Inhaltskontrolle einer Scheidungsfolgenvereinbarung; Ausübungskontrolle; salvatorische Klausel
letzte Aktualisierung: 16.07.2020
BGH, Beschl. v. 27.5.2020 – XII ZB 447/19
BGB §§ 138, 139, 242;
Inhaltskontrolle einer Scheidungsfolgenvereinbarung; Ausübungskontrolle; salvatorische
Klausel
1. Die Wirksamkeitskontrolle gem. § 138 Abs. 1 BGB findet auch auf
Scheidungsfolgenvereinbarungen Anwendung, sie ist aber selbst im Kernbereich des
Scheidungsfolgenrechts keine „Halbteilungskontrolle“ (Tz. 24).
2. Ein unausgewogener Vertragsinhalt kann zwar ein Indiz für eine unterlegene
Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten darstellen. Er rechtfertigt die Feststellung der
Sittenwidrigkeit aber nicht, wenn es an außerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen fehlt,
die auf eine subjektive Imparität schließen lassen (Tz. 29).
3. Eine Erhaltungsabrede („salvatorische Klausel“) kann bei einem teilweise nichtigen Ehevertrag zu
einer Aufrechterhaltung wirksamer Vertragsbestandteile führen, vorausgesetzt, die Sittenwidrigkeit
ergibt sich nicht aus einer Gesamtwürdigung des Vertrages (Tz. 38).
4. Fallen der Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe und der Vertragsschluss zusammen, so ist für eine
Ausübungskontrolle kein Raum (Tz. 41). (Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe:
A.
Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten in einem isolierten
Verfahren zum Versorgungsausgleich darüber, ob dieser wirksam durch
eine Scheidungsfolgenvereinbarung ausgeschlossen worden ist.
Die im März 1960 geborene Antragstellerin und der im Juli 1939 geborene
Antragsgegner heirateten am 23. Oktober 1981. Aus ihrer Ehe sind drei (in
den Jahren 1981, 1982 und 1985 geborene) Kinder hervorgegangen. Als sie
sich schon in der Trennungsphase befanden, schlossen die Beteiligten am
19. Juli 1994 eine notarielle Vereinbarung. In Teil A dieser Urkunde übertrug die
Antragstellerin ihre ideelle Miteigentumshälfte am gemeinsamen Hausgrundstück
– gegen Übernahme der darauf lastenden Verbindlichkeiten – auf den
Antragsgegner. Diese Übertragung erfolgte vor dem Hintergrund, dass der
Kaufpreis für das Hausgrundstück aus dem Erlös gezahlt wurde, den der Antragsgegner
durch den Verkauf seiner ererbten Immobilie erzielt hatte. Teil B
der notariellen Urkunde enthielt einen Erbvertrag, in welchem der Antragsgegner
als Erblasser im Wege des (Voraus-)Vermächtnisses den drei gemeinsamen
Kindern der Beteiligten das Hausgrundstück zu jeweils einem Drittel zuwandte.
Das lebzeitige Verfügungsrecht des Antragsgegners nach § 2286 BGB
wurde ausdrücklich nicht eingeschränkt. Neben einem wechselseitigen Pflichtteilsverzicht
(Teil C der Urkunde) trafen die Beteiligten ferner eine Scheidungsfolgenvereinbarung,
durch die sie für den Fall der Scheidung wechselseitig auf
Zugewinn- und Versorgungsausgleichsansprüche sowie auf jegliche nacheheliche
Unterhaltsansprüche verzichteten (Teil D der Urkunde).
Nach der Geburt ihres dritten Kindes nahm die Antragstellerin im Jahr
1987 ihre frühere Tätigkeit in einer Kurklinik wieder auf, zunächst in Teilzeit und
später (auch zum Zeitpunkt der Trennung) in Vollzeit. Zwei Jahre nach der
Trennung reduzierte sie ihre Tätigkeit wegen der Betreuung der drei gemeinsamen
Kinder auf sechs bis sechseinhalb Stunden täglich, bevor sie diese (als
Abteilungsleiterin des Bereichs „Sport und Gymnastik“) wegen finanzieller
Schwierigkeiten des Arbeitgebers im Jahr 2000 aufgab. Nach einer einjährigen
Phase der Arbeitslosigkeit absolvierte sie eine Ausbildung zur Fußpflegerin und
Podologin. Diesen Beruf übte sie zunächst halbschichtig als Angestellte und
seit dem Jahr 2006 vollschichtig in selbständiger Tätigkeit aus.
Auf den am 27. Oktober 1995 zugestellten Scheidungsantrag wurde die
Ehe der Beteiligten durch Urteil des Amtsgerichts vom 1. März 1996 rechtskräftig
geschieden. Im Verhandlungsprotokoll stellte das Amtsgericht fest: „Der Versorgungsausgleich
ist durch notariellen Vertrag vom 19.07.1994 ausgeschlossen.“
Das Scheidungsurteil enthält weder im Tenor noch in den Gründen Ausführungen
zum Versorgungsausgleich. Während der gesetzlichen Ehezeit vom
1. Oktober 1981 bis zum 30. September 1995 (
Antragstellerin ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem
Ausgleichswert von 4,4738 Entgeltpunkten (zum Ende der Ehezeit entsprechend
einer Monatsrente von 105,75 €) sowie einem korrespondierenden Kapitalwert
von 21.686,53 € und der Antragsgegner ein solches mit einem Ausgleichswert
von 11,3730 Entgeltpunkten (zum Ende der Ehezeit entsprechend
einer Monatsrente von 268,82 €) sowie einem korrespondierenden Kapitalwert
von 55.130,07 € erworben. Eine als betriebliche Altersvorsorge abgeschlossene
Direktversicherung (bei der Beteiligten zu 3) wurde dem Antragsgegner in einer
Größenordnung von 32.000 € vertragsgemäß zum 1. Juni 2004 ausgezahlt.
Nach der Ehescheidung teilte der Antragsgegner sein Hausgrundstück in
zwei Wohneinheiten auf. Eine Wohnung veräußerte er an den Ehemann seiner
Tochter aus seiner früheren Ehe; die andere Wohnung veräußerte er an seine
jetzige Ehefrau. Seit dem 1. August 2004 bezieht der Antragsgegner eine Regelaltersrente,
die sich inzwischen auf rund 1.500 € monatlich beläuft.
Das Amtsgericht hat festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich bei der
Scheidung nicht stattfindet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin
hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
B.
Die Rechtsbeschwerde, an deren Zulassung durch das Oberlandesgericht
der Senat nach
I.
Zutreffend hat das Oberlandesgericht angenommen, dass die Rechtskraft
des Scheidungsurteils vom 1. März 1996 der Zulässigkeit des Antrags auf
Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht entgegensteht. Das Amtsgericht
hat in seinem Scheidungsurteil nicht festgestellt, dass ein Versorgungs-
ausgleich nicht stattfindet. Nur eine solche – auf einer materiell-rechtlichen Prüfung
beruhende – Feststellung hätte in Rechtskraft erwachsen (vgl. Senatsbeschluss
vom 22. Oktober 2008 - XII ZB 110/06 -
und das vorliegende Verfahren hindern können.
II.
Das Oberlandesgericht ist ferner mit Recht davon ausgegangen, dass
die Scheidungsfolgenvereinbarung der Beteiligten einer Wirksamkeits- und
Ausübungskontrolle standhält und eine Anpassung nach den Grundsätzen über
die Störung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt.
1. Insoweit hat das Oberlandesgericht zur Begründung seiner Entscheidung
ausgeführt, dass von einer Wirksamkeit des Vertrags zum Zeitpunkt seines
Abschlusses auszugehen sei. Ob der Vertrag auf der objektiven Seite –
entweder infolge einer Prüfung der Einzelregelungen oder aufgrund einer Gesamtwürdigung
– zu beanstanden sei, könne dahinstehen. Denn zusätzlich
müsse auch die Überprüfung der subjektiven Seite zu einer massiven Beanstandung
des Vertrags führen. Eine objektiv einseitige Lastenverteilung allein
sei noch nicht geeignet, eine tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite
der Sittenwidrigkeit zu begründen.
Außerhalb der Vertragsurkunde liegende Umstände, die eine subjektive
Imparität hätten nahelegen können, seien nicht zu erkennen. Die Antragstellerin
sei bei Abschluss des Vertrags 34 Jahre alt gewesen und habe eine vollschichtige
Tätigkeit als ausgebildete Sport- und Gymnastiklehrerin ausgeübt. Zuvor
habe sie mehrere Jahre zusammen mit dem Antragsgegner eine Pension betrieben.
Ferner habe sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über ein Vermögen
von mindestens 80.000 DM verfügt. Der pauschale Hinweis darauf, dass
der Antragsgegner die Trennungssituation und die Unerfahrenheit der Antrag-
stellerin, die ihrem älteren Ehemann „hörig“ gewesen sei, ausgenutzt habe, reiche
für die Annahme einer einseitigen Dominanz des Antragsgegners nicht aus.
Der Vertragsschluss sei in Ansehung der sich vollziehenden Trennung und auf
Initiative beider Ehegatten erfolgt. Aus dem Vertragstext gehe hervor, dass der
Notar eingehend über die Folgen der Vereinbarung belehrt habe und die Beteiligten
sie angesichts ihrer beiderseitigen persönlichen Verhältnisse für angemessen
erachtet hätten. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei im
Vertrag eindeutig festgehalten und zu § 2286 BGB habe der Notar den Beteiligten
eine nähere Erläuterung vorgelesen. Sollte die Antragstellerin der Belehrung
und dem Vertragstext keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt haben,
wozu sie intellektuell zweifelsfrei in der Lage gewesen wäre, wirke dies
nicht zulasten des Antragsgegners.
Schließlich sei der Vertrag auch im Rahmen der Ausübungskontrolle
nicht zu beanstanden, nachdem der Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit demjenigen
des Scheiterns der Ehe zusammenfalle. Auch wenn man auf den Zeitpunkt
der Scheidung abstellte, seien von der Antragstellerin keine Umstände
vorgetragen, die eine Ausübungskontrolle veranlassen könnten. Selbst wenn
man die Durchführung einer solche Kontrolle ohne jegliche zeitliche Begrenzung
für denkbar hielte, wäre es dem Antragsgegner nicht verwehrt, sich auf
den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu berufen. Die Antragstellerin habe
schon nicht darlegen können, dass die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung
der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag
zugrundeliegenden Lebensplanung grundlegend abgewichen sei. Der Antragsgegner
sei bei Abschluss des Vertrags bereits 55 Jahre alt gewesen und beziehe
seit dem Jahr 2004 eine Regelaltersrente, während die Antragstellerin noch
20 Jahre länger eine Alterssicherung hätte aufbauen können. Der Umstand,
dass sie seit dem Jahr 2006 aufgrund ihrer Selbständigkeit keine gesetzlichen
Rentenanwartschaften mehr erwerbe, beruhe auf ihrer persönlichen Entschei-
dung. Als die Antragstellerin ihre angestellte Tätigkeit im Jahr 2000 wegen wirtschaftlicher
Probleme der Kurklinik aufgegeben habe, sei nur noch eines der
gemeinsamen Kinder minderjährig (15 Jahre alt) gewesen. Im Übrigen sei auch
mit Blick auf die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin und ihre damit verbundene
Alterssicherung eine Ausübungskontrolle nicht veranlasst.
Auch die Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage
sei auf den Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe zu beziehen und für jenen
Zeitpunkt bzw. auch noch für den Zeitpunkt der Scheidung im Jahr 1996 lägen
keinerlei Anhaltspunkte für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage vor.
Selbst wenn man vorliegend den Verkauf der Wohneinheiten in den Jahren
1998 und 2002 zum Anlass für eine Prüfung der Störung der Geschäftsgrundlage
nähme, ließe dies den Ausschluss des Versorgungsausgleichs unberührt.
Die Antragstellerin berufe sich insoweit darauf, dass durch die Veräußerung
des Hausgrundstücks an Dritte der Erbvertrag nicht mehr habe realisiert
werden können. Dass die Kinder das Hausgrundstück infolge des darin vorgesehenen
(Voraus-)Vermächtnisses hätten erhalten sollen, sei jedoch gerade
nicht Geschäftsgrundlage für den Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung
gewesen. Eine untrennbare Verknüpfung zwischen der Miteigentumsübertragung
und dem Globalverzicht der Antragstellerin einerseits und der Absicherung
der gemeinsamen Kinder andererseits dahingehend, dass die eine Regelung
nicht ohne die andere habe gelten sollen, sei jedoch nicht erkennbar.
Das Verfügungsrecht des Antragsgegners nach § 2286 BGB sei im Vertragstext
erwähnt, so dass das vereinbarte (Voraus-)Vermächtnis allenfalls mit
dieser Einschränkung Geschäftsgrundlage der Scheidungsfolgenvereinbarung
der Beteiligten habe werden können. Die – letztlich enttäuschte – Erwartung der
Antragstellerin sei aber nicht in den dem Vertrag zugrunde liegenden gemein-
schaftlichen Willen der Beteiligten aufgenommen worden. Der Erbvertrag sei
auch nicht Geschäftsgrundlage für die Grundstücksübertragung gewesen. Die
Übertragung der Miteigentumshälfte sei ausweislich des Wortlauts der notariellen
Vereinbarung deshalb erfolgt, weil die zuvor aufgewendeten finanziellen
Mittel für den Erwerb des Hauses allein aus dem Vermögen des Antragsgegners
gestammt hätten.
Auch der Vertrag vom 4. Februar 2015 könne nicht über § 139 BGB zu
einer (Gesamt-)Nichtigkeit der notariellen Vereinbarung vom 19. Juli 1994 führen.
In diesem hätten die Beteiligten den in Teil B der notariellen Urkunde vom
19. Juli 1994 geschlossenen Erbvertrag aufgehoben und dabei nochmals ausdrücklich
bestätigt, dass die übrigen Regelungen dieser Urkunde unabhängig
vom Schicksal des nunmehr aufgehobenen Erbvertrags sein sollten.
2. Das Oberlandesgericht ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die in der Scheidungsfolgenvereinbarung
vom 19. Juli 1994 enthaltene Abrede zum Versorgungsausgleich
sowohl für sich genommen als auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung
einer Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB
standhält.
a) Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn-
und Versorgungsausgleich unterliegen grundsätzlich der vertraglichen
Disposition der Ehegatten. Diese darf allerdings nicht dazu führen, dass der
Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen
beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident
einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse
nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für
den belasteten Ehegatten – unter angemessener Berücksichtigung der Belange
des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen
Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint.
Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer
wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen,
je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen
in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift (Senatsbeschluss vom
17. Januar 2018 - XII ZB 20/17 -
Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht
kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen
Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen
abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten
durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse
der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch
sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird
(vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 -
Rn. 17 mwN).
Diese Grundsätze gelten auch für Scheidungsfolgenvereinbarungen, die
die Ehegatten im Hinblick auf eine Ehekrise oder eine bevorstehende Scheidung
getroffen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB
303/13 -
3. November 1993 - XII ZB 33/92 -
b) Der vereinbarte Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs
stellt sich für die Antragstellerin zwar als nachteilig dar, führt jedoch für
sich genommen noch nicht zur Sittenwidrigkeit der insoweit getroffenen Abrede.
aa) Allerdings hat der Senat den Versorgungsausgleich dem Kernbereich
der Scheidungsfolgen zugeordnet und ausgesprochen, dass der Versorgungsausgleich
als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Gestaltung
nur begrenzt offensteht (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB
303/13 -
Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1 BGB
schon für sich genommen unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte
aufgrund des bereits beim Vertragsschluss geplanten (oder zu diesem Zeitpunkt
schon verwirklichten) Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung
verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität
schlechthin unvereinbar erscheint (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 -
XII ZB 303/13 -
Die richterliche Wirksamkeitskontrolle ist aber selbst im Kernbereich des
Scheidungsfolgenrechts keine Halbteilungskontrolle (vgl. auch §§ 3 Abs. 3, 18
VersAusglG). So kann ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs
auch bei den in einer Ehekrise oder im Zusammenhang mit einer bereits beabsichtigten
Scheidung geschlossenen Eheverträgen nicht dem Verdikt der Sittenwidrigkeit
unterworfen werden, wenn ein nach der gesetzlichen Regelung
stattfindender Versorgungsausgleich von beiden Ehegatten nicht gewünscht
wird, soweit dies mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs vereinbar
ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn beide Ehegatten während der Ehezeit
vollschichtig und von der Ehe unbeeinflusst berufstätig waren und jeder seine
eigene Altersversorgung aufgebaut oder aufgestockt hat, wobei aber der eine
Ehegatte aus nicht ehebedingten Gründen mehr Versorgungsanrechte erworben
hat als der andere (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13
-
bb) Nach diesen Maßstäben erscheint hier der Ausschluss des Versorgungsausgleichs
nicht als mit dem Gebot der ehelichen Solidarität schlechthin
unvereinbar.
Die Antragstellerin war bis zur Geburt ihres ersten Kindes im Jahr 1981
in ihrem erlernten Beruf tätig. Diese sozialversicherungspflichtige Tätigkeit
nahm sie im Jahr 1987 zunächst in Teilzeit wieder auf und übte sie später (auch
zum Trennungszeitpunkt) vollschichtig aus. In den 14 Jahren der gesetzlichen
Ehezeit (1. Oktober 1981 bis 30. September 1995) war die Antragstellerin somit
wegen der Kinderbetreuung rund sechs Jahre gar nicht und für einen weiteren
Zeitraum von maximal sieben Jahren nur in Teilzeit beschäftigt.
Es ist zwar nicht auszuschließen, dass die – während der Ehezeit zeitweise
erwerbstätige – Antragstellerin infolge der Ehe und Kinderbetreuung einen
geringen ehebedingten Nachteil erlitten hat. Dieser ist allerdings aufgrund
der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten inzwischen nahezu kompensiert
(vgl. §§ 70 Abs. 2, 249 Abs. 1 SGB VI). Vor diesem Hintergrund stehen
betreuungsbedingte Versorgungsnachteile der Antragstellerin allenfalls in geringem
Umfang im Raum, die jedenfalls keine solchen Dimensionen erreichen,
dass sich der Versorgungsausgleichsverzicht als mit dem Gebot ehelicher Solidarität
schlechthin unvereinbar und damit sittenwidrig darstellen würde. Schließlich
ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Abschlusses
der Scheidungsfolgenvereinbarung erst 34 Jahre alt war und trotz der
drei gemeinsamen Kinder ihren erlernten Beruf bereits wieder vollschichtig ausübte,
während der – zuvor bereits mehrfach geschiedene – Antragsgegner mit
55 Jahren in der letzten Phase seines Erwerbslebens stand. Die Beteiligten
konnten somit davon ausgehen, dass die Antragstellerin noch ausreichend Zeit
und Gelegenheit zum weiteren Ausbau ihrer Altersvorsorge haben würde.
c) Selbst wenn die Einzelregelung zu der betroffenen Scheidungsfolge
(hier: Versorgungsausgleich) für sich genommen den Vorwurf der objektiven
Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermag, kann sich ein Vertrag nach ständiger
Rechtsprechung des Senats im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt
sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller darin enthaltenen
Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten
abzielt (Senatsbeschluss
Das kann hier aber schon deswegen dahinstehen, weil es jedenfalls an der subjektiven
Seite der Sittenwidrigkeit fehlt.
aa) Das Gesetz kennt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen
zugunsten des berechtigten Ehegatten (vgl. Senatsurteile vom
28. März 2007 - XII ZR 130/04 -
=
einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche
Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn
die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt
eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz
dieses Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität
widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete
tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich
bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen (Senatsurteil
=
ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten
Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel
nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden
Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere
infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher
Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (Se-
natsbeschluss vom 17. Januar 2018 - XII ZB 20/17 -
mwN).
bb) In Übereinstimmung mit diesen Maßstäben hat das Oberlandesgericht
zutreffend keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine subjektive Imparität
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erkennen vermocht. Seine diesbezüglichen
Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
(1) Mit Recht hat das Oberlandesgericht das Vorliegen einer strukturellen
Unterlegenheit der Antragstellerin verneint. Diese war bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung
34 Jahre alt und arbeitete nach der Geburt der drei
Kinder wieder vollschichtig in ihrem Beruf als ausgebildete Sport- und Gymnastiklehrerin.
Zuvor hatte sie mit dem Antragsgegner eine Pension betrieben. Bei
Vertragsschluss verfügte sie somit bereits über vielfältige Erfahrungen im Berufsleben
und war dem Antragsgegner nach den getroffenen Feststellungen
auch nicht intellektuell unterlegen. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die
Antragstellerin habe die vertraglichen Regelungen in ihrer Bedeutung und ihren
Auswirkungen intellektuell erfassen können, ist ebenfalls nicht zu beanstanden
und wird als solche von der Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel gezogen.
(2) Auch wenn die Antragstellerin – anders als der Antragsgegner – sich
erstmals in einer Trennungssituation befunden haben mag, lässt das nicht darauf
schließen, dass sie nicht in der Lage war, sich mit etwaigen, ihr nach einer
Scheidung zustehenden Ansprüchen vertraut zu machen und auf den Inhalt der
Scheidungsfolgenvereinbarung Einfluss zu nehmen. Insbesondere sind keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin gehindert war, sich (erforderlichenfalls
anwaltlich) beraten zu lassen, sollte sie – wie die Rechtsbeschwerde
behauptet – ihre Ansprüche auf Unterhalt, Versorgungs- und Zugewinnausgleich
tatsächlich zunächst nicht gekannt haben.
(3) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet hat das
Oberlandesgericht auch keine Benachteiligung der Antragstellerin durch die
konkrete Gestaltung des Beurkundungsverfahrens ausmachen können. Nach
den getroffenen Feststellungen gingen sowohl die Initiative als auch die Entscheidung,
wie der Vertrag „aussehen solle“, von beiden Ehegatten aus.
(4) Soweit die Antragstellerin den Vertragstext vor der Beurkundung nicht
gelesen und daher den Verzicht auf den Versorgungsausgleich übersehen haben
will, ist das Oberlandesgericht rechtlich bedenkenfrei davon ausgegangen,
dass sich die Antragstellerin nicht zulasten des Antragsgegners darauf berufen
kann. Zudem ergibt sich aus dem Vertragstext, dass die Beteiligten vom Notar
eingehend über die Folgen der Vereinbarung belehrt wurden und sie diese angesichts
ihrer beiderseitigen persönlichen Verhältnisse für sachgerecht, ausgewogen
und angemessen hielten.
Gleiches gilt für die Behauptung der Antragstellerin, sie habe nicht erkennen
können, dass das (Voraus-)Vermächtnis wegen des lebzeitigen Verfügungsrechts
des Antragsgegners letztlich keinen Ausgleich für ihre Verzichte
darstellte. Ausweislich des Vertragstextes hat der Notar die Beteiligten insbesondere
über die Vorschrift des § 2286 BGB belehrt. Gleichwohl sollte das danach
bestehende – und ausdrücklich thematisierte – Verfügungsrecht des Antragsgegners
nicht eingeschränkt werden.
(5) Schließlich war die Antragstellerin auch nicht wirtschaftlich vom Antragsgegner
abhängig. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses übte sie dieselbe
vollschichtige Tätigkeit wie vor der Geburt ihres ersten Kindes aus und verfügte
über ein Vermögen von mindestens 80.000 DM, so dass sie auch ohne den
ökonomischen Rückhalt der Ehe einer gesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen
konnte und genügend wirtschaftliche Unabhängigkeit besaß, um
auf die Gestaltung der Scheidungsfolgenvereinbarung Einfluss nehmen zu können.
d) An der Wirksamkeit der Vereinbarung zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs
würde angesichts der zu den Scheidungsfolgenvereinbarungen
getroffenen Erhaltungsabrede (Ziff. D5 der Urkunde vom 19. Juli 1994)
auch im Fall der Nichtigkeit anderer hier getroffener Scheidungsfolgenvereinbarungen
die Regelung des § 139 BGB nichts ändern.
Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung der
Frage, ob ein Ehevertrag auch ohne einzelne sittenwidrige und daher nichtige
Vertragsbestandteile geschlossen worden wäre, eine in den Vertrag aufgenommene
salvatorische Klausel nicht von vornherein unbeachtlich sein muss.
Andererseits hat der Senat auch ausgesprochen, dass dann, wenn sich das
Verdikt der Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden
Ehevertrages ergibt, die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag
erfasst, ohne dass eine Erhaltungsklausel hieran etwas zu ändern vermag.
Denn dann erfüllt die salvatorische Klausel im Interesse des begünstigten Ehegatten
die Funktion, den Restbestand eines dem benachteiligten Ehegatten
aufgedrängten Vertragswerkes so weit wie möglich gegenüber der etwaigen
Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen rechtlich abzusichern; in diesem
Falle spiegelt sich auch in der Vereinbarung der Erhaltungsklausel selbst
die auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende Störung der Vertragsparität
zwischen den Ehegatten wider. Lassen sich indessen – wie hier – ungleiche
Verhandlungspositionen nicht feststellen, ist aus Rechtsgründen im Hinblick
auf das Vorhandensein einer salvatorischen Klausel nichts gegen die Beurteilung
zu erinnern, ein teilweise nichtiger Ehevertrag wäre auch ohne seine unwirksamen
Bestimmungen geschlossen worden (vgl. Senatsurteil vom 21. November
2012 - XII ZR 48/11 -
3. Die Erwägungen des Oberlandesgerichts zur Ausübungskontrolle sind
nicht zu beanstanden.
Soweit die Regelungen eines Ehevertrags – wie hier – der Wirksamkeitskontrolle
standhalten, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle
prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben unter
dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (
eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Entscheidend ist insofern, ob sich
im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der
Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt
(Senatsbeschluss vom 20. Juni 2018 - XII ZB 84/17 -
20 mwN).
Ob diese Grundsätze auch auf Scheidungsfolgenvereinbarungen anzuwenden
sind, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung (vgl. zum
Meinungsstand Kilger/Pfeil in Göppinger/Rakete-Dombek Vereinbarungen anlässlich
der Ehescheidung 11. Aufl. 5. Teil Rn. 116). Jedenfalls bei Vereinbarungen
wie der vorliegenden, bei denen der Zeitpunkt des Vertragsschlusses
mit demjenigen des Scheiterns der Ehe praktisch identisch ist, ist in der Regel
kein Raum für eine Ausübungskontrolle, wie das Oberlandesgericht richtig erkannt
hat. Da sich die Beteiligten bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung
bereits in der Trennungsphase befanden, konnten sich die ehelichen Lebensverhältnisse
hier nicht mehr nach Vertragsschluss bis zum Scheitern der
Ehe ändern und dadurch Anlass zu einer Ausübungskontrolle geben. Ein
Rechtsmissbrauch ist insoweit nicht ersichtlich. Im Übrigen setzt die Anwendung
der Ausübungskontrolle nach
Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die beiden Eheleute
von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrundeliegenden Lebensplanung grundlegend
abweicht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2018 - XII ZB 84/17 - FamRZ
2018, 1415 Rn. 20 unter Hinweis auf Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2014 -
XII ZB 318/11 -
4. Ebenfalls zutreffend hat das Oberlandesgericht eine Vertragsanpassung
nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage abgelehnt.
a) Die Rechtsprechung des Senats, wonach die Grundsätze der Störung
der Geschäftsgrundlage (
können, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse
von der ursprünglichen, im Ehevertrag zugrunde gelegten Lebensplanung
abweicht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2018 - XII ZB 84/17 - FamRZ
2018, 1415 Rn. 20 mwN), erfasst den vorliegenden Fall nicht, wie das Oberlandesgericht
richtig gesehen hat. Denn genau wie bei der Ausübungskontrolle ist
insoweit Anknüpfungspunkt, ob sich die Lebensverhältnisse der Ehegatten vor
dem Scheitern ihrer Ehe gegenüber der ursprünglichen Planung abweichend
entwickelt haben. Eine solche Entwicklung liegt hier gerade nicht vor, weil bei
Vertragsschluss keine ehelichen Lebensverhältnisse mehr bestanden haben,
die sich danach noch hätten ändern können.
b) Auch auf Entwicklungen nach dem Scheitern der Ehe sind die allgemeinen
Grundsätze des
Vertrag können sich auch bei einer Scheidungsfolgenvereinbarung Umstände,
die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend
verändern, so dass eine Vertragsanpassung verlangt werden kann,
wenn die Vertragsparteien – hätten sie die Veränderung vorausgesehen – den
Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. So liegt der Fall hier
aber nicht.
aa) Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die
Realisierung des (Voraus-)Vermächtnisses nicht Geschäftsgrundlage für die
Scheidungsfolgenvereinbarung gewesen ist. Entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde hat es in seine diesbezüglichen Überlegungen alle wesentlichen
Gesichtspunkte einbezogen, diese zutreffend gewürdigt und den relevanten
Sachvortrag der Antragstellerin hinreichend berücksichtigt.
(1) Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung die nicht
zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage
getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der
einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen
der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände,
sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut
(Senatsbeschluss vom 11. Februar 2015 - XII ZB 66/14 -
17 mwN). Voraussetzung dafür, dass bestimmte Vorstellungen der Parteien zur
Geschäftsgrundlage erhoben werden, ist allerdings, dass diese in den gemeinsamen
Geschäftswillen der Parteien aufgenommen werden und nicht bloß einseitige
Erwartungen einer Partei darstellen (Senatsurteil vom 27. Juni 2012 -
XII ZR 47/09 -
der Parteien kann auch dann vorliegen, wenn eine einseitige Vorstellung von
der Geschäftsgrundlage der anderen Partei erkennbar geworden und von ihr
nicht beanstandet worden ist (BGH Urteil vom 11. Mai 2001 - V ZR 492/99 -
(2) Gemessen hieran ist die Erwartung der Antragstellerin, die drei gemeinsamen
Kinder würden in Erfüllung des (Voraus-)Vermächtnisses Miteigentümer
des Hausgrundstücks werden, nicht zur Geschäftsgrundlage für die
Scheidungsfolgenvereinbarung erhoben worden.
Zutreffend hat das Oberlandesgericht insoweit darauf abgestellt, dass
nichts darauf hindeutet, die eine Regelung habe nicht ohne die andere gelten
sollen. Im Gegenteil sieht der Text der Urkunde (ebenso wie der Vertrag vom
4. Februar 2015) ausdrücklich vor, dass die darin getroffenen Regelungen in
ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig sein sollten. Gleichzeitig ist im Erbvertrag
das lebzeitige Verfügungsrecht des Antragsgegners nach § 2286 BGB
nicht nur erwähnt, sondern es sollte ausdrücklich nicht eingeschränkt werden.
Sollte die Antragstellerin die einseitige Erwartung gehegt haben, der Antragsgegner
werde von seinem Verfügungsrecht gleichwohl keinen Gebrauch
machen, konnte sie angesichts des Vertragsinhalts redlicherweise nicht davon
ausgehen, dass der Antragsgegner diese Erwartung – dem Vertragswortlaut
zuwiderlaufend – in seinen Geschäftswillen aufgenommen hat.
(3) Mit ihrer hiergegen erhobenen Rüge einer Verletzung des Anspruchs
auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dringt die Rechtsbeschwerde
nicht durch.
Das Oberlandesgericht hat sich mit dem Schreiben des Antragsgegners
vom 2. Mai 2013 auseinandergesetzt und ausgeführt, dass sich aus der Äußerung
des Antragsgegners, es sei zunächst nicht seine Absicht gewesen, „die
Vereinbarung nicht einzuhalten“, nicht darauf schließen lasse, dass der Erbvertrag
Geschäftsgrundlage für die Scheidungsfolgenvereinbarung gewesen sei.
Die Rechtsbeschwerde verkennt, dass der Antragsgegner mit diesen Ausführungen
lediglich der Antragstellerin zu erklären versucht hat, weshalb er sich
später gleichwohl veranlasst sah, von seinem lebzeitigen Verfügungsrecht Gebrauch
zu machen. Er hat dies mit seiner damals angespannten finanziellen
Situation und der Notwendigkeit begründet, seine eigene Altersversorgung zu
sichern. Es mag sein, dass die Antragstellerin als Ausgleich für ihren Globalver-
zicht die gemeinsamen Kinder gegenüber den anderen Kindern des Antragsgegners
bevorzugen wollte. Diese einseitige Vorstellung hat jedoch weder Eingang
in den Vertragsinhalt gefunden noch wurde sie in den gemeinsamen Geschäftswillen
der Beteiligten aufgenommen.
bb) Auch die zwei Jahre nach der Trennung eingetretene Änderung der
Betreuungssituation gibt keine Veranlassung zur Vertragsanpassung. Zum einen
würde die von der Antragstellerin erstrebte Rechtsfolge des Ausgleichs der
ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte zu einer systemwidrigen Kompensation
ihrer nachehezeitlichen Versorgungsnachteile führen. Zum anderen
ist der Umstand, dass die Antragstellerin ihre Tätigkeit für eine gewisse Zeit auf
sechs bis sechseinhalb Stunden täglich reduziert hat, nicht derartig schwerwiegend,
dass ihr ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden könnte.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:27.05.2020
Aktenzeichen:XII ZB 447/19
Rechtsgebiete:
Erbvertrag
Versorgungsausgleich
Allgemeines Schuldrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
RNotZ 2020, 468-475
NJW 2020, 3243-3248
BGB §§ 138, 139, 242; VersAusglG § 9 Abs. 1