Ermittlung der üblichen Miete
letzte Aktualisierung: 05.03.2020
BFH, Urt. v. 18.9.2019 – II R 15/16
Abs. 2, 96 Abs. 1 S. 2, 118 Abs. 2
Ermittlung der üblichen Miete
1. Bei der Bewertung eines Grundstücks ist die übliche Miete für Flächen anzusetzen, die tatsächlich
für Wohnzwecke genutzt werden können. Nicht entscheidend ist, ob diese Flächen
bauordnungsrechtlich allen Anforderungen an Wohn- oder Aufenthaltsräume genügen.
2. Es ist grundsätzlich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob und
inwieweit nicht dem Bauordnungsrecht genügende Flächen bei der Ermittlung der üblichen Miete zu
berücksichtigen sind.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der
Einheitswert ist nicht über den vom FG entschiedenen Umfang hinaus herabzusetzen.
1. Eine Rechtswidrigkeit der Wertfortschreibung wegen eines Verfassungsverstoßes scheidet aus. Die im Streitfall
anwendbaren Vorschriften über die Einheitsbewertung waren zwar jedenfalls seit dem 01.01.2002 nicht mehr
verfassungsgemäß. Sie dürfen aber nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10.04.2018 -
1 BvL 11/14 u.a. (BVerfGE 148, 147) im dargestellten Umfang auch im Streitfall weiter angewandt werden (vgl. Urteil
des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19.09.2018 - II R 20/15, BFH/NV 2019, 193, Rz 16).
2. Das FG hat zu Recht den von ihm angeregten Antrag der Kläger mit deren Zustimmung entsprechend dem
klägerischen Begehren der Entscheidung zugrunde gelegt.
a) Nach § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende (Berichterstatter) darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge
gestellt werden. Das Wesen der Klage wird durch den begehrten richterlichen Ausspruch bestimmt. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der
recht verstandenen Interessenlage entspricht (BFH-Beschluss vom 02.07.2012 - III B 101/11, BFH/NV 2012, 1628,
Rz 9, m.w.N.). Aus dem Grundsatz der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) folgt allerdings,
dass das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf. Dies gilt auch für seitens des Gerichts
vorgeschlagene Antragsformulierungen. Das Gericht darf nicht auf Anträge hinwirken, die nicht dem Klagebegehren
entsprechen, und dem Kläger nicht etwas zusprechen, was dieser nicht beantragt hat ("ne ultra petita"). Es darf auch
nicht über etwas anderes ("aliud") entscheiden, als der Kläger durch seinen Antrag begehrt und zur Entscheidung
gestellt hat (BFH-Urteil vom 08.03.2012 - V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665). Schließlich ist in Fällen, in denen ein
rechtsunkundiger Steuerpflichtiger in unzulässiger Weise --etwa durch Drohung, Druck, Täuschung oder auch
unbewusste Irreführung-- zur Abgabe einer Prozesserklärung veranlasst worden ist, die Unwirksamkeit dieser
Erklärung anzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 26.10.2006 - V R 40/05, BFHE 215, 53, BStBl II 2007, 271, unter II.4.a
zur Klagerücknahme).
b) Im Zusammenhang mit dem begehrten richterlichen Ausspruch ist zudem zu berücksichtigen, dass das Verbot der
Verböserung ("reformatio in peius") das Gericht nicht daran hindert, einzelne Besteuerungsgrundlagen in tatsächlicher
oder rechtlicher Hinsicht für den Steuerpflichtigen ungünstiger zu beurteilen, als dies in dem angefochtenen
Steuerbescheid geschehen ist (vgl. grundsätzlich BFH-Beschluss vom 19.11.2013 - XI B 9/13, BFH/NV 2014, 373,
m.w.N.). Das Verböserungsverbot besagt nur, dass eine Schlechterstellung des Klägers bezogen auf die mit der Klage
angegriffene Steuerfestsetzung oder Feststellung von Besteuerungsgrundlagen verboten ist (BFH-Urteil vom
01.12.2010 - XI R 46/08, BFHE 232, 232). Streitgegenstand ist nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die
Rechtmäßigkeit des jeweiligen Bescheids. Das gilt auch für einen angefochtenen Wertfortschreibungsbescheid.
20 c) Das FG hat bei seinem Vorschlag zur Formulierung des Antrags der Kläger nicht gegen die vorgenannten
Grundsätze verstoßen.
aa) Im Streitfall entspricht der Vorschlag des Berichterstatters, dem die Kläger bei ihrer Antragstellung gefolgt sind,
der recht verstandenen Interessenlage der Kläger. Die zuvor von den Klägern begehrte ersatzlose Aufhebung der
angefochtenen Wertfortschreibungsbescheide hätte eine --rechnerische-- Bewertung des Bauteils 02 mit "0 EUR"
bedeutet, wovon die Kläger nicht ausgehen konnten. Das FG hat den Antrag der Kläger dahin verstanden, dass sie
hinsichtlich des Bauteils 01 den Ansatz der bisherigen Jahresrohmiete und damit des bisherigen Werts sowie
hinsichtlich des Bauteils 02 den Ansatz einer niedrigeren Jahresrohmiete begehren. Diese Auslegung ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Darüber hinaus fehlt es an einer unlauteren Vorgehensweise des
Berichterstatters, da dieser die Umstellung des Klageantrags offen vorgeschlagen und die Zustimmung der Kläger
eingeholt hat. Das Hinwirken des FG auf einen geänderten Klageantrag war sachgemäß.
bb) Die Berücksichtigung der vollen Grundfläche im Bauteil 02 bei der Bemessungsgrundlage stellt keine Verböserung
dar. Entgegen der Auffassung der Kläger gibt es im Streitfall nicht zwei angefochtene Regelungen in Gestalt der
Bauteile 01 und 02. Gegenstand der Klage ist vielmehr nur ein Verwaltungsakt in Gestalt der Feststellung des
Einheitswerts. Die Aufteilung in Bauteile betrifft nur die rechnerische Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die
Einheitswertfeststellung für das Grundstück als Ganzes. Zu vergleichen ist der Einheitswert unter Berücksichtigung
der vollen Grundfläche für den Bauteil 02 aufgrund des Urteils des FG mit dem Einheitswert in dem angefochtenen
Wertfortschreibungsbescheid. Der Einheitswert laut FG beläuft sich auf 48.300 DM (Miete für den Bauteil
01 2.417 DM zuzüglich Miete für den Bauteil 02 1.646 DM [28 m² x 4,90 DM/m² x 12] = 4.063 DM x 11,9, abgerundet
48.300 DM. Dagegen war in dem angefochtenen Wertfortschreibungsbescheid ein höherer Einheitswert von
48.600 DM festgestellt. Der Umstand, dass das FG selbst bei der Berücksichtigung der vollen Grundfläche für den
Bauteil 02 den Einheitswert im Urteil zugunsten der Kläger herabgesetzt hat, zeigt, dass keine Verböserung vorliegt.
3. Eine Neubewertung des Grundstücks wegen Wegfalls der Mietbeschränkung war zum 01.01.2010 nicht zulässig.
Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) findet eine Fortschreibung auch zur Beseitigung eines
Fehlers der letzten Feststellung statt. Eine Fortschreibung ist vorzunehmen, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass
die Voraussetzungen für sie vorliegen (§ 22 Abs. 4 Satz 1 BewG). Fortschreibungszeitpunkt ist bei einer
fehlerbeseitigenden Fortschreibung der Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird,
bei einer Erhöhung des Einheitswerts jedoch frühestens der Beginn des Kalenderjahrs, in dem der
Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Alternative 2 BewG).
Danach war die Erhöhung des Mietansatzes von 2,37 DM/m² auf 3,20 DM/m² für den Bauteil 01 im angefochtenen
Wertfortschreibungsbescheid auf den 01.01.2010, der am 11.12.2013 ergangen ist, rechtswidrig. Diese
fehlerbeseitigende Wertfortschreibung hätte in dem im Jahr 2013 erteilten Bescheid erst auf den 01.01.2013
vorgenommen werden dürfen. Dies hat das FA im Revisionsverfahren auch nicht mehr bestritten. Insoweit verbleibt es
bei dem bisherigen Wertansatz für den Bauteil 01.
4. Dagegen konnte der Einheitswert für das Grundstück infolge des Ausbaus des Dachgeschosses im Wege einer
Wertfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse erhöht werden. Das FG hat zu Recht entschieden,
dass bei der Ermittlung des Einheitswerts des Grundstücks die Jahresrohmiete für den Bauteil 02 unter
Berücksichtigung einer Wohnfläche von 28 m² (32 m² ./. 10 % Einfamilienhausabschlag) und einer üblichen Miete von
4,90 DM/m² anzusetzen ist.
a) Fortschreibungszeitpunkt ist bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Beginn des Kalenderjahrs, das
auf die Änderung folgt (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG). Mit dem im Jahr 2009 erfolgten Dachgeschossausbau haben
sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert. Eine Wertfortschreibung und damit die Erhöhung des Einheitswerts war
damit zum 01.01.2010 grundsätzlich zulässig, und zwar unabhängig davon, dass die Voraussetzungen für eine
Wertfortschreibung wegen des Wegfalls der Mietbeschränkung zum gleichen Zeitpunkt nicht erfüllt waren. Nach § 27
BewG sind nicht die Wertverhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt, sondern diejenigen im Hauptfeststellungszeitpunkt
maßgebend. Hauptfeststellungszeitpunkt ist der 01.01.1964, der durch Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur
Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13.08.1965 (BGBl 1965, 851) festgelegt wurde.
b) Nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 BewG ist der Wert des Grundstücks für Einfamilienhäuser grundsätzlich im
Ertragswertverfahren (§§ 78 bis 82 BewG) zu ermitteln.
Der Grundstückswert ergibt sich nach § 78 Satz 2 BewG durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die
Jahresrohmiete. Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 BewG ist Jahresrohmiete das Gesamtentgelt, das die Mieter für die
Benutzung des Grundstücks auf Grund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für
ein Jahr zu entrichten haben. Statt dieses Betrags gilt nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BewG die übliche Miete als
Jahresrohmiete für solche Grundstücke, die eigengenutzt sind (Nr. 1) oder die der Eigentümer dem Mieter zu einer um
mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat (Nr. 2).
c) Die übliche Miete ist nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für
Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Zur Schätzung (§ 162 Abs. 1
Satz 1 der Abgabenordnung --AO--) der üblichen Miete ziehen die Finanzbehörden überwiegend Mietspiegel heran,
die regelmäßig nach Baujahren, mietpreisrechtlichen Gegebenheiten, Ausstattungsgruppen und Gemeindegrößen
gegliederte Werte zum Stand vom 01.01.1964 ausweisen. Im Hinblick auf die Ausstattungsgruppen unterteilen die
Mietspiegel meist in einfache, mittlere, gute und sehr gute Ausstattung und legen hierfür Rahmensätze für die
anzuwendenden Mietansätze fest (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 147, Rz 12, 113). Die Heranziehung dieser auf
den Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 aufgestellten Mietspiegel für die Schätzung der üblichen Miete gemäß
§ 79 Abs. 2 Satz 2 BewG auf diesen Zeitpunkt ist zulässig, wenn eine Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren
Vergleich daran scheitert, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte am 01.01.1964 nicht
oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden waren und die Mietspiegel in ihren Aufgliederungen nach
Mietpreisregelungen und den anderen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG maßgebenden Kriterien (insbesondere
Baujahr und Ausstattung) den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die Schätzung der üblichen Miete
entsprechen (BFH-Urteile vom 16.05.2018 - II R 37/14, BFHE 261, 364, BStBl II 2018, 692, Rz 17, m.w.N., und in
BFH/NV 2019, 193, Rz 22). Die Mietspiegel weisen in aller Regel einen Mietansatz in DM oder EUR/m² Nutzfläche pro
Monat aus, wobei die Nutzung bei Einfamilienhäusern zu Wohnzwecken erfolgt. Danach wird der Mietansatz mit der
maßgeblichen Fläche multipliziert.
d) Bei der Bewertung eines Grundstücks ist die übliche Miete für Flächen anzusetzen, die tatsächlich für Wohnzwecke
genutzt werden können. Nicht entscheidend ist, ob diese Flächen bauordnungsrechtlich allen Anforderungen an
Wohn- oder Aufenthaltsräume genügen.
aa) Die Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung vom 01.08.1963 (BGBl I 1963, 594 --II. BVO a.F.--) zur
Berechnung der Wohnfläche sind grundsätzlich nicht anzuwenden, soweit es um die Schätzung der üblichen Miete
nach § 79 Abs. 2 BewG geht. Die §§ 42 bis 44 II. BVO a.F. hatten ihren gesetzlichen Anwendungsbereich
insbesondere im öffentlich geförderten, steuerbegünstigten und freifinanzierten Wohnraum im Sinne des
II. Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) und des Wohnungsbindungsgesetzes (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs
--BGH-- vom 30.11.1990 - V ZR 91/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 912). Dagegen ist der
Wohnungsbegriff des § 75 BewG bewertungsrechtlicher Natur; er ist daher ohne Rücksicht auf Regelungen in einem
Bebauungsplan oder in anderen Gesetzen auszulegen, sofern diese Regelungen eine andere Zielrichtung als das
Bewertungsrecht haben. Deshalb ist z.B. unerheblich, ob das betreffende bebaute Grundstück zu einem durch
Bebauungsplan ausgewiesenen Wochenendhausgebiet gehört oder die zweite Wohnung des Hauses eine
Einliegerwohnung i.S. des § 11 des II. WoBauG ist. Der Wohnungsbegriff im bewertungsrechtlichen Sinne begnügt
sich damit, dass die betreffenden Räume zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet sind, selbst wenn sie
rechtlich nicht zum dauernden Aufenthalt bestimmt sind (BFH-Urteil vom 24.04.1991 - II R 2/89, BFHE 164, 455,
BStBl II 1991, 683).
bb) Die übliche Miete ist nach allgemeiner Auffassung auch für bauordnungswidrige Aufenthaltsräume, die aus
rechtlichen Gründen nicht zur Wohnfläche zählen, anzusetzen. Uneinigkeit herrscht über die Ermittlung der üblichen
Miete in diesen Fällen.
(1) Nach Meinung des FG ist für die Schätzung der üblichen Miete gemäß § 79 Abs. 2 BewG entscheidend, welchen
Einfluss der Ausbau zu Wohnzwecken auf die am Wohnungsmarkt erzielbare Miete hat. Danach hat der Mietmarkt
von 1964, dessen Sichtweise entscheidend sein soll, nach den damaligen Gepflogenheiten ausgebaute Dachböden
bei der Mietpreisbildung auch dann voll berücksichtigt, wenn die Räume im Detail den bauordnungsrechtlichen
Vorschriften nicht entsprochen haben.
Demgegenüber wird vertreten (FG des Saarlandes, Urteil vom 11.06.1992 - 2 K 183/88, EFG 1992, 716, unter
III.2.c bb; FG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.1988 - 11 K 340/85 BG, EFG 1989, 158; ähnlich noch FG Berlin, Urteil vom
31.10.1984 - II 116/81, juris), dass solche bauordnungswidrigen Räume grundsätzlich nicht zur Wohnfläche gezählt
werden dürfen. Jedoch soll ihrem den Mietwert des Hauses steigernden Vorhandensein durch einen zu schätzenden
Zuschlag auf den Mietwert der baurechtlich zugelassenen Wohnräume des Hauses Rechnung getragen werden. Die
Höhe dieses Zuschlags soll nicht nach festen Grenzen, sondern nach den tatsächlichen Umständen des jeweiligen
Einzelfalls bestimmt werden.
(2) Die Bewertung von Räumen, die zwar tatsächlich zum Aufenthalt von Menschen geeignet sind, bei denen dieser
Aufenthalt aber bauordnungsrechtlich nicht zulässig ist, wird auch in der Finanzverwaltung unterschiedlich
vorgenommen.
Es wird vertreten, dass Räume, die voll nutzbar sind, bei der Berechnung der Wohnfläche zur Ermittlung der üblichen
Miete auch voll berücksichtigt werden sollen (vgl. Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vom
07.08.1967 - S 3201-2-V 1, Bew-Kartei NW § 79 BewG C 6). Das soll immer der Fall sein, wenn diese Räume in
einem Vollgeschoss liegen (vgl. z.B. Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz vom 28.06.1972 - S 3201 A/406, Bew-
Kartei RP § 79 BewG Wohnfläche Karte 5).
Demgegenüber soll das Mehr an Mietwert durch eine entsprechende Erhöhung des m²-Preises der Wohnfläche zu
berücksichtigen sein. Dies soll geschehen, indem für die Fläche dieser Zubehörräume etwa die Hälfte der m²-Miete für
Wohnräume angesetzt wird (Bayerisches Landesamt für Steuern vom 17.05.2010 - S 3202.1.1-1/2 St 34, Bew-Kartei
BY § 79 Abs. 2 BewG Karte 2). Auch die vom FG zitierte Rundverfügung Nr. 57/1986 der Oberfinanzdirektion Berlin
vom 14.07.1986 geht von einer Anrechnung zu ½ aus, wenn es sich etwa um separate, nicht mit der Wohnung
unmittelbar verbundene Hobbyräume handelt.
(3) In der Literatur (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 79 Rz 68) wird gleichfalls die Auffassung vertreten, Räume
in Dachgeschossen, die baurechtlich nicht als Aufenthaltsräume anzusehen sind, tatsächlich aber als solche genutzt
werden, müssten bei der Schätzung der üblichen Miete noch zusätzlich erfasst werden. Bei ausgebauten Räumen in
Dachgeschossen, die nicht separat, sondern mit der Wohnung verbunden sind, sollen die allgemeinen Vorschriften
gelten. Daneben wird vorgeschlagen (vgl. Mannek in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 79 BewG Rz 102.1),
diese Räume zwar nicht zur Wohnfläche zu rechnen, die Mietwerterhöhung jedoch z.B. durch einen Zuschlag zur
Spiegelmiete zu berücksichtigen.
cc) Die Entscheidung, nach welcher Methode (Vergrößerung der Wohnfläche, Veränderung des Mietansatzes oder
Zuschlag) bauordnungsrechtswidrige Dachausbauten bei der Ermittlung der üblichen Miete zu berücksichtigen sind,
ist grundsätzlich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. Allgemein gültige Regeln für die
Berücksichtigung von bauordnungsrechtswidrigen Aufenthaltsräumen dem Grunde und vor allem der Höhe nach
lassen sich nicht aufstellen. Es bedarf einer Einzelfallprüfung, ob und inwieweit solche Räume den Ansatz der
üblichen Miete i.S. des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG beeinflussen, die in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen
ist, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Jede Ermittlung eines
Grundstückswerts ist wegen der Schätzung der üblichen Miete von vornherein mit Unsicherheiten belastet. Eine
Abweichung, die im einen oder anderen Sinne unvermeidbar ist, kann nicht in ein Denkschema eingeordnet werden,
das nur "richtig" oder "falsch" kennt (BFH-Vorlagebeschluss vom 18.12.1972 - II R 87-89/70, BFHE 108, 393, BStBl II
1973, 329, unter C.II.2.e).
Maßgeblich ist, welche Flächen vom Markt als Wohnflächen akzeptiert werden und somit entscheidend für die
Wertermittlung sind (Münzenmaier, Grundstücksmarkt und Grundstückswert 2013, 214). Bei der Schätzung der
üblichen Miete kommt es darauf an, welchen Einfluss der Ausbau von Zubehörräumen zu Wohnzwecken auf die am
Wohnungsmarkt erzielbare Miete hat (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 79 Rz 68). Hier spielt auch eine Rolle,
dass etwaige öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen von Räumen im Dachgeschoss den Mieter zivilrechtlich
nicht zur Minderung der Miete berechtigen, wenn die Nutzbarkeit dieser Räume mangels Einschreitens der
zuständigen Behörden nicht eingeschränkt war (vgl. BGH-Urteil vom 16.09.2009 - VIII ZR 275/08, NJW 2009, 3421).
dd) Nach alldem ist der Ansatz der Fläche für das ausgebaute Dachgeschoss von 28 m² (nach Abzug des Abschlags
von 10 % für das Einfamilienhaus) durch das FG nicht zu beanstanden. Insoweit hat das FG maßgeblich darauf
abgestellt, dass die von den Klägern vorgelegte Flächenberechnung des Architekten beim Dachgeschoss bereits eine
teilweise nur halbe Anrechnung der Flächen wegen der Deckenhöhen zwischen 1 m und 2 m berücksichtigt hat und
deshalb für eine weitere Verminderung der nutzbaren Fläche kein Anlass bestand. Im Dachgeschoss befindet sich
kein Hobbyraum, wie das FA angenommen hat, sondern ein Kinderzimmer, das über eine Treppe mit den unteren
Räumen verbunden ist. An diese Feststellungen des FG zur nutzbaren Fläche des bauordnungsrechtswidrig
ausgebauten Dachgeschosses ist der BFH als Revisionsinstanz gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, wenn sie --wie
im Streitfall-- keinen Rechtsirrtum enthalten, nicht gegen anerkannte Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verstoßen und nicht auf Verfahrensmängeln beruhen.
ee) Auch der Ansatz einer üblichen Miete von 4,90 DM/m² für den Bauteil 02 ist aufgrund des einschlägigen
Mietspiegels möglich. Nach den Feststellungen des FG hatte schon der vorhandene Gebäudebestand in Gestalt des
Bauteils 01 den Ausstattungsstandard "gut", so dass dieser auf Bauteil 02 übertragen werden konnte.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BFH
Erscheinungsdatum:18.09.2019
Aktenzeichen:II R 15/16
Normen in Titel:AO § 162 Abs. 1 S. 1; BewG §§ 22, 27, 75, 76 Abs. 1 Nr. 4, 78 S. 2, 79 Abs. 1 u. 2; FGO §§ 76 Abs. 2, 96 Abs. 1 S. 2, 118 Abs. 2