BGH 11. März 2025
II ZB 9/24
HGB § 18 Abs. 1

Firmenrechtliche Zulässigkeit der Firma „v. .de AG“; Anforderungen an die Unterscheidungskraft; Top-Level-Domain

letzte Aktualisierung: 10.4.2025
BGH, Beschl. v. 11.3.2025 – II ZB 9/24

HGB § 18 Abs. 1
Firmenrechtliche Zulässigkeit der Firma „v. .de AG“; Anforderungen an die
Unterscheidungskraft; Top-Level-Domain

Die Firma „v. .de AG“ besitzt nicht die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft.

Gründe

I.
Die Beteiligte, eine Aktiengesellschaft, ist im Handelsregister Abteilung B
des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen.

Mit einer notariell beglaubigten und in elektronischer Form eingereichten
Anmeldung vom 22. Dezember 2023 meldete der Vorstand unter Beifügung
eines notariell beurkundeten Beschlusses der Hauptversammlung vom gleichen
Tag eine Neufassung der Satzung, u.a. mit einer Änderung der Firma in
"v. .de AG", an. Das Registergericht hat die Eintragung abgelehnt. Die dagegen
gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht
zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr auf die
Eintragung der Firma gerichtetes Begehren weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht (KG, ZIP 2024, 1895) hat seine Entscheidung
im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Firma "v. .de AG" fehle die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche
Unterscheidungskraft, um als Name einer Handelsgesellschaft zu dienen. Allein
die Verwendung einer sog. Top-Level-Domain (Endung z.B. mit ".de" oder
".com") als Firmenbestandteil vermittele keine Unterscheidungskraft nach § 18
Abs. 1 HGB, auch wenn sichergestellt sei, dass die Domain nach den Vergaberichtlinien
der Denic eG nur einmal vergeben werden könne. § 18 Abs. 1 HGB
setze keine Alleinstellung der Bezeichnung in irgendeiner Richtung voraus, sondern
eine Kennzeichnungskraft im allgemeinen Geschäftsverkehr. Diese solle
vor allem auch eine Verwechslungsgefahr ausschließen, die im Internet ausgeschlossen
sein möge, nicht aber im Übrigen. So wäre eine solche etwa bei der
"v. .com AG", die aufgrund ihrer Alleinstellung ebenfalls zulässig sein
müsste, nicht gegeben, weil der Verkehr die Top-Level-Domain in der Regel nicht
als prägend wahrnehme. Erst aus der notwendigen Kennzeichnungskraft der zulässig
gewählten Firma folge die firmenrechtliche Alleinstellung.

2. Die gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige
Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Firma "v. .de AG" besitzt nicht die
nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft.

a) Eine Firma muss nach § 18 Abs. 1 HGB zur Kennzeichnung geeignet
sein, damit sie ihre Namensfunktion (§ 17 Abs. 1 HGB) erfüllen kann, und Unterscheidungskraft
besitzen. Die Vorschrift gilt gemäß § 6 HGB i.V.m. § 3 Abs. 1
AktG auch für die Firmenbildung einer Aktiengesellschaft.

Unterscheidungskraft i.S. des § 18 Abs. 1 HGB besitzt eine Firma dann,
wenn sie ihrer Art nach ("ursprünglich") die Gesellschaft von anderen Unternehmen
unterscheiden und auf diese Weise individualisieren kann (BGH, Beschluss
vom 8. Dezember 2008 - II ZB 46/07, ZIP 2009, 168 Rn. 9). Die Firma muss
geeignet sein, bei Lesern und Hörern die Assoziation mit einem ganz bestimmten
Unternehmen unter vielen anderen zu wecken. Sie fehlt bei reinen Gattungsbezeichnungen,
insbesondere rein beschreibenden Angaben, die Art und Gegenstand
des Unternehmens anzeigen, nicht aber ein bestimmtes Unternehmen
kennzeichnen. Durch § 18 Abs. 1 HGB wird somit grundsätzlich die Verwendung
bloßer Gattungs- oder Branchenbezeichnungen bzw. einer allgemeinen Bezeichnung
des Geschäftsbereichs ausgeschlossen, zumal die Verwendung derartiger
Allgemeinbegriffe ähnliche Firmenbildungen für Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges
häufig sperrt und so dem anzuerkennenden Freihaltebedürfnis
entgegenstehen würde (Hopt/Merkt, HGB, 44. Aufl., § 18 Rn. 5 f.; Ries in
Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 18
Rn. 17, 22; Reuschle in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 18 Rn. 18).

b) Bei der Bezeichnung der zur Eintragung angemeldeten Firma der Antragstellerin
handelt es sich in der Second-Level-Domain um eine Gattungsbezeichnung
in Verbindung mit einer Top-Level-Domain, die nach den Vergaberichtlinien
der deutschen zentralen Registrierungsstelle für alle Domains
(Denic eG) nur einmal vergeben wird.

Bei der Bezeichnung "v. " handelt es sich um eine bloße Gattungsbezeichnung,
die Art und Gegenstand des Unternehmens allgemein im Kern anzeigt.
Diesem Firmenbestandteil fehlt die Unterscheidungskraft. Es ist umstritten,
ob eine solche Firma allein aufgrund der Verbindung des nicht unterscheidungskräftigen
Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit der Top-Level-
Domain die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB besitzt.

aa) Teilweise wird angenommen, dass so eine Bezeichnung unabhängig
von der fehlenden Unterscheidungskraft des verwendeten Gattungsbegriffs in
der Second-Level-Domain aufgrund der durch die Top-Level-Domain - hier ".de" -
hervorgerufenen Alleinstellung auch Namensfunktion haben könne (OLG
Dresden, K&R 2011, 213, 214; AG Frankfurt a. M., Beschluss vom 26. Juni 2009
- 72 AR 74/09, BeckRS 2011, 2082; Staub/Burgard, HGB, 6. Aufl., § 18 Rn. 29a;
Foerster in Heymann, HGB, 3. Aufl., § 18 Rn. 22; MünchKommHGB/Heidinger,
5. Aufl., § 18 Rn. 37; MHdB GesR III/Heidinger/Knaier, 6. Aufl., § 19 Rn. 24;
Hopt/Merkt, HGB, 44. Aufl., § 18 Rn. 6; MHLS/Mock, GmbHG, 4. Aufl., § 4 Rn. 28;
Scholz/Scheller, GmbHG, 13. Aufl., § 4 Rn. 68).

bb) Nach anderer Ansicht führt bei einem Gattungsbegriff in der Second-
Level-Domain auch der Zusatz einer Top-Level-Domain wie ".de" und die Tatsache,
dass bei der Denic eG nur eine Internetadresse mit dem für die Firma gewählten
Namen vergeben wird, nicht zu einer ausreichenden Unterscheidungskraft
i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB (OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 202, 203; LG Köln,
RNotZ 2008, 553; BeckOK-HGB/Bömeke, Stand 1.1.2025, § 18 Rn. 16;
Clausnitzer, DNotZ 2010, 345, 350 f.; Herrler/Eickelberg, Gesellschaftsrecht in
der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl., § 19 Rn. 113; Heinrich in Habersack/
Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 4 Rn. 25; MünchKommGmbHG/Heinze,
4. Aufl., § 4 Rn. 47; Hecht in Born/Simon/Gehrlein, GmbHG, 5. Aufl., § 4 Rn. 56 f.;
Lamsa in Heidel/Schall, HGB, 4. Aufl., § 18 Rn. 25; BeckOGKHGB/
Lüken/Grensemann, Stand 1.11.2024, § 18 Rn. 77; Raff in Rowedder/Pentz,
GmbHG, 7. Aufl., § 4 Rn. 40; Roth/Stelmaszczyk in Koller/Kindler/Drüen, HGB,
10. Aufl., § 18 Rn. 4; Reuschle in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 18 Rn. 18;
Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 18
Rn. 18; Schäfer in Bork/Schäfer, GmbHG, 5. Aufl., § 4 Rn. 8; Schodder, ZIP 2024,
2451, 2452; Seifert, Rpfleger 2001, 395, 396 f.; Servatius in Noack/
Servatius/Haas, GmbHG, 24. Aufl., § 4 Rn. 9; Wamser in Henssler/Strohn, GesR,
6. Aufl., § 18 HGB Rn. 3).

cc) Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend. Die Kombination eines unspezifischen,
keine Unterscheidungskraft besitzenden Branchen- bzw. Gattungsbegriffs
in der Second-Level-Domain mit einer Top-Level-Domain verleiht der Firma
nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Diese muss
sich vielmehr aus der sog. Second-Level-Domain ergeben.

Die erforderliche Unterscheidungskraft erhält eine nicht unterscheidungskräftige
Firma nicht deswegen, weil derselbe Domainname nicht noch einmal vergeben
werden darf. Durch die gewählte Top-Level-Domain ".de" wird auf die
Registrierung durch die deutsche Registrierungsstelle Denic eG hingewiesen.
Der Registrierung der Domain ist hingegen bei der erforderlichen Individualisierung
des Gattungsbegriffs für die firmenrechtliche Beurteilung kein entscheidendes
eigenes Gewicht beizumessen. Der allgemeine Geschäftsverkehr nimmt die
Top-Level-Domain in der Regel nicht als prägend, sondern vielmehr nur als Hinweis
auf die Internetpräsenz des Unternehmens wahr. Werden weitere Unternehmen
mit derselben Second-Level-Domain mit anderen Top-Level-Domains
(".com", ".net") bei der Denic eG registriert, schützt die Top-Level-Domain nicht
hinreichend vor einer Verwechselungsgefahr im Geschäftsverkehr. Des Weiteren
ist bei der Verwendung von Branchen- bzw. Gattungsbegriffen auch das Freihaltebedürfnis
der Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges zu berücksichtigen,
da die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig beeinträchtigt werden darf.

Schließlich kann die Antragstellerin aus den Eintragungen anderer Unternehmen
mit ähnlich strukturierten Firmen im Handelsregister nichts für ihre
Rechtsposition herleiten, da kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht
und das Registergericht für jede angemeldete Firma eine Prüfung der Zulässigkeit
des angemeldeten Namens vorzunehmen hat.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

11.03.2025

Aktenzeichen:

II ZB 9/24

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Aktiengesellschaft (AG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

HGB § 18 Abs. 1