Überlassung eines Miteigentumsanteils an Grundstück an Minderjährigen; Vertretung des minderjährigen Erwerbers durch Eltern; Vertretungsausschluss; kein lediglich rechtlicher Vorteil
letzte Aktualisierung: 4.1.2024
OLG München, Beschl. v. 18.12.2023 – 34 Wx 311/23 e
BGB §§ 1824 Abs. 1, 107, 748, 1629 Abs. 2, 1809 Abs. 1
Überlassung eines Miteigentumsanteils an Grundstück an Minderjährigen; Vertretung des minderjährigen Erwerbers durch Eltern;
Vertretungsausschluss; kein lediglich rechtlicher Vorteil
Die Überlassung eines Grundstücks zu Miteigentum ist grundsätzlich als nicht lediglich rechtlich
vorteilhaft im Sinne von
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 2 bis 4 begehren ihre Eintragung im Grundbuch als Bruchteilseigentümer von Grundbesitz.
Im Grundbuch ist der Beteiligte zu 1 als Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstücks, das u.a. mit
einem Wohnhaus bebaut ist, eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 24.11.2022 überließ er dieses Grundstück
unentgeltlich seinen Enkelinnen, den Beteiligten zu 2 bis 4, zu Miteigentum. Zugleich räumten die Erwerber dem
Beteiligten zu 1 und dessen Ehefrau auf Lebenszeit ein unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht am
Vertragsgegenstand ein; sämtliche Instandhaltungsaufwendungen sollte der Berechtigte tragen. In derselben
Urkunde beantragten die Beteiligten zu 2 bis 4 ihre Eintragung im Grundbuch. Die minderjährigen Beteiligten zu
3 und 4 wurden von ihrer Mutter, der Tochter des Beteiligten zu 1, vertreten.
Mit Zwischenverfügung vom 12.12.2022 erklärte das Grundbuchamt neben anderen Beanstandungen unter
Ziffer 6, hinsichtlich der Eigentumsübertragung an die minderjährigen Beteiligten zu 3 und 4 seien deren Eltern
von der Vertretung ausgeschlossen. Die Ausnahme der Erfüllung einer Verbindlichkeit scheide aus. Das
Rechtsgeschäft sei auch nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da die minderjährigen Erwerberinnen in die
Bruchteilsgemeinschaft einträten und wegen der privatrechtlichen Verantwortlichkeit von Miteigentümern aus
Gefährdungstatbeständen und Verkehrssicherungspflichten insoweit als Gesamtschuldner haften würden.
Mit Schreiben vom 13.11.2023 legte der Urkundsnotar Beschwerde gegen Ziffer 6 der Zwischenverfügung ein.
Der Erwerb eines Grundstücksbruchteils durch einen Minderjährigen erweise sich nach der obergerichtlichen
Rechtsprechung und ihr folgenden Kommentarliteratur als lediglich rechtlich vorteilhaft, auch wenn der
Minderjährige in eine Bruchteilsgemeinschaft eintrete. Ob es wegen privatrechtlicher
Gefährdungshaftungstatbestände und Verkehrssicherungspflichten zu einer Schadensersatzpflicht kommen
werde, stelle zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs eine bloß theoretische Möglichkeit dar, über deren Eintritt
oder Nichteintritt sich nur spekulieren lasse. Wollte man bereits deswegen den lediglich rechtlichen Vorteil im
Sinne von
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 20.11.2023 der Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat
es auf einen Beschluss des Kammergerichts vom 1.8.2023 verwiesen. Die Formulierung des Oberlandesgerichts
München in der Entscheidung vom 28.9.2021 deute durch den Konjunktiv eher auf eine Einzelfallentscheidung
hin.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Beschwerdegegenstand ist lediglich Ziffer 6 der Zwischenverfügung. Denn die Begründung des Rechtsmittels
beschränkt sich auf Ausführungen zur dort behandelten Frage der Genehmigungsbedürftigkeit nach
2. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Als Rechtsmittelführer sind, da vom im Rahmen der Ermächtigung nach § 15 Abs. 2 GBO tätigen Notar hierzu
keine weiteren Erklärungen abgegeben wurden, die an der Errichtung der Urkunde Beteiligten anzusehen; denn
diese haben entweder in der zum Vollzug eingereichten Urkunde Anträge gestellt oder hätten solche stellen
können (
2020, § 15 Rn. 63; Meikel/Böttcher, GBO, 12. Aufl., § 15 Rn. 38; Schöner/Stöber, GBR, 16. Aufl., Rn. 189).
b) Die Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Entscheidungen des Grundbuchamts im Sinne dieser
Bestimmung sind auch Zwischenverfügungen nach
197; Senat
Rn. 35; Schöner/Stöber Rn. 473).
3. Die Beschwerde bleibt aber in der Sache ohne Erfolg, da das Grundbuchamt mit Recht die Vorlage der
Genehmigung eines Ergänzungspflegers verlangt.
a) Gemäß
erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist. Die Vorschrift findet auch auf eine
Übertragung zu Miteigentum Anwendung (Demharter § 20 Rn. 4; Hügel/Hügel § 20 Rn. 12; Meikel/Böttcher § 20
Rn. 29), wie sie hier vorliegt.
b) Ein Minderjähriger bedarf gemäß
rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Ein auf den Erwerb einer Sache
gerichtetes Rechtsgeschäft ist für den Minderjährigen dann nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn er in dessen
Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch
persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Ob diese weitergehenden Verpflichtungen von den Parteien
des Rechtsgeschäfts angestrebt worden sind, ist unerheblich. Es genügt, wenn sie die gesetzliche Folge des
angestrebten Rechtsgeschäfts sind (
Gesamtbetrachtung des dinglichen und des schuldrechtlichen Teils des Rechtsgeschäfts, sondern nach einer
isolierten Betrachtung allein des dinglichen Erwerbsgeschäfts (
1.11.2023, BGB § 107 Rn. 36; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 107 Rn. 6; NK-BGB/Kunz/Baldus, 11.
Aufl., § 107 Rn. 26).
aa) Die Frage, ob die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück im genannten Sinne nicht lediglich
rechtlich vorteilhaft ist, kann nicht allgemein, sondern nur im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls
beantwortet werden. Allein aus der Verpflichtung zur Tragung gewöhnlicher öffentlicher Lasten folgt nach
allgemeiner Ansicht kein rechtlicher Nachteil (
Schöner/Stöber Rn. 3610g). Der Erwerb eines mit dem Sondereigentum an einer Wohnung verbundenen
Miteigentumsanteils hingegen ist nie lediglich rechtlich vorteilhaft. Der Bundesgerichtshof hat dies in seiner
grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 2010 damit begründet, dass der Erwerber als Mitglied der
Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 16 Abs. 2 WEG nicht nur verpflichtet ist, sich entsprechend seinem
Anteil an den Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen; er hat vielmehr anteilig auch die Kosten
der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des
gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen (
BGB § 107 Rn. 107; Grüneberg/Ellenberger § 107 Rn. 4; NK-BGB/Kunz/Baldus § 107 Rn. 109;
MüKoBGB/Spickhoff, 9. Aufl., § 107 Rn. 81; Schöner/Stöber Rn. 3610m).
bb) Die Überlassung eines Grundstücks zu Miteigentum ist nach Auffassung des Bayerischen Obersten
Landesgerichts nicht anders zu beurteilen als die Übereignung eines ganzen Grundstücks (BayObLGZ 1998,
139/145). Die Literatur hat sich, soweit sie sich mit dem Problem befasst, dieser Sichtweise angeschlossen
(BeckOGK/Duden BGB § 107 Rn. 95.1; MüKoBGB/Spickhoff § 107 Rn. 72; Schöner/Stöber Rn. 3610l). Auch der
Senat hat eine Tendenz in diese Richtung gezeigt, allerdings ohne sich insoweit festzulegen (Senat NJW-RR
2022, 166/167). Dagegen vertritt das Kammergericht in bislang unveröffentlichten Entscheidungen (KG
Beschlüsse vom 1.8.2023, 1 W 93/23, und vom 20.9.2022, 1 W 280/22) die Auffassung, beim Erwerb eines
Miteigentumsanteils an einem Grundstück verhalte es sich im Grundsatz nicht anders als beim Erwerb einer
Eigentumswohnung. Er werde Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 741 ff., 1008 ff. BGB. Auch dies
sei eine Sonderverbindung, aus der sich Pflichten und Haftungsfolgen ergäben.
cc) Der Senat schließt sich jedenfalls für die vorliegende Konstellation der Auffassung des Kammergerichts an.
Die obigen Erwägungen, die zur Annahme auch eines rechtlichen Nachteils beim Erwerb von
Wohnungseigentum führen, gelten gleichermaßen für den Erwerb eines bloßen Miteigentumsanteils an einem
Grundstück. Ähnlich wie ein Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 16 Abs. 2 WEG ist auch
der Bruchteilseigentümer gemäß § 748 BGB verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstands sowie
die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinsamen Benutzung nach dem Verhältnis seines
Anteils zu tragen (BeckOGK/Falkner, Stand 1.5.2023, WEG § 16 Rn. 20), und zwar ohne Beschränkung auf
dessen Wert. Die Vergleichbarkeit wird jedenfalls in der hier gegebenen Konstellation dadurch unterstrichen,
dass auch das verfahrensgegenständliche Grundstück bebaut ist und deshalb der Anfall von Kosten für
Erhaltung, Verwaltung und gemeinsame Benutzung nicht nur theoretischer Natur ist. Ob ein Gebäude in
Sondereigentum aufgeteilt ist oder sich in ungeteiltem Miteigentum der Anteilsinhaber befindet, ist hierfür nicht
relevant. Vielmehr knüpfen die Verpflichtungen aus § 16 Abs. 2 WEG wie diejenigen aus § 748 BGB an das
Bestehen einer Gemeinschaft an. An diesem Ergebnis ändert hier auch der Umstand nichts, dass nach dem
Inhalt des Überlassungsvertrags die Instandhaltungsaufwendungen vom Beteiligten zu 1 zu tragen sind. Denn
zum einen machen diese nur einen Teil der gesamten Kosten aus. Zum anderen ist die entsprechende
Verpflichtung auf Lebenszeit der Berechtigten befristet. Ob sich ein rechtlicher Nachteil zudem aus dem
Umstand ergibt, dass mit dem Erwerb eines Miteigentumsanteils am Grundstück diesbezügliche
Verkehrssicherungspflichten und Gefährdungshaftungstatbestände einhergehen, erscheint zweifelhaft; es
erschließt sich nicht ohne weiteres, warum dieser Aspekt anders als beim Erwerb eines Grundstücks zu
Alleineigentum, der dieselben haftungsrechtlichen Konsequenzen hat, von Relevanz sein soll. Letztlich kann dies
aber dahinstehen, weil schon aus den oben genannten Gründen die Überlassung von Grundbesitz zu
Miteigentum als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft anzusehen ist.
c) Stellt sich die Grundstücksübertragung zu Miteigentum somit als auch rechtlich nachteilhaft dar, so ist im Falle
der Beteiligten zu 3 und 4 gemäß
Vortrag ihrer Mutter erforderlich. Diese ist jedoch, da es sich beim Beteiligten zu 1 wiederum um deren Vater
handelt, gemäß § 1629 Abs. 2 i.V.m.
bedarf folglich der Genehmigung der Auflassung durch einen Ergänzungspfleger nach § 1809 Abs. 1 Satz 1
BGB n. F.
3. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens unterbleibt, weil die Beteiligten diese als
Beschwerdeführer gemäß
4. Die Bemessung des nach
Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Grundbuchamts richtet sich nach den Schwierigkeiten, die die
Behebung des Eintragungshindernisses macht, das Gegenstand der Zwischenverfügung und damit des
Rechtsmittelverfahrens ist (BGH NJOZ 2014, 971; Senat
wäre das Eintragungshindernis durch die Vorlage einer formgerechten Genehmigung durch einen noch zu
bestellenden Ergänzungspfleger zu beseitigen. Der für die Bemessung der Gebühr gemäß Nr. 1313 FamGKG
maßgebliche Verkehrswert der auf die Beteiligten zu 3 und 4 entfallenden Anteile lässt sich den Grundakten
jedoch nicht entnehmen. Daher ist der Auffangwert des
5. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß
Bedeutung hat. Das ist dann der Fall, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage bisher durch den
Bundesgerichtshof noch nicht geklärt ist und ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung besteht, da sich
diese Frage auch in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen kann (Senat NJOZ 2022, 492/494; Demharter § 78 Rn.
7; Hügel/Kramer § 78 Rn. 3; Meikel/Schmidt-Räntsch § 78 Rn. 21). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Die Überlassung von Grundbesitz an Minderjährige, für die es vielfältige Gründe gibt (vgl. Braeuer/Pätzold
erscheint nicht außergewöhnlich. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt insoweit nur für den Fall der
Übertragung von Sondereigentum im Sinne von
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:18.12.2023
Aktenzeichen:34 Wx 311/23 e
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
WEG
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
BGB §§ 1824 Abs. 1, 107, 748, 1629 Abs. 2, 1809 Abs. 1