OLG Naumburg 26. September 2019
1 U 130/18
BGB §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 242, 2329, 2332 Abs. 1

Verjährungsbeginn des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten gegen den beschenkten Miterben

letzte Aktualisierung: 12.08.2020
OLG Naumburg, Urt. v. 26.9.2019 – 1 U 130/18

BGB §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 242, 2329, 2332 Abs. 1
Verjährungsbeginn des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten gegen den beschenkten
Miterben

1. Die Verjährungsfrist des gegen den Beschenkten gerichteten Anspruchs aus § 2329 BGB beginnt
auch dann unzweifelhaft gemäß § 2332 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall zu laufen, wenn der
Beschenkte Miterbe ist.

2. Dem stehen unberechtigte und die Bestandsfeststellung erschwerende Entnahmen des
Beschenkten aus dem Nachlass nicht entgegen.

Gründe

I.

Die Kläger machen gegenüber der Beklagten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend.

Die Parteien sind die Abkömmlinge der am 26. September 2014 verstorbenen Frau I.
R. , ihrer Mutter (im Folgenden: Erblasserin). Der Ehemann der Erblasserin und Vater
der Parteien ist am 28. Juli 2014 vorverstorben. Die Erblasserin war Alleinerbin ihres Ehemanns.

Die Parteien dieses Rechtsstreits sind auf der Grundlage gewillkürter Erbfolge Erben
nach Frau R. entsprechend dem gesetzlichen Erbteil zu je einem Viertel.

Zuvor, nämlich am 20. März 2013, hatten die Erblasserin und ihr Ehemann das mit einem
von ihnen bewohnten Einfamilienhaus in Q. bebaute Grundstück der Beklagten unentgeltlich
im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Die Kläger haben behauptet,
dass dieses Grundstück einen Wert von 180.000,00 € habe.

Mit einer am 10. September 2015 angebrachten und später erweiterten Klage hat der Kläger
zu 1) die Beklagte vor dem Landgericht Magdeburg auf die Zahlung von 7.792,48€ an die Erbengemeinschaft
in Anspruch genommen, und dieses Begehren darauf stützt, dass die Beklagte
vor und nach dem Erbfall diesen Betrag unberechtigt dem Vermögen der Erblasserin
bzw. dem Nachlass entnommen habe. Diesen Rechtsstreit haben die dortigen Parteien
durch Vergleich vom 26. Mai 2016 zum Abschluss gebracht, der die Beklagte zur Zahlung
eines Betrages von 4.500,00 € an die Mitglieder der Erbengemeinschaft verpflichtete.

Gestützt auf die Behauptung, dass der fiktive Nachlass unter Berücksichtigung des übertragenen
Grundstücks mit 225.847,65 € zu veranschlagen sei und der daraus berechnete
Pflichtteil jedes Abkömmlings (entsprechend einem Achtel des Nachlasswertes) 28.237,21 €
betrage, haben die Kläger die Auffassung vertreten, dass die Beklagte den empfangenen
Gegenstand jedem von ihnen zur Befriedigung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß
§ 2329 BGB in Höhe von jeweils 5.288,37 € zur Verfügung stellen müsse.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, gemäß § 2050 Abs. 3 BGB nicht zum Ausgleich
der Schenkung verpflichtet zu sein, den Wert der übertragenen Immobilie bestritten, den sie
mit 120.000,00 € angegeben hat, und die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat antragsgemäß ein Versäumnisurteil aufrechterhalten, in dem die Beklagte
verurteilt wird, die Zwangsvollstreckung in das näher bezeichnete Grundstück für eine
Forderung von jeweils 5.288,37 € zu dulden und ausgesprochen, dass die Zwangsvollstreckung
durch die Zahlung des jeweils titulierten Betrages abgewendet werden kann. Zur Begründung
hat das Landgericht ausgeführt, dass sich der Anspruch aus § 2329 BGB ergebe.

Die Beklagte habe den Wert des übertragenen Gegenstandes unsubstantiiert bestritten. Sie
könne die Leistung nicht verweigern, da Verjährung nicht eingetreten sei. Die am 14. Dezember
2017 angebrachte Klage habe die 3-jährige Verjährungsfrist gewahrt.

Mit ihrer Berufung, die sie nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen
den Ablauf der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist form- und fristgerecht eingelegt
und begründet hat, wendet sich die Beklagte gegen die angefochtene Entscheidung.

Die Beklagte hält an ihrer erstinstanzlich vertretenen Ansicht fest, wonach dem geltend gemachten
Anspruch das Fehlen ihrer Verpflichtung zum Ausgleich der Zuwendung entgegenstehe.
Die Zuwendung sei nicht als Ausstattung anzusehen und deswegen gemäß § 2050
Abs. 3 BGB nur bei einer entsprechenden Anordnung des Schenkers ausgleichspflichtig.

Mangels einer solchen Anordnung sei die Beklagte nicht zum Ausgleich verpflichtet.

Darüber hinaus beanstandet die Beklagte die Verfahrensfehlerhaftigkeit der Feststellung zur
Höhe des zugesprochenen Anspruchs. Das Landgericht habe ihr Vorbringen dazu, dass das
Grundstück einen geringeren als den von den Klägern vorgebrachten Wert aufweise, nicht
übergehen dürfen.

Schließlich hält die Beklagte an der Einrede der Verjährung fest. Die im Streitfall anwendbare
Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB sei mit Ablauf von 3 Jahren nach dem Erbfall, mithin
am 26. September 2017 abgelaufen und habe durch die am 18. Dezember 2017 angebrachte
Klage nicht mehr gehemmt werden können.

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertreten die Ansicht, die Beklagte könne sich unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs
nicht auf die privilegierte Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB berufen, weil sie
sich gegenüber den Klägern unredlich verhalten habe. Sie habe durch ihr Verhalten, das den
im Jahr 2015 anhängig gewordenen Rechtsstreit veranlasst hatte, die Nachlassabwicklung
behindert und die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs treuwidrig hinausgezögert,
um dadurch das Geschenk dem Zugriff der Pflichtteilsberechtigten zu entziehen.
Zumindest sei eine Hemmung der Verjährung für die Dauer dieses Rechtsstreits von September
2015 bis Mai 2016 eingetreten. Ohne vorausgehende Kenntnis über den verbleibenden
Nachlass sei eine Bezifferung des Anspruchs nicht möglich gewesen.

Schließlich habe die Beklagte konkludent auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Dieser
Verzicht ergebe sich daraus, dass die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor
dem Landgericht vom 28. Juni 2018 sich auf die Erörterung eines Vergleiches eingelassen
habe, der die ratenweise Zahlung von 5.000,00 € an jeden der Kläger vorgesehen habe. Der
Vergleich sei wegen des Wunsches der Kläger nach dinglicher Sicherung nicht protokolliert
und nachfolgend von den Klägern wegen der vorgesehenen Ratenzahlung fallen gelassen
worden. Durch ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Zahlung des Vergleichsbetrages habe die
Beklagte zum Ausdruck gebracht, sich auf die zwischenzeitlich eingetretene Verjährung nicht
berufen und allenfalls sachliche Einwendungen, wie etwa das Bestreiten des Grundstückswertes,
zu erheben. Dieses nach bereits erhobener Verjährungseinrede und damit in Kenntnis
des Verjährungseintritts an den Tag gelegte Verhalten sei als Verzicht auf die Einrede
der Verjährung zu bewerten.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet und führt unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
zur Aufhebung des im erstinstanzlichen Verfahren ergangenen Versäumnisurteils
und zur Klageabweisung. Der dem Wortlaut nach allein auf die Abänderung der angefochtenen
Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung gerichtete Antrag der Beklagten war im
Wege der Auslegung dahin zu ergänzen, dass sie die Aufhebung des vom Landgericht aufrechterhaltenen
Versäumnisurteils ebenfalls begehrte.

Die zulässige Klage ist nicht begründet, weil die Beklagte die Leistung gemäß § 214 Abs. 1
BGB verweigern kann.

Der von den Klägern geltend gemachte Pflichtteilsergänzungsanspruch richtet sich gegen
die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Empfängerin der Zuwendung. Er unterliegt der dreijährigen
Verjährungsfrist des § 195 BGB, deren Beginn in den Anwendungsbereich des § 2332
Abs. 1 BGB fällt. Nach der letztgenannten Vorschrift beginnt die Verjährungsfrist des dem
Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 gegen den Beschenkten zu stehenden Anspruchs mit
dem Erbfall.

Dieser Verjährungsbeginn ist im Streitfall maßgeblich, obwohl die Beklagte nicht nur Beschenkte
sondern auch Miterbin ist. Allerdings wurde für diese Konstellation in der Literatur
die Auffassung vertreten, dass sich die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs aus
§ 2329 BGB nach allgemeinen Regeln richte, wenn er gegen einen Beschenkten erhoben
wird, der selbst zum Kreis der Erbengemeinschaft gehört. Diese Auffassung wurde allgemein
im Wesentlichen mit der Argumentation begründet, die das Oberlandesgericht Zweibrücken
in der von den Klägern zur Unterstützung ihrer Auffassung, die Beklagte verhalte sich treuwidrig,
wenn sie sich auf die spezielle Verjährungsregelung des § 2332 Abs. 1 BGB berufe,
herangezogenen Entscheidung (Urteil vom 25. Juni 1976 zu 1 U 146/75, veröffentlicht bei ju6
ris) verwendet hat. Danach sei die Anwendung der für den Verpflichteten günstigeren Verjährungsregelung
nicht gerechtfertigt, wenn der Beschenkte zugleich der Miterbe oder Erbe sei.

Es handele sich nicht um einen bezüglich des Nachlasses Außenstehenden, der alsbald vor
den Folgen einer Nachlassabwicklung geschützt werden müsste, an der er nicht beteiligt ist.

Die Anwendung dieser günstigeren Verjährungsregelung verschaffe dem beschenkten Miterben
ein Mittel, durch eine Verzögerung der Erbauseinandersetzung, insbesondere der Feststellung
des Nachlassbestandes, den pflichtteilsberechtigten Miterben während einer die
Verjährungsfrist übersteigenden Zeitdauer über die Voraussetzungen des sich aus § 2329
BGB ergebenden Pflichtteilsergänzungsanspruchs im Unklaren zu lassen und ihm diesen
Anspruch durch die Verjährungseinrede dann zu entwinden (RN 61 und 62 in der nach juris
zitierten Fassung).

Dieser Auffassung hat sich der Bundesgerichtshof nicht angeschlossen und die Geltung der
privilegierten Verjährung für den Anspruch aus § 2329 BGB auch für den Fall anerkannt,
dass dieser Anspruch gegenüber einem beschenkten Miterben erhoben wird. Der Bundesgerichtshof
hat dazu ausgeführt (Urteil vom 9. Oktober 1985 zu IVa ZR 1/84, zitiert nach juris),
dass die Privilegierung dazu diene, dem Interesse des Beschenkten mithilfe einer vom Erbfall
an laufenden kurzen Verjährungsfrist Rechnung zu tragen. Auch wenn der Beschenkte
zugleich Erbe sei, verliere sein Interesse, das Geschenk behalten zu können, dadurch nicht
an Gewicht. Es sei in gleicher Weise schutzbedürftig und schutzwürdig wie bei einem beschenkten
Dritten. Der Einfluss des Erben auf die Nachlassabwicklung könne die Erschwerung
der Verjährung nicht rechtfertigen. Insbesondere sei die Befürchtung des Oberlandesgerichts
Zweibrücken, der Erbe könne die Abwicklung bis nach Ablauf der Frist hinauszögern
und dadurch sein Geschenk dem Zugriff des Pflichtteilsberechtigten entziehen, in dieser
Form nicht gerechtfertigt. Der Berechtigte könne dieser Gefahr vorbeugen, und gegebenenfalls
rechtzeitig Stufenklage erheben. Dass eine auf § 2325 BGB gestützte Klage des Pflichtteilsberechtigten
gegen den beschenkten Erben auch die Verjährung des Anspruchs aus
§ 2329 BGB unterbreche, sei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt
( RN 11 und 12 in der nach juris zitierten Fassung).

Dieser auch von der Rechtsprechung befolgten (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1986, 166), in
der nachfolgenden Literatur weitgehend akzeptierten (vgl. etwa Lange, in Münchener Kommentar
zum BGB, 7. Aufl., § 2332, RN 10; Weidlich, in Palandt, BGB, 78. Aufl. § 2332, RN 1;
Mayer, in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 2332, RN 16 und Pentz, MDR 1998, 134) und im
Grundsatz wohl auch von den Klägern geteilten Auffassung schließt der Senat sich an.

Wenn aber der vom Oberlandesgericht Zweibrücken zur Begründung seiner abweichenden
Auffassung herangezogene Einfluss des Erben auf die Nachlassabwicklung nicht ausreicht,
um die Anwendung der privilegierten Verjährungsfrist auszuschließen und die Anwendbarkeit
der allgemeinen Verjährungsregeln herbeizuführen, kann der von den Klägern im Streitfall
ebenfalls zur Begründung ihrer Auffassung von der Treuwidrigkeit der Berufung der Beklagten
auf die Verjährung herangezogene Umstand, dass sie die Feststellung des Nachlassbestandes
erschwert habe, auch im Einzelfall die Anwendung des § 2332 Abs. 1 BGB nicht
ausschließen. Das dem Vorprozess, der zwischen dem Kläger zu 1) und der Beklagten geführt
wurde, zu Grunde liegende Verhalten, die vermeintliche Schmälerung des Nachlasses
durch Entnahme von Geldbeträgen aus dem Vermögen der Erblasserin, verwehrt der Beklagten
nicht, die Begünstigung der Verjährungsregelung aus dieser Vorschrift in Anspruch
zu nehmen.

Der Lauf der Verjährungsfrist ist durch die vom Kläger zu 1) am 10. September 2015 angebrachte
Klage nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden. Wie bereits ausgeführt,
führt die die Erhebung der Klage zur Durchsetzung des Anspruchs aus § 2325 Abs. 1
BGB (des gegen den Erben gerichteten Pflichtteilsergänzungsanspruchs) zur Hemmung der
Verjährung auch des im Streitfall maßgeblichen Anspruchs aus § 2329 BGB. Eine solche
Klage haben die Kläger jedoch nicht erhoben. Vielmehr hat der Kläger zu 1) die Beklagte in
gewillkürter Prozessstandschaft der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft auf die Erstattung
von Beträgen in Anspruch genommen, die von der Beklagten dem Nachlass entnommen
worden seien. Voraussetzung für die Hemmung der Verjährung durch Erhebung der
Klage aus § 2325 Abs. 1 BGB ist die Geltendmachung des Betrages, um den sich der
Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Nur
eine auf den durch die Zuwendung des Grundstücks an die Beklagte eingetretene Schmälerung
des Nachlasses gestützte und auf die Durchsetzung einer Nachlassverbindlichkeit gerichtete
Klage hätte die Verjährung auch des Anspruchs aus § 2329 BGB herbeiführen können.
Damit hat die vom Kläger zu 1) erhobene Klage nichts gemein. Vielmehr war sie auf die
vermeintlichen Entnahmen der Beklagten aus dem tatsächlichen Nachlass gestützt und richtete
sich nicht auf die Durchsetzung einer Nachlassverbindlichkeit. Der Anspruch, dessen
Durchsetzung der Kläger zu 1) erstrebte, war bereicherungsrechtlicher oder deliktischer Natur.

Auch die Anwendung des § 242 BGB kann die Annahme der Hemmung der Verjährung
durch den im Jahr 2015 eingeleiteten Rechtsstreit nicht rechtfertigen. Er unterstellte deliktische
Charakter des den Anlass des Rechtsstreits bietenden Verhaltens der Beklagten hinderte
die Kläger nicht daran, den im Streitfall anhängigen Pflichtteilsergänzungsanspruch
rechtzeitig geltend zu machen. Die Kläger berufen sich darauf, dass der im Jahr 2015 einge8
leiteten Rechtsstreit erforderlich gewesen sei, um ihnen Klarheit über den Wert des Nachlasses
und damit die für die Beurteilung der Subsidiarität des Anspruchs aus § 2329 BGB erforderliche
Kenntnis zu verschaffen. Diese Kenntnis haben die Kläger rechtzeitig erlangt. Der
Prozess ist durch Vergleich vom 26. Mai 2016 abgeschlossen worden. Der von diesem Zeitpunkt
bis zum Ablauf der Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs am 26. September
2017 verstrichene Zeitraum war lang genug, um den Klägern die rechtzeitige gerichtliche
Verfolgung des streitgegenständlichen Anspruchs zu erlauben. Das Fehlen der Ursächlichkeit
zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem Ausbleiben der Geltendmachung des
Pflichtteilsergänzungsanspruchs innerhalb der gemäß § 2332 Abs. 1 BGB in Lauf gesetzten
Verjährungsfrist steht der Treuwidrigkeit der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede
entgegen.

Schließlich ist der Beklagten die Berufung auf die Verjährung nicht deswegen verwehrt, weil
sie auf die Einrede verzichtet hat.

Zwar kann der Schuldner nach Ablauf der Verjährungsfrist darauf verzichten, die Einrede der
Verjährung zu erheben, wenn er bei Abgabe seiner Erklärung wusste oder zumindest für
möglich hielt, dass die Verjährungsfrist schon abgelaufen und die Verjährung deshalb bereits
eingetreten war (BGH, Urteil vom 11. November 2014, XI ZR 265/13, zitiert nach juris, RN
42). Einen solchen Verzicht hat die Beklagte jedoch nicht erklärt. Er kann auch nicht darin
gesehen werden, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren nach Erhebung der Verjährungseinrede
sich auf Erörterungen über einen Vergleich eingelassen hat, der die Zahlung von jeweils
5.000,00 € an die Kläger vorsah. Diesem Verhalten lässt sich im Rahmen einer an
§ 133 BGB orientierten Auslegung nicht die Bedeutung eines bedingungslosen Verzichts auf
die Einrede der Verjährung beimessen. Daran bestehen bereits deshalb Zweifel, weil die Einigungsbereitschaft
der Beklagten unter anderem durch die vom Einzelrichter der erstinstanzlichen
Kammer zur Verjährung vertretene Rechtsauffassung ausgelöst wurde. Wie die
Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt haben, hat der Einzelrichter
in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zu erkennen gegeben, die streitgegenständliche
Forderung nicht für verjährt zu erachten. Darauf sind die Parteien in Vergleichsgespräche
eingetreten. Damit ist das Vorliegen der eingangs erwähnten Voraussetzung,
wonach der Schuldner den Eintritt der Verjährung kennen oder zumindest für möglich
halten muss, um wirksam auf die Verjährung verzichten zu können, zweifelhaft. Die Beklagte
hegte auf Grundlage der vom Einzelrichter des Landgerichts geäußerten Rechtsauffassung
zumindest Zweifel am Eintritt der Verjährung. Entscheidend ist jedoch, dass dem Verhalten
der Beklagten auch inhaltlich nicht die Bedeutung eines Verjährungsverzichts entnommen
werden kann.

Die Beklagte war bereit, mit den Klägern die Einigung über einen Vergleich zu erzielen. Der
Vergleich ist darauf gerichtet, den Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis
im Wege gegenseitigen Nachgebens zu beseitigen (§ 779 Abs. 1 BGB). Dem Verhalten
der Beklagten kann entnommen werden, dass sie bereit war, im Wege des Nachgebens
auf Rechtspositionen zu verzichten. Für die von den Klägern vertretene Auffassung, die
Beklagte habe zu erkennen gegeben, die Einrede der Verjährung nicht mehr in Anspruch zu
nehmen, vielmehr gegebenenfalls die übrigen Einwendungen (z.B. gerichtet auf das Bestreiten
des Grundstückswerts) weiterzuverfolgen, bestehen indessen keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Die Beklagte war bereit, im Falle des Vergleichsschlusses die Klageforderung
nahezu vollständig zu erfüllen, nämlich auf die von jedem der Kläger begehrten 5.288,37 €
einen Betrag von jeweils 5.000,00 € zu zahlen. Sie wäre den Klägern mithin sehr weitgehend
entgegengekommen. Das reicht jedoch nicht aus, die Annahme zu begründen, dass die Beklagte
auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, auf die übrigen Rechtspositionen jedoch
nicht. So hat sie unter anderem auch geltend gemacht, auf Grundlage der Vorschrift des
§ 2050 Abs. 3 BGB nicht zum Ausgleich der Schenkung verpflichtet gewesen zu sein, den
Anspruch also auch dem Grunde nach in Gänze in Abrede gestellt. Ebenso wenig wie sie
diesen Einwand hat fallen lassen, kann ihrer Bereitschaft zum Abschluss des von den Klägern
dargestellten Vergleichs der Wille entnommen werden, im Falle der streitigen Fortsetzung
der Auseinandersetzung auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Insbesondere
ein weiterer Gesichtspunkt spricht gegen das von den Klägern vertretene Verständnis. Nicht
nur die Beklagte sollte den Klägern entgegenkommen. Vielmehr sah der Vergleich mit der
erwogenen Ratenzahlung eine erhebliche Vergünstigung für die Beklagte vor. Unter Annahme
des Vergleichsschlusses wäre die Beklagte bereit gewesen, sämtliche Verteidigungsmittel,
so auch die Einrede der Verjährung nicht mehr in Anspruch zu nehmen, und hätte im
Gegenzug die Stundung ihrer Verpflichtung in erheblichem Umfang erreicht. Nachdem die
Kläger vom Vergleichsschluss gerade deshalb Abstand genommen haben, weil sie der Beklagten
die Möglichkeit der Ratenzahlung doch nicht einräumen wollten, ist die Beklagte
auch nicht mehr daran gehindert, im weiteren streitigen Verfahren an der Einrede der Verjährung
festzuhalten.

Schließlich gebietet auch in diesem Zusammenhang der Gesichtspunkt von Treu und Glauben
keine abweichende Betrachtungsweise. Ein Verhalten, das beim Gläubiger den Eindruck
erwecken könnte, der Schuldner werde dessen Ansprüche befriedigen oder nur mit sachlichen
Einwendungen bekämpfen wollen, kann nur dann unter dem Gesichtspunkt von Treu
und Glauben die spätere Erhebung der Verjährungseinrede verhindern, wenn es geeignet
ist, den Gläubiger dadurch von der rechtzeitigen Erhebung einer Klage abzuhalten (BGH, Urteil
vom 9. November 2006, VII ZR 151/05, zitiert nach juris, RN 20). Daran fehlt es im Streitfall.

Die Verjährung war bereits eingetreten. Der von der Beklagten im Zusammenhang mit
den Erörterungen über den Vergleich erweckte Eindruck konnte die Kläger nicht mehr von
der rechtzeitigen Erhebung der Klage abhalten. Es bleibt ihr deswegen in der weiteren streitigen
Auseinandersetzung unbenommen, sich auf die Einrede zu berufen.

Nachdem die Verjährung am 26. September 2017 eingetreten ist, konnte sie durch die am
18. Dezember 2017 erhobene Klage mithin nicht mehr gehemmt werden und ist das Leistungsverweigerungsrecht
der Beklagten aus § 214 Abs. 1 BGB wirksam geworden.

Auf die Berufung der Klägerin war die angefochtene Entscheidung daher abzuändern, das
vom Landgericht aufrechterhaltene Versäumnisurteil gemäß § 343 S. 2 ZPO aufzuheben und
die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO und hat die anteilige Haftung
der Kläger nach Kopfteilen für die zu erstattenden Kosten gemäß § 100 Abs. 1 ZPO zur gesetzlichen
Folge.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708
Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen.

Insbesondere liegt der einzig in Betracht kommende Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht vor.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche,
klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten
Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an
der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung
ist. Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Gefahr einer Rechtserstarrung
dadurch entgegen zu wirken ist, dass eine Frage auch bei Vorliegen einer höchstrichterlichen
Entscheidung als klärungsbedürftig erachtet wird, wenn im Schrifttum ernst zu nehmende
Bedenken geäußert werden (Jacobs, in Stein/Jonas, BGB, 23. Aufl., § 543, RN 7).

Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage mithin dann, wenn die durch das Berufungsurteil auf11
geworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift
Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten können dann bestehen, wenn in der
Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Sie bestehen allerdings dann nicht,
wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar
begründet ist (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010, II ZR 156/09; Heßler, in Zöller,
ZPO, 32. Aufl., § 543, RN 11).

Danach hat die Rechtssache hier keine grundsätzliche Bedeutung. Wie bereits ausgeführt,
wird die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung von den Instanzgerichten geteilt und
in der nach dem Urteil veröffentlichten Literatur nahezu übereinstimmend übernommen. Die
geäußerten Bedenken bleiben vereinzelt und sind nicht mit der für die Zulassung der Revision
zum Zwecke der erneuten Klärung einer bereits höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfrage
erforderlichen Begründungstiefe motiviert. Olshausen (Staudinger, BGB, Neubearbeitung
2015, § 2332 RN 30) führt dazu aus: "Ist der Beschenkte jedoch zugleich (Mit-)Erbe
sollte sich die Verjährung nach den für den Gläubiger günstigeren allgemeinen Regeln der
§§ 195, 199 Abs. 1 richten. Dies vermeidet Härten gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten
und ist dem als (Mit-)Erben berufenen Beschenkten auch zumutbar." In Auseinandersetzung
mit der erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Urteil vom 9. Oktober
1985 führt er an anderer Stelle unter Hinweis auf Dieckmann (in Soergel/Dieckmann, § 2332,
RN 28) aus, dass die Ansicht des Bundesgerichtshofs problematische Fälle zur Folge habe,
wenn sich durch nachträgliche Wertverluste des Nachlasses oder später auftauchende
Nachlassverbindlichkeiten eine Durchsetzung des noch nicht verjährten Anspruchs gegen
den Erben verhindere. Es lasse sich nicht überzeugend begründen, warum der Erbe in diesen
Fällen als Beschenkter sich zusätzlich noch auf die günstige Verjährungsregelung berufen
können solle. Diese Argumentation erreicht nicht das ausreichende Gewicht, um die in
der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 1985 vorgenommene Abwägung
der Interessen der an einem Pflichtteilsergänzungsanspruch Beteiligten derart in Zweifel zu
ziehen, dass Anlass besteht, die erneute höchstrichterliche Beantwortung der Rechtsfrage
zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der Eindeutigkeit des Wortlautes der gesetzlichen Regelung
und des Umstandes, dass der Gesetzgeber das Gesetz zur Änderung des Erb- und
Verjährungsrechts vom 24. September 2009 mit der darin enthaltenen Anpassung des
§ 2332 BGB nicht zum Anlass genommen hat, die gegenteilige Rechtsauffassung in den erbrechtlichen
Verjährungsregeln ausdrücklich zu verankern, kann die referierte Literaturstimme
keinen hinreichenden Anlass zur Zulassung der Revision bieten.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 41 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Naumburg

Erscheinungsdatum:

26.09.2019

Aktenzeichen:

1 U 130/18

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Pflichtteil

Normen in Titel:

BGB §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 242, 2329, 2332 Abs. 1