Zum zulässigen Prüfungsstoff in der notariellen Fachprüfung
letzte Aktualisierung: 21.1.2021
BGH, Beschl. v. 16.11.2020 – NotZ(Brfg) 5/20
BNotO §§ 7a, 7a ff.; NotFV §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 18 Abs. 2
Zum zulässigen Prüfungsstoff in der notariellen Fachprüfung
a) § 18 Abs. 2 NotFV stellt eine Ausschlussfrist dar.
b) Zu der Bedeutung der Beschränkung des Prüfungsstoffs auf die Grundzüge eines Rechtsgebiets
und zur Rechtmäßigkeit von Bewertungen schriftlicher Prüfungsleistungen bei der notariellen
Fachprüfung.
Gründe:
Der Beklagte stellte fest, dass die Klägerin vom mündlichen Teil der notariellen
Fachprüfung ausgeschlossen sei und diese nicht bestanden habe. Die
nach erfolglosem Widerspruch gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hat das
Kammergericht abgewiesen. Die Klägerin beantragt, hiergegen die Berufung zuzulassen.
Der Antrag ist nicht begründet. Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen weder ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Urteils (
mit
beruhen kann (
Satz 2 BNotO).
1. Das Kammergericht hat zu Recht angenommen, dass sich die Klägerin
auf den von ihr behaupteten Mangel einer Lärmbelästigung während der Klausur
F 20-87 nicht berufen kann, weil sie diesen nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass es sich bei der in § 18
Abs. 2 der Verordnung über die notarielle Fachprüfung in der Fassung vom 7. Mai
2016 (NotFV) normierten Antragsfrist um eine Ausschlussfrist handelt.
Gemäß § 18 Abs. 1 NotFV kann auf Antrag eines Prüflings die Wiederholung
der Prüfung angeordnet werden, wenn das Prüfungsverfahren mit Mängeln
behaftet war, die die Chancengleichheit der Prüflinge erheblich verletzt haben.
Ein solcher Antrag ist innerhalb eines Monats zu stellen, nachdem die Antragstellerin
oder der Antragsteller Kenntnis von dem Mangel erlangt hat, § 18 Abs. 2
NotFV. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist der Prüfling mit einem solchen
Antrag nach Ablauf der Frist ausgeschlossen. Sähe man diese dagegen nicht als
Ausschlussfrist an, käme ihr - was offensichtlich sinnwidrig wäre - (gar) keine
Bedeutung zu. Soweit die Klägerin auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
vom 10. August 1994 (
Kommentierung von Niehues/Fischer/Jeremias (Prüfungsrecht, 7. Aufl., Rn. 484)
verweist, verkennt sie, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
sowie die Ausführungen in der Kommentierung sich auf Fälle beziehen, in denen
die maßgebliche Prüfungsordnung eine Ausschlussfrist nicht vorsieht. Demgegenüber
weist das Kammergericht zutreffend und von der Klägerin in diesem
Punkt nicht angegriffen darauf hin, dass eine Regelung, die - wie hier § 18 Abs. 2
NotFV - dazu führt, dass der Prüfling bei verspäteter Geltendmachung mit seiner
Rüge ausgeschlossen ist, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
nicht zu beanstanden ist (
Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl., Rn. 478, 485, 219).
Da die Klägerin hiernach mit der Geltendmachung der behaupteten Lärmbelästigung
ausgeschlossen ist, hat die Vorinstanz ihre sich darauf beziehenden
Beweisanträge zu Recht zurückgewiesen; auch ein Verfahrensmangel, auf dem
die Entscheidung beruhen kann (
2. Das Kammergericht hat weiter zutreffend angenommen, dass in der
Klausur F 20-87 kein unzulässiger Prüfungsstoff abgefragt wird.
a) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 NotFV umfasst der Prüfungsstoff das Recht der
Personengesellschaften und Körperschaften einschließlich der Grundzüge des
Umwandlungs- und Stiftungsrechts. Die Beschränkung auf die "Grundzüge" eines
Rechtsgebiets bedeutet, dass einerseits die allgemeinen Grundlagen dieses
Sachgebietes, andererseits aber auch einzelne Fragenkreise im Überblick geprüft
werden können, die nach dem Inhalt und der Häufigkeit, mit der sie sich
stellen, von erheblicher Bedeutung sind, wobei sich diese erhebliche Bedeutung
auf die notarielle Amtstätigkeit bezieht. Davon geht das Kammergericht unter
Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 1997 (NJW
1998, 323, juris Rn. 41) zu Recht aus. Nicht erforderlich ist es dagegen, dass die
geprüften Fragen sich oftmals stellen oder gar regelmäßig auftreten. Die notarielle
Amtstätigkeit beschränkt sich nicht auf die Bewältigung von Standardsituationen.
Dass sich solche Fragen hin und wieder stellen, muss für die Prüfungserheblichkeit
genügen. Lediglich darf Einzelwissen in seltenen und atypischen Spezialfragen,
die sich in der beruflichen Praxis kaum jemals stellen können, in der
Prüfung nicht als präsentes Wissen abgefragt werden. Nur Fragen, die nach den
mit ihnen gestellten Anforderungen außerhalb dieses Rahmens liegen, sind unzulässig.
Soweit sie sich hingegen im Grenzbereich bewegen und daher zulässig
sind, lässt sich dies bei der Bewertung des Schwierigkeitsgrads der Prüfungsaufgabe
berücksichtigen (BVerwG aaO - zur Prüfung als vereidigter Buchprüfer).
Die Klägerin geht dagegen von einem unrichtigen Maßstab aus. Sie meint
unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai
2014 (M 4 K 13.1953, juris Rn. 41), generell werde der Schwierigkeitsgrad der
entsprechenden Aufgaben begrenzt. Nicht mehr zugelassen seien solche Fragen,
die allein mit einem Grundwissen in dem bezeichneten Sachgebiet offensichtlich
nicht zu lösen seien; dabei müsse die Begrenzung so gefasst werden,
dass lediglich Verständnis und Arbeitsmethoden abgeprüft werden dürften. Die
Klägerin verkennt indes, dass sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts
München nicht auf die Frage beziehen, was unter den "Grundzügen" eines
Rechtsgebiets zu verstehen ist. Sie sind vielmehr zu einer § 5 Abs. 2 NotFV entsprechenden
Regelung in § 58 Abs. 1 Satz 2 und 3 der bayerischen Ausbildungsund
Prüfungsordnung für Juristen vom 13. Oktober 2003 ergangen (VG München,
ebenda). Gemäß § 5 Abs. 2 NotFV dürfen andere Rechtsgebiete - mithin
solche, die nicht in § 5 Abs. 1 NotFV genannt sind - im Zusammenhang mit dem
Prüfungsstoff zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden, wenn sie in der
notariellen Praxis typischerweise in diesem Zusammenhang auftreten oder soweit
lediglich Verständnis und Arbeitsmethode festgestellt werden sollen und Einzelwissen
nicht vorausgesetzt wird, § 5 Abs. 2 NotFV.
b) Das Kammergericht hat in Anwendung des von ihm zutreffend zugrunde
gelegten Maßstabs zu Recht angenommen, dass sich der in der Klausur F 20-87
abgeprüfte Stoff im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 NotFV hält. Es reicht aus, wenn
sich die Fragen für einen Notar hin und wieder stellen, wobei Einzelwissen in
seltenen oder atypischen Spezialfragen, die sich in der beruflichen Praxis kaum
jemals stellen können, in der Prüfung nicht als präsentes Wissen abgefragt werden
dürfen.
Das war hier nicht der Fall. Der in der Klausur geprüfte Stoff bezieht sich
vorrangig auf das Handelsrecht (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 NotFV), das Recht der Personengesellschaften
und Körperschaften (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 NotFV) sowie das notarielle
Kostenrecht (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 NotFV). Dabei musste neben der Anmeldung
eines einzelkaufmännischen Unternehmens und einer neu errichteten GmbH &
Co. KG zum Handelsregister auch ein Ausgliederungsvertrag entworfen werden,
durch den das gesamte Vermögen des einzelkaufmännischen Unternehmens
ausgegliedert und auf die GmbH & Co. KG übertragen wird. Dass sich eine solche
Frage in der notariellen Praxis jedenfalls hin und wieder stellt, hat das Kammergericht
zu Recht angenommen. Dagegen hat sich die Klägerin auch nicht
gewendet. Bei der Fertigung des Ausgliederungsvertrags war eine Vielzahl von
Vorschriften des Umwandlungsgesetzes zu erkennen und zu erwägen. Mehr als
eine Anwendung des jeweiligen Wortlauts der Vorschriften war aber - wie die
Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat und wogegen sich die Klägerin ebenfalls
nicht wendet - nicht erforderlich. Einzelwissen in seltenen und atypischen Spezialfragen
wurde nicht abgefragt.
3. Ebenfalls zutreffend ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass
die Erörterungen der Klägerin in der Klausur F 20-87 zu einer möglichen Umwandlung
in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine offene Handelsgesellschaft
nicht mehr vertretbar sind. Die Bewertung des Erstkorrektors ist nicht
fehlerhaft.
a) Nach ständiger Rechtsprechung dürfen zutreffende Antworten und
brauchbare Lösungen nicht als falsch bewertet werden. Soweit die Richtigkeit
oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht
eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten
Raum lässt, muss dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestan-
den werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete
Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Fachliche Meinungsverschiedenheiten
zwischen Prüfer und Prüfling sind der gerichtlichen Kontrolle
nicht entzogen. Vielmehr hat das Gericht aufgrund hinreichend substantiierter
Einwendungen des Prüflings notfalls mit sachverständiger Hilfe darüber zu befinden,
ob die von dem Prüfer als falsch bewertete Lösung im Gegenteil richtig oder
jedenfalls vertretbar ist. Unter Fachfragen sind alle Fragen zu verstehen, die fachwissenschaftlicher
Erörterung zugänglich sind. Hierunter fallen sowohl Fragen,
die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft
kontrovers behandelt werden. Demgegenüber wird dem Prüfer ein Bewertungsspielraum
zugebilligt, soweit komplexe prüfungsspezifische Bewertungen
- beispielsweise bei der Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, bei
der Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung oder bei der
Würdigung der Qualität der Darstellung - im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens
getroffen werden müssen und sich nicht ohne weiteres in nachfolgenden
Verwaltungsstreitverfahren einzelner Prüflinge isoliert nachvollziehen
lassen.
Es geht zunächst um Fachfragen, wenn bei einer Beurteilung juristischer
Prüfungsleistungen Methodik sowie Art und Umfang der Darstellung in Bezug auf
Lösungsansatz und zur Prüfung gestellte Normen in Rede stehen. Insbesondere
ist der fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich, ob bei der Lösung eines
mit der Aufgabe gestellten Rechtsproblems die Prüfung einer Norm geboten, vertretbar
oder fernliegend ist. Erst wenn feststeht, dass Vorzüge und Mängel einer
Arbeit unter Beachtung des dem Prüfling zukommenden Antwortspielraums fachwissenschaftlich
korrekt erfasst worden sind, und sich sodann die Frage nach der
Bewertung, insbesondere der richtigen Benotung stellt, ist Raum für die Annahme
des prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluss
vom 13. März 2017 - NotZ(Brfg) 6/16,
mwN; BVerwG,
28/98, juris Rn. 4; vom 28. Juni 2018 - 2 B 57/17, juris Rn. 7 ff.;
juris Rn. 26; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl., Rn. 879 ff.). Gegenstand
der gerichtlichen Kontrolle im Streit um die Rechtmäßigkeit der Bewertung
sind die angefochtenen Ursprungsbewertungen in der Gestalt, die sie durch
die Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren erhalten haben
(st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluss vom 13. März 2017 aaO Rn. 3 mwN).
b) Nach diesen Maßstäben hat das Kammergericht die Ausführungen der
Klägerin in der Klausur zu Recht als nicht mehr vertretbar beurteilt. Entgegen der
Ansicht der Klägerin liegt der Beurteilung des Kammergerichts kein Fehlverständnis
der Aufgabenstellung zugrunde. Die Klägerin übergeht, dass es im ersten
Absatz der Aufgabenstellung heißt, B wolle "eine Personengesellschaft erwerben,
in der weder er noch sonst eine natürliche Person unbeschränkt haftet."
Damit schied die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft (§§ 105, 128
HGB) ersichtlich unmittelbar aus. Zwar gibt es Gesellschaften bürgerlichen
Rechts, in denen kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, etwa bauwirtschaftliche
Arbeitsgemeinschaften (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001
- II ZR 331/00,
Weiterführung des Tiefbauunternehmens ersichtlich nicht in Betracht. Ausführungen
zur offenen Handelsgesellschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts waren
daher nicht mehr vertretbar. Dies gilt umso mehr, als es im zweiten Absatz
der Aufgabenstellung heißt: "Der Empfehlung des Steuerberaters folgend soll
eine GmbH & Co. KG geschaffen werden." Damit wurde den Prüflingen im Sinne
einer Hilfestellung die Rechtsform der Personengesellschaft genannt, die die im
ersten Absatz genannten Kriterien erfüllte.
c) Nach alledem leidet das gebotene Überdenkungsverfahren in Bezug auf
die Erstkorrektur der Klausur F 20-87 entgegen der Ansicht der Klägerin nicht an
einem Verfahrensfehler, der sich auf das Prüfungsergebnis hätte auswirken können.
Der Verfahrensfehler liegt nach Ansicht der Klägerin darin, dass eine Mitarbeiterin
des Beklagten den Erstkorrektor, nachdem er im Rahmen des Überdenkungsverfahrens
die Ausführungen der Klägerin als nicht vertretbar beurteilt
hatte, telefonisch dahin beeinflusst habe, dass er diesem "Fehler" mit der
"Schutzbehauptung" begegnet sei, die Ausführungen seien weder negativ noch
positiv bewertet worden.
Nach den obigen Ausführungen liegt aber kein "Fehler" des Erstkorrektors
vor. Der Erstkorrektor, der die Ausführungen in seinem Erst-Votum als "unnötig"
bezeichnet hat, hat mit der Bewertung "nicht vertretbar" im Überdenkungsverfahren
eine Formulierung der Klägerin in ihren Beanstandungen aufgegriffen und
damit verdeutlicht, dass er die Ausführungen nicht als vertretbare Lösung und
daher nicht als fachlich richtig ("positiv") bewertet hat. Das war - wie ausgeführt -
im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar und hat sich in der Sache als richtig
erwiesen. Auswirkungen des Telefonats auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung
können daher ausgeschlossen werden (vgl.
Rn. 21 f.; Beschluss vom 13. März 1998 - 6 B 28/98, juris Rn. 7).
4. Zu Recht hat das Kammergericht schließlich Bewertungsfehler im Hinblick
auf die Klausur F 20-95 verneint. Die dagegen gerichteten Rügen der Klägerin
greifen nicht durch.
a) Die Ansicht der Klägerin, die Bewertung des Erstkorrektors im Rahmen
der Aufgabe 2 sei widersprüchlich und damit willkürlich, der Erwartungshorizont
lasse sich lediglich so verstehen, dass
können, dies aber keineswegs zwingend sei, greift nicht durch. Zu Recht hat das
Kammergericht bereits dem Gesamtzusammenhang des Erstvotums entnommen,
dass der Erstkorrektor die Prüfung von
Anwendung der oben unter 3 a genannten Maßstäbe (vgl. insbesondere Senatsbeschluss
vom 13. März 2017 aaO) hat es ferner auf die Ursprungsbewertung in
der Gestalt, die sie durch die Stellungnahme des Erstkorrektors im Überdenkungsverfahren
erhalten hat, abgestellt und ausgeführt, dass dieser in seiner
Stellungnahme deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine Prüfung von
b) Der Rüge der Klägerin, sie habe im Rahmen der Aufgabe 5 ausdrücklich
und inhaltlich zutreffend eine Entziehung des Pflichtteils von C angesprochen
und diese Ausführungen seien unberücksichtigt geblieben, obwohl bei verständiger
Würdigung zu erkennen sei, dass die Klägerin sie auch der Aufgabe 3 zugeordnet
habe, ist kein Erfolg beschieden.
aa) Das Vorbringen der Klägerin ist neu. Sie hat diese Rüge weder im
Widerspruchsverfahren noch im Rahmen der ihr gemäß § 87b Abs. 1 VwGO gesetzten
Frist in erster Instanz erhoben. Im Laufe des gesamten bisherigen Verfahrens
hat sie die Ansicht vertreten, es sei fernliegend, einen Grund zur Pflichtteilsentziehung
zu bejahen. Es hätte daher nicht negativ bewertet werden dürfen,
dass sie
habe. Der gegenteiligen Ansicht des Kammergerichts tritt die Klägerin nunmehr
in Bezug auf ihre Erörterungen im Rahmen der Aufgabe 3 aber nicht mehr
entgegen.
bb) Soweit die Klägerin im Zulassungsantrag nun erstmals vorträgt, ihre
im Rahmen der Aufgabe 5 erfolgten Ausführungen zu
geblieben, ist sie mit diesem Vorbringen ausgeschlossen, § 87b
Abs. 1, § 128a Abs. 1 VwGO. Zwar hat das Berufungsgericht bei der Entscheidung
über den Zulassungsgrund des
auch vom Antragsteller erstmals innerhalb der Antragsfrist vorgetragene und
nach materiellem Recht entscheidungserhebliche Tatsachen zu berücksichtigen
(BVerwG,
des § 128a Abs. 1 VwGO vorliegen, unter denen das Berufungsgericht
neue Erklärungen und Beweismittel ausnahmsweise zurückweisen kann
(BVerwG, aaO Rn. 7; BayVGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 5 ZB 07.2149,
juris Rn. 11). So liegt es hier.
(1) Der Vorsitzende des Senats für Notarsachen des Kammergerichts hat
der Klägerin mit ihr am 18. März 2019 zugestellter Verfügung vom 13. März 2019
aufgegeben, binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten ab Zustellung die
Tatsachen zu bezeichnen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung
im Prüfungsverfahren sie sich beschwert fühlt. Er hat ferner darauf hingewiesen,
dass nach Ablauf der Frist vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel
zurückgewiesen werden können,
(2) Die Klägerin hat innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht gerügt, dass die
Korrektoren ihre im Rahmen der Aufgabe 5 erfolgten Ausführungen zu § 2333
BGB nicht oder nicht richtig bewertet hätten. Wie die Prüfer die Ausführungen zu
Voten des Erst- und des Zweitkorrektors. Da die Klägerin eine darauf bezogene
Rüge im Widerspruchsverfahren nicht erhoben hat, hatten die Prüfer keinen Anlass,
sich damit im Überdenkungsverfahren zu befassen (vgl. Niehues/Fischer/
Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl., Rn. 789; Unger, Möglichkeiten und Grenzen
der Anfechtbarkeit juristischer (Staats-)Prüfungen, 2016, S. 509 ff.). Auch das
Kammergericht musste nur solchen Einwendungen der Klägerin nachgehen, die
diese "substantiiert" vorgebracht hat (BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995
- 6 B 39/94, juris Rn. 7 mwN; vgl. auch Unger aaO, S. 567 ff.). Die Zulassung der
neuen Rüge würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern, zumal erneut ein
Überdenkungsverfahren erforderlich wäre.
c) Die Rüge der Klägerin, das Kammergericht habe in Bezug auf die Kritik
des Erstkorrektors an der Bearbeitung der Aufgabe 4 (Ausführungen zu § 2333
BGB fernliegend) den Antwortspielraum der Klägerin verkannt, greift nicht durch.
Zu Recht hat die Vorinstanz in zutreffender Anwendung der oben unter 3a
bereits genannten Maßstäbe in fachlicher Hinsicht überprüft, ob die Beurteilung
des Erstkorrektors, die Ausführungen der Klägerin zu
zutrifft. Es hat dies mit überzeugender Begründung bejaht. Auch der Senat
hält es für fernliegend, im Hinblick auf das nach der Aufgabenstellung schwer
geistig und körperlich behinderte neunjährige Kind E die Entziehung des Pflichtteils
gemäß
- ohnehin nur pauschalen - Vorbringen der Klägerin "andere Votanten" eine Überprüfung
der Voraussetzungen der Norm erwartet hätten, kommt es nicht an.
d) Schließlich ist auch der im Hinblick auf die Klausur F 20-95 erhobenen
Rüge der Klägerin, der Bewertungsvorgang werde den an ihn anzulegenden
Maßstäben nicht gerecht, und sie habe eine Leistung erbracht, die offensichtlich
durchschnittlichen Anforderungen noch genüge, kein Erfolg beschieden.
aa) Die Bemessung der von einer Prüfungsaufgabe abverlangten Leistungsanforderungen
gehört zu der fach- und prüfungsspezifischen Beurteilung
einer Prüfungsleistung. Ebenso wie die Bewertung der Prüfungsleistungen im engeren
Sinne beruht der dieser zu Grunde liegende Beurteilungsmaßstab, mithin
der Inhalt und die Höhe der Leistungsanforderungen, auf fachwissenschaftlichen
und prüfungsspezifischen Gesichtspunkten, so dass dem Prüfer hierbei ein weiter
Beurteilungs- und Bemessungsspielraum eingeräumt ist. Die gerichtliche
Kontrollbefugnis erstreckt sich insoweit lediglich auf die Einhaltung der einschlägigen
prüfungsrechtlichen Vorschriften, namentlich auf die Vereinbarkeit mit dem
Ziel und Zweck der Prüfung, sowie - neben den sonstigen rechtsstaatlichen
Grundanforderungen - auf die Wahrung der allgemein gültigen Bewertungsgrundsätze,
wie das Willkürverbot, der Grundsatz der Chancengleichheit und das
Bestehen eines Antwortspielraums (vgl.
vom 29. April 2010 - 8 A 3247/09, juris Rn. 42; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht,
7. Aufl., Rn. 639 ff.).
bb) Solche Fehler zeigt die Klägerin mit ihrer Rüge nicht auf und sind auch
nicht ersichtlich. Zu Recht hat das Kammergericht angenommen, dass eine vollständige
Neubewertung der Leistungen der Klägerin im Rahmen des Überdenkungsverfahrens
durch die Korrektoren nicht erforderlich war. Entgegen der Ansicht
der Klägerin steht die Bewertung der Prüfer auch nicht im Widerspruch zu
den Prinzipien der Sachbezogenheit und Systemgerechtigkeit. Die notarielle
Fachprüfung dient dem Nachweis, dass und in welchem Grad ein Rechtsanwalt
für die Ausübung des Notaramtes als Anwaltsnotar fachlich geeignet ist, § 7a
Abs. 2 Satz 1,
und übt einen gebundenen Beruf aus. Ihm sind als selbständigem Berufsträger
gemäß § 1 BNotO die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben
der vorsorgenden Rechtspflege übertragen. Mit der ihm übertragenen Funktion
steht er dem Richter nahe (
Anhaltspunkte dafür, dass die von den Korrektoren gestellten Anforderungen an
die Güte der im Rahmen der Klausur F 20-95 abverlangten Leistung außer Verhältnis
stünden zu den Anforderungen, die mit dem Ziel und Zweck der notariellen
Fachprüfung vereinbar sind, weder vorgetragen noch ersichtlich.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:16.11.2020
Aktenzeichen:NotZ(Brfg) 5/20
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
OHG
Kostenrecht
Pflichtteil
BNotO §§ 7a, 7a ff.; NotFV §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 18 Abs. 2