BGH 30. November 2022
IV ZR 60/22
BGB §§ 2306 Abs. 1, 2314 Abs. 1

Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung gem. § 2306 Abs. 1 BGB

letzte Aktualisierung: 29.12.2022
BGH, Versäumnisurt. v. 30.11.2022 – IV ZR 60/22

BGB §§ 2306 Abs. 1, 2314 Abs. 1
Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung gem. § 2306 Abs. 1 BGB

Einem Pflichtteilsberechtigten steht auch nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1
BGB ein Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 BGB zu.

Entscheidungsgründe:

Da der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionstermin
nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten durch Versäumnisurteil
zu entscheiden. Das Urteil beruht inhaltlich nicht auf der Säumnis,
sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags (vgl. BGH, Versäumnisurteil
vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 [juris Rn. 8
m.w.N.]).

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat das Landgericht zu
Recht einen Auskunftsanspruch des Klägers aus § 2314 Abs. 1 Satz 3
BGB bejaht. Auskunftsgläubiger nach § 2314 BGB sei auch der Pflichtteilsberechtigte,
der - wie hier - nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB sein Erbe
ausgeschlagen und den Pflichtteilsanspruch behalten habe. Der Beklagte
sei als (Mit-)Erbe nach § 2314 Abs. 1 BGB auskunftsverpflichtet. Inhalt
und Umfang der Auskunftspflicht ergäben sich aus § 2314 Abs. 1 BGB.

Der Ansicht der Berufung, wonach der Auskunftsanspruch in untrennbarem
Zusammenhang mit dem Zahlungsanspruch stehe, könne gefolgt
werden. Daraus ergäbe sich aber nicht, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert
sei. Er habe seinen Pflichtteilsanspruch zwar durch Vergleich
an seine Stieftochter abgetreten, die Abtretung sei aber der Höhe n ach
auf einen Betrag von 12.000 begrenzt gewesen. Schon aus
diesem Grund könne der Kläger weiterhin Auskunft verlangen. Hinzukomme,
dass ihm in der Vereinbarung die Verpflichtung auferlegt (und das
Recht vorbehalten) worden sei, seinen Pflichtteilsanspruch rechtlich zu
verfolgen. Der Kläger habe nicht die Befugnis verloren, seinen Auskunftsanspruch
gegen den Beklagten geltend zu machen und im Anschluss Zahlung
auf einen eventuellen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch
(gegebenenfalls an die Stieftochter) zu verlangen, weil der Beklagte
darüber informiert worden sei, dass eine Abtretung stattgefunden
habe und Zahlungen an die Stieftochter zu erfolgen hätten.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Die Klage ist entgegen der Ansicht der Revision zulässig; der Kläger
ist prozessführungsbefugt.

a) Ein Kläger ist prozessführungsbefugt, wenn er berechtigt ist, über
das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen
zu führen (BGH, Urteil vom 7. Juli 2021 - VIII ZR 52/20, NJW-RR
2021, 1400 Rn. 23 m.w.N.). Derjenige, der behauptet, Inhaber eines bestimmten
Rechts zu sein, hat prozessual die Befugnis, dieses Recht im
eigenen Namen einzuklagen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Juli 2021 - V ZR
284/19, NZM 2021, 717 Rn. 13; vom 8. Februar 2019 - V ZR 153/18, NJW
2019, 3446 Rn. 8). Zu unterscheiden von der die Zulässigkeit der Klage
betreffenden Frage, ob einem Kläger die Befugnis zusteht, Ansprüche
selbständig geltend zu machen, ist die Frage nach der materiellen Inhaberschaft
des Rechts (Aktivlegitimation; vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober
2017 - V ZR 45/17, NJW-RR 2018, 333 Rn. 6).

b) Danach ist der Kläger hier berechtigt, den behaupteten Auskunftsanspruch
im eigenen Namen einzuklagen. Auch wenn er den von
ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruch in Höhe von 12.000 an seine
Stieftochter abgetreten hat (§ 398 BGB), hat er in der Klageschrift und im
weiteren Verfahren behauptet, der Auskunftsanspruch stehe ihm zu. Ob
diese Ansicht zutreffend ist, ist keine Frage der Prozessführungsbefugnis,
sondern eine solche der Aktivlegitimation des Klägers.

2. Die Klage hat in der Sache Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Auskunftsanspruch des
Klägers aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB angenommen.

aa) Ob ein Pflichtteilsberechtigter nach Ausschlagung seines Erbteils
gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB nicht Erbe im Sinne von § 2314
Abs. 1 BGB ist, ist umstritten.

Nach einer Auffassung ist § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht auf Personen
anzuwenden, die erst durch Ausschlagung des Erbes nicht als Erben
anzusehen sind (vgl. OLG Celle ZEV 2006, 557 unter I 1 [juris
Rn. 3 f.]; Jauernig/Stürner, BGB 18. Aufl. § 2314 Rn. 1). Nach dieser
- auch Ausschlagungen nach § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB betreffenden
- Ansicht dürfe die Ausschlagung des Erbes durch den späteren Kläger
nicht dazu dienen, seine Stellung im Auskunftsverfahren gegenüber
dem Erben zu verbessern und ihm Rechte einzuräumen, die ihm als Miterbe
nicht zustünden. Die Unterscheidung zwischen dem pflichtteilsberechtigten
Nichterben und dem pflichtteilsberechtigten Miterben, die das
Gesetz vornehme, dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass der nur
unter eingeschränkten Voraussetzungen mit Auskunftsansprüchen ausgestattete
Miterbe die Erbschaft ausschlage, um sich einen von weiteren Voraussetzungen
unabhängigen Auskunftsanspruch gegen den (Mit-)Erben
zu verschaffen (OLG Celle aaO [juris Rn. 4]).

Nach der überwiegenden, auch vom Berufungsgericht vertretenen
Auffassung steht einem Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines
Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB ein Auskunftsanspruch aus
§ 2314 Abs. 1 BGB zu (vgl. OLG Schleswig ZEV 2015, 109 Rn. 11 f.,
22 ff.; OLG Naumburg ZEV 2015, 114 Rn. 10 ff.; OLG Karlsruhe
ZEV 2008, 39 unter II [juris Rn. 7 ff.]; OLG Brandenburg ZErb 2004, 132 f.
[juris Rn. 24, 26]; BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 2314 Rn. 3 [Stand:
1. August 2022]; BeckOGK-BGB/Blum/Heuser, § 2314 Rn. 19, 20.2
[Stand: 1. November 2021]; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht 4. Aufl.
§ 2314 Rn. 6; Dauner-Lieb/Grziwotz/Würdinger, Pflichtteilsrecht 3. Aufl.
§ 2314 Rn. 5; jurisPK-BGB/Birkenheier, 9. Aufl. § 2314 Rn. 10 [Stand:
10. Januar 2022]; NK-BGB/Bock, Erbrecht 6. Aufl. § 2314 Rn. 12; Münch-
Komm-BGB/Lange, 9. Aufl. § 2314 Rn. 65; Schlitt/Müller/Blum, Handbuch
Pflichtteilsrecht 2. Aufl. § 2 Rn. 22, 25; Schulze/Hoeren, BGB 11. Aufl.
§ 2314 Rn. 4; Staudinger/Herzog, BGB (2021) § 2314 Rn. 91 [Stand:
22. Mai 2022]; Damrau, ZEV 2006, 557). Werde eine Erbschaft ausgeschlagen,
gelte der Anfall an den Ausschlagenden gemäß § 1953 Abs. 1
BGB als nicht erfolgt. Es sei nicht einzusehen, warum der als Erbe eingesetzte
Pflichtteilsberechtigte, der die Erbschaft ausschlage, zwar nach
§ 2306 Abs. 1 BGB den Pflichtteil verlangen könne, ihm aber - anders als
dem enterbten Pflichtteilsberechtigten - der Auskunftsanspruch nach
§ 2314 Abs. 1 BGB nicht zustehe (vgl. OLG Schleswig aaO Rn. 22; OLG
Naumburg aaO Rn. 12).

bb) Letztere Auffassung trifft zu. Ein Pflichtteilsberechtigter ist nach
Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB nicht
Erbe im Sinne von § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB und der Auskunftsanspruch
aus § 2314 Abs. 1 BGB steht ihm zu.

(1) Dafür sprechen schon der Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB sowie
die Gesetzessystematik.

(a) § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte
"nicht Erbe ist". Die Vorschrift differenziert nicht nach dem Grund
der fehlenden Erbenstellung. Ihr Wortlaut umfasst sowohl die Enterbung
des Pflichtteilsberechtigten als auch dessen Erbausschlagung nach
§ 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB.

(b) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, bei einer Ausschlagung
nach § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB sei der Pflichtteilsberechtigte zum
Zeitpunkt des Erbfalls noch Erbe gewesen. Zum einen verlangt § 2314
Abs. 1 Satz 1 BGB nur, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe "ist",
nicht aber, dass er dieses zu keiner Zeit war. Zum anderen ist der "vorläufige
Erbe", der seinen Erbteil wirksam ausgeschlagen hat, nach § 1953
Abs. 1 BGB materiell-rechtlich von Anfang an als Nichterbe anzusehen,
worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist. Die Erbschaft fällt gemäß
§ 1953 Abs. 2 BGB dem Nächstberufenen an, der vom Erbfall an (rückwirkend)
als Erbe gilt und unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers ist
(vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359
unter III [juris Rn. 18]).

Anders als die Revision meint, spricht auch § 1959 BGB nicht gegen,
sondern für diese Auslegung. Während § 1959 Abs. 2 und 3 BGB im
Hinblick auf die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften, die der vorläufige
Erbe für den Nachlass getätigt hat oder die diesem gegenüber mit Wirkung
für den Nachlass vorgenommen worden sind, Ausnahmen von der rückwirkenden
Wirkung der Ausschlagung nach § 1953 Abs. 1 BGB vorsieht
(vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1989 aaO; BGH, Urteil vom 16. Mai 1969
- V ZR 86/68, NJW 1969, 1349 unter 2 b [juris Rn. 14]; zu § 2056 BGB-E
Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche
Reich, Band V, Erbrecht, 1888, S. 537 f.), fehlt eine vergleichbare
Ausnahmeregelung in Bezug auf das Auskunftsrecht gemäß § 2314 Abs. 1
Satz 1 BGB.

Entgegen der Ansicht der Revision ist für die Nichterbenstellung
nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nicht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf
den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen. Gemäß § 1942 Abs. 1 BGB steht
der Von-selbst-Erwerb des berufenen Erben nach §§ 1922, 1942 BGB
(vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2011 - IV ZR 7/10, BGHZ 188, 96
Rn. 27) unter dem Vorbehalt, dass dieser sein Erbe nicht - wie der Kläger -
ausschlägt.

Das Auskunftsrecht des seinen Erbteil gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz
1 BGB ausschlagenden Pflichtteilsberechtigten unterläuft auch nicht
- wie die Revision geltend macht (vgl. auch OLG Celle ZEV 2006, 557 unter
I 1 [juris Rn. 4]) - eine vom Gesetz vorgenommene Unterscheidung
zwischen dem pflichtteilsberechtigten Nichterben und dem pflichtteilsberechtigten
Miterben. Systematisch ist die Annahme eines Auskunftsrechts
vielmehr folgerichtig, weil der Ausschlagende gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz
1 BGB, § 1953 Abs. 1 BGB als pflichtteilsberechtigter Nichterbe anzusehen

(2) Die eindeutige Entstehungsgeschichte des § 2314 Abs. 1 Satz 1
BGB bestätigt diese Auslegung. Nach Ansicht der Ersten Kommission
sollte die Auskunftspflicht des Erben nach § 1988 Abs. 1 Satz 1 BGB-E
alle in Betracht kommenden Fälle umfassen, insbesondere auch den, dass
der Pflichtteilsberechtigte als Erbe eingesetzt ist, aber wegen der ihm auferlegten
Beschwerungen oder Beschränkungen gemäß § 1981 BGB-E
ausschlägt (vgl. zu § 1988 BGB-E Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen
Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band V, Erbrecht, 1888,
S. 409; Horn, Materialienkommentar Erbrecht § 2314 Rn. 2).

(3) Entgegen der Auffassung der Revision machen der Sinn und
Zweck des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB keine einschränkende Auslegung
der Regelung erforderlich.

(a) Bei den Ansprüchen aus § 2314 Abs. 1 BGB handelt es sich um
unselbständige Hilfsansprüche, die es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen
sollen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung des Pflichtteilsanspruchs
zu verschaffen (vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember 2021
- IV ZR 189/20, ZEV 2022, 84 Rn. 20 m.w.N.; MünchKomm-BGB/Lange,
9. Aufl. § 2314 Rn. 66). Wenn das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten
auch für den Fall einer Erbausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB
einen solchen Pflichtteilsanspruch einräumt, ist - wie das Berufungsgericht
richtig ausgeführt hat - kein Grund erkennbar, warum ihm nicht zugleich
die Hilfsansprüche aus § 2314 Abs. 1 BGB zustehen sollen (vgl.
OLG Schleswig ZEV 2015, 109 Rn. 22; OLG Naumburg ZEV 2015, 114
Rn. 12; MünchKomm-BGB/Lange, aaO Rn. 65; Damrau, ZEV 2006, 557,
558).

(b) Zu Unrecht wendet die Revision ein, der Pflichtteilsberechtigte
bedürfe im Falle einer Erbausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB
keines Auskunftsanspruchs nach § 2314 Abs. 1 BGB, weil ihm bis zur Ausschlagung
die Auskunftsrechte eines (vorläufigen) Miterben zustünden.
Der vorläufige Erbe muss bis zur Ausschlagung seines Erbteils
schon keinen Anlass haben, die Höhe eines aus der Ausschlagung folgenden
Pflichtteilsanspruchs zu ermitteln. Die Entscheidung über die Annahme
oder Ausschlagung einer Erbschaft wird nicht immer nur nach rein
wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen. Hierfür können auch persönliche
Überlegungen, etwa ein besonderes Näheverhältnis zum Erblasser
oder der Ruf und das Ansehen der Beteiligten, eine Rolle spielen (vgl.
Senatsbeschluss vom 16. März 2022 - IV ZB 27/21, ZEV 2022, 341
Rn. 12). Schlägt der Pflichtteilsberechtigte seinen Erbteil gemäß § 2306
Abs. 1 Satz 1 BGB aus einem solchen Motiv aus, ist er zur späteren Ermittlung
der Höhe des Pflichtteilsanspruchs auf die Informationen des Erben
über den Bestand und Wert des Nachlasses angewiesen.

Selbst wenn der vorläufige Erbe seinen Erbteil aus wirtschaftlichen
Erwägungen ausschlägt, braucht er es nicht für nötig zu halten, die genaue
Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu ermitteln. Ihm kann es beispielsweise
genügen, den Wert seines Erbteils und die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs
zur Vermeidung einer Entscheidung "ins Blaue hinein" nur ungefähr
in Erfahrung zu bringen und dadurch in Relation setzen zu können
(vgl. Staudinger/Otte, BGB (2021) § 2306 Rn. 46). Für eine exakte Berechnung
kann sich die nach § 1944 Abs. 1 BGB sechswöchige Ausschlagungsfrist
im Einzelfall als knapp erweisen. Im Rahmen einer Ausschlagung
nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB muss der vorläufige Erbe hierfür
nicht nur die Vermögensverhältnisse des Erblassers und die Höhe seines
Pflichtteilsanspruchs, sondern auch die Tragweite der vom Erblasser
angeordneten Beschränkungen und Beschwerungen einschätzen (vgl.
Staudinger/Otte, BGB (2017) § 1944 Rn. 3a [Stand: 30. April 2021];
Staudinger/Otte, BGB (2021) § 2306 Rn. 46).

(c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass die Rechtsstellung
des seinen Erbteil nach § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB ausschlagenden
Pflichtteilsberechtigten durch den Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1
BGB verbessert würde und ihm damit im Auskunftsverfahren mehr Rechte
als dem Miterben zustünden (vgl. OLG Celle ZEV 2006, 557 unter I 1 [juris
Rn. 4]). Da der Pflichtteilsberechtigte nach der Ausschlagung selbst keinen
Zugriff auf den Nachlass mehr hat, benötigt er zur Berechnung seines
Anspruchs die weiterreichenden Auskunftsrechte des § 2314 Abs. 1 BGB.
Seine tatsächliche Lage ist nicht mit der eines Miterben vergleichbar, sondern
mit der eines pflichtteilsberechtigten Nichterben nach § 2303 Abs. 1
Satz 1 BGB. Warum diesem die Auskunftsansprüche des § 2314 Abs. 1
BGB zustehen sollen, dem Pflichtteilsberechtigten nach der Ausschlagung
hingegen nicht (vgl. auch OLG Naumburg ZEV 2015, 114 Rn. 12; jurisPKBGB/
Birkenheier, 9. Aufl. § 2314 Rn. 10 [Stand: 10. Januar 2022]), vermag
die Revision nicht aufzuzeigen.

cc) Soweit die Revision rügt, es hätten keine Beschränkungen oder
Beschwerungen im Sinne von § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB vorgelegen,
dringt sie damit nicht durch. Das Berufungsgericht hat gemäß § 540 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen der Einzelheiten des Sachverhalts auf die Feststellungen
des Landgerichts Bezug genommen, wonach das Testament
unter anderem für den Beklagten Grundstücksvermächtnisse enthielt und
er zum Testamentsvollstrecker bestellt worden ist. In seinen Entscheidungsgründen
hat es zudem selbst festgestellt (vgl. BGH, Urteil vom
3. Februar 2016 - XII ZR 29/13, NZG 2016, 547 Rn. 38 m.w.N.), dass der
Kläger seinen Erbteil gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB ausgeschlagen
hat. Das Revisionsgericht ist an diese Feststellungen gebunden
(§§ 314, 559 ZPO).

Ohne Erfolg wendet die Revision ein, der Kläger habe nicht dargelegt,
seinen Erbteil wegen Beschränkungen oder Beschwerungen des
Nachlasses ausgeschlagen zu haben. Darauf kommt es nicht an. Wie bereits
ausgeführt, kann die Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1
BGB ebenfalls auf anderen Motiven beruhen als den Beschränkungen
oder Beschwerungen im Sinne dieser Vorschrift. Ihre Erklärung gegenüber
dem Nachlassgericht nach § 1945 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB muss auch nicht
begründet werden (vgl. BeckOGK-BGB/Heinemann, § 1945 Rn. 119
[Stand: 1. Juni 2022]). Die Erklärung braucht nur den Willen erkennen zu
lassen, dass der Erbe nicht Erbe sein oder die Erbschaft nicht annehmen
will (vgl. BayObLG NJW 1967, 1135 unter II 4; Grüneberg/Weidlich, BGB
81. Aufl. § 1945 Rn. 1 m.w.N.).

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Kläger trotz der Abtretung
seines Pflichtteilsanspruchs an seine Stieftochter in Höhe deren Schmerzensgeldforderung
als aktivlegitimiert angesehen.

Ein Kläger ist aktivlegitimiert, wenn er befugt ist, den Klageanspruch
nach materiellem Recht in eigener Person - wenn auch unter Umständen
mit dem Ziel der Leistung an einen Dritten - geltend zu machen (Greger in
Zöller, ZPO 34. Aufl. Vor § 253 Rn. 25). Nach allgemeinen Grundsätzen
trägt der Schuldner - im Streitfall der Beklagte - die Darlegungs- und Beweislast
dafür, dass der Kläger als ursprünglicher Gläubiger des Auskunftsanspruchs
nicht mehr aktivlegitimiert ist (vgl. BAG, Urteil vom
31. März 2004 - 10 AZR 191/03, juris Rn. 19 f.; OLG Köln, Urteil vom
29. Januar 2003 - 13 U 11/02, juris Rn. 3 ff.; KG Berlin NJW-RR 1997,
1059 unter II 5 [juris Rn. 23]; jurisPK-BGB/Rosch, 9. Aufl. § 398 Rn. 61
[Stand: 1. Februar 2020]). Da dem Zedenten und dem Zessionar bei einer
Teilabtretung jeweils eigenständige Auskunftsrechte zustehen (vgl.
Staudinger/Herzog, BGB (2021) § 2314 Rn. 111 [Stand: 22. Mai 2022]),
wäre es entgegen der Ansicht der Revision zunächst Sache des Beklagten
gewesen, darzulegen, dass der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch durch
dessen dem Wortlaut des Vergleichs nach nur beschränkte Abtretung vollständig
verloren hat. Dies hat er nicht getan. Soweit er nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts geltend gemacht hat, der Auskunftsanspruch
stehe in untrennbarem Zusammenhang mit dem Zahlungsanspruch
und es könne nicht angenommen werden, dass dem Kläger der Auskunftsanspruch
unabhängig davon zustehe, wer den Zahlungsanspruch habe,
reicht dies nicht aus. Der Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner
Stieftochter aus dem Jahr 2018 lässt sich weder nach ihrem Wortlaut noch
dem erkennbaren Sinnzusammenhang entnehmen, dass neben dem Zahlungsanspruch
auch der Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB abgetreten
werden sollte. Dem Kläger wurde gerade die Verpflichtung auferlegt,
"den Anspruch auf eigene Veranlassung und Kosten rechtlich zu verfolgen".
Im Fall einer solchen - hier vorliegenden - Sicherungsabtretung
verbleiben die zur Durchsetzung des Anspruchs erforderlichen Hilfsrechte
in der Regel beim Zedenten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Januar 2002
- VII ZR 490/00, NJW 2002, 1568 unter II b [juris Rn. 14]; Grüneberg/Grüneberg,
BGB 81. Aufl. § 401 Rn. 4).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

30.11.2022

Aktenzeichen:

IV ZR 60/22

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Erbenhaftung
Allgemeines Schuldrecht
Gesetzliche Erbfolge
Vorweggenommene Erbfolge (Ausgleichung, Anrechnung)
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 2306 Abs. 1, 2314 Abs. 1