BGH 10. November 2020
II ZR 132/19
HGB § 171; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 1

Haftung des Kommanditisten auch für nachrangige Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO

letzte Aktualisierung: 28.4.2021
BGH, Urt. v. 10.11.2020 – II ZR 132/19

HGB § 171; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 1
Haftung des Kommanditisten auch für nachrangige Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 1
InsO

Ein Kommanditist haftet auch für nachrangige Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Diese
sind Insolvenzforderungen und unterliegen wie die Hauptforderung der Haftung der
Gesellschafter.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht (OLG München, ZInsO 2019, 2319) hat zur Begründung
seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe dargelegt, dass Gläubigerforderungen in die Haftsumme
des Beklagten übersteigender Höhe zur Insolvenztabelle festgestellt seien. Dafür
habe eine vom Kläger selbst geführte Tabelle genügt. Überdies sei zwischenzeitlich
eine Kopie der gerichtlichen Insolvenztabelle vorgelegt worden. Festgestellten
Gläubigerforderungen in Höhe von zuletzt rund 11.500.000 € stehe eine
Masse von rund 4.500.000 € gegenüber. Die für den Ausfall festgestellten Forderungen
seien in voller Höhe zu berücksichtigen. Erst die Abrechnung durch
den Gläubiger führe zu einer Verminderung der Forderungen. Einwendungen ge-
gen die Forderungen könnten aufgrund von deren widerspruchsloser Feststellung
nicht geltend gemacht werden. Selbst wenn man unterstellen würde, dass
über die genannten Kontoguthaben hinaus noch ein Schiffserlös in Höhe von ca.
6.000.000 € von den für den Ausfall festgestellten Forderungen abzuziehen
wäre, überstiege die verbleibende Forderungshöhe das Masseguthaben noch
immer um fast 1.000.000 €.

Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass seine Inanspruchnahme nicht
mehr erforderlich sei. Es könne offenbleiben, ob Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten
hafteten. Aus dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers, er
habe bis zum 3. Mai 2017 von Kommanditisten Zahlungen in Höhe von
5.770.544,75 € erhalten und das Guthaben der Insolvenzmasse betrage aktuell
4.398.051,31 €, ergebe sich zwangsläufig, dass der Kläger einen nennenswerten
Betrag nicht zur Befriedigung der in der Insolvenztabelle enthaltenen Ansprüche
der Gläubiger in der Insolvenzmasse zurückbehalten, sondern sie für anderweitige
Zwecke des Insolvenzverfahrens, die ja nur in der Erfüllung von Masseverbindlichkeiten
bestehen könnten, verwendet habe. Diese anderweitig verwendeten
Mittel seien nicht (fiktiv) den zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehenden
Mitteln hinzuzurechnen. Die Klärung komplexer und umstrittener Fragen, ob
und für welche Forderungen ein Kommanditist hafte, würde eine zügige Abwicklung
des Insolvenzverfahrens gefährden. Dem Umstand, dass die aktiven Mittel
nicht zur Gläubigerbefriedigung ausreichten, gebühre Vorrang vor den Interessen
des Kommanditisten. Dies sei dem Kommanditisten wegen der Haftung des Insolvenzverwalters
gem. § 60 InsO auch zumutbar.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder
Hinsicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger den
Klagegrund entsprechend den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezeichnet
und die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger hinreichend substantiiert
dargelegt hat.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Klageanspruch
durch Bezugnahme auf die vom Kläger vorgelegte Insolvenztabelle
hinreichend individualisiert ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2018
II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 15, 17). Dass die angemeldeten Forderungen
dort nur schlagwortartig (z.B. "Warenlieferung", "Dienstleistung" o.ä.) ohne Bezugnahme
auf eine konkrete Berechnung oder einen Leistungszeitraum bezeichnet
wurden, steht einer hinreichenden Individualisierung nicht entgegen (BGH,
Urteil vom 21. Juli 2020 II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 11 mwN). Für eine
Individualisierung des Klageanspruchs im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der
Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substantiiert
dargelegt worden ist. Vielmehr ist es im Allgemeinen ausreichend, wenn
der Anspruch als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung
von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage
eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann
(BGH, Urteil vom 16. November 2016 VIII ZR 297/15, MDR 2017, 295 Rn. 12
mwN; Urteil vom 25. Juni 2020 IX
ZR 47/19, ZIP 2020, 1561 Rn. 22; Urteil vom
21. Juli 2020 II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 11). Dabei genügt eine konkrete
Bezugnahme auf der Klageschrift beigefügte Anlagen (BGH, Urteil vom 17. März
2016 III ZR 200/15, WM 2016, 2136 Rn. 19 mwN; Urteil vom 21. Juli 2020
II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 11).

Diesen Voraussetzungen entspricht die Darlegung des Klägers zu dem
der Klage zugrundeliegenden tatsächlichen Geschehen. Der Kläger hat die gerichtliche
Insolvenztabelle vorgelegt, die durch Kennzeichnung der Forderungen
mit laufender Nummer, Gläubiger und Betrag auf die Forderungsanmeldungen
nach § 174 Abs. 1 und Abs. 2 InsO im Insolvenzverfahren Bezug nimmt. Damit
sind die einzelnen Forderungsbeträge zugeordnet und der Klagegegenstand
auch im Hinblick auf die materielle Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) eines späteren
Urteils in dieser Sache ausreichend individualisiert (vgl. BGH, Urteil vom
21. Juli 2020 II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 12 mwN).

2. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Berufungsgerichts,
dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der
Klageforderung bestanden haben. Das Berufungsgericht hat weder die Anforderungen
an die Darlegungslast des Klägers verkannt noch hat es das Bestreiten
der Gläubigerforderungen durch den Beklagten zu Unrecht als unbeachtlich angesehen.
Soweit das Berufungsgericht den Einwand der teilweisen Erfüllung der
Gläubigerforderung durch Auskehr des Erlöses aus dem Verkauf des zweiten
Fondsschiffs vor Abrechnung des Gläubigers rechtsfehlerhaft für unerheblich erachtet
hat, trägt die Hilfsbegründung des Gerichts, auch bei Berücksichtigung
des Erlöses bestünden Gläubigerforderungen in Höhe von ca. 5.500.000 €, die
die Klageforderung übersteigen.

a) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt,
die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte
Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom
25. Juli 2005 II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740 mwN; Beschluss vom
9. Februar 2009 II ZR 77/08, WM 2009, 1154 Rn. 4). Zur Darlegung der Gläubigerforderungen,
für die der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4
HGB haftet, ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter, der während des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft das den Gesellschaftsgläubigern
nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht ausübt, die Insolvenztabelle
vorlegt mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse
befriedigt werden können (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 II
ZR 37/10, juris Rn. 9; Urteil vom 20. Februar 2018 II
ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 15,
jeweils mwN; Urteil vom 21. Juli 2020 II
ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 14).

Zu Unrecht meint die Revision, die Vorlage der Insolvenztabelle genüge
hier zur Darlegung nicht, da der Kommanditist keine Möglichkeit mehr gehabt
habe, Informationsrechte geltend zu machen und auf Widersprüche hinzuwirken,
weil über das Vermögen der Komplementärin ebenfalls das Insolvenzverfahren
eröffnet worden und diese aufgelöst sei. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Gesellschafters
auf die Komplementärin spielen für die Darlegung der Gläubigerforderungen
durch den Kläger keine Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2018
II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 15, 19 ff.).

Die erklärungsbelastete Partei hat soll
ihr Vortrag beachtlich sein auf
die Behauptungen ihres Prozessgegners grundsätzlich "substantiiert", d.h. mit
näheren Angaben, zu erwidern. Ein substantiiertes Vorbringen kann grundsätzlich
nicht pauschal bestritten werden. Eine nähere Stellungnahme zu den Forderungen,
die in der Insolvenztabelle festgestellt wurden, ist dem Beklagten auch
möglich. Die erforderlichen Informationen kann er von der Schuldnerin einfordern.
Im Insolvenzverfahren richtet sich der Informationsanspruch des Kommanditisten
nach § 166 Abs. 1 HGB, der während der laufenden Insolvenz gegen den
Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft geltend zu machen ist. Zusätzlich
kann er um Akteneinsicht nach § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO ersuchen (BGH,
Urteil vom 20. Februar 2018 II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 20 mwN; Urteil
vom 21. Juli 2020 II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 15).

Das Bestreiten der Gläubigerforderungen ist unbeachtlich, wenn dem
Kommanditisten Einwendungen aufgrund der Wirkungen der widerspruchslosen
Feststellung der Forderungen in der Insolvenztabelle nach § 129 Abs. 1, § 161
Abs. 2 HGB abgeschnitten sind. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle
hat für den Insolvenzverwalter und die Gläubiger gemäß § 178 Abs. 3 InsO
die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils und beschränkt grundsätzlich die Einwendungsmöglichkeiten
des Kommanditisten (BGH, Urteil vom 20. Februar 2018
II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 21 ff.).

Eine Verletzung des Rechts des Beklagten auf Gewährung rechtlichen
Gehörs zur Teilnahme am Prüftermin und zur Erhebung eines Widerspruchs ist
im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und gebietet keine einschränkende Auslegung
der § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Schuldnerin ist vor dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Komplementär-GmbH eröffnet worden. Die Bestimmung des Termins zur Prüfung
der angemeldeten Forderungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist damit nicht
nur öffentlich bekannt gemacht, sondern der Komplementär-GmbH als Vertreterin
der Schuldnerin gemäß § 30 Abs. 2 InsO mit dem Eröffnungsbeschluss zugestellt
worden. Dies müssen die Schuldnerin und deren Gesellschafter gegen sich
gelten lassen (BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 II
ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 38). Darauf, wann der Prüfungstermin stattfand, kommt es entgegen der
Sicht der Revision nicht an. Der Kommanditist hat erforderlichenfalls auf einen
Widerspruch durch den Insolvenzverwalter hinzuwirken (BGH, Urteil vom
20. Februar 2018 II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 34).

Diese Grundsätze gelten auch für die persönliche Forderung eines absonderungsberechtigten
Gläubigers, die "für den Ausfall" oder "in Höhe des nachzuweisenden
Ausfalls" festgestellt wurde (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020
II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 16). Diese Beschränkung deutet nur auf das
nach § 52 Satz 2, § 190 InsO eingeschränkte Recht des absonderungsberechtigten
Gläubigers bei der Verteilung hin und berührt nicht die Wirkung der Feststellung
nach § 178 Abs. 3 InsO (RGZ 22, 153, 154; 139, 83, 86; BGH, Urteil vom
25. Juni 1957 VIII ZR 251/56, WM 1957, 1225, 1226; Urteil vom 30. Januar
1961 II ZR 98/59, WM 1961, 427, 429; Urteil vom 21. Juli 2020 II
ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 16). Erlangt ein Gläubiger aber nach Feststellung seiner Forderung
zur Tabelle aus seinem Absonderungsrecht eine teilweise Befriedigung
seiner Forderung, so erlischt diese insoweit gemäß § 362 Abs. 1 BGB. Der Berücksichtigung
der Erfüllung steht die Rechtskraftwirkung der widerspruchslosen
Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle nicht entgegen. Sie schließt die
Berücksichtigung nach Rechtskraft eintretender Umstände nicht aus (vgl. § 767
Abs. 2 ZPO). Auf diese Wirkung kann sich auch der Kommanditist berufen (§ 129
HGB).

b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe zur Tabelle
festgestellte Forderungen in Höhe von 11.500.000 € dargetan, ist rechtlich nicht
zu beanstanden. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch festgestellt,
die Auszahlung des Erlöses aus dem Verkauf des zweiten Schiffs an den Gläubiger
sei erst nach Abrechnung durch diesen von Bedeutung. Insoweit trägt aber
die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, auch bei Berücksichtigung des Erlöses
bestünden Gläubigerforderungen in Höhe von ca. 5.500.000 €, die die Klageforderung
überstiegen.

aa) Die vom Kläger vorgelegte Insolvenztabelle weist festgestellte Gläubigerforderungen
in Höhe von 11.548.906,17 € aus. Aufgrund der Wirkung der
Feststellung der Forderungen zur Tabelle nach § 178 Abs. 3 InsO gegenüber
dem Kommanditisten gemäß § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB ist es entgegen
der Ansicht der Revision unerheblich, ob die Fälligkeit aus § 41 InsO oder einer
Kündigung der Darlehen folgt. Nachrangige Forderungen hat das Berufungsgericht
seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Die insoweit erhobenen Einwände
gehen daher ins Leere. Auch aus dem Vortrag der Revision, der Kläger
habe zwischenzeitlich zur Anmeldung nachrangiger Forderungen aufgefordert,
ergibt sich nicht, dass die Forderungen nicht oder nur in geringerer Höhe bestehen.

bb) Zu Unrecht hält das Berufungsgericht den Einwand der Erfüllung der
Gläubigerforderung vor einer Abrechnung durch den Gläubiger für unbeachtlich.
Ob der Einwand der Erfüllung berechtigt ist, richtet sich allein danach, ob die
Befriedigungswirkung durch die Verwertung des Sicherungsguts eingetreten ist.
Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Darlegungsund
Beweislast für die (teilweise) Erfüllung der Gläubigerforderung hat der in Anspruch
genommene Gesellschafter; jedoch hat der Insolvenzverwalter die für die
Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen,
sofern nur er dazu im Stande ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2020
II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 21 mwN). Welche Umstände der Insolvenzverwalter
zur Verwertung des Sicherungsguts auf den Einwand der Erfüllung hin
darlegen muss, hängt davon ab, in wessen Händen die Verwertung liegt.

cc) Hierauf kommt es nach der Hilfsbegründung des Berufungsgerichts jedoch
nicht an. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise darauf abgestellt, dass, selbst wenn man unterstellen würde, es
sei noch ein weiterer Schiffserlös von ca. 6.000.000 € in Form eines Abzugs von
den für den Ausfall festgestellten Forderungen zu berücksichtigen, die verbleibende
Forderungshöhe das Masseguthaben noch immer um fast 1.000.000 €
übersteigen würde.

3. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, für die
Inanspruchnahme des Beklagten gemäß § 171 Abs. 2 HGB durch den Insolvenzverwalter
sei es unerheblich, ob die Forderungen, für die die Kommanditisten
haften, bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter der Höhe nach gedeckt
sind.

a) Dem Kommanditisten steht gegenüber dem Insolvenzverwalter der Einwand
zu, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden,
für die er haftet, nicht erforderlich ist (RGZ 51, 33, 38; BGH, Urteil vom 16. Mai
1958 II ZR 83/57, NJW 1958, 1139; Urteil vom 11. Dezember 1989
II ZR 78/89, BGHZ 109, 334, 344; Urteil vom 22. März 2011 II
ZR 271/08, BGHZ 189, 45 Rn. 18; Beschluss vom 18. Oktober 2011 II
ZR 37/10, juris Rn. 9; Urteil vom 20. Februar 2018 II
ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 39). Die
Darlegungs- und Beweislast hierfür hat der in Anspruch genommene Gesellschafter;
jedoch hat der Insolvenzverwalter die für die Befriedigung der Gläubiger
bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, sofern nur er dazu im
Stande ist (BGH, Urteil vom 3. Juli 1978 II
ZR 54/77, WM 1978, 898, 899; Urteil
vom 9. Februar 1981 II ZR 38/80, WM 1981, 761; Urteil vom 11. Dezember
1989 II ZR 78/89, BGHZ 109, 334, 344; Urteil vom 20. Februar 2018
II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 39).

Die Höhe der bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen
Rückzahlungen der Kommanditisten ist ein für die Gläubigerbefriedigung bedeutsamer
Umstand, dessen Darlegung typischerweise nur dem Insolvenzverwalter
möglich ist. Der Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme entsprechend
§ 422 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB einwenden, dass durch Zahlungen
anderer Kommanditisten der zur Deckung dieser Gesellschaftsschulden nötige
Betrag bereits ganz oder teilweise aufgebracht wurde. Die Erforderlichkeit der
Inanspruchnahme des Kommanditisten ist nicht alleine davon abhängig, ob diese
Gesellschaftsschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse
gedeckt werden können (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 II
ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 25 ff. mwN).

b) Das Berufungsgericht hat danach den Einwand des Beklagten, die Insolvenzmasse
decke nur deswegen nicht die Gläubigerforderungen, hinsichtlich
derer eine Haftung der Kommanditisten bestehe, weil der Kläger Verbindlichkeiten
beglichen habe, für die eine Haftung der Kommanditisten nicht bestehe, zu
Unrecht für unerheblich angesehen.

III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht
hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe der Kläger von
den Gesellschaftern der Schuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im
Hinblick auf deren Außenhaftung Zahlungen erhalten hat und in welcher Höhe
Verbindlichkeiten von der Außenhaftung erfasst sind. Das neue Vorbringen des
Beklagten, der Kläger habe bis zum 6. Mai 2019 Zahlungen anderer Kommanditisten
in Höhe von 6.829.314,22 € eingezogen, kann im Revisionsverfahren nicht
berücksichtigt werden. Es bedarf daher weiterer Feststellungen dazu, ob die Forderungen,
für die die Kommanditisten haften, durch die Zahlungen anderer Kommanditisten
der Höhe nach gedeckt sind.

a) § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmt, dass lediglich dasjenige Vorbringen
der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt, das aus dem Tatbestand des
Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Urteilsgrundlage
wird durch das Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen. Neue Tatsachen
dürfen im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 559 Abs. 1 Satz 1
ZPO jedoch einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch
Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens oder nach Schluss der
mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetreten sind, in die Urteilsfindung
einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz
ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange
der Gegenseite nicht entgegenstehen (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998
IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214, 221 f.; Urteil vom 23. September 2014
VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 21; Urteil vom 2. März 2017 I
ZR 273/14, NJW-RR 2017, 676 Rn. 44, alle mwN).

b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Berücksichtigung des
neuen Vorbringens verletzt schützenswerte Belange des Klägers. Die Feststellungen
des Berufungsgerichts sind aufgrund des neuen Vortrags unzureichend
und der Kläger hat hierdurch Anlass zu weiterem Vortrag.
Die Berücksichtigung der neuen Tatsache erfordert Feststellungen dazu,
ob und in welcher Höhe vom Erlös der Schiffe Kosten der Feststellung oder Verwertung
(§ 170 Abs. 1 Satz 1 InsO) abzuziehen sind. Der Kläger hat darüber
hinaus Anlass vorzutragen, ob zwischenzeitlich weitere, auch nachrangige Forderungen
angemeldet wurden, für die die Gesellschafter haften. Der Beklagte
selbst hat vorgetragen, der Kläger habe die Gläubiger zwischenzeitlich zur Anmeldung
nachrangiger Forderungen aufgefordert. Entgegen der Ansicht der
Revision haftet der Kommanditist auch für nachrangige Forderungen gemäß § 39
Abs. 1 Nr. 1 InsO. Diese sind Insolvenzforderungen und unterliegen wie die
Hauptforderung der Haftung der Gesellschafter (vgl. OLG Hamm, ZInsO 2019,
2648, 2652; OLG München, ZInsO 2019, 2319, 2323; OLG Stuttgart, ZIP 2020,
136, 137; MünchKommHGB/K. Schmidt, 4. Aufl., §§ 171, 172 Rn. 111; vgl.
Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 39 Rn. 8, 18; a.A. AG Völklingen,
ZInsO 2020, 430, 432).

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Soweit
sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, dass die Forderungen, für die die
Gesellschafter haften, durch Zahlungen anderer Kommanditisten bereits gedeckt
sind, wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der unter II. 2. a) dargestellten
Darlegungs- und Beweislastgrundsätze zu prüfen haben, ob die Inanspruchnahme
des Beklagten unter Berücksichtigung der sonst zur Verfügung stehenden
Insolvenzmasse erforderlich ist. Diese Prüfung ist von einer Prognose
abhängig, die naturgemäß mit Unsicherheiten belastet ist. Der Kläger ist angesichts
dessen berechtigt, den nach den Verhältnissen der Insolvenzmasse für die
Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag unter Berücksichtigung solcher Unsicherheiten
zu schätzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 II ZR 175/19,ZIP 2020, 1869 Rn. 34).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

10.11.2020

Aktenzeichen:

II ZR 132/19

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kommanditgesellschaft (KG)
Allgemeines Schuldrecht
OHG
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

HGB § 171; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 1