OLG Frankfurt a. Main 30. September 2015
19 U 19/15
HGO § 71 Abs. 2 S. 1; BGB § 652

Beauftragung eines Maklers durch Gemeinde ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung und bedarf daher der Schriftform

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 4.2.2016
OLG Frankfurt, 30.9.2015 - 19 U 19/15

GO HE § 71 Abs. 2 S. 1; BGB § 652
Beauftragung eines Maklers durch Gemeinde ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung und bedarf daher der Schriftform

1. Die Beauftragung eines Maklers zur Vermittlung von gemeindeeigenen Grundstücken ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung, das für die Gemeinde von nicht erheblicher Bedeutung und infolgedessen gem. § 71 Abs. 2 S. 3 HGO formfrei wäre. Die Begründung der Zahlungspflicht eines Maklerlohns bedarf daher der Schriftform gem. § 71 Abs. 2 S. 1 HGO.
2. Die Berufung auf die Nichtachtung der erforderlichen Form kann zwar im Einzelfall gegen § 242 BGB verstoßen. Die Bestimmung des § 71 Abs. 2 S. 1 HGO ist jedoch mehr als eine bloße Formvorschrift, denn sie regelt zugleich die Vertretungsmacht der Gemeindeorgane. Vorschriften über die Vertretungsmacht der zur Vertretung berufenen Organe können aber, soweit sie – wie hier – eine Gesamtvertretung anordnen, nicht durch den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben außer Kraft gesetzt werden. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Zahlung einer Maklerprovision für die
Vermittlung von Grundstücksgeschäften geltend. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und
Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils
Bezug genommen (Bl. 184 ff. der Akte).
Das Landgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 27.01.2015 (Bl. 184 ff. der Akte)
abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei von der zunächst
aufgestellten Behauptung, für die Beklagte Maklerleistungen erbracht zu haben, welche diese zur
Zahlung verpflichteten, abgerückt. Ein Maklervertrag zwischen den Parteien wäre auch am
Schriftformerfordernis des § 71 Abs. 2 Satz 1 HGO gescheitert. Dafür, dass ein Geschäft der
laufenden Verwaltung vorgelegen habe, habe der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte
vorgetragen. Eine etwaige Genehmigung komme mangels Einhaltung der Formerfordernisse des
§ 71 Abs. 2 Satz 1 HGO ebenfalls nicht in Betracht.
Auch der nunmehrige Vortrag des Klägers, die Beklagte habe den auf den Maklerlohn
entfallenden Teil des Kaufpreises treuhänderisch vereinnahmt, weshalb er an ihn auszuzahlen
sei, trage die Klage nicht. Es könne dahinstehen, ob zwischen der Beklagten als Verkäuferin und
der jeweiligen Kaufvertragspartei durch die Aufnahme des entsprechenden Passus in den
jeweiligen Kaufvertrag tatsächlich eine Treuhandabrede geschlossen worden sei. Selbst wenn
man die Vereinbarung als Treuhandabrede auffassen wollte, begründe sie jedenfalls kein
Forderungsrecht des Klägers gegen die Beklagte. Der Kläger sei nicht Partei des Kaufvertrages.
Ein eigenes Forderungsrecht des Beklagten komme daher nur dann in Betracht, wenn es sich um
einen Treuhandvertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB handele. Vorliegend lasse sich aus der
Formulierung, dass durch die Kaufpreiszahlung "gegebenenfalls anfallende
Vermittlungsgebühren" abgegolten seien, keinerlei Anhaltspunkt dafür gewinnen, dass dem
Kläger ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte habe eingeräumt werden sollen.
Das Vorbringen im klägerischen Schriftsatz vom 15.01.2015 sei nach § 296a ZPO
zurückzuweisen. Es sei das schriftliche Verfahren angeordnet worden, in dem Schriftsätze bis
zum 06.01.2015 hätten eingereicht werden können. Dieses Datum habe dem Schluss der
mündlichen Verhandlung entsprochen. Umstände, welche Anlass gegeben hätten, die mündliche
Verhandlung wiederzueröffnen, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Gegen das ihm am 29.01.2015 (Bl. 200 der Akte) zugestellte Urteil hat der Kläger am
04.02.2015 bei dem Landgericht Wiesbaden Berufung eingelegt (Bl. 204 der Akte), die - von
dort weitergeleitet - am 10.02.2015 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist (Bl. 210 der
Akte), und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.04.2015 (Bl. 239
der Akte) am 30.04.2015 begründet (Bl. 240 ff. der Akte).
Der Kläger macht zur Begründung der Berufung geltend, die Ansicht des Landgerichts, es liege
kein Geschäft der laufenden Verwaltung vor, sei rechtsirrig. Jedenfalls hätte das Landgericht
diese Frage anhand der Vielzahl der Geschäfte in der Vergangenheit und des Umstands, dass im
Einzelfall kein höheres Honorar als 10.000,-- € berechnet worden sei, prüfen müssen. Darüber
hinaus hätte geprüft und erörtert werden müssen, ob aufgrund der Vielzahl der
Zahlungsanordnungen nicht eine Heilung des Formmangels eingetreten sei. Dies sei gerade
deshalb von Bedeutung, weil der Kläger sich über ein Jahrzehnt hinweg auf eine derartige
Verfahrensweise der Beklagte habe verlassen könne. Ferner hätte das Landgericht prüfen
müssen, ob in der jeweiligen Abrechnung der Beklagten ein Anerkenntnis liege.
Darüber hinaus werde der Eigenbetrieb nach seiner Satzung durch deren Leiter, den Zeugen A,
vertreten. Dies habe das Landgericht ebenfalls nicht berücksichtigt.
Hätte die angefochtene Entscheidung erkannt, dass der von dem Kläger angeführte Passus in den
Kaufverträgen von der Beklagten nicht bestritten worden sei, hätte eine Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung erfolgen müssen. Denn Hinweise des Gerichts, wie es das
Treuhandverhältnis sehe, seien nicht erfolgt. Daher mangele es dem Urteil auch an der
notwendigen Begründung und liege ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen
Gehörs vor.
Die Begründung, warum aufgrund dieser Formulierung in den Kaufverträgen kein Anspruch des
Klägers, der bei Vertragsschluss jeweils anwesend gewesen sei, begründet worden sei,
überzeuge nicht. Das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte das Maklerhonorar
jeweils als Durchlaufposten verbucht habe, es also nicht den Einnahmen zugehörig betrachtet
habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 27.01.2015 (1 O 12/14) die
Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
1.
39.555,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
28.11.2013 zu zahlen,
2.
außergerichtliches Anwaltshonorar in Höhe von 1.336,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,
für den Fall der Berufungszurückweisung die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache
keinen Erfolg. Es liegt kein Berufungsgrund im Sinne von § 513 ZPO vor, da die Entscheidung
des Landgerichts weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht noch die
nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung in der Sache
rechtfertigen.
Das Vorbringen in der Berufungsbegründung zeigt weder einen Rechtsfehler der angefochtenen
Entscheidung des Landgerichts auf noch sind Anhaltspunkte für eine fehler- oder lückenhafte
Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erkennbar (§ 529 ZPO). Das Landgericht
hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger sich gegen die Ausführungen des Landgerichts wendet, ein Maklervertrag
scheitere jedenfalls an der Einhaltung der Erfordernisse des § 71 Abs. 2 HGO, gleiches gelte für
eine etwaige Genehmigung, handelt es sich um neues Vorbringen im Sinne von § 531 ZPO.
Denn der Kläger hatte seinen Vortrag, es sei jedenfalls konkludent ein Maklervertrag zustande
gekommen bzw. durch die zuständigen Organe genehmigt worden, ausweislich des Schriftsatzes
vom 06.01.2015 fallengelassen mit der Folge, dass es sich - soweit er dieses in der
Berufungsinstanz erneut aufgreift - um neues Vorbringen im Sinne von § 531 ZPO handelt (vgl.
BGH, Urteil vom 28.05.1998 - VII ZR 160/97 - zit. n. Juris). Gründe, die eine Zulassung dieses
Vortrags rechtfertigen, werden mit der Berufungsbegründung nicht vorgetragen.
Ungeachtet dessen sind die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts auch nicht zu
beanstanden. Nach der Vereinbarung vom 12.12.2003, deren Gültigkeit bis zum 31.10.2004
befristet war, gab es unstreitig keine weitere schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien
mehr. Ein mündlich geschlossener Maklervertrag scheiterte an den Vorgaben des § 71 Abs. 2
Satz 1 HGO. Danach bedürfen Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll,
der Schriftform oder müssen in elektronischer Form mit einer dauerhaft überprüfbaren
qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. Sie sind nur rechtsverbindlich, wenn sie
vom Bürgermeister oder seinem allgemeinen Vertreter sowie von einem weiteren Mitglied des
Gemeindevorstands unterzeichnet sind. Dies gilt nicht für Geschäfte der laufenden Verwaltung,
die für die Gemeinde von nicht erheblicher Bedeutung sind, sowie für Erklärungen, die ein für
das Geschäft oder für den Kreis von Geschäften ausdrücklich Beauftragter abgibt, wenn die
Vollmacht in der Form nach Satz 1 und 2 erteilt ist.
Danach hätte ein Maklervertrag in Schriftform geschlossen und vom Bürgermeister und einem
weiteren Mitglied des Gemeindevorstandes unterzeichnet werden müssen, da kein Geschäft der
laufenden Verwaltung vorliegt, das für die Gemeinde nicht von Bedeutung ist.
Geschäfte der laufenden Verwaltung sind dabei nur solche, die in mehr oder weniger
regelmäßiger Wiederkehr vorkommen, Alltagsgeschäfte, die ihrer Natur nach im gewöhnlichen
Betriebsverlauf regelmäßig wiederkehren. Durch die behauptete konkludente Fortführung der
Vereinbarung vom 12.12.2003 sollte die Gemeinde eine in ihrem Ausmaß im Einzelnen nicht
bestimmte Zahlungsverpflichtung eingehen. Dabei handelte es sich weder um ein seiner Natur
nach im gewöhnlichen Betriebsablauf regelmäßig wiederkehrendes Geschäft noch um eine
Maßnahme, die in ihrem Umfang und in ihrer finanziellen Tragweite von sachlich weniger
erheblicher Bedeutung gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.1989 - III ZR 100/87 - zit. n.
Juris). Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung der Vielzahl der von dem Kläger
behaupteten Geschäfte und deren Umfang.
Eine Genehmigung scheidet mangels Einhaltung der Form aus. Zwar kann die Berufung auf die
Nichteinhaltung der Formerfordernisse im Einzelfall gegen § 242 BGB verstoßen. Insoweit
enthält § 71 Abs. 2 Satz 1 HGO jedoch nicht nur eine bloße Formvorschrift, sondern zugleich
eine Regelung der Vertretungsmacht. Vorschriften über die Vertretungsmacht der zur Vertretung
berufenen Organe können aber, soweit sie - wie hier - eine Gesamtvertretung anordnen, nicht
durch den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben außer Kraft gesetzt werden (BGH,
Urteil vom 10.05.2001 - III ZR 111/99 - zit. n. Juris).
Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main vom 25.06.2013 (11 U 94/12) ist mit dem vorliegenden Falle nicht
vergleichbar, da dort eine ausdrückliche Billigung eines konkludent abgeschlossenen
Kaufvertrages durch den Magistrat vorlag. Eine solche nachträgliche Billigung hat der Kläger
indes nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
Es kann dahinstehen, ob in den Abrechnungen (Anlagen K 7, 10, 16, 20, 24) überhaupt ein
Anerkenntnis gesehen werden kann, da ein solches jedenfalls ebenfalls wegen Nichteinhaltung
der Anforderungen des § 71 Abs. 2 Satz 1 HGO nicht wirksam wäre.
Auch unter Berücksichtigung von § 5 Satzung der Beklagten über den Eigenbetrieb ergibt sich
nichts anderes. Denn diese verweist ihrerseits auf § 3 Abs. 2 des Eigenbetriebsgesetzes, wonach
Erklärungen in Angelegenheiten des Eigenbetriebs, durch die die Gemeinde verpflichtet werden
soll, der Schriftform bedürfen. Im Rahmen der laufenden Betriebsführung werden sie von den
durch die Satzung bestellten Vertretungsberechtigten abgegeben. Im Übrigen sind sie nur
rechtsverbindlich, wenn sie in der Form des § 71 Abs. 2 Satz 1 HGO unterzeichnet sind. Insofern
kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen Bezug genommen
werden.
Ein Anspruch des Klägers lässt sich auch nicht aus dem in den Kaufverträgen enthaltenen Passus
"Mit diesem Kaufpreis sind gegebenenfalls anfallende Vermittlungsgebühren oder anderes
daraus entstehende Entschädigungsleistungen abgegolten" begründen.
Selbst wenn darin eine Treuhandabrede zu sehen sein sollte, begründete diese allein Rechte und
Pflichten zwischen den Vertragsparteien, nicht aber zwischen der Beklagten und dem Kläger, der
nicht Vertragspartner ist. Darauf, ob er bei Beurkundung anwesend gewesen ist, kommt es nicht
an.
Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass ein eigenes Forderungsrecht des
Klägers auch nicht aus einem Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB folgt. Ein solcher kann
in dem Kaufvertrag bzw. dem entsprechenden Passus nicht gesehen werden, zumal ein solches
Recht nicht hinreichend bestimmt wäre. Auf die Ausführungen des Landgerichts kann zur
Vermeidung von Wiederholungen insofern Bezug genommen werden. Nicht nachvollziehbar ist
in diesem Zusammenhang die Rüge, es fehle dem Urteil des Landgerichts an einer Begründung.
Warum eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten gewesen wäre, lässt sich
der Berufungsbegründung nicht entnehmen. Ein Hinweis darauf, wie das Landgericht das
Treuhandverhältnis beurteilt, war nicht erforderlich, da die Voraussetzungen des § 139 ZPO
nicht vorlagen. Im Übrigen hat der Berufungskläger nicht dargelegt, was er nach Erteilung des
für erforderlich gehaltenen Hinweises vorgetragen hätte.
Da der Kläger mit seinem Rechtsmittel unterlegen ist, hat er gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten
der Berufung zu tragen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

30.09.2015

Aktenzeichen:

19 U 19/15

Rechtsgebiete:

Maklervertrag
Kommunalrecht

Normen in Titel:

HGO § 71 Abs. 2 S. 1; BGB § 652