge man den Ausführungen des
Gläubigers, dass - auch - er nicht zur Benennung eines anderen Notars in der Lage sei, der bereit sei, das
Nachlassverzeichnis aufzunehmen, belege dies die Unmöglichkeit der Erfüllung der ihr durch das
landgerichtliche Teil-Anerkenntnisurteil auferlegten Verpflichtung.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Schuldnerin ist ihren
Verpflichtungen aus dem Teil-Anerkenntnisurteil vom 8.10.2012 durch Vorlage der notariellen Urkunde
des Notars Dr. F. vom 8.11.2012 (UR-Nr. .../2012) nicht in der geschuldeten Weise nachgekommen.
So ist der Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 20.1.2012 verstorbenen H.
durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses weder durch die eigentliche notarielle Urkunde
noch durch die als Anlage zu dieser Urkunde genommene Nachlassaufstellung erfüllt (vgl. Schreinert,
über eigene Wahrnehmungen des Notars zu dem Bestand des Nachlasses nichts enthält, hat der Notar
lediglich Erklärungen der Schuldnerin entgegengenommen, aber keine eigenen Feststellungen zu dem
Bestand des Nachlasses getroffen, obwohl er hierzu nicht nur berechtigt, sondern im Rahmen
pflichtgemäßen Ermessens auch verpflichtet war (vgl. BGHZ Band 33, 373; OLG Saarbrücken
Dies zeigt sich hier besonders deutlich anhand der mehrfachen Verweise auf Rechtsanwalt
S., ohne dass erkennbar wird, ob der Notar hier schlichte Angaben der Schuldnerin übernommen oder
deren Richtigkeit bei Rechtsanwalt S. überprüft hat. Auch die unleserliche und zudem unzureichende
Angabe zu Grundstücken in der Nachlassaufstellung sollte durch die Einschaltung einer Amtsperson
gerade vermieden werden.
Dass der Notar Dr. F. mit Schreiben vom 23.10.2013 hier weitere Unterlagen in Form von
Grundbuchauszügen nachgereicht hat, untermauert die berechtigten Einwände des Gläubigers gegen das
bislang vorgelegte Nachlassverzeichnis, ohne die bestehenden Mängel in der geschuldeten Weise zu
beheben. So stellt der Notar in seinem Anschreiben - welches gerade nicht Bestandteil des notariellen
Nachlassverzeichnisses in der Urkunde vom 8.11.2012 ist - selbst fest, dass ein inhaltlicher Widerspruch
zwischen den ursprünglichen Angaben und seinen zwischenzeitlichen Ermittlungen besteht, ohne dass er
diesen abschließend aufgeklärt hat.
Eine Auskunft, wie sie hier durch die Schuldnerin vorgelegt worden ist, bringt dem Gläubiger nicht
denjenigen Vorteil gegenüber der Privatauskunft durch den Erben, den das Gesetz bezweckt. Die
Aufnahme des Verzeichnisses durch eine Amtsperson soll dem Pflichtteilsberechtigten einen höheren
Grad an Richtigkeit der Auskunft gewährleisten als die Privatauskunft des Erben (vgl. OLG Celle ZErb 2003, 382; Schreinert,
Sie ist schon begrifflich eigene Bestandsaufnahme, nicht Aufnahme nur von Erklärungen einer anderen
Person (vgl. auch OLG Saarbrücken,
über das Nachlassinventar zeigt, dessen Inhalt sich im Kern mit demjenigen des
Nachlassverzeichnisses nach
unterscheiden zwischen dem Inventar, welches der Erbe selbst aufnimmt und zu welchem er den Notar
nur hinzuzieht (
(
Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu stellenden besonderen Anforderungen wird die vom
Notar Dr. F. errichtete Urkunde vom 8.11.2012 nicht gerecht.
Insoweit genügt auch nicht die landgerichtliche Überlegung, dass der Notar durch seine Unterschrift auch
für ein unzureichendes Nachlassverzeichnis Verantwortung übernehme, da diese Verantwortung
weitgehend theoretischer Natur bleibt. Um im Falle eines unzureichenden Nachlassverzeichnisses
gegenüber dem Notar einen Amtshaftungsanspruch geltend machen zu können, würde der Geschädigte
nämlich genau jene Angaben benötigen, von deren Ermittlung der Notar durch seine pflichtwidrige (Un-)
Tätigkeit Abstand genommen hat. Der Senat verkennt dabei auch nicht, dass ein Notar letztlich nur
bedingt den Nachlass einer fremden Person ermitteln kann. Die vorgelegte notarielle Urkunde lässt indes
keine Rückschlüsse zu, inwieweit der Notar hier überhaupt versucht hat, eine eigene Bestandsaufnahme
des Nachlasses des am 20.1.2012 verstorbenen H. vorzunehmen. Als solche eigene Ermittlungstätigkeiten
eines Notars erscheinen beispielsweise denkbar:
- eigene Ermittlung von Grundbesitz,
- Veranlassung der Einholung von Bewertungsgutachten durch den Auskunftsverpflichteten,
- Überprüfung eingeholter Wertgutachten auf Plausibilität,
- Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für
einen 10-Jahres-Zeitraum,
- Einholung einer Vollmacht des Auskunftsverpflichteten, bei Bankinstituten (einschließlich Sparkassen),
die in der Nähe des letzten Wohnortes des Erblassers eine Zweigstelle unterhalten, anzufragen, ob im
genannten 10-Jahres-Zeitraum eine Kundenverbindung zum Erblasser bestanden habe, nebst
entsprechender Anfrage,
- Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten
Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen (könnten).
Die aufgeführten Beispiele sind dabei weder abschließend noch stellen sie einen in jedem Einzelfall durch
den Notar zu gewährleistenden Mindeststandard dar. Der Notar entscheidet insoweit unter
Berücksichtigung der Einzelfallumstände nach eigenem Ermessen, welche Ermittlungen er vornimmt
(vgl. Schreinert, a. a. O., 69). Das Ergebnis dieser eigenen Ermittlungen muss er aber in der Urkunde
niederlegen und als eigene Erklärung zum Ausdruck bringen, dass nach diesen Ermittlungen weitere
Nachlassgegenstände nicht vorhanden sind. Seine Verantwortung für die abgegebene Erklärung kann er
dabei dadurch eingrenzen, dass er die von ihm vorgenommenen Ermittlungen offenlegt, so dass deutlich
wird, in welchem Umfang er überhaupt eigene Feststellungen treffen konnte (vgl. OLG Saarbrücken
tragfähige Gründe benannt würden, genügt den Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis
indes nicht.
Auch eine eidesstattliche Versicherung der Schuldnerin hinsichtlich der hier von ihr zu notariellem
Protokoll gegebenen Nachlassaufstellung ersetzt diese eigenen Ermittlungen des Notars nicht. Hierdurch
versichert die Schuldnerin nämlich nur, auf Grundlage ihres laienhaften Rechtsverständnisses
vollständige Angaben gemacht zu haben, während das notarielle Nachlassverzeichnis - neben anderem -
gerade sicherstellen soll, dass sämtliche nach der objektiven Rechtslage geschuldeten Angaben
festgehalten werden. Die Berufung des Gläubigers auf ein bislang noch nicht ordnungsgemäß erstelltes
notarielles Nachlassverzeichnis erweist sich vor diesem Hintergrund daher trotz der hier bereits
vorgreiflich abgegebenen - grundsätzlich „höherstufigen“ - eidesstattlichen Versicherung der Schuldnerin
auch nicht als rechtsmissbräuchlich (vgl. OLG Schleswig,
Sollte der von der Schuldnerin beauftragte Notar Dr. F. die Erstellung eines ordnungsgemäßen
Nachlassverzeichnisses verweigern, wird die Schuldnerin gegen diesen dienstrechtliche Maßnahmen
einzuleiten oder einen anderen Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu beauftragen haben.
Dass sowohl der Gläubiger wie auch die Schuldnerin Schwierigkeiten sehen, einen zur Übernahme dieser
Angelegenheit bereiten Notar zu finden, führt - schon im Hinblick auf die denkbaren dienstrechtlichen
Maßnahmen - nicht zur Unmöglichkeit der schuldnerseitigen Erfüllungsmöglichkeit. Dem sich
abzeichnenden Erfordernis, hier erst dienstrechtliche Maßnahmen einleiten zu müssen, ist jedoch
dergestalt Rechnung zu tragen, dass der Schuldnerin noch eine weitere „Schonfrist“ zur Beibringung des
geschuldeten notariellen Nachlassverzeichnisses einzuräumen ist. Inwieweit die Schuldnerin über diese
„Schonfrist“ hinaus im Zuge eingeleiteter dienstrechtlicher Maßnahmen oder notarieller
Ermittlungstätigkeiten vorübergehend noch an der Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses
gehindert ist, wird im Rahmen eines eventuellen Beitreibungsantrages des Gläubigers zu berücksichtigen
sein.
Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes und die Dauer der für den Fall seiner Uneinbringlichkeit
ersatzweise verhängten Zwangshaft tragen dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung der
titulierten Forderung und dem für das Hauptsacheverfahren zu erwartenden Streitwert Rechnung.
Die Verfahrenskosten hat nach
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Koblenz
Erscheinungsdatum:18.03.2014
Aktenzeichen:2 W 495/13
Rechtsgebiete:
Beurkundungsverfahren
Allgemeines Schuldrecht
Vorweggenommene Erbfolge (Ausgleichung, Anrechnung)
Pflichtteil
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
MittBayNot 2015, 149-152
RNotZ 2014, 371-374
BGB §§ 250 ff., 2057, 2314 Abs. 1, 2316; ZPO § 888; BeurkG § 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 2