OLG Frankfurt a. Main 23. Oktober 2023
21 W 69/23
BGB §§ 2048, 2084, 2270, 2271

Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments

letzte Aktualisierung: 29.1.2024
OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.10.2023 – 21 W 69/23

BGB §§ 2048, 2084, 2270, 2271
Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments

1. Einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament mit wechselbezüglicher Schlusserbeneinsetzung
der Abkömmlinge kann ohne weitere Anhaltspunkte regelmäßig nicht allein im Wege der
ergänzenden Auslegung entnommen werden, dass dem überlebenden Ehegatten trotz grundsätzlich
bindend gewordener Einsetzung des Abkömmlings als Vollerbe die zur Einrichtung eines
sogenannten Behindertentestaments erforderlichen Eingriffe (Bestellung eines
Testamentsvollstreckers und Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft) in die Rechtsstellung des
Schlusserben gestattet sein sollen.
2. Zur Auslegung der Klausel eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments, wonach Teile des
Immobilienvermögens eines der Ehegatten nicht von dem Testament umfasst sein sollen.

Gründe

I.
Die seit dem XX.XX.1982 verwitwete Erblasserin ist am XX.XX.2022 mit letztem gewöhnlichen
Aufenthalt in Stadt2 verstorben. Bei der Beteiligten zu 1) und dem wegen einer Behinderung
unter gesetzlicher Betreuung stehenden Beteiligten zu 2) handelt es sich um die einzigen
Abkömmlinge der Eheleute.

Folgende letztwillige Verfügungen der Erblasserin liegen vor:

Gemeinschaftliches, von ihrem Ehemann geschriebenes und von der Erblasserin mitunterzeichnetes
handschriftliches Testament vom 08.01.1974 (Bl. 7 ff. der Testamentsakte). Die
Eheleute setzten sich darin zu Alleinerben mit der Maßgabe ein, „dass der Überlebende von
uns unbeschränkt und frei über das gemeinsame Vermögen verfügen darf“. Insbesondere
sollte dies für die im gemeinschaftlichen Eigentum beider Eheleute stehende Immobilie
A-Straße 3 in Stadt1 gelten.

Unter II. ordneten die Eheleute an, dass der Überlebende „verpflichtet“ sein sollte, den gesamten
Nachlass an die Beteiligten zu 1) und 2) als die gemeinsamen Kinder der Eheleute
„weiterzuvererben“, wobei diese „Verpflichtung zur Weitervererbung“ jedoch die „Verfügungsfreiheit“
des Überlebenden über den Nachlass „nicht berühren“ sollte. Unter Ziffer III
sah das gemeinschaftliche Testament eine Verpflichtung des überlebenden Ehegatten vor, im
Falle seiner Wiederverheiratung Gütertrennung zu vereinbaren, damit zugunsten der Beteiligten
zu 1) und 2) „keine Vermischung des Vermögens des überlebenden Ehegatten mit dem
Vermögen des anderen eintritt“. Ferner wurde dort eine Einigkeit der testierenden Ehegatten
über den Umstand festgehalten, dass die Erblasserin von ihren Eltern die Eigentumswohnungen
A-Straße 2 und B-Straße 1 in Stadt1 ererbt habe. Sodann heißt es „Diese Eigentumswohnungen
fallen nicht unter dieses Testament“.

Unter IV trafen die Eheleute für den Fall, dass eines ihrer Kinder das Testament „nicht anerkennen“
sollte, „als daß der Pflichtteil geltend gemacht wird“, eine Regelung, wonach der
überlebende Ehegatte „weder rechtlich noch moralisch verpflichtet“ sein sollte, „auch nur einen
Teil des Nachlasses auf das Kind oder dessen Kinder zu übertragen“. Die „Verpflichtung
zur Übertragung des Nachlasses“ bestehe für diesen Fall nur zugunsten des Kindes, welches
den Pflichtteil nicht geltend gemacht habe.

Der Ehemann der Erblasserin ist am XX.XX.1982 vorverstorben.

Unter dem 14.05.2002 errichtete die Erblasserin sodann einen eigenhändigen Nachtrag zu
dem gemeinschaftlichen Testament vom 08.01.1974, mit dem sie als „zusätzliche Erben“ ihre
beiden Enkelkinder Vorname1 und Vorname2 Nachname1 einsetzte.

Mit eigenhändigem Testament vom 20.06.2005 widerrief die Erblasserin diesen Nachtrag sodann
und beschwerte die Beteiligten zu 1) und 2) als ihre „Erben“ mit Vermächtnissen zugunsten
beider Enkelkinder.

Zuletzt errichtete die Erblasserin unter dem 01.07.2015 ein notarielles Testament (UR
…/2015 des Notars C, Stadt3), wonach sie durch das gemeinschaftliche Testament vom
08.06.1974 nicht in ihrer Befugnis zu Verfügungen von Todes wegen beschränkt worden sei
(Ziffer I). Alle etwaigen früheren Testamente wurden von ihr widerrufen (Ziffer II § 1). Als ihren
Erben berief sie nunmehr (Ziffer II § 2) die Beteiligten zu 1) und 2) mit der Maßgabe,
dass der von ihr in diesem Zusammenhang als ihr „behinderter Sohn“ angesprochene Beteiligte
zu 2) zum befreiten Vorerben und seine Abkömmlinge (Enkelkinder der Erblasserin) Vorname1
und Vorname2 Nachname1 für den Fall seines Todes zu Nacherben bestimmt werden.
Zugleich ordnete die Erblasserin (Ziffer II § 5) eine Dauertestamentsvollstreckung über den
Erbteil des Beteiligten zu 2) an. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beteiligte zu 2) im
Hinblick auf seine Behinderung dauerhaft außerstande sei, den Nachlass zu verwalten. Zur
Testamentsvollstreckerin bestimmte die Erblasserin die Beteiligte zu 1). Der Zweck der Testamentsvollstreckung
wurde dahingehend bestimmt, dass der Beteiligte zu 2) hierdurch aus
seiner Beteiligung am Nachlass dauerhaft einen angemessenen Lebensstandard erhalten solle,
der über das Niveau der Sozialhilfe hinausgeht. Insoweit traf die Erblasserin verschiedene
Verwaltungsanordnungen, darunter auch die Anweisung, dass die Testamentsvollstreckerin
berechtigt sein solle, „die Immobilie“ zu verwalten und zu veräußern.

Bei Ableben der Erblasserin am XX.XX.2022 befand sich von den in dem gemeinschaftlichen
Testament vom 08.01.1974 als darin ausgenommenen Teil ihres elterlichen Erbes bezeichneten
beiden Immobilien die Eigentumswohnung A-Straße 2 noch in ihrem Eigentum. Die weitere
dort genannte Immobilie B-Straße 1 war von ihr zwischenzeitlich veräußert worden. Ferner
stand die Immobilie A-Straße 3 in ihrem Alleineigentum.

Die Beteiligte zu 1) hat mit Erklärung vom 12.07.2022 (Bl. 1 d.A.) das Testamentsvollstreckeramt
angenommen. Mit notariellem Antrag vom 06.09.2022 (Bl. 4 d.A.) in Verbindung mit
Ergänzungsantrag vom 11.10.2022 (Bl. 10 ff. d.A.) hat sie die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses
beantragt, das sie als Dauertestamentsvollstreckerin über den Nachlass
ausweisen soll.

Der für den Beteiligten zu 2) eingesetzte Betreuer des Beteiligten zu 2) hat für diesen mit
notariellem Antrag vom 12.10.2022 (Bl. 17 d.A.) die Erteilung eines Erbscheins beantragt,
mit dem die Beteiligten zu 1) und 2) aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom
08.01.1974 als Miterben der Erblasserin zu je ½ ausgewiesen werden sollen. Soweit der Beteiligte
zu 2) in dem notariellen Einzeltestament der Erblasserin vom 01.07.2015 durch Anordnung
einer Vor- und Nacherbschaft sowie Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung
in der ihm nach dem früheren Testament von 1974 zugewiesenen Stellung als Vollerbe einschränkt
worden sei, seien diese Anordnungen wegen Verstoßes gegen die Bindungswirkung
seiner wechselbezüglichen Einsetzung als Vollerbe aus dem gemeinschaftlichen Testament
vom 08.01.1974 unwirksam. Der Beteiligte zu 2) ist zugleich dem Antrag der Beteiligten zu
1) auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses entgegengetreten. Die Anordnung
einer Testamentsvollstreckung scheitere bereits an ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit, da sich
im Nachlass zwei Immobilien befänden, während die Erblasserin in ihren Verwaltungsanordnungen
nur von „der Immobilie“ gesprochen habe.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 24.03.2023 (Bl. 61 d.A.) den Antrag der Beteiligten
zu 1) auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen. Die Anordnung
der Testamentsvollstreckung aus dem notariellen Einzeltestament der Erblasserin vom
01.07.2015 sei unwirksam, da sie in Widerspruch zur Bindungswirkung einer in dem gemeinschaftlichen
Ehegattentestament der Erblasserin vom 08.01.1974 im Wege der Auslegung
enthaltenen und wechselbezüglichen Einsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) als Schlusserben
der Erblasserin stehe. Insbesondere könne nicht angenommen werden, dass sie auch
dem Willen des vorverstorbenen Ehegatten der Erblasserin entsprochen habe.
Zugleich hat das Nachlassgericht mit Beschluss gleichfalls vom 24.03.2023 (Bl. 62 d.A.) die
zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) am 12.10.2022 beantragten Erbscheins erforderlichen
Tatsachen für festgestellt erachtet. Die Erteilung des Erbscheins ist bis zur Rechtskraft
des Beschlusses zurückgestellt worden.

Zur Begründung der Erteilung hat das Nachlassgericht ausgeführt: Für die Erbfolge sei das
als wechselbezügliche Einsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) als testamentarische Schlusserben
der Eheleute auszulegende Testament der Eheleute vom 08.01.1974 maßgeblich. Soweit
von den Eheleuten darin eine bloße Verpflichtung des Überlebenden zur Weitervererbung
des Nachlasses an die Kinder der Eheleute formuliert worden war, sei dies vor dem Hintergrund
der von den Eheleuten nach dem Gesamtinhalt ihrer übrigen Anordnungen beabsichtigten
Bindungswirkung hinsichtlich einer uneingeschränkten Erbenstellung der gemeinsamen
Kinder und gemäß § 2084 BGB im Sinne einer Einsetzung der gemeinschaftlichen Kinder als
Schlusserben der Eheleute auszulegen, für die von den Eheleuten eine Wechselbezüglichkeit
nach §§ 2270, 2271 BGB gewollt gewesen war. Die von der Erblasserin in ihrem nach Vorversterben
ihres Ehemannes errichteten Einzeltestament vom 01.07.2015 angeordnete Beschränkung
des Beteiligten zu 2) auf die Stellung eines Vorerben mit Nacherbschaft der Beteiligten
zu 1) oder der von der Erblasserin bestimmen Ersatznacherben sei damit wegen
Verstoßes gegen diese Bindungswirkung unwirksam.

Die Beteiligte zu 1) wendet sich mit ihrer am 14.04.2023 eingereichten Beschwerde (Bl. 72
ff. d.A.) gegen diesen ihr am 28.03.2023 zugestellten Beschluss und macht geltend, das
Nachlassgericht habe nicht schon allein daraus auf eine Wechselbezüglichkeit der Einsetzung
der Beteiligten zu 1) und 2) als Schlusserben schließen dürfen, dass die Schlusserbenbestimmung
in einem gemeinschaftlichen Testament erfolgt war. Die Wechselbezüglichkeit verstehe
sich gerade nicht von selbst, wo von Ehegatten die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben bestimmt
worden waren. Jedenfalls habe das Nachlassgericht aber unberücksichtigt gelassen,
dass nach dem Inhalt des Testaments vom 08.01.1974 die nachlasszugehörige Immobilie
A-Straße 2 von dessen Geltung und damit einer etwaigen Bindungswirkung ausgenommen
worden war. Die Erblasserin habe deshalb jedenfalls im Hinblick auf dieses Immobiliarvermögen
anderweitig verfügen dürfen.

Der Beteiligte zu 2) ist der Beschwerde der Beteiligten zu 1) unter Verteidigung der angefochtenen
Entscheidungen entgegengetreten.

II.
1. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) ist gemäß § 58 FamFG statthaft und fristgerecht innerhalb
eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Nachlassgericht
eingegangen, § 63 FamFG. Die Beteiligte zu 1) ist hinsichtlich der Zurückweisung ihres Antrags
auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses in ihrer Stellung als Antragstellerin
und hinsichtlich der Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins in ihrer
Stellung als Erbprätendentin beschwerdebefugt (vgl. Sternal/Meyer - Holz, FamFG, 2023,
§ 59 Rn 80).

2. Die gegen die Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins gerichtete
Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat auch in der Sache Erfolg.

Zwar konnte die Erblasserin den in dem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahre 1974
unbeschränkt zum Schlusserben zu ½ bestimmten Beteiligten zu 2) infolge einer Bindungswirkung
dieses Testaments nicht nachträglich durch das von ihr 2015 notariell errichtete Testament
als bloßen Vorerben mit Nacherbschaft der Beteiligten zu 1) einsetzen.
In dem beantragten Erbschein ist jedoch der Umstand unberücksichtigt geblieben, dass die
Erblasserin hinsichtlich der im Nachlassvermögen vorhandenen Immobilie A-Straße 2 aufgrund
eines in dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vom 08.01.1974 insoweit wirksam
enthaltenen Abänderungsvorbehalts auch nach Ableben ihres vorverstorbenen Ehemannes
zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung des in dem Testament zum Mit-
Schlusserben bestimmten Beteiligten zu 2) berechtigt war. Im Umfang dieses Freistellungsvorbehalts
erweist sich die in dem notariellen Testament der Erblasserin vom 01.07.2015
enthaltene Anordnung einer Testamentsvollstreckung über den Erbteil des Beteiligten zu 2)
als wirksam und hätte daher durch einen in den Erbschein aufgenommenen Testamentsvollstreckervermerk
berücksichtigt werden müssen. In der beantragten Fassung vom 12.10.2022
ist der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2) nicht erteilungsfähig gewesen.

a) Die Beteiligten zu 1) und 2) sind in dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute vom
08.01.1974 allerdings im Ausgangspunkt zu gleichen Teilen als unbeschränkte Schlusserben
des letztverstorbenen Ehegatten bestimmt worden.

Soweit die Eheleute in diesem Testament eine Verpflichtung des Überlebenden zur Weitergabe
bzw. Weitervererbung des ihm von dem Vorverstorbenen angefallenen Erbes ausgesprochen
hatten, ist dies im Sinne einer Einsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) als gemeinsamer
Erben des Letztverstorbenen auszulegen.

aa) Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen.
Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist jedoch nicht bindend. Vielmehr sind
der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen,
was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben
hat, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH NJW 1993, 256 m.w.N.). Maßgeblich ist insoweit
allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe (BGH FamRZ
1987, 475, 476; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2084 Rn. 1). Zur Ermittlung des
Inhalts der testamentarischen Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde
einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen
und zu würdigen (BGH NJW 1993, 256 m.w.N.). Solche Umstände können vor oder auch
nach der Errichtung des Testamentes liegen. Dazu gehört das gesamte Verhalten des Erblassers,
seine Äußerungen und Handlungen (Grüneberg/Weidlich, a.a.O., § 2084 BGB Rn. 2
m.w.N.), jedoch müssen sich mit Blick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB für einen
entsprechenden Willen des Erblassers in der letztwilligen Verfügung - wenn auch nur andeutungsweise
- Anhaltspunkte finden lassen (vgl. BGHZ 80, 242, 244; BGHZ 86, 41; Grüneberg/
Weidlich, a.a.O., § 2084 Rn. 4).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Formulierung aus dem gemeinschaftlichen Testament
der Eheleute, wonach der überlebende Ehegatte verpflichtet sei, den ihm bei Ableben des
vorverstorbenen Ehemannes angefallenen Nachlass an die gemeinsamen Kinder weiterzuvererben,
im Sinne einer Einsetzung der gemeinsamen Kinder als Schlusserben auszulegen.
Denn eine bloße schuldrechtliche Verpflichtung des überlebenden Ehegatten zur Errichtung
einer letztwilligen Verfügung mit dem Inhalt einer Erbeinsetzung der gemeinsamen Kinder
wäre gemäß § 2302 BGB nichtig. Sie kann jedoch gemäß § 2084 BGB im Wege der Umdeutung
als Erbeinsetzung der Kinder aufrechterhalten werden (vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB,
2023, § 2302 BGB Rn. 6). Der Gesamtinhalt des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute
lässt einen zweifelsfreien Rückschluss zu, dass die von ihnen formulierte Verpflichtung des
Überlebenden als eine solche Erbeinsetzung gemeint war oder jedenfalls von ihnen als Erbeinsetzung
formuliert worden wäre, wenn sie sich des Verbots aus § 2302 BGB bei Errichtung
des Testaments bewusst gewesen wären. Denn erkennbar sollte der Nachlass des überlebenden
allein an die gemeinschaftlichen Kinder fallen und waren andere Personen nicht als
Erben vorgesehen oder gewollt.

b) Ferner ist grundsätzlich auch davon auszugehen, dass die Einsetzung der gemeinschaftlichen
Kinder als Erben des überlebenden Ehegatten in dem für den Eintritt einer Bindungswirkung
nach §§ 2270, 2271 geforderten Verhältnis der Gegenseitigkeit zur Einsetzung des
überlebenden Ehegatten als Erbe des Vorverstorbenen gestanden hat. Die Erblasserin war
damit bei Beurkundung ihres notariellen Einzeltestaments vom 01.07.2015 vorbehaltlich eines
ihr von den Eheleuten eingeräumten Abänderungsvorbehalts gehindert, die Rechtsstellung
des in dem Testament aus dem Jahre 1974 zum unbeschränkten Mit-Schlusserben bestimmten
Beteiligten zu 2) durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung und Einsetzung
als bloßer Vorerbe nachträglich zu verschlechtern.

aa) Dabei ist im Wege einer Auslegung der in dieser Hinsicht teils allerdings ungenauen Formulierungen
der Eheleute von einem letztlich auf Einsetzung des überlebenden Ehegatten
zum alleinigen Vollerben des vorverstorbenen Ehegatten auszugehen.

Zwar mag die in III a) des gemeinschaftlichen Testaments getroffene Anordnung der Eheleute,
dass der überlebende Ehegatte im Falle seiner Wiederverheiratung Gütertrennung vereinbaren
müsse, um eine „Vermischung des Vermögens des überlebenden Ehegatten mit dem
Vermögen des anderen“ zu verhindern, für sich genommen nahe legen können, dass der dem
überlebenden Ehegatten angefallene Nachlass des Letztverstorbenen nicht in dessen Gesamtvermögen
eingehen, sondern als vom Eigenvermögen des Überlebenden getrennte Vermögensmasse
an die Kinder als Schlusserben gehen sollte. Dass eine solche Einsetzung des
überlebenden Ehegatten zum bloßen Vorerben des vorverstorbenen Ehegatten mit Nacherbschaft
der gemeinsamen Kinder bei Ableben des überlebenden Ehegatten nicht gewollt gewesen
sein kann, ergibt sich jedoch hinreichend zweifelsfrei aus den übrigen Anordnungen des
Testaments, wonach dem Überlebenden das „gemeinsame Vermögen“ unbeschränkt zustehen
solle (Ziffer II) und „der gesamte“, also von den Eheleuten ersichtlich als Einheit aufgefasste
Nachlass bei Ableben des Überlebenden an die gemeinsamen Kinder fallen sollte.

bb) Diese Einsetzung der Kinder als gemeinsame Schluss-Vollerben des überlebenden Ehegatten
hat auch in dem für den Eintritt einer Bindungswirkung nach §§ 2270, 2271 BGB erforderlichen
Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zur Einsetzung der überlebenden Erblasserin
als Vollerbin ihres vorverstorbenen Ehemannes gestanden.

Gemäß § 2270 Abs. 1 BGB sind letztwillige Verfügungen, die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen
Testament getroffen haben, dann wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass
die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen
worden wäre. Dafür ist maßgeblich, ob diejenige Verfügung, um deren Wechselbezüglichkeit
es jeweils geht, nach dem Willen der Eheleute mit Rücksicht auf eine Verfügung des anderen
Ehegatten getroffen worden war und gleichsam mit dieser stehen und fallen sollte. Ob
dies der Fall ist, muss im Wege der Testamentsauslegung entschieden werden.

Eine ausdrückliche Anordnung zur Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des überlebenden
Ehegatten als Vollerbe des Vorverstorbenen mit der Einsetzung der gemeinsamen Kinder als
Vollerben des Letztverstorbenen ist in dem Testament der Eheleute zwar nicht enthalten. Sie
ergibt sich jedoch aus dem Testament schon im Wege einer zur Zweifelsregelung des § 2270
Abs. 2 BGB vorrangigen Ermittlung des konkreten Erblasserwillens. Wenn die Eheleute in IV
des gemeinschaftliche Testaments festgelegt haben, dass die Verpflichtung des überlebenden
Ehegatten zur Weiterleitung des Nachlasses an die gemeinsamen Kinder entfallen solle, sofern
eines der Kinder das Testament durch Geltendmachung des Pflichtteils angreifen sollte,
wird daraus im Umkehrschluss deutlich, dass von den Eheleuten ansonsten eine Bindung des
überlebenden Ehegatten auch über den Tod des Vorverstorbenen hinaus an die Schlusserbeneinsetzung
der gemeinsamen Kinder gewollt gewesen ist. Es kommt dann nicht mehr darauf
an, dass die Wechselbezüglichkeit zudem ohnedies nach der Zweifelsregelung aus § 2270
Abs. 2 BGB zu vermuten stünde.

c) Ist in einem gemeinschaftlichen Testament durch eine wechselbezügliche Verfügung ein
unbeschränkter Erbe eingesetzt worden, stellt die Anordnung einer Testamentsvollstreckung
eine beeinträchtigende Verfügung dar und ist damit unwirksam (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss
vom 05.05.2003 - 20 W 279/01 - juris; OLG Köln, Beschluss vom 05.08.2013 - I-2
Wx 198/13, ZErb 2014, 118, juris, Rn. 19). Gleiches gilt, sofern der in dem Testament als
Vollerbe eingesetzte Schlusserbe von dem überlebenden Ehegatten durch nachträgliche Anordnung
auf die Stellung eines bloßen Vorerben beschränkt wird.

Dabei hat die Auslegung allerdings auch zu berücksichtigen, dass es den Ehegatten freisteht,
ob und inwieweit von ihnen eine solche Wechselbezüglichkeit gewollt ist. Dem nunmehrigen
Erblasser kann deshalb in dem gemeinschaftlichen Testament hinsichtlich der Verfügung, um
deren mögliche Bindungswirkung es nunmehr geht, auch das Recht eingeräumt worden sein,
die wechselbezügliche Verfügung nach dem Tod des anderen Ehegatten einseitig aufzuheben
oder zu ändern, ohne dass der wechselbezügliche Charakter dieser Verfügung damit ansonsten
in Frage gestellt wäre (vgl. BGH NJW 1964, 2056; juris, Rn. 40 ff.). (vgl. Grüneberg/
Weidlich, BGB, 2023, § 2271 BGB Rn. 20). In welchem Umfang dies der Fall ist, muss
durch Auslegung des Testaments geklärt werden. Der Vorbehalt muss sich auf die Befugnis
zu abweichenden Verfügungen von Todes wegen beziehen. Er braucht aber nicht ausdrücklich
erklärt zu sein. Vielmehr kann auch im Wege der Auslegung ermittelt werden. In den allgemeinen
Grenzen einer ergänzenden Testamentsauslegung kann dem Testament dabei ein
darin nicht ausdrücklich formulierter Änderungsvorbehalt auch durch ergänzende Auslegung
zu entnehmen sein (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 1992, 608, juris, Rn. 21; Grüneberg/Weidlich,
BGB, 2023, § 2271 BGB Rn. 21).

aa) Dem Testament der Eheleute kann nach diesen Grundsätzen nicht entnommen werden,
dass die Erblasserin als überlebender Ehegatte für den gesamten ihr angefallenen Nachlass
dazu berechtigt gewesen sein soll, die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 08.01.1974
angeordnete Stellung des Beteiligten zu 2) als nicht durch Testamentsvollstreckung beschränkter
Schlusserbe durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung und Beschränkung
auf die Stellung eines bloßen Vorerben zu verschlechtern.

(1) Eine solche Auslegung lässt sich insbesondere auch nicht darauf stützen, dass die Eheleute
sich wechselseitig das Recht zur unbeschränkten und freien Verfügung über das dem Überlebenden
angefallene gemeinsame Vermögen eingeräumt hatten und nach Ziffer II diese
„Verfügungsfreiheit über den Nachlass“ auch durch die dort geregelte, nach den vorstehenden
Ausführungen als Erbeinsetzung auszulegende „Verpflichtung zur Weitervererbung“ unberührt
bleiben sollte.

(a) Ist in einem Testament ohne sonstige Besonderheiten und im unmittelbaren Zusammenhang
mit der wechselseitigen Erbeinsetzung der Eheleute formuliert worden ist, dass der
überlebende Ehegatte über den beiderseitigen Nachlass „frei“ oder „unbeschränkt“ verfügen
könne, kommt zwar nach Lage des Einzelfalls auch eine Auslegung dahin in Betracht, dass
dem überlebenden Ehegatten auch eine Abweichung von der wechselbezüglichen Berufung
des Schlusserben durch letztwillige Verfügung gestattet werden soll (vgl. OLG Frankfurt
FamRZ 2021, 1757, juris, Rn. 26 ff. m.w.N.). Ebenfalls nahe liegen kann aber auch die Auslegung,
dass der überlebende Ehegatte damit nur hinsichtlich lebzeitiger Verfügungen über den
ihm angefallenen Nachlass freier als sonst gestellt werden sollte, insbesondere dadurch, dass
er auch von dem anderenfalls von ihm in entsprechender Anwendung des § 2287 BGB zu beachtenden
Verbots lebzeitiger, den Erwerb des Schlusserben beeinträchtigender Schenkungen
freigestellt werden soll. In diesem Fall bleibt hinsichtlich letztwilliger Verfügungen die aus der
Wechselbezüglichkeit folgende Bindungswirkung bestehen (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 2014,
965; BayObLG NJW-RR 2002, 1160; OLG Hamburg ZEV 1997, 504).

(b) Von der letzteren, allein auf Ermöglichung lebzeitiger Verfügungen gerichteten Willensrichtung
der testierenden Eheleute ist auch hier auszugehen. Dafür spricht insbesondere
auch in diesem Zusammenhang die Fassung der in Ziffer IV des Testaments enthaltenen
Pflichtteilsklausel. Wenn der überlebende Ehegatte nach der dort getroffenen Regelung im
Falle, dass eines der beiden Kinder seinen Pflichtteil geltend machen sollte, „weder rechtlich
noch moralisch verpflichtet“ sein sollte, den Nachlass diesem Kind zukommen zu lassen, setzt
dies notwendig voraus, dass der überlebende Ehegatte umgekehrt hinsichtlich der Verfügung
über seinen Nachlass gebunden sein sollte, falls von den gemeinsamen Kindern bei Ableben
des vorverstorbenen Elternteils von der Geltendmachung des Pflichtteils Abstand genommen
worden war.

(2) Eine den Gesamtnachlass der Erblasserin umfassende Befugnis zur Verschlechterung der
Stellung der gemeinsamen Kinder als unbeschränkter Vollerben des letztversterbenden Elternteils
kann dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute auch nicht im Wege der ergänzenden
Auslegung entnommen werden.

Soweit hierfür erforderlich ist, dass die letztwillige Verfügung der Erblasserin eine ungewollte
Regelungslücke aufweist (vgl. BGH NJW-RR 2017, 1035, juris, Rn. 13 f.), mag zwar jedenfalls
dann von einer solchen Regelungslücke auszugehen sein, wenn die Eheleute nicht schon bei
Errichtung ihres Testaments im Jahre 1974 damit gerechnet und den Fall bedacht hatten,
dass für den Beteiligten zu 2) infolge seiner Behinderung das Bedürfnis für die Einrichtung einer
gesetzlichen Betreuung und die Gefahr entstehen konnte, dass ein ihm als Erbe zugefallenes
Vermögen von den zuständigen Trägern der Sozialhilfe zur Deckung des ihnen aus Versorgung
des Beteiligten zu 2) entstandenen Aufwands herangezogen werden könnte. Die Regelungslücke
wäre dann darin zu sehen, dass die Eheleute bei Abfassung des Testaments im
Jahre 1974 eine Behinderung des Beteiligten zu 2) und sein Angewiesensein auf Sozialleistungen
nicht in Rechnung gestellt hatten und von ihnen damit auch unberücksichtigt geblieben
war, dass der ihm zugedachte Erbteil im Falle seines Sozialleistungsbezugs und ohne die
Wahl einer besonderen, darauf bezogenen Testamentsgestaltung (sog. Bedürftigen- bzw. Behindertentestament)
wirtschaftlich nicht dem Beteiligten zu 2), sondern dem zuständigen
Leistungsträger zugutekommen werde.

Dass Erwägungen zur Schließung einer derartigen Regelungslücke hinter dem notariellen Testament
der Erblasserin vom 01.07.2015 gestanden haben müssen, ergibt sich zweifelsfrei
aus dessen Abschnitt IV. Die dort geregelte Kombination der Einsetzung des behinderten Kindes
als Vorerbe mit Nacherbschaft der Beteiligten zu 1) als enger Verwandter sowie Einsetzung
als Testamentsvollstreckerin mit der Aufgabenstellung, die dem Beteiligten zu 2) zustehenden
Mittel der Erbschaft in einer Weise zu verwenden, die dem Zugriff des zuständigen
Sozialhilfeträgers nach Möglichkeit entzogen bleibt, entspricht einem gängigen Gestaltungsvorschlag
(vgl. z.B. Otto, in: Münchener Vertragshandbuch Bd. 6.2, Formular XII 18 =
S. 993 ff.), der auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung seit längerem als grundsätzlich
zulässig und sachgerecht angesehen wird (vgl. BGH NJW 2020, 58, juris, Rn. 12 mwN).
Zweifel an einer von den Eheleuten nicht vorhergesehenen Regelungslücke mögen allenfalls
dann bestehen, falls die Behinderung des Beteiligten zu 2) und sein daraus erwachsender Bedarf
nach staatlichen Fürsorgeleistungen für die testierenden Eheleute schon im Jahre 1974
bekannt oder jedenfalls als naheliegend absehbar war und die Eheleute gleichwohl von den
schon damals für die Fallgestaltung eines Bedürftigentestaments bekannten Gestaltungsformen
abgesehen hatten.

Dies muss hier aber nicht näher aufgeklärt werden.

Denn es fehlt jedenfalls an der weiteren Voraussetzung für eine ergänzende Testamentsauslegung
dahin, dass die Ehegatten der Erblasserin eine Beschränkung der Schlusserbenstellung
des Beteiligten zu 2) durch die für ein solches Behindertentestament erforderlichen Regelungen
gestattet hätten, falls sie dieses ihnen bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments
im Jahre 1974 unbekannte Erfordernis vorausgesehen und berücksichtigt hätten.
Voraussetzung für die ergänzende Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments ist neben
dem Vorliegen einer Regelungslücke des Weiteren auch, dass sich gerade die in Frage stehende
Ergänzung als Ergebnis der hypothetischen Willensrichtung der Erblasser ermitteln
lässt, mit der sie die Lücke geschlossen hätten. Dabei handelt es sich nicht um den mutmaßlichen
wirklichen Willen der Erblasser, sondern den Willen, den sie vermutlich gehabt hätten,
wenn sie die planwidrige Unvollkommenheit ihrer Verfügung im Zeitpunkt der Errichtung erkannt
hätten. Erforderlich ist deshalb, dass die für die Lückenschließung in Aussicht genommene
Regelung, hier ein Änderungsvorbehalt, der gerade die von der Erblasserin gewählte
Variante eines Behindertentestaments abdeckt, auf eine bestimmte, durch Auslegung der
letztwilligen Verfügung erkennbare Willensrichtung des Erblassers zurückgeführt werden
kann (vgl. BGH NJW-RR 2017, 1035, juris, Rn. 24). Jedenfalls daran fehlt es.

Selbst wenn den testierenden Eheleuten der Eintritt einer Behinderung und eine daraus resultierende
Bedürftigkeit des Beteiligten zu 2) bei Abfassung des Testaments im Jahre 1974
noch nicht absehbar gewesen war und damit eine Regelungslücke vorliegt, erscheint es bereits
fern liegend, dass die Eheleute schon damals zu der von der Erblasserin in ihrem späteren
Testament vom 01.07.2015 gewählten Gestaltungsvariante einer mit Testamentsvollstreckung
kombinierten Vor- und Nacherbschaft gegriffen hätten. Denn die Zulässigkeit solcher
Gestaltungen hat sich auch in der Rechtsprechung erst allmählich auf der Grundlage einer
1993 ergangenen Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 20.10.1993 -
IV ZR 231/92, BGHZ 123, 368) etabliert und ist zuvor im Hinblick auf die damit für die Allgemeinheit
und den Rückgriff des Leistungsträgers verbundenen Nachteile erheblich umstritten
gewesen.

Zudem gibt es für das Regelungsziel eines solchen Behindertentestaments, dem bedürftigen
Kind die Nachlasswerte möglichst in einer dem Rückgriff des Sozialhilfeträgers entzogenen
Weise zukommen zu lassen, neben der Kombination einer Vor- und Nacherbschaft mit Testamentsvollstreckung
noch weitere Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. OLG Schleswig, Beschluss
vom 13.05.2013 - 3 Wx 43/13, NJW-RR 2013, 906, juris, Rn. 25). Zudem versteht sich keineswegs
von selbst, dass Eltern eines behinderten Kindes, wenn sie die Möglichkeit eines
Rückgriffs des Sozialhilfeträgers bedenken, von zwar rechtlich zulässigen, aber letztlich zu
Lasten der Allgemeinheit gehenden Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen, mit denen
ein Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das ererbte Vermögen vereitelt werden kann (vgl. OLG
Schleswig, Beschluss vom 13.05.2013 - 3 Wx 43/13, NJW-RR 2013, 906, juris, Rn. 26).
Inwiefern die Eheleute gleichwohl im Jahre 1974, wenn sie die von einer Behinderung des
Beteiligten zu 2) aufgeworfene Problematik erkannt hätten, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht
hätten, dem überlebenden Ehegatten durch einen Änderungsvorbehalt eine geeignete
Umgestaltung der Rechtsstellung des Beteiligten zu 2) zu ermöglichen, ist weder aus dem
Testament der Eheleute noch in sonstiger Weise ersichtlich und damit jedenfalls nicht in der
für die Wahrung der Testamentsform des § 2247 Abs. 1 BGB in dem gemeinschaftlichen Testament
angedeutet. Dafür reicht nicht aus, dass dem Testament ersichtlich das Ziel zugrunde
liegt, das elterliche Erbe letztlich den Kindern als Schlusserben zugute kommen zu lassen.
Denn bei einer solchen Sichtweise wäre schlechthin jedem Ehegattentestament mit Einsetzung
der Kinder als Schlusserben ein auf Ermöglichung eines sogenannten Behindertentestaments
gerichteter Änderungsvorbehalt eingeschrieben.

bb) Im Sinne eines Änderungsvorbehalts ist deshalb nur die weitere in dem gemeinschaftlichen
Testament der Eheleute enthaltene Klausel auszulegen, wonach zwischen den Eheleuten
eine Einigkeit darüber bestehe, dass zwei von der nunmehrigen Erblasserin von ihren Eltern
ererbte Eigentumswohnungen „nicht unter dieses Testament“ fallen sollen.

Diese Regelung ist zugleich als Freistellung von einer etwaigen Bindungswirkung des gemeinschaftlichen
Testaments auszulegen, soweit letztwillige Verfügungen der Erblasserin mit Bezug
auf diese beiden Grundstücke betroffen sind. Ersichtlich wollten die Eheleute der Ehefrau
freistellen, wie sie mit diesem Teil ihres Vermögens umgehen wolle, und von vornherein nur
das Schicksal des übrigen gemeinsamen Nachlasses verbindlich für die Zukunft regeln.

Denn es kann nicht angenommen werden, dass die Eheleute mit dieser Klausel in über eine
solche Freistellung hinausgehender Weise eine Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen regeln
wollten. Die Klausel müsste dann dahin ausgelegt werden, dass sich die testamentarische Erbeinsetzung
aus dem gemeinschaftlichen Testament bei Ableben der Ehefrau auf die Erbquote
beschränken sollte, die sich nach Abzug des Werts der in der Klausel benannten Grundstücke
vom Wert des Gesamtnachlasses der Erblasserin ergibt. Eine solche Einsetzung auf aus
dem Wertverhältnis der in Frage stehenden Gegenstände abgeleitete Erbquoten ist zwar ein
grundsätzlich mögliches Auslegungsergebnis (vgl. BGH FamRZ 1990, 396, juris, Rn. 25 f.).
Sie ist aber streitanfällig und umständlich. Daher darf sie nicht als Regelfall angesehen werden
(vgl. BGH NJW 1997, 392, juris, Rn. 12). So muss im Wege der Auslegung geklärt werden,
ob sich die in Frage stehende Erbquote nach dem Wertverhältnis des Zugewendeten
zum Gesamtnachlass der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder im späteren
Zeitpunkt des Ablebens richten sollte (vgl. BGH NJW 1997, 392, juris, Rn. 14 f.). Eine
Frage der Auslegung ist es dabei auch, ob die Ermittlung der Quoten ganz nach den objektiven
Wertverhältnissen erfolgen sollte oder bei den testierenden Eheleuten davon abweichende
und für die Quotenbildung maßgebliche Vorstellungen bestanden hatten. Weitere schwierige
Auslegungsfragen wirft eine solche Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen dann auf,
wenn sich ein Teil der zugewendeten Vermögensgegenstände - hier die veräußerte Immobilie
B-Straße 1 - im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr im Nachlass befindet (vgl. BGH NJW 1997,
392, juris Rn. 14 f.).

Zudem mag zwar naheliegen, wäre aber gleichfalls nur durch Ermittlung des wirklichen oder
mutmaßlichen Erblasserwillens bei Testamentserrichtung im Jahre 1974 abschließend zu klären,
ob die in Frage stehende Klausel neben der Festlegung einer Erbquote zugleich eine Teilungsanordnung
des Inhalts enthielt, dass die in Frage stehenden Grundstücke dem für diese
Quote eingesetzten Erben bei der Erbauseinandersetzung auch gegenständlich zukommen
sollen.

Damit liegt auch insgesamt fern, dass die Eheleute die Erbteilung zwischen ihren in dem Testament
als Schlusserben bestimmten Abkömmlinge mit solchen Zweifelsfragen belasten wollten.
Vielmehr ist allein von einer Freistellungsklausel zugunsten der Erblasserin auszugehen.
Die Erblasserin war damit zwar jedenfalls nicht durch eine Bindungswirkung des gemeinschaftlichen
Testaments gehindert, über die in Frage stehenden Eigentumswohnungen testamentarisch
auch nach Ableben ihres Ehemannes in Abweichung zur Einsetzung der Beteiligten
zu 1) und 2) anders zu verfügen.

Die in dem notariellen Testament vom 01.07.2015 enthaltene Beschränkung des Beteiligten
zu 2) durch Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft kann allerdings trotz Deckung durch
den Freistellungsvorbehalt des Testaments vom 08.01.1974 nicht aufrechterhalten werden.
Denn dies liefe auf eine rechtlich unzulässig für einzelne Nachlassgegenstände beschränkte
Einsetzung des Beteiligten zu 2) als Vorerbe hinaus. Der aus §§ 1922, 1967 BGB abzuleitende
Grundsatz, dass der Erbe nur für den Nachlass oder Bruchteile davon, aber nicht für einzelne
Nachlassgegenstände eingesetzt werden kann, gilt jedoch in gleicher Weise wie für den
Vollerben auch für die Einsetzung als Vorerbe (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2018, 639, juris
Rn. 14). Eine Anordnung diesen Inhalts kann in der unmittelbaren Anwendung allenfalls als
Vermächtnis oder als mit einer Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) kombiniertes Vorausvermächtnis
(§ 2150 BGB) aufrecht erhalten werden. Dies würde jedoch nichts an der Einsetzung
des Beteiligten zu 2) als hälftiger Voll-Miterbe ändern.

Das Nachlassgericht ist deshalb im Ergebnis zu Recht der Auffassung gewesen, dass der Beteiligte
zu 2) in gleicher Weise wie die Beteiligte zu 1) als Vollerbe zu ½ berufen worden ist.
cc) Der angefochtene Erbschein ist jedoch gleichwohl deshalb nicht zu erteilen, weil darin die
in dem notariellen Testament der Erblasserin vom 01.07.2015 in wirksamer Weise angeordnete
Beschränkung des Beteiligten zu 2) durch eine Dauertestamentsvollstreckung über die
in seinen Erbteil fallende Immobilie A-Straße 2 unberücksichtigt geblieben ist.
Eine solche auf einzelne Nachlassgegenstände beschränkte Anordnung der Testamentsvollstreckung
ist grundsätzlich zulässig und wirksam (vgl. BayObLG NJW-RR 2005, 1245, juris,
Rn. 27; Grüneberg/Weidlich, BGB, 2023, Vor § 2197 BGB Rn. 2; Zimmermann, Testamentsvollstreckung,
2023, Rn. 51 i.V.m. Rn. 42b).

In einem zu erteilenden Erbschein muss dabei auch eine solche nur für einzelne Nachlassgegenstände
angeordnete Testamentsvollstreckung unter Angabe ihres Gegenstands verlautbart
werden (vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB, 2023, Vor § 2197 BGB Rn. 4). Anderenfalls stellt
sich der erteilte Erbschein als fehlerhaft dar und muss eingezogen werden (vgl. BayObLG
NJW-RR 2005, 1245, juris, Rn. 27).

Hiernach fehlt es deshalb an den Voraussetzungen für die Erteilung des von dem Beteiligten
zu 2) am 12.10.2022 beantragten Erbschein, weil in dem Antrag des Beteiligten zu 2) die Beschränkung
unberücksichtigt geblieben ist, der sein Erbteil durch wirksame Anordnung einer
auf die Immobilie A-Straße 2 begrenzten Testamentsvollstreckung unterworfen worden ist.
Denn insoweit enthält die in dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute aus dem Jahre
1974 hinsichtlich der von ihren Eltern ererbten beiden Wohnungen enthaltene Freistellungsklausel
zugleich eine Befugnis der Erblasserin, den Beteiligten zu 2) hinsichtlich dieses Teils
ihres Nachlasses durch nachträgliche Anordnung einer Testamentsvollstreckung zu beschränken.
Soweit die Anordnung einer Testamentsvollstreckung in Ziffer IV des notariellen Testaments
der Erblasserin vom 01.07.2015 weitergehend den gesamten Erbteil des Beteiligten zu 2)
und nicht nur das von dem Freistellungsvorbehalt umfasste Immobilienvermögen der Erblasserin
erfasst, kann die Anordnung der Erblasserin dabei gemäß § 2084 BGB in dem Umfang
aufrechterhalten bleiben, in dem sie von diesem Änderungsvorbehalt gedeckt ist. Denn nach
dem Gesamtzusammenhang der Regelungen, die von der Erblasserin im Zusammenhang mit
der Anordnung der Testamentsvollstreckung getroffen worden sind, kann zweifelsfrei davon
auszugegangen werden, dass die Erblasserin zumindest eine gegenständlich auf die nachlasszugehörige
Immobilie A-Straße 2 beschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet hätte,
wenn ihr bei Abfassung des Testaments vom 01.07.2015 bewusst gewesen wäre, dass sie
entgegen ihrer im Eingang des Testaments verlautbarten Annahme im Übrigen durch das zuvor
am 08.01.1974 errichtete Ehegattentestament gebunden war.

Das mit einem sogenannten Behindertentestament verfolgte Ziel, dem auf Sozialleistungen
angewiesenen Erben die Erträge des Nachlasses möglichst so zukommen zu lassen, dass der
zuständige Sozialhilfeträger darauf keinen Zugriff nehmen kann, lässt sich im Grundsatz auch
mit der Einsetzung des Erben als nur durch Testamentsvollstreckung und nicht durch zusätzliche
Anordnung einer Nacherbschaft beschränkten Vollerben erreichen. Denn soweit der
Nachlass einer Dauertestamentsvollstreckung mit der Auflage an den Testamentsvollstrecker
unterliegt, dass der Nachlass nur in dem Zugriff des Sozialleistungsträgers entzogener Weise
verwendet werden darf, ist der Nachlass nach sozialgerichtlicher Auffassung nicht als gemäß
§ 88 BSHG verwertbares Vermögen anzusehen und damit einem Rückgriff entzogen (vgl.
OVG Saarlouis, Beschluss vom 17.03.2006, 3 R 2/05, MittbayNot 2007, 65). Zwar mag dann
anders als im Falle der Einsetzung als bloßer Vorerbe ein Zugriff des Sozialhilfeträgers gemäß
§ 102 SGB XII auf das Erbe in Betracht kommen, sobald der bedürftige Erbe stirbt (vgl.
Spall, MittbayNot 2007, 67 f.). Jedoch liegt fern, dass diese der Anordnung einer isolierten
Testamentsvollstreckung als Gestaltungsmittel eines Behindertentestaments anhaftende
Schwäche die Erblasserin davon abgehalten hätte, den für den Beteiligten zu 2) bestimmten
Erbteil wenigstens in dem von dem Freistellungsvorbehalt aus dem gemeinschaftlichen Testament
der Eheleute ermöglichten Umfang, also für das der Erblasserin von ihren Eltern zugeflossene
Immobiliarvermögen durch Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung vor dem
möglichen Zugriff des Sozialleistungsträgers zu schützen.

Ferner ist die Anordnung der Erblasserin zur Anordnung einer Testamentsvollstreckung entgegen
der Auffassung des Beteiligten zu 2) nicht schon deshalb wegen einer durch Auslegung
nicht behebbaren Unbestimmtheit unwirksam, weil sich in dem Nachlass der Erblasserin neben
der von dem Freistellungsvorbehalt aus dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute
vom 08.01.1974 erfassten Immobilie A-Straße 2 mit der Immobilie A-Straße 3 eine weitere
Immobilie befunden hat, während die Erblasserin innerhalb der Verwaltungsanordnungen für
die Testamentsvollstreckung an zwei Stellen nur von „der Immobilie“ gesprochen hat. Die
Verwendung der Einzahl statt des Plurals ist zum einen schon deshalb unschädlich, weil die
Erblasserin - auch wenn ihr dies bei Errichtung des notariellen Testaments unbekannt gewesen
sein mag - ohnedies nur hinsichtlich einer einzelnen Immobilie, nämlich der ihr von ihren
Eltern angefallenen Immobilie A-Straße 2 eine Testamentsvollstreckung anordnen durfte. Zudem
wäre selbst dann, wenn auch die Immobilie A-Straße 3 in wirksamer Weise vom Umfang
der Testamentsvollstreckung umfasst wäre, insoweit von einer durch Auslegung behebbaren,
rein redaktionellen Ungenauigkeit bei Abfassung des Testaments auszugehen. Denn als Gegenstand
der Testamentsvollstreckung war ausdrücklich der gesamte Erbteil des Beteiligten
zu 2) benannt worden. Zudem hat die Erblasserin in Abschnitt II § 5.4 ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass sie die Zielsetzung einer Absicherung des Beteiligten zu 2) auch gesichert
sehen wollte, falls die Anordnung einer Testamentsvollstreckung nicht in der von der Erblasserin
konkret angeordneten Weise möglich sein sollte.

Eine Unwirksamkeit der angeordneten Testamentsvollstreckung lässt sich insoweit auch nicht
aus der von der Erblasserin in II § 6 des notariellen Testaments enthaltenen Auffangregelung
ableiten, wonach der Beteiligte zu 2) nur den Pflichtteil erhalten solle, wenn die getroffene
Regelung „etwa aufgrund einer Änderung der Rechtslage unwirksam sein oder werden“ sollte.
Nach dem Zusammenhang der Regelungen der Erblasserin meint dies nur den Fall, dass die
Anordnung der Testamentsvollstreckung an Gründen scheitern sollte, die mit den möglichen
Rückgriffsansprüchen des leistungspflichtigen Sozialhilfeträgers in Zusammenhang stehen.
Hingegen kann gerade nicht angenommen werden, dass die Erblasserin den Beteiligten zu 2)
bereits dann auf den Pflichtteil beschränken wollte, wenn die von ihr angezielte Schaffung eines
Behindertentestaments zugunsten des Beteiligten zu 2) nur in einzelner Hinsicht an einer
- von der Erblasserin gerade nicht in Rechnung gestellten - Bindung an ihr früheres gemeinschaftliches
Testament aus dem Jahre 1974 scheitern sollte.

3. Soweit die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf
Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses gerichtet ist, bleibt sie ohne Erfolg.
Die Beteiligte zu 1) ist sowohl in ihrem ursprünglichen Antrag vom 15.08.2022 (Bl. 5 d.A.)
wie auch in dessen Ergänzung vom 11.10.2022 (Bl. 10 d.A.) unzutreffend davon ausgegangen,
dass die in dem Testament des Erblassers angeordnete Dauertestamentsvollstreckung
den Gesamtnachlass erfasst. Jedoch war von der Erblasserin in Abschnitt II § 5.1 ihres notariellen
Testaments vom 01.07.2015 allein eine Dauertestamentsvollstreckung hinsichtlich des
Erbteils des Beteiligten zu 2) angeordnet worden. Der Antrag hätte damit von vornherein allein
auf Verlautbarung einer Dauertestamentsvollstreckung über den Erbteil des Beteiligten
zu 2) gehen dürfen.

Zudem ist in dem Antrag der Beteiligten zu 1) aus den schon oben ausgeführten Gründen der
Umstand unberücksichtigt geblieben, dass die Erblasserin nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen
Ehegattentestaments vom 08.01.1974 allein im Umfang des dortigen Freistellungsvorbehalts,
also hinsichtlich der bei ihrem Ableben im Nachlass noch vorhandenen Immobilie
A-Straße 2, nicht aber hinsichtlich der übrigen in den Erbteil des Beteiligten zu 2) fallenden
Nachlassgegenstände zur Anordnung einer Testamentsvollstreckung berechtigt war.
Der in dem Testamentsvollstreckervermerk zu verlautbarende Umfang der Testamentsvollstreckung
hätte daher als Dauertestamentsvollstreckung an dem hälftigen Erbteil des Beteiligten
zu 2) und mit Beschränkung auf die nachlasszugehörige Immobilie A-Straße 2 formuliert
werden müssen.

Darüber hilft auch nicht hinweg, dass die Beteiligte zu 1) in ihrem Nachtrag vom 11.10.2022
(Bl. 10 d.A.) zu ihrem ursprünglichen Antrag die Erteilung eines Dauertestamentsvollstreckerzeugnisses
„gemäß notariellem Testament vom 01.07.2015“ beantragt hat. Denn die
Bindung des Nachlassgerichts an den konkreten Antrag des Antragstellers schließt es insbesondere
aus, eine solche Antragsfassung dahin zu verstehen, dass der Antragsteller den Inhalt
des zu erteilenden Testamentsvollstreckerzeugnisses ganz in die Hände des Nachlassgerichts
geben möchte, indem es diesem überlassen bleibt, den korrekten Inhalt des Zeugnisses
im Wege der Auslegung aus dem maßgeblichen Testament abzuleiten. Insoweit kommt
deshalb auch eine in der Beschwerdeinstanz vor dem Oberlandesgericht ohnedies nur allenfalls
in engen Grenzen zulässige Anregung einer Änderung des gestellten Antrags hier nicht
in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 81 FamFG.

Insoweit sollen zwar die Kosten eines insgesamt erfolglos gebliebenen Rechtsmittels nach
§ 84 FamFG grundsätzlich dem Beteiligten auferlegt werden, der mit seinem Antrag erfolglos
geblieben ist. Die Beteiligte zu 1) ist jedoch nur mit ihrer Beschwerde gegen die Versagung
des beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses erfolglos geblieben. Ihre Beschwerde gegen
die Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins hat hingegen Erfolg
gehabt. Ist das Rechtsmittel teilweise begründet, findet § 84 FamFG keine Anwendung, sondern
richtet sich die Kostenentscheidung insgesamt allein nach § 81 FamFG (vgl. BGH NJWRR
2018, 709, juris Rn. 3; BeckOK-FamFG/Weber, 2023, § 84 FamFG Rn. 3; Zöller/Feskorn,
ZPO, 2023, § 84 FamFG Rn. 3). Dabei kommt zwar auch eine Ermessensausübung dahin in
Betracht, dass die Kosten eines gegen mehrere Gegenstände gerichteten Rechtsmittels nach
dem Wertverhältnis der Geschäftswerte verquotelt werden (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 2023,
§ 84 FamFG Rn. 3). Zulässig ist es aber ebenfalls, gänzlich von einer Erhebung der Gerichtskosten
abzusehen (vgl. BGH NJW-RR 2018, 709).

Eine solche Anordnung erscheint hier schon deshalb sachgerecht, weil die Beschwerde der
Beteiligten zu 1) hinsichtlich ihrer gegen den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2) gerichteten
Beschwerde erfolgreich gewesen ist und dieser Teilerfolg auch nach Wertquoten deutlich
überwiegen würde. Die gegen die Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins
gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) wäre gemäß § 61 i.V.m. § 40 Abs. 1
GNotKG mit dem Reinwert des Nachlasses zu bewerten. Der Geschäftswert der erfolglos gebliebenen
Beschwerde gegen die Versagung des Testamentsvollstreckerzeugnisses wäre hingegen
gemäß § 61 i.V.m. § 40 Abs. 5 Satz 1 GNotKG deutlich niedriger, nämlich mit 20 %
des Nachlasswerts ohne Abzug von Nachlassverbindlichkeiten anzusetzen gewesen.
Unter der hier naheliegenden Annahme, dass der Reinwert des Nachlasses nach § 40 Abs. 1
GNotKG nicht wesentlich von dem gemäß § 40 Abs. 5 GNotKG unter deren Abzug ermittelten
Nachlasswert abweicht, ergibt sich eine Unterliegensquote der Beteiligten zu 1) von (0,2/1,2
= 0,16 =) 16 %.

Es erscheint dann einerseits angemessen, dass die Beteiligte zu 1) insgesamt keine Gerichtskosten
zu tragen hat. Umgekehrt erscheint es jedoch auch nicht von gemäß § 81 FamFG billigem
Ermessen geboten, den Beteiligten zu 2) einen auf seinen Unterliegensanteil von quotal
84 % entfallenden Anteil der im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten tragen
zu lassen. Denn der Gedanke der Kostenhaftung des Unterlegenen stellt im Rahmen des billigen
Ermessens nach § 81 FamFG nur einen möglichen und zulässigen, aber keinen zwingenden
oder allein den Ausschlag gebenden Gesichtspunkt dar, sondern es kommt auf eine umfassende
Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls an (vgl. BGH NJW-RR 2016,
200, juris, Rn. 14). Insoweit kann zugunsten des Beteiligten zu 2) berücksichtigt werden,
dass sein Erbscheinsantrag allein wegen der fehlenden Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerks
erfolglos bleibt und es sich dabei um einen bei künftiger Antragstellung behebbaren
Mangel handelt.

Auch besteht keine Veranlasssung zu einer Anordnung, dass die Beteiligten sich wechselseitig
die ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten ganz oder nach aus dem Wertverhältnis
ihrer Anträge abgeleiteten Wertquoten zu erstatten hätten. Dem Verfahren lagen Fragen
einer nicht ganz einfach zu beurteilenden Testamentsauslegung zugrunde und die Beteiligten
sind als Geschwister miteinander verbunden. Zudem ist der Beteiligte zu 2) ersichtlich
finanziell bedürftig und auf Sozialleistungen angewiesen. Insbesondere dies lässt es als unbillig
erscheinen, ihm auch nur einen nach Wertquoten bemessenen Anteil an den außergerichtlichen
Kosten der Beteiligten zu 1) tragen zu lassen. Es erscheint vielmehr angemessen, die
Beteiligten ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten jeweils
selbst tragen zu lassen. Die Kostenlast für das erstinstanzliche Verfahren folgt jeweils aus
§§ 22 ff. GNotKG und bedarf damit ebenfalls keiner Regelung durch eine Kostenentscheidung
in der Beschwerdeinstanz.

4. Gründe gemäß § 70 Abs. 2 FamFG für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht
vor. Die vorliegende Entscheidung ist nicht mit ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

23.10.2023

Aktenzeichen:

21 W 69/23

Rechtsgebiete:

Erbvertrag
Gemeinschaftliches Testament
Erbenhaftung
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Gesetzliche Erbfolge
Vermächtnis, Auflage
Kostenrecht
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform

Erschienen in:

FGPrax 2024, 28-32

Normen in Titel:

BGB §§ 2048, 2084, 2270, 2271